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üeber die in alten Handschriften verwendeten
rothen Farbstoffe. *)
Von
l'rof. nelitxach in Erlangen.
Textkritische nentestamentliche Studien legten mir das Bedürf¬
niss nahe, die in den Handschriften, mit denen ich zu thun hatte,
verwendeten bunten Farben richtig benennen zu können. Indem ich
diesem Bedürfniss abzuhelfen suchte, erkannte ich bald, dass ich
mich auf einem noch wenig bearbeiteten unsichern Boden bewege.
Der archäologische Bestandtheil der Paläographie, welche überhaupt
seit Montfaucon und Kopp nicht gleichen Schritt mit andem Wissen¬
schaften gehalten hat, lässt noch sehr viel zu wünschen übrig, was
besonders darin seinen Grund haben mag, dass die anscheinend
geringfügigsten Dinge, um die es sich hier handelt, nicbt ohne In¬
einandergreifen der mannigtachsten wissenschaftlichen Fachkenntnisse
ins Reine zu bringen sind. So ist es auch mit den Farbstoffen.
Nicht allein Alterthums- und Sprachkunde, sondem auch Pharma¬
kognosie nnd Chemie, Botanik und Zoologie haben sich hier in die
Hände zu arbeiten, um ein wirkliches Wissen um die fraglichen
Gegenstände hervorzubringen. Vielleicht gelingt es mir im Folgenden wenigstens einen kleinen TTieil des paläograpbischen Farbengebiets mittelst der von vielen Seiten her zusammengetragenen Belehrangen einigermassen zu lichten.
Wir beginnen I) mit den unorganischen oder metaUischen rothen
Farbstoffen. Obenan unser diesen stehen der Zinnober und die
Mennige. Den Namen xn/va/?a()i(e) führte ursprünglich die rothe
Harzfarbe des Drachenblutbaums : dieses Harz ist es , welcbes bei
Arrian im Periplus des rothen Meeres unter xivvdßaQt to XeyöfiBVOV
'IvSvxov ano rüv divSgwv Sdxgv övvayofiivov gemeint ist. Nur
xttrccxQilorixwg, wie Dioskorides V, 110 sagt, ist der Name auf die
rothe Metallfarbe übergetragen, welche er näher als vSgd^yvgog
ano rov äf*fiiov Xtyofikvov bezeichnet, d. h. als künstliches aus
sogen. dfifMov = minium (ungenauer auch filXrog genannt) bereitetes
Quecksilber. Den Namen miniimi führt hier der natürliche Zinnober
im Unterschiede vom künstlichen. Diese beiden Zinnober-Arten
unterscheidet auch üeophrast in seinem Werke ntgi Ud-i»v. Plinius
*) Vorgetra^n vor der V«r9iBmlaDg der Orientalisten «m 25. S>i^emlMr 1862 in Augsburg.
674 Delilzsch , iib. die in allen Hss. verwendelen rolhen Farbstoffe,
folgt dem strengeren Sprachgebraueh , indem er cinnabaris von
Drachenblut gebraucht und den Zinnober minium nennt. Aber diesen
Namen gibt er auch einem aus Silbererzen (näml. bleihaltigen) und
Bleierzen gewonnenen secundarium minium perquam paucis notum.
Darnach hat sich schon im Mittelalter die herrschend gewordene
chemische Terminologie gestaltet. Im pflanzlichen Sinne gebraucht man Zinnober nicht mehr. Zinnober heisst das Schwefelquecksilber
und Mennige heisst des Plinius minium secundarium, das rothe Blei¬
oxyd. Diese beiden Metallfarben sind die üblichsten in alten Hand¬
schriften. Das schön glänzende Hochroth der Ueber- und Beischriften
im Codex Reuchlins ist Zinnober = Schwefelquecksilher ; mit Salpe¬
tersäure behandelt hält es Stand und lässt keine Spur von Blei
zurück. Dagegen ist das bei weitem nicht so schöne Roth, mit
welchem die eusebischen Kanones in dem Münchner Cod. graec. 211
gemalt sind , Mennige = Bleioxyd. Eingehende chemische Unter¬
suchungen, welche Prof. Martius mit einem erkauften Codex des
früheren Forchheimer Capuzinerklosters anstellte, brachten aus dem
rothen Farbstoff Quecksilber-Kügelchen zum Vorschein — er er¬
wies sich also als Zinnober-Dinte, die beste Sorte der alten rubrica.
