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3 Mit Schwert und Bogen des Lebens „ist das Böse zu vernichten, auf den Waffen des Lebens die Herrschaft zu gründen.&#34

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Zum Bogenmotiv in der altjapanischen Literatur Von Wolfram Naumann, Sulzburg

Eine Gestalt wie der heilbringende Bogenschütze Yi |f, der nach der chine¬

sischen Mythologie die Zahl der sengenden Sonnen drastisch reduziert, ist dem japanischen Mythos fremd. Dieser göttliche Yi, gleich dem griechischen Nationalhelden Herakles Erlöser von allerlei Übeln, 1 zeigt aber auch eine Affinität zur Herrin der Tiere, Artemis, die mit dem stehenden Attribut „die bogenführende" geschmückt wird. Als „tötende und lebengebende Mutter- göttin" 2 wiederum liefert sie eine Parallele zu einer dominierenden Figur der japanischen Mythologie, nämlich zu Susa.no Wo $t dem ambivalenten Bruder der Sonnengöttin Amaterasu ^M, der sowohl „das Schwert des Le¬

bens" wie auch „Bogen und Pfeile des Lebens" besitzt. 3 Mit Schwert und Bogen des Lebens „ist das Böse zu vernichten, auf den Waffen des Lebens die Herrschaft zu gründen." 4 Diese mythologische Relevanz zeigt den Stellen¬

wert der erwähnten Waffen für die im Mythos wurzelnde japanische Kaiser¬

saga. In Zeugnissen der materiellen Kultur des ersten vorchristlichen Jahr¬

tausends scheint der Mythos um den Leben und Tod spendenden Gott Susa.

no Wo Spuren hinterlassen zu haben. 5 B o genreli kte stammen aus Funden, die noch weiter zurückreichen, ebenso wie Pfeilspitzen, die dem späten Paläo- lithikum zugehören. 6 Mit diesen Daten ist der zeitliche Rahmen abgesteckt, in dem Bogen und Pfeil spätestens auf japanischem Boden auftauchen. Der Mythos, wann immer er entstanden oder überkommen ist, bezog sich also auf ein heimisches Artefakt, das nicht nur im symbolischen Kontext Erwähnung

1 W.Münke: Mythologie der chinesischen Antike. Frankfurt a.M. u.a. 1998, S.395ff.

2 Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike. Hrsg. vonK. Ziegler und W.Sontheimer.

München 1979,Band1, S. 618,621.

3 N. Naumann: Die Mythen des alten Japan. München 1996, S. 113,114, 118, 119.

Kojiki, Nihon koten bungaku taikai (NKBT) Bd.1, S.68.

4 N. Naumann 1996, S. 119; N. Naumann: Die einheimische Religion Japans. Teil 1:

Bis zum Ende der Heian-Zeit. Leiden u.a. 1988, S.92.

5 N. Naumann: Japanese Prehistory. The Material and Spiritual Culture of the Jörnon Period. Wiesbaden 2000 (Asien- und Afrika-Studien der Humboldt-Universität zu Ber¬

lin 6), S.216.

6 N. Naumann 2000,S. 1,12, 43-45.

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findet. Als Waffe an sich erscheint es in der Hand der Sonnengöttin, da ihr Bruder unter ominösen Umständen zu ihr in den Himmel emporsteigt: „Da gerieten Flüsse und Berge allesamt in Bewegung und das ganze Erdreich er¬

bebte." 7 Sie erschrickt und fürchtet um ihre Macht: „Mein Bruder kommt wohl kaum in guter Absicht, er will mir wohl mein Land entreißen!" So stellt

sie sich ihm in martialisch übersteigerter Pose entgegen, „auf dem Rücken einen Tausend-Pfeile-Köcher, an der Seite einen Fünfhundert-Pfeile-Köcher, ein gewaltiges Armschutz-Polster umgelegt" - so gerüstet schwang sie den Bogen, stampfte den harten Boden, „daß sie bis zu den Schenkeln versank [...], stampfte daher mit gewaltig männlichem Stampfen."

