Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 197. Mai 2004 AA1289
S E I T E E I N S
D
ie Kassengebühr (so genannte Praxisgebühr) scheint bereits kurz nach ihrem Wirksamwerden zu einem „Marketing-Gag“ der Krankenkassen zu degenerieren.Keine der größeren Krankenkas- sen – allen voran die Barmer, die Deutsche Angestellten-Kranken- kasse und einige Ortskrankenkas- sen – will zurückstehen; sie wollen ihre „Kunden“ damit locken, dass sie einen zunächst kassenbestimm- ten Hausarzt auswählen sollen, sich von dort überweisen lassen, um am Jahresende die volle Eintrittsge- bühr von maximal 40 Euro zu- rückerstattet zu erhalten. Ähnli- ches wird jenen Krankenversicher- ten offeriert, die sich an Disease- Management-Programmen (DMP), etwa an jenem für Diabetiker Typ 2, beteiligen.
Inzwischen hat das Bundesmini- sterium für Gesundheit und Soziale Sicherung solche Kassenabsichten begrüßt, sei es doch gerade der Sinn der Reform 2004, die hausarztzen- trierte und die kostengesteuerte Hausarztmedizin zu fördern und durch finanzielle Anreize dem Versi- cherten schmackhaft zu machen.
Dass mit dieser „Therapie“ Neben- wirkungen und Komplikationen ver- bunden sein können (etwa die Ein- schränkung der freien Arztwahl), wird dabei geflissentlich übergan- gen. Ursprünglich waren unter den Kassenexperten allerdings aus- schließlich folgende Varianten der finanziellen Anreize erörtert wor- den: nämlich Boni, Beitragsrückge- währ oder aber eine merkliche Re- duzierung des kollektiv aufgebrach- ten Krankenversicherungsbeitrags,
dessen Ermäßigung sich Arbeitge- ber und Versicherte dann teilen müss- ten. Dieses Modell funktioniert be- reits seit einigen Jahren in der priva- ten Krankenversicherung. Dort er- halten zum Beispiel die Privatversi- cherten der AXA AG in Köln einen Bonus von 125 Euro pro Jahr, wenn sie sich freiwillig für einen selbst ge- wählten Hausarzt entscheiden und sich dadurch an eine primärärztliche Erstanlaufstelle binden. Wie be- kennt doch auch CSU-Gesundheits- experte Horst Seehofer bei solchen Anlässen: Es sei eher sozial gerecht, allen Versicherten etwas abzuverlan- gen oder allen etwas finanziell zu- gute kommen zu lassen, als die Kranken durch Zuzahlungen zu be- lasten oder bei hausarztkooperati- vem Verhalten finanziell minimal zu begünstigen. Dr. rer. pol. Harald Clade
Kassengebühr
Marketing-Gag
Kölner Integrationsmodell
KV außen vor D
ie Barmer hat mit dem Univer-sitätsklinikum Köln und der Re- haklinik Bad Hermansborn einen Vertrag zur Integrierten Versorgung (IV) auf dem Gebiet der Kardiologie und Kardiochirurgie geschlossen.
Niedergelassene Kardiologen oder auch Hausärzte sitzen bislang nicht mit in diesem Boot. Man werde aber demnächst Gespräche mit örtlichen Zuweisern führen, sagte Bernd Kuß, Landesgeschäftsführer der Barmer Nordrhein, bei der Vorstellung des Vertrages in Köln. Verhandlungen mit der Kassenärztlichen Vereini- gung (KV) schloss Kuß hingegen ka- tegorisch aus: „Wir reden nur mit ein- zelnen Ärzten und Praxen.“
Das Kölner Modell zielt vor allem auf eine Verkürzung der Liegezeiten.
Viele herzkranke Patienten warteten derzeit nach einem operativen Ein-
griff – aus rein organisatorischen Gründen – vier, fünf Tage auf einen Platz in einer Rehaklinik, verdeut- lichte Prof. Dr. Erland Erdmann, Di- rektor der Klinik III für Innere Medi- zin: „Das kann man besser machen.“
Im Rahmen des IV-Vertrages garan- tiert die Rehaklinik Bad Hermans- born, allen Barmer-Versicherten je- derzeit einen Platz bereitzustellen.
„Jedes Bett in einer Universitätskli- nik ist teurer als ein Bett in einer Re- haklinik“, unterstrich Prof. Dr. Rai- ner de Vivie, Direktor der Herz- und Thoraxchirurgie.
Weitere Eckpunkte des Vertrages:
Die Vergütung erfolgt über Kom- plexpauschalen, in denen die Kosten für alle Leistungen des Universitäts- klinikums, der Rehaklinik und ergän- zender Nachsorgemaßnahmen zu- sammengefasst sind. Versicherten,
die an dem Pilotprojekt teilnehmen, erstattet die Barmer 50 Prozent der Zuzahlungen (maximal bis zu 150 Euro). Auf den kardiologischen Ein- griff gibt das Klinikum eine Gewähr- leistungsgarantie von zwei Jahren.
Auf die Frage, ob die Barmer den ambulanten Bereich bewusst ausge- grenzt habe, antwortete Kuß: „Nein, aber wir mussten ja irgendwo an- fangen.“ Der Landesgeschäftsführer zeigte sich optimistisch, niedergelas- sene Ärzte zu finden, die sich an dem Modell beteiligen. Diesen ist zu ra- ten, sich in den Verhandlungen mit den ausgebufften Kassenmanagern externen Rat zu holen, zum Beispiel bei der KV Nordrhein Consult. Dass die Barmer die KV und deren Bera- tungs-Know-how bewusst außen vor lassen will, sollte den Ärzten zu den- ken geben. Jens Flintrop