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Merksätze Abklärung und Behandlung Angststörungen

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Academic year: 2022

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Angststörungen gehören zu den häufigs ten psych - iatrischen Erkrankungen. Wegen des typischerweise somatisch geprägten Erscheinungsbildes wird die Diagnose oft erst spät gestellt. Andererseits gibt es heute eine Reihe von wirksamen Therapieoptionen, sodass die Prognose bei adäquater Behandlung grundsätzlich als günstig beurteilt werden darf.

T H O R S T E N M I KOT E I T

Angst gehört zu den grundlegenden Emotionen des Menschen und ist als warnendes Signal gegenüber Gefahren lebensnot- wendig. Angst wird aber dann zur «Störung», wenn sie in ihrem Ausmass oder in ihrer Gefahrenattribution übertrieben erscheint beziehungsweise wenn sie übermässig persistiert oder unrealistisch verzerrt ist.

Mit einer Lebenszeitprävalenz von 15 bis 20 Prozent zählen Angststörungen neben den Suchterkrankungen zu den häu- figsten psychischen Störungen der Allgemeinbevölkerung. Da sich Angststörungen häufig primär durch die körperlichen Symptome präsentieren, kommt es nicht selten vor, dass Pa- tienten Notfallstationen, Allgemeinmediziner oder Fachärzte aufsuchen und eine Vielzahl somatischer Untersuchungen und Behandlungsversuche in Anspruch nehmen, bevor zuweilen erst nach Jahren die adäquate psychiatrische Diagnose gestellt wird (1). Dies bedeutet damit auch eine Verzögerung von prinzipiell effektiven Therapieoptionen mit Minderung der Pro gnose. Andererseits gehen Angststörungen nicht selten mit erheblichen Komplikationen einher: Dazu gehören ein er- höhtes Suizidrisiko, Suchtmittelmissbrauch und -abhängigkeit sowie eine hohe Komorbiditätsrate mit Depression (2).

Diagnosekategorien

Nach den aktuellen psychiatrischen Klassifikationssystemen DSM-IV und ICD-10 werden die Angststörungen heute nach einem rein de skriptiven Prinzip eingeteilt (Abbildung 1).

Panikstörung

Die Panikstörung ist gekennzeichnet durch anfallartig auf - tretende Attacken intensiver Angst ohne bewussten auslösen- den Reiz. Diese intensiven Angstepisoden sind begleitet von somatischen Symptomen (Abbildung 2). Gleichzeitig treten intensive Kognitionen auf wie zum Beispiel die Angst zu ster- ben, in Ohnmacht zu fallen oder verrückt zu werden. Panik - attacken führen zu Furcht vor weiteren Attacken («Angst vor der Angst») und zu entsprechendem Sicherheitssuchverhalten.

Nicht selten tritt die Panikstörung in Kombination mit Agora- phobie auf.

Phobien

Bei der Agoraphobie besteht eine Angst vor Orten oder Situa- tionen, in denen mit dem Auftreten einer Panikattacke gerech- net wird. Der Patient befürchtet, dass er in eine Situation der Hilflosigkeit geraten würde, in der entsprechend den katastro- phisierenden Kognitionen ein Panikanfall schwerwiegende Folgen haben würde. Dies führt zu einem starken Vermei- dungsverhalten, das sich im Verlauf ausweitet und zu erheb - lichen sozialen Einschränkungen führen kann.

Neben der Agoraphobie gibt es andere, spezifische Phobien, die ganz allgemein gekennzeichnet sind durch eine irrationale Furcht vor bestimmten Situa tionen oder Objekten und die zu angstreduzierendem Vermeidungsverhalten führen. Die

Merksätze

Eine gründliche somatische Untersuchung inklusive Neurostatus und Laboranalysen ist notwendig, um körperliche Krankheiten, die mit Angst oder Panik assoziiert sein können, auszuschliessen.

Grundlage jeder Angsttherapie ist eine sorgfältige Aufklärung über Ursachen und Zusammenhänge von somatischen und psychischen Symptomen der Angst.

In der medikamentösen Therapie haben sich die Antidepressiva etabliert.

Für die Wirksamkeit der Psychotherapie bei Angststörungen gibt es zurzeit die meiste Evidenz für die kognitive Verhaltenstherapie.