Zu diesem männlich-kriegerischen Gebaren fügt sich eine kosmetische Korrektur, die Amaterasu an ihrer Frisur vornimmt: ihr langes Haar bindet sie „seitlich zu Schöpfen hoch" 8. Nicht das Schwert, den Bogen führt die Sonnengottheit hier als Zeichen ihrer Stärke, der Artemis gleich. In späteren Episoden wird der Bogen nicht mehr diese Rolle spielen, ein Schwert tritt an seine Stelle, das zusammen mit Spiegel und Krummjuwel das dreifache Herrschaftssymbol der Dynastie bilden wird.

Die überlieferte Mythologie und Frühgeschichte Japans hatte ihre Aus¬

prägung im späten 7. und frühen 8.Jahrhundert gefunden, zu einer Zeit, als das Selbstbewußtsein und der Machtanspruch einer absoluten Monarchie nach religiöser Legitimation strebte. Spätestens seitdem genoß die Sonnen¬

göttin höchste Verehrung als dynastische Stammutter. Sie als bogenschwin- gende, martialisch auftretende, ja aufstampfende Kriegergestalt eine Krise meistern zu lassen, entspricht dem kaiserlichen Selbstverständnis und Wunschdenken. Die dynastische Vergangenheit war militant, beginnend mit dem sagenumwobenen „Reichsgründer" Ihare-biko Jl^Jf, der sich sein Land erkämpfen mußte und als Jinmu-tennö it^C^jL, „Göttlich-heldischer LIimmelsherrscher", die Pseudo-Annalen schmückt. Die Inhaber des Thro¬

nes, zumindest die männlichen, waren nicht nur die obersten Kriegsherren, sie zeichneten sich vielfach auch durch Waffengewandtheit aus, selbst wenn sie diese lieber für die Jagd als für den Kampf gebrauchten. Als Jäger tritt uns der 21.Tennö Yüryaku (5.Jahrhundert) in einer Sagenepisode entgegen, dieim Nihon shoki a^t>fe überliefert ist. 9Der Tennö hat sichin einen Wald begeben um zu jagen, wörtlich: „mit dem Bogen schießend zu jagen", da er¬

schien ihm „plötzlich ein großer Mann, der in das Zinnobertal hinabschaute, und dessen Gesicht und Gestalt dem Tennö glichen. Der Tennö erkannte in

7 N. Naumann 1996, S. 63. Kojiki S.74.

8 mimizura.Kojiki liest #p-Ji IL IS- mimídura „Ohren-Ranken", also „das sich um dieOh¬

ren Rankende",wiees etwa Statuetten desjugendlichen Shötoku-taishi (574-622) zeigen.

9 NKBT Bd. 67,S.467; K. Florenz: Die historischen Quellen der Shinto- Religion.

Göttingen/Leipzig 1919 (Quellen der Religionsgeschichte 7, Gruppe 9), S.296.

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ihm den Gott des Berges, fragte ihn aber dennoch eigens: ,Wo seid Ihr Herr?' Der große Mann antwortete: ,Ich bin als Mensch gegenwärtiger Gott. Zu- erst nenne Deinen königlichen Tabunamen. Danach will ich mich nennen.'"

Der Kaiser stellt sich vor: „Ich bin die Hoheit Waka-take," der Gott tut des™

gleichen, aber mit einem unterwürfigen „Euer Diener". Darauf hebt ein fröh¬

liches gemeinsames Jagen an, sie peitschen ihre Pferde in der Verfolgung ei¬

nes Hirsches, beide darauf bedacht, „dem anderen den Abschuß des Pfeiles abzutreten - Pferdegebiß neben Pferdegebiß galoppieren sie dahin ..."

Das ist vielleicht das spektakulärste Erlebnis, das einem kaiserlichen Bogenschützen und Jäger zuteil geworden sein soll. Und es ist ein überaus schmeichelhaftes Doppelgänger-Erlebnis für den Tennö, wenn ihm die lo¬

kale Gottheit als sein Ebenbild erscheint. Für uns ist es ein früher Beleg für das globale Phänomen des Jägerlateins. Das Doppelgängermotiv wird in der Parallelversion der älteren Chronik Kojiki "ir^fñ noch gewaltig am- plifiziert, denn da folgt dem Kaiser ein stattlicher Zug von Vasallen auf die Höhe des Berges hinauf. 10 Da erscheint ein identischer Zug am gegenüber¬

liegenden Berghang, was den Tennö veranlaßt, seinem Ebenbild ausrichten zu lassen: „In diesem Lande Yamato ist kein anderer Herrscher als ich. Wer ist es, der jetzt in solcher Weise auftritt?" Und da ihm der andere genau so antwortet, enragiert sich der Tennö, spannt den Bogen, das gesamte Gefolge tut desgleichen, und das Spiegelbild reagiert entsprechend. Doch die Ge¬

walt eskaliert nicht, es folgt eine gütliche Einigung, nachdem sich die beiden Kontrahenten mit Namen vorgestellt haben. Diese Version ermangelt gänz¬

lich der Jagdsituation, der Tennö tritt als Krieger auf.