Der Münchner Cod. germ. 821 enthält Recepte zu ihrer Bereitung.
Das erste Recept beginnt: Wildu ain schön rubruk machen, so nim
cnober als vil du wild und reib in auf ainem reibstin mit wasser
gar wol an; das zweite, überschrieben rubrica ad florisandum, be¬
ginnt ähnlich: Wildu macben ain Rubrik dy klain aus der federn
get zu floriren, so reib den czinober auf ainem stain gar wol und
gar klain uud das klar aus dem glas. . Das Bindemittel war, wie
aus diesen Recepten ersichtlich, Eiweiss (airklar), welches man da¬
durch unlösbar gemacht haben mag, dass man mit einem heissen
Bügelstahl über die Stelle, wo das Roth angebracht war, drüber
hinfuhr. Der feinen rubrica bediente man sich, Ueberschriften und
Anfänge zu floriren d. i. mit Blüthen- und Blätterwerk zu verzieren ;
die Vignette hat davon den Namen, es biess so ursprünglich eine
mit Weinranken verzierte Initiale. Das Dintefass nennen die Recepte
das hom ; das Gefäss , in dem man die Dinte aufbewahrte , war die
Spitze eines Rindshorns, weshalb das Diutenfass noch jetzt franzö¬
sisch cornet und englisch inkhorn heisst. Ein Recept am' Rande der
Handschrift schreibt für Herstellung der rubrica eine Mischung von
ciuobrium und minium vor. Diese Herstellungsweise war billiger,
lieferte aber auch eine weniger dauerhafte und weniger hochrothe
Dinte. Wie gebräuchlich neben Zinnober auch Mennige war, lehrt
uns ein Wort, an dessen Ursprung wir, wenn wir es gebrauchen,
nicht zu denken pflegen. Die Miniature hat von der Mennige ihren
1) s. den Bericht in dem Archiv der Pharraacie Bd. 160 Heft 2 8. 110
—115 Als Zinnober erkannte D. Landerer in Athen auch die rothen Schrift¬
züge einer Papyrusrolle, während die blauen sich als kupferoiydhaltig auswie¬
sen, 8. ebend. Bd. 137 S. 156—158.
Delütsch, üb. die in allen Hss. verwendelen rolhen Farbstoffe. 675
Namen: mit dieser sclireiben und zeichnen biess miniare und ein
mit solcbem Roth gemaltes Bild zur Zier der Handschrift hiess
miniatura ^).
Unter andem Recepten enthält die genannte Münchner Hand¬
schrift auch ein de colore vermiculi überschriebenes. Diese Ueber¬
schrift lässt Carmesin erwarten, aber das Resultat der vorgeschrie¬
benen Bereitungsweise ist nach Prof. Martins' Lesung des sclijechten
undeutlichen Lateins hydrargyrum oxydatum rubrum. Also auch
dieser Farbstoff lässt sich in Handschriften erwarten. Es heisst
so eine Verbindung von Quecksilber mit Sauerstoff, kurzweg das
Quecksilber-Oxyd. Der Zinnober ist hochroth , das Quecksilber-
Oxyd ziegelroth , heller als Mennige , wogegen das Carmesin , von dem
weiterhin die Rede sein wird, tiefroth und das den Alten unbe¬
kannte Quecksilber-Jodid brennend roth ist. Ausser den genannten
Quecksilber- und Bleifarben verwandten die Alten als rothen Farbstofl'
auch einige Arten Och er (w^ga), welche gebrannt wurden, um ihre
rothe Farbe zu erhöhen. Nach einer durch Prof Martius in Erlangen
vermittelten Notiz ist die eine rothe Farbe in dem berühmten Codex
von Reichenau wahrscheinlich Oeber (Ocker).