Angststörungen

Abklärung und Behandlung

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Exposition gegenüber dem entsprechenden Stimulus führt tat- sächlich zu akuten intensiven Angstreaktionen. Die häufigsten spezifischen Phobien beziehen sich auf Tiere, enge Räume, Höhen, Flugzeuge, auf gefährliche Gegenstände oder Blut. Bei den krankheitsbezogenen Phobien gibt es Übergänge zur Hypochondrie.

Von den isolierten, spezifischen Phobien abgegrenzt wird die soziale Phobie als eigene diagnostische Einheit aufgeführt. Die soziale Phobie ist gekennzeichnet durch eine akute Angst - reaktion während sozialer Situationen, ver bunden mit der Angst vor negativer, beschämender, interpersonaler Bewer- tung. Aufgrund verzerrter antizipatorischer Angstko gnitionen werden viele soziale Interaktionen vermieden.

Generalisierte Angststörung

Die generalisierte Angststörung (GAS) imponiert im Gegensatz zu den durch Panikanfälle gekennzeichneten Angststörungen durch ein anhaltend erhöhtes Angstniveau mit der Neigung zu exzessiver Besorgnis um wichtige Lebensbereiche und das Wohlergehen anderer. Die Aufmerksamkeit ist ausgerichtet auf

den Fokus der Sorgen mit übertriebenen Katastrophen - erwartungen. Das Denken ist durch einen grüblerischen, wenig konkreten Kognitionsstil geprägt. Die Patienten kla- gen häufiger über muskuläre Verspannungen und vegeta - tive Übererregbarkeiten, Schlafstörungen, Erschöpfung und Konzentrations störungen.

Posttraumatische Belastungsstörung

Als spezielle Angststörung muss noch die posttraumati- sche Belastungsstörung (posttraumatic stress disorder, PTSD) erwähnt werden. Diese tritt ebenfalls mit typischen Angstsym ptomen und Vermeidungsverhalten auf. Aus - löser für Angstattacken sind traumaassoziierte, den Pa- tienten oft nur unzureichend bewuss te Stimuli. Weitere Kennzeichen sind typi sche Erinnerungsstörungen bezüg- lich des Traumas, bildhaftes Wiedererleben einzelner Trau- ma sequen zen durch Nach hallerinnerungen oder lebhafte Träume und ein erhöhtes «Arousal» mit Hyper vigilanz, Schreckhaftigkeit, Schlafstörungen und Konzentrations- schwierigkeiten.

Differenzialdiagnose

Während die aufmerksame Exploration in den meisten Fällen die richtige Verdachtsdiagnose erlaubt, ist eine gründliche somatische Untersuchung inklusive Neurosta- tus und che mischen Labors notwendig, um körperliche Krankheiten, die mit Angst oder Panik assoziiert sein kön- nen, auszuschliessen (Tabelle 1). Auch viele Medikamente können mit verstärkter Angst assoziiert sein. Schliesslich ist aus psychiatrischer Sicht zu bedenken, dass Angst- und Paniksymptome auch im Rahmen anderer psychiatrischer Diagnosen vorkommen: So kommt es nicht selten bei Dro- genintoxikationen, aber auch im Rahmen von Entzugs - syndromen zu panikähnlichen Zuständen. Panikattacken treten auch bei schweren Depressionen oder schizophre- nen Psychosen auf. Die generalisierte Angststörung wiederum muss von einer Depression abgegrenzt werden. Bei der sozia- len Phobie kann die Abgrenzung zur ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung oder zur körper dysmorphen Störung zuweilen Schwierigkeiten bereiten.

Ätiopathogenetische Modelle als Therapiegrund- lage

Psychophysiologisches Modell

Die Pathogenese der Panikstörung kann mit dem psychophy- siologischen Modell von Margraf und Ehlers (5) erklärt wer- den, welches als Grundlage für eine kognitiv verhaltensthera- peutische Behandlung sehr gut geeignet ist. Ein externer oder interner Stimulus führt zu körperlicher oder kognitiver Verän- derung, die wahrgenommen und als Gefahr interpretiert wird, was ein Gefühl von Angst beziehungsweise Panik auslöst.

Dieser Affekt geht mit physiologischen Körperreaktionen ein- her, die wiederum als interne Gefahrensignale wahrgenom- men werden. Damit entsteht ein Teufelskreis, der in der typi- schen Panikattacke mündet (Abbildung 3).