Das kriegerische Element, Mut und Gewaltbereitschaft als Eigenschaften der japanischen Kaiser der Frühzeit hat sich mehrfach in der postumen Titel¬

oder Namensverleihung niedergeschlagen und betrifft die historisch glaub¬

haften Kaiserbiographien genau so wie die sagenverklärten. So drückt die chinesische Schreibung des Namens Yüryaku des gerade erwähnten Kaisers militärische Tugenden und Laster aus. yü, chin, hsiung ife steht für „männ¬

lich/tapfer"; ryaku, chin, lüeh ®& bedeutet u.a. „Kriegsplan/Strategie", auch

„erobern, rauben". Yüryaku-tennö ist auch der Held des ersten Gedichtes im Manyöshü % ^ %, wo er sich, ebenfalls auf einer Anhöhe, seiner Sou¬

veränität über die Lande ringsum brüstet, um einem Kräuter pflückenden Mädchen, offensichtlich einem „schönen Kind", zu imponieren. Die weni¬

gen Passagen des Kojiki, die ihm gewidmet sind, sprechen fast nur von Taten despotischer Willkür, sie spielen fast immer auf Bergeshöhe und sind durch¬

weg als sagenträchtig zu interpretieren. Aber nur im Nihon shoki, das seine Regierungszeit, von Tenmu abgesehen, am ausführlichsten behandelt und

10Kojiki NKBT Bd.1, S.316.

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auch das politische Kräftespiel berücksichtigt, finden wir eine Sage von der¬

artiger Serenität, wie sie sich in gemeinsamer Jagd von Gott und Gottkaiser ausdrückt. Der Text charakterisiert diesen lockeren Umgang denn auch mit dem Vergleich: „als ob sich Berggenien begegnet wären" - also die im tao- istischen Sinne Vollendeten, quasi Unsterblichen. Der Jagdbogen spielt hier die Hauptrolle als verbindendes Element.

Auf geübte Schützen der Dynastie weist auch das Wort -mu „heldisch, kriegerisch, mächtig", meist zweites Element eines postum verliehenen sini- sierten Herrschernamens. Wir finden einen solchen Namen zuerst bei dem bereits erwähnten „Reichsgründer" Jinmu. Verantwortlich für diese rück¬

wirkende Namensverleihung war vermutlich ein Vorstand des Hochschul¬

amtes in Nara namens Ömi.no Mifune ^/%^| j0L (722-785). Nun ist gerade Jinmu auch als Person eine späte Erfindung. Aber die drei vollhistorischen

Herrscher Tenmu, Monmu und Shömu, die zwischen 673 und 749 regierten und eine Trias von Großvater, Enkel und Urenkel bildeten, sind die einzigen, die mit dieser qualifizierenden Silbe verewigt wurden - neben und nach dem aus dynastischen Erbfolgegründen zum Bösewicht stilisierten Buretsu-tennö A,fA (Anfang 6. Jahrhundert), dem das Etikett hu = mu nur pejorativ im Sinne von „gewalttätig" zuteil wurde. Was die drei Tennö Tenmu, Monmu und Shömu, von ihrer engen Verwandtschaft abgesehen, verbindet, ist ihre Rolle als Schöpfer und Vollender einer ewigen Herrschaft: Tenmu setzte das ideo¬

logische, Monmu das legislatorische Fundament, und Shömu etablierte in sei¬

ner 25jährigen Regierungszeit den Buddhismus als staatstragende Religion.

