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oaching ist ein diskre- ter, individueller Bera- tungsprozeß für Perso- nen in Leitungspositionen und für Selbständige. Es han- delt sich dabei nicht um eine Therapie, sondern um einen Trainingsprozeß. Coaching ist auch kein Privatseminar, in dem man Wissen vermittelt bekommt, das man anderswo nachlesen kann, sondern ein zielorientierter, vorwärts ge- richteter Prozeß. Aufgabe des Coachs ist es, diesen Pro- zeß in Gang zu setzen und den Klienten zu begleiten.Dabei geht der Coach auf dessen konkrete Situation und Zielsetzung ein.
Je nach Situation und Pro- blemlage stehen folgende zehn Themen im Mittel- punkt:
Für Rückmeldungen offenbleiben (auch und gera- de in einer Leitungsfunktion)
Kommunikationspro- bleme und Konflikte mit an- deren effektiv lösen
Eigenen Problemlö- sungsstrategien treu bleiben und sie dennoch der neuen Si- tuation anpassen
Krisen und Rück- schläge als kreative Möglich- keiten entdecken
Individuell abgestimm- tes Zeitmanagement ent- wickeln
Mit den eigenen persön- lichen und beruflichen Fähig- keiten wie auch mit denen der Partner und Kollegen effektiv und achtsam umgehen
Gruppenprozesse ver- stehen und beeinflussen
Entscheidungen recht- zeitig und vorausschauend treffen
Mit entstehendem Streß angemessen umgehen
Nicht irgend etwas ver- bessern, sondern das, was den größten Nutzen bringt.
Was das konkret heißt, läßt sich an einigen Beispie- len verdeutlichen.
Thema Rückmeldungen:
Wenn Sie sich in einer Kon- kurrenzsituation befinden
oder eine Leitungsposition innehaben, bekommen Sie selten Rückmeldungen, die nicht von starken Eigeninter- essen Ihrer Gesprächspartner geleitet sind. Je länger sie in einer solchen Situation leben, desto schwerwiegender kann das Problem werden. Hier kann ein Coach als kompe- tenter Außenstehender entla- sten, Rückmeldungen geben sowie Ihre Reflexionen, Ent- scheidungen und Verände- rungen unauffällig begleiten.
Thema Kommunikations- probleme: An jedem Kommu- nikationsproblem
und jedem Konflikt haben Sie einen ei- genen Anteil. Die- ser ist jedoch, da Sie ein Teil des kommunikativen Systems sind, im einzelnen schwer aufzudecken und zu verändern. Mit Hilfe eines Coachs können Sie die Struktur von Kon- flikten leichter, schneller und ge-
nauer analysieren. Sie können außerdem das kreative Poten- tial, das in einem Konflikt ver- borgen ist, für sich und andere nutzbar machen.
Thema Zeitmanagement:
Viele persönlichen Konflikte basieren auf einem zu undif- ferenzierten Umgang mit der Zeit. Ein sinnvolles Zeit- management sollte Sie in die Lage versetzen, Ihre Zeit zu strukturieren, Sie aber nicht zum Opfer Ihrer Zeitplanung machen. Das Problem vieler allgemein gehaltener Zeit- managementseminare und -bücher ist, daß
– sie nicht auf Ihre persön- liche Situation ausgelegt sind,
– die Aneignung der emp- fohlenen Techniken selbst sehr zeitaufwendig ist,
– Ihre Vorlieben und Ab- neigungen nicht berücksich- tigt werden,
– Zeitplanung nicht durch Kenntnisnahme allein zu ei- ner hilfreichen Selbstver- ständlichkeit wird.
Im Coachingprozeß ler- nen und integrieren Sie nur die Zeitplantechniken, die für Sie wichtig sind. Wenn bei der Anwendung konkrete Pro- bleme auftreten, entwickeln Sie mit dem Coach Ihre indi-
viduelle Zeitplantechnik so weiter, wie es für Sie am ange- messensten ist.
Vor Beginn eines Coach- ingprozesses sollten Sie un- bedingt auf einer Probe- stunde bestehen. So können Sie die Arbeitsweise Ihres Gegenübers kennenlernen.
Gleichzeitig sollten Sie Ihre Wünsche und Ziele verdeutli- chen sowie Ihre Erwartungen und Befürchtungen klären.
Bei der Suche nach einem Coach ist man meist auf Emp- fehlungen angewiesen. Ein kompetenter Berater sollte ein geisteswissenschaftlich oder therapeutisch ausgerich- tetes Hochschulstudium ab-
geschlossen haben und über Spezialausbildungen in Zeit- und Selbstmanagement sowie in Kommunikationstraining verfügen.
Ein Coach muß in der La- ge sein zu beurteilen, für wel- che Personen sein Angebot nicht mehr ausreichend und hilfreich ist (zum Beispiel für Menschen mit Suchtproble- men oder ernsthaften psychi- schen Störungen), und hier- für klare Ausschlußkriterien haben.
Erst nach der Probestunde sollten Sie einen Vertrag ab- schließen. Darin werden bei- derseits Leistungen und Ver- pflichtungen festgelegt, also die Anzahl der Stunden, die Vor- und Nachbereitung der Sitzungen, das Honorar (von 150 bis 300 DM pro Stunde), Fragen der Vertraulichkeit.
Nach eigenen Erfahrun- gen hat sich eine Doppelstun- de von 90 Minuten pro Woche bei einer Gesamtdauer von zwölf bis sechzehn Wochen als ein optimaler Arbeitszeitraum bewährt. Das kann natürlich variie- ren. Auch Telefon- coaching ist mög- lich. Hüten Sie sich aber vor einem Endlos-Coaching.
Der Prozeß ist schließlich Hilfe zur Selbsthilfe und soll keine Abhän- gigkeit schaffen.
Als Arzt oder Ärztin sollten Sie ein Coaching nur beginnen, wenn Sie ein wirklich wichti- ges Anliegen haben und wenn die Erreichung Ihrer Ziele und die Lösung Ihrer Proble- me für Ihr Leben wesentlich sind. Es sollte Ihnen zudem dringlich erscheinen, jetztda- mit zu beginnen. Die Ziele, an denen Sie arbeiten wollen, müssen – gemeinsam mit dem Coach – klar definiert werden und meßbar sein. Weiterhin ist es wichtig, den Coaching- prozeß zu dokumentieren, um Fortschritte zu erkennen.
Nur so sind Veränderungen während und im Anschluß an den Prozeß nachvollzieh- bar. Olaf Georg Klein, Berlin A-3229 Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 50, 11. Dezember 1998 (57)
V A R I A WIRTSCHAFT
Coaching: Für wen?
Coaching ist besonders für Personen geeignet, die
> sich in ihrem Tätigkeitsfeld verändern möchten oder gera- de verändert haben,
> in einem Bereich arbeiten, in dem sich die Rahmenbedin- gungen grundlegend ändern oder geändert haben,
> sich in Wachstums- oder Beziehungskrisen befinden,
> latente oder akute Kommunikationsprobleme haben,
> sich in Sinn- oder Orientierungskrisen befinden,
> ihr Zeit- und Selbstmanagement verbessern möchten.