Posttraumatische Belastungsstörung (F43.1)

«anfallsartig»

«gerichtet gegen»

Trauma assoz. Reize

«persistierend»

«ungerichtet»

Orte/Situationen

Objekte

soziale Situationen

Generalisierte Angststörung (F41.1)

Panikstörung (F41.0)

Agoraphobie (F40.0)

Spezifische Phobie (F40.2)

Soziale Phobie (F40.1)

Agoraphobie mit Panikstörung (F40.01)

ANGST

Abbildung 1: Diagnostische Einteilung der Angststörungen nach ICD-10

Tachykardie Hitzewallungen Beklemmung Zittern Schwitzen Brustschmerzen Atemnot GI-Beschwerden Ohnmachtsgefühl Parästhesien Depersonalisation

0 20 40 60 80 100%

Abbildung 2: Häufigkeit der körperlichen Symptome bei Panikattacken (3)

(3)

Neurotransmitter

An den verschiedenen Komponenten von Angst sind mehrere Neurotransmittersysteme beteiligt (7). Von besonderem Inte- resse sind das noradrenerge und das serotonerge sowie das GABA-erge (GABA: Gammaaminobuttersäure) Neurotransmis- sionssystem, da diese Transmitterrezeptormodelle gleichzeitig nützliche pharmakotherapeutische Angriffspunkte bilden.

Das Noradrenalinsystem wirkt hauptsächlich über den Locus coaeruleus, der vor allem noradrenerge Neurone enthält. Von dort wird das physiologische Arousal bei einer Alarm-Furcht- Angst-Reaktion ausgelöst. Das Serotoninsystem ist sowohl bei Anxiogenese wie auch bei Anxiolyse beteiligt. Selektive Sero- toninwiederaufnahme-Hemmer (SSRI) bewirken eine Zunahme der Serotoninkonzentration im synaptischen Spalt, was kurz-

fris tig zur Angststeigerung, langfristig aber, wohl über eine Interaktion mit dem noradrenergen System, zur Verminderung von Angst führt (8). Die herausragende Bedeutung des GABA- ergen Systems wird aufgrund der potenten anxiolytischen Wir- kung von Barbituraten und Benzodiazepinen deutlich: Diese Sedativa verstärken den inhibitorischen GABA-Effekt durch allosterische Veränderung des GABAA-Rezeptors (9).

Amygdala

Anhand von Neuroimaging-Studien konnte in letzter Zeit die Amygdala als anatomische Schaltstelle für die neuralen Angst- bahnen identifiziert werden (Abbildung 4)(10). Die Amygdala ist wichtig, um emotionale Stimuli zu lernen, die vor Gefahren warnen. Sie ist damit für die Angstkonditionierung von zen- traler Bedeutung. Unkonditionierte und konditionierte Reize, die über die Sinnesorgane und die sensorischen Bahnen zum Thalamus gelangen, werden entweder direkt oder über die Grosshirnrinde zur Amygdala geleitet. Von dort aus gibt es zahlreiche Pro jektionen zu Hypothalamus und Hirnstamm, wodurch die stereo typen automatischen Angstreaktionen ausgelöst werden, wie autonomes Arousal, Blutdruck- und Pulsanstieg, Hyperventilation, Stuhldrang, Schreckhaftigkeit, Angstmimik, Hypoalgesie und Aktivierung der Hypothalamus- Hypophysen-Nebennierenrinden-(HPA-)Achse.

Durch stressreiche Umwelteinflüsse in der frühen Entwicklung des Individuums kann es in der Amygdala zu neuroplastischen Veränderungen kommen, die im späteren Leben eine erhöhte Vulnerabilität gegenüber Angststörungen bewirken (11). Die Angstverarbeitung wird durch den Hippocampus und den medialen präfrontalen Kortex beeinflusst. Eine Dysfunktion des Hippocampus, wie zum Beispiel unter starkem Stress, führt zu Angstgeneralisierung. Der mediale präfrontale Kortex spielt bei der Angstlöschung eine Rolle (12). Diese neuro - physiologischen Zusammenhänge unterstützen die psycho- physiologischen Modelle.

physiologische Körperreaktion

Angst Interpretation

«Gefahr»

Wahrnehmung

externer/interner Stimulus

Abbildung 3: Psychophysiologisches Modell der Panikstörung (6) Abbildung 4: Die Amygdala gilt als neuroanatomische Schaltstelle für Angst konditionierung Grosshirnrinde