Wir fassen nun II) die organischen und zwar zunächst die
thierischen rothen Farbstoffe ins Auge. Obenan unter diesen steht
der Purpur (noQCfVQa), in dessen Namen dieselbe Wurzel redu¬
plicirt ist, welche den Verbalstämmen -icn erröthen und ipit glänzen
(wovon der Name der Morgenröthe irjE-icii;) zu Grunde liegt; er
beisst 'j'33"iN als Buntfärbemittel, der blaue (hyacinthenfarbige) Pur¬
pur führt im Unterschiede davon den Namen nb:n, welcher die
• Muschel, dann die Muschelfarhe bedeutet. Einer aus Purpursaft be¬
reiteten Dinte bedienten sich die byzantinischen Kaiser bei ihrer
Unterzeichnung von Decreten und Diplomen *); der Gebraucb dieser
Purpurtinte war jedem Andern verboten, er galt als kaiserliches
Vorrecht. Der Purpur war ohnehin wegen der Scbwierigkeit seiner
Herstellung aus den betreffenden Schaltbieren eine kostspielige Sache,
er wurde allmählig durch leichter und billiger zu habende rothe
Farbstoffe verdrängt ; die in der, Passionsgeschichte vorkommende
Chlamys, welche bei Marcus, Lucas und Johannes purpurn genannt
wird, war nach der genauem Bezeichnung Matth. 27, 28 xoxxivi],
no()(pVQa {noQ(f VQovv) wurde in der Volkssprache ohne Unterschei¬
dung des Farbstoffs Name purpurartigen Roths — eine Verallge-
meinemng des Wortgebrauchs, welche sogar sachlich dadurch ver¬
mittelt ist, dass man den reinen Purpursaft mit mancherlei anderen pflanzlichen und thierischen rothen Farbstoffen versetzte, um dadurch
1) Diez, Wörterbucli der romanisclien Sprachen (Ausg. 2) I, 279.
2) Beiläufig erinnern wir hier an die tiefbraune oder schwarze Dinte (Tusche), die sogen. Sepia, welche gleichfalls aus Schaalthieren gewonnen wird, und verweisen auf Johnstons Konchyliologie (deutsch von Bronn 1853), wo man auch gründliche Belehrung Uber die Königin aller Farben, die Purpurfarbe, finden wird.
676 DHilxsch, üb, die in alten Hst. verwendeten rothen Farbstoffe.
Varietäten zu erzielen. Nächst dem Pnrpu/ ist der Carmesin das
geschätzteste und berühmteste Roth des Altertbums. Weiss, Purpur¬
roth, Purpurblau und Carmesin sind die vier heiligen Farben des
mosaischen Stiftszelts-, der Carmesin mit seinem feurigen Roth
erscheint auch sonst im Ceremoniel als Symbol des intensivsten Le¬
bens, so wie bei Jesaia als Bezeicbnungsmittel der schreiendsten
Sünde. Das vorexilische Hebräisch nennt ihn von seinem Lustre
-:W , sowie das Aramäische ^n'inT , und bezeichnet ihn durch Zu¬
sammensetzung dieses Worts mit hsbin oder auch geradezu durch
sVin als Wurm- (feer Insektenfarbe. Das nachexilische Hebräisch
aber kennt dafür aucb das unserm „Carmesin" entsprechende b-^-ia,
welches mehrere Mal beim Chronisten vorkommt. Gesenius erklärt
dieses Wort aus dem persischen JU^J' Wurmroth, und allerdings
heisst kirm, kirim persisch der Wurm und Jl roth , aher jenes
kermial ist ein von Gesenius zur Erklärung des fingirtes
Compositum, dessen wir gar nicht bedürfen, da i''QnD aus dem
Fremdwort o-iD mit der Nominalendung il gebildet ist (s. Jesurun
p. 226), ähnlich wie carmin, carminio in den romanischen Sprachen *).