Für die Regierungszeit des Tenmu-tennö ^i^^cjL, des „himmlisch¬

heldischen Hi m m el sh er r sch er s", sind im Nihon shoki Bogenschießwett- kämpfe im Rahmen des Jahresbrauchtums sowie Jagdzüge des Kaisers überliefert. 11 Im Jahr 685, dem 13. seiner Herrschaft, befahl er sämtlichen militärischen und zivilen Amtsträgern, „mit allen Kräften den Gebrauch der Waffen und das Reiten zu Pferde zu trainieren," denn, so lautet die einlei¬

tende Maxime des Edikts: „Am wichtigsten für die Regierung ist eine Hee¬

resmacht." 12 Der Verfasser einer Monographie über das antike japanische Militärwesen bringt es auf den Punkt, indem er behauptet,

daß Tenmu buchstäblich zu Pferde an die Macht kam, nachdem er mit Hilfe privater Streitkräfte [...] den Thron im Jinshin-Aulstand des Jahres 672 ge¬

wonnen hatte. Um seinen Erfolg vor einer Nachahmung durch andere zu schützen, strebte er danach, das gesamte militärische Potential in kaiserlicher Irland zu vereinen. 13

11 Tenmu 5Jahr/L Monat/16. Tag; Tenmu 6/1/17; 7/1/17; 8/1/8; 9/1/17; 10/1/17; 10/

X/25; 12/X/13; 14/V/5.

12 Nihon shokiN KBTBd. 68,S.463;W. G .Aston: Nihongi. Chronicles ofJapan from the Earliest Timesto A.D. 697. London 1956( 11896), Teil 2,S.363.

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Kaiser Monmu SLiiK-, ein Enkel des Tenmu, vereint in seinem Namen die beiden Kardinaltugenden der vorbidlichen Herrscher Chinas, die in dem Begriffspaar der beiden Fertigkeiten wen X Schriftgelehrtheit und wu $i Kriegskunst zum Ausdruck kommen. Die chinesische Historiographie verteilt indes diese beiden Tugenden auf zwei Herrscher, Wên-wang und Wu-wang. Über Monmu berichtet das Shoku-Nihongi If 0 Buch 1, in einer kurzen Würdigung, daß er in den „chinesischen klassischen und historischen Büchern weithin bewandert war, sich aber besonders gut auf die Kunst des Bogenschießens verstand." Der im jugendlichen Alter von 24 Jahren gestorbene Monmu hat in seiner zehnjährigen Regierungszeit ein im¬

menses Programm an Reformen angestoßen. Der Poeta laureatus Kakino- moto.no Hitomaro S hatte dem halbwüchsigen Prinzen anläßlich eines Jagdausflugs fünf Gedichte gewidmet (Manyöshü Nr. 45-49). Diese Exkursion war eine Gedächtnisveranstaltung für den Vater des Prinzen, Prinz Kusakabe, der im letzten Gedicht namentlich alsJäger erwähnt wird.

Der älteste Sohn des Monmu-tennö, Kaiser Shömu £ j^, ist vor allem als Förderer des Buddhismus und Initiator des Gusses des Großen Buddha von Nara bekannt; wir sind aber auch über die Gründe dieser postumen Namensverleihung unterrichtet. Ein ausführliches Dekret aus dem Jahr 758,

das im Shoku-Nihongi 14überliefert ist, begründet die Wahl des Namens vor allem mit der erfolgreichen Niederschlagung eines Umsturzversuchs: „Sie alle bezähmten und unterwarfen sich. Man darf sagen, daß die Tugendkraft des Shömu (= Weiser Held) größer war als je in der Vergangenheit. Wenn nun diese ungeheuren Taten nicht weithin verkündet werden, wie sollten sie dann der Nachwelt bekannt werden?"

In dem Schatzhaus Shösöin, das ursprünglich zum Tempel komplex des Tödaiji in Nara gehörte und 761als Bau vollendet wurde, bestand ein großer Teil des ältesten Inventars aus einer Schenkung von Shömus Witwe Kömyö, die dem Kloster nach Ablauf der 49tägigen Trauerzeit nach und nach Ob¬

jekte aus der Habe ihres Gatten stiftete. Dieser fromme Akt sollte weltweit so nachhaltig wirken, daß er sogar noch einem 1927 in London erschienenen Bestseller zur Zierde gereichte: Sherlock Holmes' Adlatus, Dr. Watson, mimt einen Kenner chinesischer Keramik, um einen kriminellen Sammler zu düpieren, scheitert aber an dessen Fangfrage: „I would ask you what do you know of the Emperor Shomu and how do you associate him with the

Shoso-in near Nara?" 15

13 K.F. Friday: Hired Swords. The Rise of Private Warrior Power in Early Japan.

Stanford, California1992,S. 12.