Thalamus Gyrus cinguli

Hippocampus Hirnstamm Kleinhirn

Amygdala

kardiovaskulär: Angina pectoris/KHK, Arrhythmien, kongestive Kardiomyopathie, Hypovolämie, Myokardinfarkt

endokrinologisch: Karzinoid, Hyperkortisolismus, Hyper-/Hypo- kalzämie, Hyper-/Hypothyreoidismus, Phäochromozytom

neurologisch: Epilepsie, organischer Schwindel, Massenblutung, postkontusionelles Syndrom, Enzephalopathie

respiratorisch: Asthma bronchiale, COPD, Pneumothorax, Lungenödem, Lungenembolie

metabolisch: Hyperkaliämie/Hyponatriämie, Hyperthermie, Hypoglykämie, Hypoxie, Porphyrie

gastrointestinal: Ulcus pepticum

immunologisch: Anaphylaxie, systemischer Lupus erythema todes Quelle: nach (4)

Tabelle 1:

Somatische Erkrankungen mit einer

verstärkten Angstassoziation

(4)

Behandlungskonzepte

Die Wahl der geeigneten Therapie richtet sich nach der Schwere der Erkrankung, einer allfälligen Komorbidität, somatischen Krankheiten, Komplikationen wie Substanzmissbrauch oder Suizidalität, der Vorgeschichte mit allfälligen vorausgegan - genen Krankheitsepisoden und nicht zuletzt auch nach der Neigung des Patienten (13). Grundlage jeder Angsttherapie sollte eine sorgfältige Psycho edukation über die Ursachen und Zusammenhänge von somatischen und psychi schen Sympto- men der Angst sein, da das adäquate Krankheitsverständnis für Compli ance und Therapiemotivation unabdingbar ist.

Benzodiazepine nur kurzfristig

Bei akuter Angst wirkt das kompetente, verständnisvolle Ge- spräch und die Aufklärung darüber, dass eine Panikattacke spontan ohne Lebensgefahr vorübergeht. Bei Hyperventilation hilft eine Anleitung zur Bauchatmung. In der akuten Panik -

attacke wird häufig ein kurz wirksames Benzodiazepin verab- reicht wie zum Beispiel Lorazepam, das wegen seiner starken Lipophilie und der Möglichkeit der Sublingualgabe rasch wirkt. Wegen des Gewöhnungs- und Abhängigkeitspotenzials sollten Benzodiazepine nur in der Akutphase oder zu Beginn bis zum Einsetzen der Wirkung einer anderen Therapie ein - gesetzt werden.

Antidepressiva: Mittel der ersten Wahl

In der medikamentösen Therapie der Angststörungen haben sich heute die Antidepressiva etabliert (13). Mittel der ersten Wahl sind SSRI oder SNRI, die in der Regel besser vertragen werden als die gleich wirksamen trizyklischen Antidepressiva.

Tabelle 2gibt eine Übersicht über die wichtigsten Substanzen, geeignete Dosierungen und differenzielle Indikationen. Bei der Einführung eines Antidepressivums hat es sich gerade bei Pa- tienten mit Panikstörungen bewährt, mit der kleinsten Dosis

Substanzklasse Substanz Dosierung Panikstörung Soziale PTSD GAS Zwangsstörung

mg/Tag Agoraphobie Phobie

SSRI Citalopram 5—40 X X

(Seropram®)

Escitalopram 5—20 X X X X

(Cipralex®)

Fluoxetin 10—80 X X X

(Fluctine®)

Fluvoxamin 50—300 X X X

(Floxyfral®)

Paroxetin 10—60 X X X X X

(Deroxat®)

Sertralin 25—200 X X X X

(Zoloft®)

SNRI Venlafaxine 75—225 X X X

(Efexor®ER)

RIMA Moclobemid 600 X

(Aurorix®)

TCA Clomipramin 10—250 X X

(Anafranil®)

Imipramin 10—200 X X X

(Tofranil®)

*Gemäss Zulassung in der Schweiz sowie internationalen Guidelines (13). Empfohlene Dosierung (Einstiegs- bis Maximaldosis); Handelsname des Originalpräpara- tes in Klammern; SSRI: selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, SNRI: Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, RIMA: reversible Hemmer der Mono- aminooxidase, TCA: trizyklische Antidepressiva, GAS: generalisierte Angsstörung, PTSD: posttraumatische Belas tungsstörung

Tabelle 2:

Antidepressiva zur Behandlung von Angststörungen*

(5)

zu beginnen, da bei den meisten Antidepressiva initial eine vor - übergehende Zunahme der Ängstlichkeit auftritt. Darüber und über den verzögerten Wirkungseintritt der Antidepressiva sollte der Patient aufgeklärt werden. Eventuell ist es sinnvoll, überlappend mit einem Benzodiazepin zu beginnen (14).