Die Heimath der Kermesfarbe ist bekanntlich Indieu und ihr dortiger
alter Name, welcher sich über Persien hin in den mannigfachsten
Formen nach Westen verbreitet hat, ist krimi^ä die Wurmerzeugte
(Pantsehatantra 1, 107). Aber auch scbon die Mexicaner kannten
und verwandten diesen Farbstoff bei der Ankunft der Spanier. Däs
Insekt, welches ihn in sich enthält, ist die auf verschiedenen Opuntia-
Arten ^) lebende Cochenille - Schildlaus , deren Name coccus cactd
seinen Ursprung der falschen Vorstellung verdankt, dass die Kör¬
pereben, welche den Carmesin liefern. Beeren seien; man nennt sie
auch wirklich im Handel nocb grana '), der wissenschaftliche Sprach¬
gebrauch aber hat coccus (Beere) zum Namen der Schildlaus umge¬
münzt. Der Carmesin ist nicht minder als Maler- wie als Schreib¬
farbe üblich geworden. Die Griechen nennen ihn jetzt XQifik^t,,
XQLfii^L oder xiQfitL,!,. Anweisung zu seiner Zubereitung gibt die
Egfii]vela rüv ^(üygccifwv (og ngog ri/v txxhjcii-aarixtjv ^(aygacplav
vTio Jiovvaov rov isQofiovdxov xai ^wygd(fov av/ygatpeiaa iv
A&Mvi ro [i'ros] 1458, das sogenannte Kundbuch der Malerei
vom Berge Atbos, welches Didron ans Licht gezc^en und nach
dessen französischer Ausgabe G. Schäfer (Trier 1855) deutsch heraus-
1) s. Diez a. a. O. 1, 14. Im Provenfalischen nennt mso djis Cochenille- Insekt schlechtweg le ver ( s. Laudons Arboretum 3, 19l 0); die romanischen Benennungen vermiglio, vermeil u. s. w. gehen auf verjniculus zuriick. Der lat. Name der Farbe im Mittelalter ist color vermiculi.
2) s. Ainslie, Mat. med. Ind. I, 79 s. II, 217 s.
3) Früher waren sie officinell , wie überhaupt die meisten Farbstoffe als heilkräftig galten, im babyl. Talmud Aboda zara 28 b werdeo sieben Scbsrlach- körner (»Jbin NbilN ''3''2 3125) als Mittel gegen Unterleibsschmera« geMnat.
Deliltseh, üb. die in allen Hss. verwendelen rolhen Farbsloffe. 677
gegeben bat. Auch ist der griechische Text 1853 in Athen bei
Pliil. Karampini und Const. Bapha ersebienen.
Von dem Carmesin d. i. der von coccus cacti gewonnenen echten
und eigentlichen Cochenille-Farbe sind aber noch zwei andere gleich¬
falls in Handschriften verwendete Cochenille-Farben zu unterscheiden.
Die handschriftliche Verwendung der einen bezeugt Eusebius' Brief
an Karpian in der Fassung, wie ihn die complutensische Polyglotte
enthält. Die Farbe der Buchstaben-Ziffern, mittelst welcher für den
durch die schwarze Ziffer bezeichneten Evangelien-Abschnitt in den
so und so vielten der zehn xavöveg verwiesen wird, damit man dort
die beigeschriebenen Parallelen finde, heisst in den Codd. bald x*v- väßaQi bald iQV&Qov XQ'^f*'^ *"^er auch fiikav, dort in der Bibel von -A.lcala aber kaxä-^) Offenbar ist das unser „Lack". Nnr ver¬
stehen wir unter Lack gewöhnlich ein Harz oder vielmehr eine
Auflösung von Harzen in Weingeist oder ätherischen Oelen, wogegen
la^ä den rotben Farbstoff meint, welcher sich in Wasser löst,
während das Harz ungelöst zurückbleibt. Das Weibchen der coccus
lacca gräbt sich nämlich in die Zweige gewisser Ficus-Arten ein,
veranlasst dadurch einen Ausfluss des harzigen Pflanzensafts und
begräbt sich so selbst unter diesem Harz-Ueberzug , welcher, noch