14 Buch 21, Ausg. Shin Nihon koten bungaku taikei (SNKBT) Bd. 14, S. 278.

15 Arthur Con an Doyle:"The Illustrious Client."In: The Case-book of Sherlock

Holmes. H a rmond swo r th , Middlesex und Ringwood, Victoria 1967, S. 32.

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Zu den Relikten dieser Schenkung könnten drei Bogen und etliche Pfeile gehören; ursprünglich sollen es 100 Bogen gewesen sein, wie aus dem zeit™

genössischen Inventarverzeichnis Tödaiji kenmotsu chö ^ A-^ift^/tft 16aus dem Jahr 758 hervorgeht: „Kaiserliche Bogen 100 Stück [...], davon 84 aus azusa-YLolz" Aber wie Kokushi daijiten H Ali Ü unter der Abbildung eines azusa-Bogens mitteilt, 17 wurden sie während der Rebellion des Fuji- wara.no Nakamaro entnommen und nicht zurückgegeben. Jetzt seien noch vorhanden: 3 azusa-yumi # ^, 24 tsuki-yumi Ä *7 itsuki = Elaeocarpus japónica, Familie Ulme), die nicht in der antiken Liste aufgeführt waren.

Kokushi daijiten beschreibt a. a. O. den abgebildeten azusa-yumi mit seinen vergoldeten Bronze-Spitzen und erwähnt als Ergebnis einer Analyse des Bogenmaterials, daß es sich um Holz handelt, welches dem von mizume, auch azusa genannt, ähnlich sei. Die Gesamthöhe betrage 166,5 cm. Jisa- buro Ohwi identifiziert in seinem repräsentativen Werk über die japanische Pflanzenwelt azusa mit Betula grossa Sieb, et Zuce, eine Art der Gattung Birke, die bis 20 m Höhe erreicht, und wegen des spezifischen Geruchs, der beim Brechen der Zweige ausströmt, auch yoguso-minebari lHJt^^ ge¬

nannt wird. 18

Shömu-tennö hat Gedichte hinterlassen, von denen im Manyöshü ein Lang- und 10Kurzgedichte aufgenommen sind. Es sind allerdings Lieb es ge¬

diente, in denen er sich nicht als Besitzer oder gar Benutzer eines Bogens prä¬

sentiert, der mit dem im Schatzhaus inventarisierten identisch sein könnte.

Das ist nicht verwunderlich, denn als devoter Buddhist mußte er jegliches Töten vermeiden und untersagte dies wiederholt auch seinen Untertanen.

So sind wir auf ein Poem angewiesen, das Jomei-tennö (reg. 629-641) von seiner Gemahlin, wahrscheinlich der später selbst inthronisierten Saimei, durch einen Boten überbracht wurde, als er, wie die Einleitung mitteilt, in der Heide von Uchi am Yoshino-Fluß jagte. Das Lied besingt den kaiser¬

lichen Jagdbogen, ja es bringt ihn selbst zum Tönen, zum Klingen, denn die letzten Verse lauten in der Adaption der klassischen Schriftsprache:

mi-torashi.no I azusa.no yumi.no / kanahazu.no / oto su nari - „Jetzt klingen

sie mir, die goldnenSpitzendes A zu sa- Bogens, der Ihm zuhanden". 19

16 Zitiert nachKoji riñen -fr^M ?i, heiji-bu -j*-^--^,S. 1554.

17Bd.7, Bildteil s.v.Shösöin, Text zu Abb. 76.

18J. Ohwi: Flora ofJapan. Washington, D.C. 1984,S.374. Encyclopedia Nipponica 2001 (Bd. 23, Tokyo 1988,S.559) bezeichnet als Quelle des Geruchs den bei der Ver¬

letzung der Rinde entweichenden Salizylsäure-Methylfäther], der allerdings „angenehm"

riecht, wie Meyers Großes Ko n v e rs a t i on s- L exikon (Leipzig 1904-1908, Bd. 17,S.472) mitteilt, yoguso-minebar iheißt wörtlich „Nachtkot-Hasel", dayoguso nächtliche Inkon¬

tinenz bedeutet.

