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R Mit dem Zweiten hört man besser

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46 Physik Journal 13 (2014) Nr. 10 © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

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und 15 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter einem eingeschränkten Hörver- mögen. Weltweit wird ihre Zahl auf etwa 800 Millionen geschätzt.

Für die Betroffenen bleibt mit fortschreitender Hörbeeinträch- tigung oft nur eine Möglichkeit:

ein Hörgerät. In den vergangenen Jahren haben Hörgeräte für beide Ohren, die sich miteinander syn- chronisieren lassen, an Bedeutung gewonnen. Von diesen binauralen Hörgeräten profitieren alle Schwer- hörigen, die besondere Probleme beim Hören im Störschall und bei der Ortung von Schallquellen haben.

Hören ist ein komplexer Vor- gang, an dem Ohr und Gehirn beteiligt sind. Der Schall gelangt über Außen- und Mittelohr mit geringen Energieverlusten in das Innenohr. Dort werden die Schall- schwingungen durch die Haarzellen mechano-elektrisch in Nerven- impulse gewandelt. Diese Impulse verarbeitet das Gehirn weiter. Das menschliche Gehör ist ein hoch- gradig nichtlineares System, das über einen weiten Bereich von Frequenzen und Schalldruck pegeln arbeitet. Der Mensch kann des- halb selbst feinste Unterschiede im Schall wahrnehmen, etwa ob heißes oder kaltes Wasser in ein Gefäß geschüttet wird. Zudem hört der Mensch räumlich. Trifft ein Schall- signal seitlich auf den Kopf, neh- men es beide Ohren aufgrund ihres Abstands unterschiedlich wahr

– und zwar in zweifacher Hinsicht: Erstens kommt

es zu einem geome- trischen Laufzeit- unterschied, zweitens

führt die Abschattung durch den Kopf zu Pegeldifferenzen zwi- schen den beiden Ohren.

Wie gut der Mensch hört, verdeutlichen Labormessungen: Er

kann unter idealen Bedingungen Winkel unterschiede zwischen Schallquellen von nur einem Grad

wahrnehmen und Laufzeitunter- schiede in der Größenordnung von zehn Mikrosekunden.

Bei Hörbeeinträchtigungen tre- ten vor allem zwei Probleme auf:

Der Schall wird nur unzureichend zu den Haarzellen weitergeleitet, oder die Haarzellen sind ausgefal- len. Reduziert man die Beurteilung von Hörbeeinträchtigungen auf den Schalldruckpegel, sprechen Ärzte ab etwa 30 Dezibel von einem Hörverlust. Diese Angabe allein ist allerdings ein unzureichender Indikator, da er recht wenig über das Hören in Alltagssituationen aussagt, in denen meist zusätzlich Hintergrundgeräusche auftreten.

Räumliches Hören

Die wesentlichen Bestandteile eines Hörgeräts sind Mikrofon, Verstär- ker, Lautsprecher, Batterie und Si- gnalverarbeitungslogik. Hardware- seitig gibt es vor allem Unterschiede bei Verstärker, Lautsprecher und Batterie, da der zu erzeugende Schalldruckpegel an die Hörmin- derung des Trägers angepasst sein muss. Darüber hinaus unterschei- den sich die Signalverarbeitungs- algorithmen wesentlich. Binaural heißen Hörgeräte, bei denen es ir- gendeine Form von drahtlosem Da-

tenaustausch zwischen der linken und rechten Seite gibt. Die Art des Austauschs kann sehr unterschied- lich sein. Im einfachsten Fall ist die Bedienung der beiden Hörgeräte – etwa für die Lautstärke – synchro- nisiert. Komplexere binaurale Hör- geräte tauschen weitere Metadaten aus, um zum Beispiel die Mikro- fone koordiniert zu betreiben. Die höchste Stufe der Binauralität bie- ten derzeit Hörgeräte, die Audio- signale bidirektional übertragen können, mit bis zu 300 Kilobit pro Sekunde. Aufgrund des deut- lich höheren Ener gieverbrauchs geschieht dies jedoch nur zeitlich begrenzt, also situationsbezogen.

Kaum ein Hörgeräteträger möchte noch häufiger als ohnehin nötig die Batterien wechseln.

Erreicht ein Schallsignal das Ohr, sorgt ein Algorithmus im Hörgerät für ein besseres Signal- zu-Rausch-Verhältnis, indem er Sprachsignale identifiziert und ver- stärkt. Die Amplitudenmodulation ist ein Beispiel für ein dazu einge- setztes Verfahren. Dabei nutzt der Algorithmus typische Eigenschaf- ten der Sprache aus. Akustisch ge- sehen besteht Sprache aus verschie- denen Lauten unterschiedlicher Lautstärke. Die Signalstärke der

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Schwerhörigkeit ist spätestens im Alter für viele Menschen ein Problem.