am Stocke befindlich, stick-lac (Stocklack) genannt wird. Wird dieser Stocklack in Wasser gethan, so löst sich (was man jetzt durch einen Zusatz von kohlensaurem Natron zu erleichtem pflegt) ein rother Farb¬
stoff davon ab , welcher theilweise in den Zellen des weiblichen Thiers,
grossentheils aber eingetrocknet in den Höhlungen vorhanden ist,
in welchen die durch das Harz bindurch, wie an dessen Durch¬
löcherung ersichtlich, entschlüpften Maden ihre Umwandlung voll¬
endeten. Der so gewonnene Farblack (lac-lac oder lac dye) ist ein
dem Carmesin an Werth und Schönheit nachstehendes Braunroth,
wenigstens ist dies die Farbe unsrer officinellen, aber wenig mehr
gebrauchten Tinctura laccae. Schon Arrian in seinem Periplus des
rothen Meeres erwähnt den kdxxog ;jf()W|aarti/oe als Produkt des
innern Arabiens. Korais {KoQarjg) in seinen "Axaxza (Vermisch¬
ten Schriften) hat über die mancherlei Wortformen Folgendes:
Tom. IV p. 476 To Aax^dv tlvai to ivSixov tov JioaxogtSov
(V, 107), fie TO avTO övofia yvtoQil^ofisvov xal ay/MSQov
dno TOig FdkXovg (Indigo). Aux^äv; Aaxäv, Aa^äv xal
Ad^wv TO wvofia^ov oi FQaixogMfiaiot. , wg xai rovg
ßaifiag Aa^iordg xal IvSixoßdifovg. 'H Xk^ig eivai Iv-
di,XT], kx Tijg önoiag kyevw^&ti xal rj yakXixrj Lacque.
Tom. V p. 151 Adxxa, &rjX. [&ijlvxöv tov] Adxxog, Aax^äg
xal Aa^äg dga. üvai 6 avrog xal 6 dXkov [= äkkaxov]
övofiaaä-üg Aaxäg ij Adxiov. ^)
Die mancherlei Wortformen sind hier vollständig zusammen¬
gestellt ; aus du Fresne's Glossarium mediae et infimae Graecitatis '
1) Wie ausser dort uur in einer einzigen (Moskauer) Handschrift 2) Ich verdanke diese Auszüge Herru Prof. Wimpos in Athen.
678 Delitzsch , üb. die in allen Hss. verwendeten rolhen Farbstoffe.
lässt sich noch als zur Familie gehörig iXxovlt} TQoyinxog vor
ka^ä hinzufügen, was wohl das den Farbstoff noch in sich enthal¬
tende Stocklack-Kügelchen bezeichnet. Ein Missgriff ist es aber,
wenn Korais ka^äq für ein und, dasselbe mit Dioskorides' ivSixov
erklärt. Wenn man den Färber ebensowohl IvSixoßäifog als ka-
XMTi'jq nennen kann, so ist doch deshalb ivSixov und ka^äq nicht
ein und dasselbe. Das von Dioskorides beschriebene ivöixov ist
der Indigo. Man irrt, wenn man meint, dass dieser erst seit Ent¬
deckung Amerika's in Europa bekannt worden sei. Plinius sagt :
non pridem apportari et Indicum est coeptum ; nur allgemeiner wurde
sein Gebrauch, seit man ihn vom 16. Jahrh. an auf dem Seewege
aus Ostindien zu beziehen anfing Mit kayäq färbte man roth,
mit IvSixov dagegen blau. Indess wollen wir uns hier nicht durch
die blauen Farbstoffe abseits fübren lassen, sondem am Schlüsse
dieses unseres Aufsatzes anhangsweise auf sje zuräckkommen. Aller¬
dings hatte der Lack nicht minder als der Indigo für die Alten
seine Heimath in Indien. Der Farblack heisst im Sanskrit läk^ä
oder mit participieller Bildung laktaka, von unbekannter Wurzel
denn die von Westergaard zusammengestellten Wurzeln rak, lag, rag,
lak, ragh mit der Bedeutung gustare, adipisci gewähren keinen pas¬
senden Ausgangspunkt. Er heisst auch räksä, von der Wurzel rang,
wovon rä^a pers. reng, die Farbe. Persisch heisst er lak, läk und
genauer rengi lak d. i. Farblack, arabisch y5ü. Wenn die arabi¬
schen Lexikographen diesen „zur Färbung des Ziegenleders" dienen¬
den Farbstoff als eine Pflanzenfarbe bezeichnen, so kommt dies