19 Manyöshü Nr. 3, NKBT Bd. 4, S. 10.

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Leider ist azusa hier als Ideogramm tzü # tradiert; wir greifen auf Nr. 348720 mit der manyögana a dusa zurück. Der Azusa-Bogen fand alsbald als rhetorische Figur der waka-Poesie Verbreitung, wortspielerisch verbunden mit haru: „spannen" oder „Frühling", sowie mit dem Ortsnamen Hikino, da hiku ebenfalls „spannen" bedeutet.

William George Aston lieferte in seiner Übersetzung des Nihon shoki unter den Annalen des Nintoku-tennö 21 folgende Fußnote als Erklärung des Gedichtwortes azusa: „Adzusa is the Catalpa, a tree suitable for mak¬

ing bows." 22 Wer oder was verschaffte ihm diese Erkenntnis? Als er 1896 seine Ubersetzung publizierte, bedankte er sich auch bei James Curtis Hepburn, dessen Japanese-English and English-Japanese Dictionary schon 1867 erschienen war. Hepburn kann nicht sein Gewährsmann gewesen sein,

denn dieser identifiziert azusa mit Rottlera japónica. Vielleicht hat er das Chinese-English Dictionary von Herbert A. Giles aus dem Jahr 1892 be¬

fragt. Giles interpretiert tzü unter Nr. 12,356 zwar zunächst als „Lindem tzü-mu, Hemsl., the wood of which is much used for cutting blocks for printing [...]", verweist aber auch auf das „klassische #" als identisch mit ch'iu #i: „A forest tree, the Catalpa Kaempferi, S. and Z., and Catalpa Bun- gei, C. A. Mey." Was indessen bei Aston als Fußnote übersehen werden und einer zu großzügigen Interpretation des Begriffes „klassisch" entspringen könnte, gerät einer jüngeren Autorin just zum Blickfang: The Catalpa Bow ist der Titel eines Buches von Carmen Blacker, mit dem Untertitel A Study of Shamanistic Practices in Japan, erschienen in London 1975. Auf Seite 148 geht sie auf die Geschichte des Catalpa-Bogens ein:

In the past, however,it was clearlyin widespread use [...] That the useof this bow as a summoner of spirits is ancient is testified by the use of the word for catalpa bow, azusayumi, in the great eighth-century anthology ofpoetry Manyöshü.

Der Cat alp a- Baum mit seinen „langen, linealischen, fast stielrunden Kap¬

seln" 23 erreicht in seiner japanischen Art Catalpa Kaempferi S. et Z., dem japanischen Trompetenbaum, nicht ganz die Höhe seines amerikanischen Artverwandten Catalpa bignonioides Walt., auch als Zigarrenbaum ver¬

spottet, der 16m erreicht. Sein Holz ist aber härter.

Wie kommt es nun zu der Verwechslung oder Verwirrung? Das Wort azusa allein scheint bei Blacker ebenso wie das Zeichen tzü # Undefiniert

20 NKBT Bd.6, S. 438.

21Die traditionelle Chronologie gibt als Regierungsdaten 313 bis 399; wahrschein¬

licher sinddie Daten 394/95bis 427.

22Aston 1956,Teil1, S.275Anm. 2.

23Meyers Großes Konversations-Lexikon ,Bd. 3, S. 809.

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zu bleiben. Ihre erste Erwähnung des Catalpa-Bogens S. 19 verweist auf das Nö-Spiel Aoi.no ue, in welchem eine Exorzistin „twangs her bow of catalpa wood". Der No-Text verwendet das Schriftzeichen tzü mehrfach mit der Lesehilfe azusa 24 » Angenommen, spätestens seit der Muromachi-Zeit habe die Identifizierung mit Catalpa diejenige mit Betula grossa verdrängt, würde man gerne einen Beleg zitieren. In der Tat wird man bei Engelbert Kaempfer fündig. In seinem 1712 gedruckten Plantar um Japonicarum Ca¬

talogue steht auf S. 841: „Miñ Kakusju, vulgo Kawara fisdgi, it. Adsja." Es folgt eine sehr ausführliche lateinische Beschreibung, allerdings noch ohne die lateinische binäre Nomenklatur, wie sie Linné ab 1735 durchführte.

