ährend in der Vergangen- heit vor allem der eigene Ansatz als die Lösung für die Probleme des deutschen Gesund- heitswesens verkauft wurde, über- wiegt heute eher die Einsicht, daß nie- mand Patentlösungen zu bieten hat.
Dies gilt insbesondere für die Ent- wicklung neuer Versorgungsstruktu- ren.
Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. med. Winfried Schorre, brachte die gegenwärtige Lage auf den Punkt, als er auf dem Kongreß
„Umbau oder Abbau im Gesund- heitswesen“ in Düsseldorf ausführte, daß „neue Versorgungsformen als Suchverfahren durchaus unterschied- liche Wege gehen sollten“. Schorre plädierte daher für „Bottom-up-Lö- sungen“ und setzte auf die Sponta- neität der Kollegen, denn diese sei ge- genwärtig die treibende Kraft zum Beispiel bei der Etablierung von Net- zen. Im Interesse ihrer Eigenständig- keit würden auch die Kassenärztli- chen Vereinigungen „Top-down-Lö- sungen“ der KBV nur schwerlich ak- zeptieren.
„Medizin ist unteilbar“
Bei aller Liberalität hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der ein- zelnen Modellstrukturen verdeutlich- te Schorre auch Grenzen, die es zu be- achten gelte. Vor allem an die Adresse der Krankenkassen richtete der KBV- Chef die Mahnung: „Medizin ist un- teilbar.“
Während die Krankenkassen über Einkaufsmodelle und Eigenein- richtungen bestrebt seien, aus Wett- bewerbsgründen kassenindividuelle
Versorgungsangebote parallel zur bestehenden Versorgung anzubie- ten, seien die Vertragsärzte an Struk- turen interessiert, die allen Versicher- ten zur Verfügung stünden. Diese
„Interessenkollision“ erweise sich zu- nehmend als Erschwernis bei der Realisierung neuer Versorgungsvor- haben, so Schorre.
Grenzen sah der KBV-Vorsitzen- de auch hinsichtlich der erhofften Einspareffekte durch neue Versor- gungsstrukturen. Als Beispiel führte er den Strukturvertrag der Kas- senärztlichen Vereinigung Nordrhein mit den Betriebskrankenkassen zur Verbesserung der Diabetikerversor- gung an. Die im Vertrag vorgesehene engmaschige Betreuung dieser Pati- entengruppe werde zunächst zu Mehrausgaben führen und erst mittel- bis langfristig finanzielle Entlastungs- effekte zeitigen.
Einen anderen „Suchprozeß“ in der Entwicklung neuer Versorgungs- formen beschrieb Karl-Heinz Schön- bach, Leiter der Abteilung Verträge des Bundesverbandes der Betriebs- krankenkassen, Essen. Seiner Mei- nung nach mangele es vor allem an
„managementfähigen Unternehmen“
vornehmlich in der ambulanten Ver- sorgung, um einen „funktionalen Wettbewerb“ zu ermöglichen. Sicher sei bisher lediglich, daß dies weder die Einzelpraxis noch die Kassenärztliche Vereinigung sein könne.
Die mehr als 100 000 Einzelpra- xen in Deutschland seien nicht als Un- ternehmen anzusehen, da sie nicht in der Lage seien, Unternehmensziele im Sinne der Versorgungsziele zu defi- nieren, und die Instrumente zur Ver- wirklichung eines Unternehmensziels fehlten. Die Arztpraxis sei weder frei, ihre Rechtsform oder ihren Sitz zu be-
stimmen, noch verfüge sie über die Freiheit, ihre Preise festzusetzen oder ihre Leistungsmenge zu bestimmen.
Sie sei daher allenfalls als Betrieb an- zusehen.
Ärzte:
Nur Vertragsfunktionen
Die Kassenärztlichen Vereini- gungen verfolgten zwar das Unter- nehmensziel „Sicherstellung der Ver- sorgung“. Es sei aber offensichtlich, daß „eine KV mit bis zu 20 000 Einzel- betrieben nicht den Anforderungen eines funktionsfähigen, dynamisch im Wettbewerb agierenden Unterneh- mens entspreche“. Nach den Vorstel- lungen der Krankenkassen sollten sich die KVen auf Ordnungs- und Normsetzungsfunktionen beschrän- ken, während Ärzten und Gruppen von Ärzten Vertragsfunktionen ein- geräumt werden sollten. Die Modell- vorhaben des 2. GKV-Neuordnungs- gesetzes seien ein erster Schritt in diese Richtung.
„Freiräume“ zu schaffen, die die Suche nach optimalen Versorgungs- strukturen ermöglichten, sei auch das Interesse sozialdemokratischer Gesundheitspolitik, verkündete Dr.
Christopher Hermann vom nord- rhein-westfälischen Gesundheitsmini- sterium.
Die Absicht, nach einem Regie- rungswechsel ein Globalbudget ein- zuführen, stehe dazu nicht im Wider- spruch. Vielmehr reize erst „die Ver- deutlichung der Ressourcenknapp- heit die Erschließung der vorhande- nen Rationalisierungspotentiale als Daueraufgabe an und fördert die effi- ziente Zuordnung der vorhandenen Kapazitäten“. Ruth Bahners A-1284 (20) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 21, 22. Mai 1998
P O L I T I K AKTUELL