Binaurale Hörgeräte nutzen räumliche Informationen.

Situationen mit einem Stimmengewirr im Hintergrund und womöglich mehre- ren Gesprächspartnern sind für Men- schen mit Hörbeeinträchtigung beson-

ders schwierig. Binaurale Hörgeräte er- leichtern zwar das Hören, bleiben aber noch deutlich hinter dem gesunden menschlichen Gehör zurück.

Siemens

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© 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Physik Journal 13 (2014) Nr. 10 47 gesprochenen Laute hat eine Dyna-

mik von etwa 30 Dezibel – variiert also um ungefähr diesen Betrag bei Gesprächen in Zimmerlautstärke.

Pro Sekunde schafft ein typischer Sprecher mehrere Silben, was sich in einer zeitlichen Modulation der Dynamik niederschlägt. Anhand dieser Amplitudenmodulation mit mehreren Hertz kann der Algo- rithmus des Hörgeräts Sprache und Hintergrundgeräusche voneinander trennen. Hintergrundgeräusche sind nämlich meist durch deutlich höhere Modulationsfrequenzen und eine viel geringere Modulati- onsdynamik gekennzeichnet. Die Analyse im Hörgerät erfolgt mehr- kanalig, woraus sich ein weiteres Differenzierungsmerkmal zwischen Nutz- und Störsignal ergeben kann.

Gerichtete Mikrofone

Wenn der Algorithmus eine Ge- sprächssituation erkannt hat und das betroffene Hörgerät über zwei Mikrofone verfügt, die an verschie- denen Stellen ins Gehäuse inte- griert sind, schaltet das Hörgerät in den Richtmodus. Dadurch nimmt das Hörgerät den Schall stärker von vorne wahr – von dort, wo in einem Gespräch das Gegenüber zu erwar- ten ist. Bei binauralen Hörgeräten können bis zu vier Mikrofone, zwei pro Gerät, daran mitwirken: Jedes für sich ist für Schall aus allen Rich- tungen ungefähr gleich empfind- lich. Sind die einzelnen Mikrofone

dagegen logisch gekoppelt, treten aufgrund ihrer geometrischen An- ordnung zwischen den erfassten Schallsignalen Laufzeitdifferenzen auf. Durch die Überlagerung der zeitkorrigierten Signale kommt es zur Interferenz. Die Schallsignale zum Beispiel von einem Gesprächs- partner gegenüber weisen nur ge- ringe Laufzeitunterschiede auf und lassen sich weitgehend rekonstru- ieren. Unerwünschte Schallsignale aus anderen Richtungen unter- drückt das Hörgerät.

Binaurale Hörgeräte gleichen nach der Spracherkennung und dem Umschalten in den Richtmo- dus die Metadaten ab, passen also beispielsweise die Lautstärken der beiden Geräte aneinander an. Wenn es die Technik der binauralen Hör- geräte erlaubt und es die Situation erfordert, kann anschließend die Übertragung von Audiostreams – also des aufbereiteten Sprachsignals – vom einen aufs andere Hörgerät erfolgen. So lassen sich einseitig wirkende Störgeräusche weiter unterdrücken. Wind, der seitlich auf den Kopf trifft, ist ein Beispiel für eine solche Situation: Bei einem Gespräch prüfen die Hörgeräte dabei, von welcher Seite weniger Wind – also Störgeräusch – kommt und nehmen dort das Sprachsignal auf. Dieses wird auf das zweite Hör- gerät übertragen, bei dem dann die Mikrofone stumm bleiben, sodass die störenden Windgeräusche das

Sprachverstehen nicht mehr beein- trächtigen.

Damit ein Hörgerät tatsächlich zu einem besseren Verstehen führt, ist es jedoch nicht damit getan, das Nutzsignal möglichst gut zu extra- hieren. Genauso entscheidend ist es, die aufbereiteten physikalischen Signale als Information nutzbar zu machen. Hier fehlt es bislang noch an praxisnahen Hörmodellen für wechselnde Situationen, weil das auditorische System aufgrund sei- ner Komplexität bisher nicht eins zu eins auf eine technische Lösung übertragbar ist. Zudem verändert sich durch einen langsamen Hör- verlust, wie er im Alter auftritt, vermutlich die Verarbeitung der Schallsignale im Gehirn.

Michael Vogel

Birger Kollmeier und Tobias Neher von der Universität Ol- denburg danke ich für hilfreiche Erläu- terungen.

Verfügt ein Hörgerät über zwei Mikrofone, lassen sich diese wie ein Richtmikrofon betreiben. Hierbei macht sich der zu- grunde liegende Algorithmus die Laufzeitunterschiede der akustischen Signale zunutze.

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