daher, dass der Farblack aus dem Harzlack gewonnen wird und
deshalb leicht als Pflanzenfarbe angesehen werden konnte Die dritte Cochenille-Farbe liefert die Kermeseicben-Schildlaus
coccus ilicis, weicbe sowohl auf quercus ilex als besouders auf
quercus coccifera vorkommt; man nennt die erbsengrossen, mit
rothem Safte angefüllten Eierhüllen dieses Insekts , welche nicht wie
bei coecns lacca mit Harz umgeben sind und die Grösse kleiner
Erbsen haben, Kermesbeeren oder Scharlachkörner, weil sie wie
Beeren an den Zweigen des Strauches festsitzen und oberflächlicher
Betrachtung wirklich als Pflanzentheil erseheinen. Das Eichen-
cochenill-Roth ist in Griechenland von Alters her ein vielgebrauch¬
ter Farbstoff, es heisst nQvvox6xxi{ov) ') von ngivoq ilex. Man
färbt damit die Fesse {(fiL,t-) u. dgl. Ob man es zur Bereitung der Dinte verwendet, weiss icb nicht; das eigentliche Carmesin XQLfikCt'
1) s. Kopp , Gesehichte der Chemie 4, 400 f.
2) s. über das Lac-Inselct und die indischen Lac-Pflanzen, zu denen auch ficus religiosa gehört, Ainslie a. a. O. 1, 188—191.
3) s. über Quercus coccifera und die jifivoxoxxta (Kermesbeeren}
v. Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands Mit besonderer Berücksichti¬
gung der neugriechischen und pelasgischen Vulgärnamen (Athen, Wilberg 1862) S. 18.
Delilzsch , üb. die in allen fiss. verwendelen rolhen Farbsloffe. 679
ist besser, indess wird auch dieses weniger gute für fiikav xoxxt'vt}
(igv&gd) nicht unbrauchbar sein. Wenn ein handschriftlicher De-
mocritus chymicus bei Du Fresne sagt: ian dk 6 r^s FaXaTiag
axüXri^ xal to Ttjs 'Axatag av&og 6 xakovai Xaxyäv, so ist die
bei den Alten für preiswürdig gehaltene galatische Cochenille gemeint, und es ist jedenfalls ein sinniger Einfall , wenn Heindorf den Namen des Scharlachs (franz. ecarlate) mit galaticus combinirt >). Diese ga¬
latische Cochenille war coccus ilicis, denn vg {vayrj) ist nach Pausanias 10, 36, 1 galatisch-phrygischer Name eines Strauches, obne Zweifel
der quercus coccifera. Es gibt aber auch Cochenillen, die sicb an
anderen Gewächsen tinden, einen coccus polonicus auf scleranthus perennis (Johannisblut) und einigen Potentinen, und ein altbekanntes
kermes armenum, welches nacb einer Mittheilung des Geheimraths
V. Martius in München das Gehäuse ist, das die Porphyropbora
Hamelii Brandt an die Wurzel eines Grases Poa pungens (Aleuro-
pus) anlegt. So mannigfaltig ist das Insekten-Roth. Ein solcbes
meint wohl auch das im heutigen Griechenland weitverbreitete grie¬
chische Lexikon von Byzantios, wenn es das französische Cochenille neben xiQftiCt' durch 7iqivox6xxi(ov) rijg 'AfiEQixrjg übersetzt. Die
Bezeicbnung ist aber unklar. Denn die nicbt blos in Ostindien,
sondern auch in Mexiko um des cofccus cacti willen stark angebaute opuntia coccinellifera ist kein ngivog, sondern ein Cactus, und der möglicherweise gemeinte purpurrothe Saft der dünnen Fruchtgehäuse
der nordamerikanischen phytolacca decandra, womit man Weine,
Liqueure und Confituren färbt, ist keine Cochenille-Farbe — der
Ausdrack tiqivoxÖxxl rfjg 'Afi^SQixi/g ist also wenigstens missver¬
ständlich : man weiss nicht, ob amerikanisches Insekten-Roth (Coche¬
nille de Mexique) oder amerikanisches Pfianzenroth gemeint ist, ob¬
wohl wahrscheinlich das Erstere.