Wenn unter niedriger oder mittlerer Dosis keine Besserung ein- tritt, sollte das Antidepressivum ausdosiert werden. Prinzipiell sollte eine Remission angestrebt werden. Tritt nach hoch dosierter Behandlung über einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen (bei PTSD 8–12 Wochen) keine Verbesserung ein, empfiehlt sich ein Klassenwechsel, zum Beispiel von einem SSRI zu einem trizyklischen Antidepressivum. Bei Teil - response darf auch noch länger gewartet werden. Da es wenig Langzeitstudien über ein Jahr hinaus gibt, sind Empfehlungen über die Dauer der Erhaltungstherapie unklar. Tritt eine Re- mission ein, sollte die Pharmakotherapie über einen längeren Zeitraum (1–2 Jahre) in gleicher Dosis fortgeführt werden. Ein Absetzen sollte langsam ausschleichend erfolgen.

Kognitive Verhaltenstherapie (KVT): evidenzbasierte Therapie

Für die Wirksamkeit der Psychotherapie bei Angststörungen gibt es zurzeit die meiste Evidenz für die KVT (15). Wichtige Prinzipien sollen an dieser Stelle nur kurz dargestellt werden:

1. Vermittlung eines psychophysiologischen Erklärungsmo- dells (Abbildung 3) zum Abbau dysfunktionaler Vorstel- lungen über die Angst.

2. Erfassung spontaner Angstkognitionen, Evidenzprüfung und Formulierung alternativer realitätsnaher Kognitionen.

3. Expositionsübungen, in denen sich der Patient nach sorg- fältiger kognitivtherapeutischer Vorbereitung den bisher phobisch gemiedenen Reizen aussetzt und die Habituation der Angstreaktion erlebt.

4. Schliesslich geht es auch um aktive Regulation von Stress und innerer Anspannung mithilfe von Entspannungstech- niken und Wahrnehmungsübungen.

Im Gegensatz zur KVT sind andere (störungsspezifische) Psy - chotherapieverfahren bisher nur unzureichend in empirischen Studien untersucht.

Mono- oder Kombinationstherapie?

Da Angststörungen in Abhängigkeit von psy chosozialem Stress häufig einen chronisch rezidivierenden Verlauf nehmen, muss mit einem Wiederaufflammen der Symptomatik nach Therapieende gerechnet werden. Daher empfiehlt sich bei Anwendung einer Pharmakotherapie immer die Kombination mit einer gut validierten Psychotherapie. Für Panikstörungen konnte gezeigt werden, dass die Kombinationstherapie mit Antidepressiva plus einer KVT im Langzeitverlauf effektiver ist als eine alleinige Pharma kotherapie (16, 17). Bei Komorbidität mit einer Depression sollte eine Psychotherapie immer mit einer Pharmakotherapie kombiniert werden (18).

Zusammenfassung

Angststörungen werden nach den aktuellen Klassifikationen (ICD-10 oder DSM-IV) nach deskriptiven Kriterien eingeteilt.

Die sorgfältige Exploration des Patienten ist Grundlage der Dia - gnostik, wichtige somatische Differenzialdiagnosen sind aber auszuschliessen. Die Therapieansätze leiten sich von neuro- biologischen und psychologischen Ätiopathogenesemodellen her. An evidenzbasierten Therapien haben sich Antidepressiva und die störungsspezifischen KVT-Strategien etabliert. ■

Dr. med. Thorsten Mikoteit Oberarzt Psychiatrische Poliklinik Universitätsspital Basel Petersgraben 4 4031 Basel Tel. 061-265 50 40, Fax 061-265 45 88 E-Mail: tmikoteit@uhbs.ch

Interessenkonflikte: keine

Literatur:

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5. Margraf J., Ehlers A.: Etiological models of panic — psychophysiological and cognitive aspects.

In: Baker R. (ed) Panic disorder: Research and therapy. Wiley, London: 1989; 205—231.

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Referenzen

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