Aber glücklicherweise enthält Kaempfers Werk 28 Abbildungen, unter de¬

nen diejenige der kawara hisagi, buchstäblich gestochen klar, Blatt, Blüte und Frucht der Catalpa erkennen läßt (s. Abb. 1). Der Bearbeiter von Kaempfers Flora japónica, Wolfgang Muntschick, annotiert:

Kakushü Catalpa ovat a G. Don [...] (kisasage). Bignoniaceae. ,Kisasage' be¬

deutet ,Baum-Catjangbohne'; die Catalpa ist jedoch mit den Hülsenfrüchten nicht verwandt. Wird auch ,hisagicund ,azusa' genannt. 25

Wie Muntschick S. 22 bemerkt, bestehe kein Zweifel, „daß Kaempfer viel von den Leistungen japanischer Wissenschaftler profitiert hatte." Er zitiert von Sieboeds Worte:

Es stand wirklich die empirische Botanik hier auf Japan bereits höher, als zu Kaempfers Zeitin Europa der Fall war, und vielleichtmit jener Zeit gleich, als unser Thunberg Europa verlies [sie!].

Somit besteht Evidenz, daß spätestens in der Tokugawa-Zeit der Catalpa- Baum (auch) als azusa Ê bezeichnet wurde. Mit dem Aufschwung der Phar¬

mazie grassierte das Interesse an chinesischen Werken der Heilmittelkunde.

Ilayashi Razan (1583-1657) zum Beispiel publizierte eine Bearbeitung des Pên-ts'ao kang-mu ^i~m S von Li Shih-chên ^efi^ (1518-1593). „Alle naturkundlichen Enzyklopädien der Edo-Zeit [bauten] direkt oder indirekt auf dem ,Pen-ts'ao kang-mu 4 [auf]."26 So vermutlich auch das illustrierte Wakan sanzai zue $v @ dessen Titel die chinesisch-japanische Ver¬

bindung ausdrückt. I iier wird zunächst das Zeichen # mit seiner chinesi¬

schen Aussprache („lautet wie -?-") wiedergegeben; dann folgen das Binom yfviL„König der Bäume" und der japanische Name, phonetisch in manyögana

24 NKBT Bd. 40,S. 125.

25 Wolfgang Muntschick: Engelbert Kaempfer: Flora Japónica (1712). Reprint des Originals und Kommentar. Wiesbaden 1983,S. 151.Das Daijiten des Heibonsha- Verlags, erschienen 1935, führt neben einer Abbildung von Blatt, Blüte und Frucht der

Catalpa ovat a G. Don s.v.kisasage ^vlil noch weitere elfNamen auf.

26Muntschik 1983,S. llf.

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Abb. 1 (Engelbert Kaempfer: Amoenitatum exoticarum. Fasciculus V.Leipzig 1712,S. 842)

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als PTlHi wiedergegeben. Die Beschreibung weist eindeutig auf Catalpa hin, z.B. werden die Samenkapseln als „Hörner" bezeichnet, die „schmal und lang sind wie Eßstäbchen, ihre Länge beträgt nahezu 1 Fuß." 27 Das also sind die „Zigarren", die dem Gewächs seinen Beinamen gegeben haben.

Catalpa versus Betula - die Opposition ist nicht aufzulösen, die Analyse des azusa-Holzes der Nara-Zeit indessen läßt kaum einen Zweifel an der Identität der Bogenrelikte im Shösöin. Die vom Japanese Classic Translation Committee unter der Ägide der Nippon Gakujutsu Shinkökai (The Japan Society for the Promotion of Scientific Research) 1940 vorgelegte Uber¬

setzung einer großen Auswahl von Manyöshü- Gedichten jedenfalls hatte sich in unserem Fall für Betula entschieden - in einer Fußnote zu Nr. 3 des Manyöshü heißt es: „Azusa, a kind of birch, chiefly used for making bows

in ancient times. Zö«io

27Zitiert nachKoji ruien, shokubutsu-bu #_#; ^, S.647.

28 The Manyöshü. The Nippon Gakujutsu Shinkökai Translation of One Thousand Po¬

ems. New York/London 1965(1.Ausg. Tokyo 1940),S.4.

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