Dies fübrt uns III) auf die pflanzlichen rothen Farbstoffe. Uralte
Berühmtheit unter diesen hat das Drachenblut (alfia ägaxopTog),
welcbes aucb indisches Zinnober {xivvdßaQi IvSixov) hiess; man
gewinnt es nicht allein von dem ächten Drachenblutbaum (dracaena
dräco) , sondern auch von verschiedenen Palmenarten mit rohrartigem
Stamm, das ächte ist sehr selten. In Handschriften ihm zu be¬
gegnen können wir nicht erwarten ,. denu zu Dinte lässt es sich
nicht verwenden, es ist eine nur in Weingeist sich lösende Harz¬
farbe und dient Malern und Lackirern. Als Schmink- und Spezerei-
Farbe wurde die purpurrothe Farbe der sogen, falschen Alcanna-
Wurzel d. i. der Wurzelrinde vou anchusa tinctoria verwendet,
äy^ovaa { 'iyxovaa) , wovon das Verbum äy^ovaid^eiv. Den man¬
nigfaltigsten Gebrauch machte man von dem Krapp oder der Färber-
röthe rubia tinctorum; ihr griechischer Name ist igev&iSavov mit
• 3
mancherlei Nebenformen, ihr semitischer Name rrwis ii^, an den
1) s. Schwenck, Deutsches Wörterbuch S. 555 Anm.
680 Uelilzsch, üb. die in allen Hs^- verwendelen rolhen Farbsloffe.
schon Philo denkt, wenn er den Frauennamen nj^g Ex, 1, 15 durch
tgv&gov erkläi't; ob die Schminkfarbe jianSepws (moiD im jerus.
Talmud) ebendieselbe jst , weiss ich nicht zu entscheiden i). Man
bediente sich des rothen Wurzelsaft« der apchusa und rubia zur
Schattirung des Purpurs ; auch das lebhafte Roth der Färberflechten,
welches wir Orseille- oder Columbiufarbe nennen , war den Alten
schon bekannt und wurde bei Bereitung des echten Purpurs, aber
auch zur Nachahmung desselben benutzt Dass auch der Saflor
oder wihJe Safran den Alten als Farbpflanze bekannt gewesen gei,
möchte man aus dem talmudiscben Namen ■'nanp scbliessen, wel¬
cher mit dem systematischen Namen des Saflors carthamus (tincto-
rius) zuaammeatrifft ; aber wahrscheinlich jst diese Pflanze, weJche öfters als Culturpflanze erwähnt wird, die Kresse xoi^Scefiov, Itoe
Blüthe heisst •'ao'mpi ntit (Kardam-Rase) j man bereitete daraus
mittelst Kochens einen Würztrank (rgifificc), welcher talmudiseh
■"00 "npl MWiu genannt wird. Es gibt nur wenig Pflanzen, deren Blüthen (nicht Wurzeln , Holz oder Früchte) rothen Farbstoff liefern.
Der carthamus , welcher bei Tbeophrast VI, 4 xvnxos heisst, dessen
Species carthamus tinctoriua wir aber bei den Alten nicht sicber
nacbweisen können, ist eine derselben; die anderen sind paeonia
officinalis, papaver rhoeas und nur noch etwa althaea rosea, mehr
dürfte es kaum geben, und doch wage ich nicht au bestimmen,
welche derselben jenes Demooritus chymicus „Blütbe von Achaja" aei.
Welche dieser Pflanzen oder welche andere von den Alten
handschriftlich verwendet worden seien, lässt sich nicht sicher an¬
geben; indess ist es wahrscheinlich, das» man das Alizarin d. i.
den aus dem Krapp gewonnenen rothen Farbstoff au Dinte oder zu
handschriftlicher Malerfarbe benutzt hat; auch unsere von Dresden
aus in Umlauf gesetzte sogen. Alizarin-Dinte enthält trots ihrer
bläulich grünen Farbe einen Zusatz von Krapp, welcher vermöge
seines Zuckerstoffgehalts zu ihrem Glänze mitwirkt»). Die lavanti-
nische Alizari(Lizari)-Dinte bestand und besteht sicher vorzugs¬
weise aus Krapprotb, besser ihrem Namen entsprechend, als jene,
welche durch ibren Namen die Pharmakologen eiue Zeit lang in
Verlegenheit setzte. Gegenwärtig macht man Dinte auch aua jma-
f c -
x«|Wt d. i. Fernambuk- oder Brasilienholz, arab. |»üjj türk. baqäm, seit Entdeckung Amerika's unserem gebriuchlicbsten Rothholz, wie das Campeche-Holz unser gebräuchlichstes Blauholz ist ; indess gibt auch
1) s. mein Jesurun p. 93, wo sion einige weitere Nfkchwelae finden.
Spmgal ia seinem deutschen Tbeophrast 2, 2ä7 oemliinirt naiHefore nit ac^tbus mollis, aber das ist keine Farbpflanze.
2 ) Landerer in einem Aufsatz über den Purpur der Alten , Arcniv der Pharmacie Bd. 141 S. 161—164, nennt unter den Farbstoffen, d|e fuwi (km Purpur zusetzte , auch rosa italica und das Insekten-Roth von coccus ilicis.
Ueber die Orseille s. Sprengel's Tbeophrast 2, 157.
3) Archiv der Pharinaoie Bd. 142 (1867) S. 308 f.
Deiuisch , ü6. die in allen Hss. verwendelen rolhen Farbsloffe. 681
letzteres, in Wasser gesotten, eine weichselrothe Farbe, aber mit
etwas Eisenvitriol (scbon den Alten bekannt und unter atvnrjjQla alumen mitbegriffen) wird sie violett.
Dies "möge uns zu dem Indigo zurückführen, welcher gleichfalls
je nach der chemischen Behandlung die verschiedensten Farben gibt.
Der in der Pflanze enthaltene Indigstoff ist an sich farblos, aber
durcb Aufnahme von^^Sauerstoff aus der Luft wird er sofort blau,
' und seine Berühmtheit verdankt er dieser blauen Farbe , der Indigo
ist bis auf den heutigen Tag der einzige haltbare blaue Pflanzen¬
farbstoff. Als solcher heisst er im Sanskrit nilä, nili, nilini oder nalinä, von nila blau ; der occidentalische Name anil (zunächst por¬
tugiesisch) ist die Umlautung dieses ältesten einheimischen. Der
meiste orientalische Indigo wird aus indigofera anil, der sogen,
wilden Indigopflanze, gewonnen. Unter die indighaltigen Manzen
gehört aber auch isatis tinctoria, welche schon in den Talmuden
unter dem Namen COOK oder O'tso als Färberpflanze woblbekannt
ist. Dass man, um eine blaue blauscbwai-ze Dinte zu erzielen, früh¬
zeitig schon den Indigo gebrauchte, sei es dass man ihn in Schwefel¬
säure löste oder als Pulver zusetzte, ist wahrscheinlich. Im heu¬
tigen Griechenland geschieht es und dergleichen Dinte oder Farbe
heisst XovXäxt.{ov). Dass dies ein blauer Farbstoff ist, besagt der Name, denn lilak oder leilak ist persisch-arabischer Name der Syringa d. i. des spanischen oder, wie ihn die Moslemen nennen, des persischen Flieders ( a^em lilak), dessen lilafarbigen Blüthensträusse zwar keinen Farbstoff enthalten, aber einem schönen Blau seinen ins Abendland
übergegangenen Namen gegeben haben.
Nachschrift. Zur Vervollständigung der Literatur nennen
wir eiuen erst jüngst im Archiv der Pharmacie 1863 (Febr.) S. 125 ff.
erschienenen Aufsatz Landerers (in Athen) „Ueber die Dinten der
Alten" — eine dankenswerthe Arbeit, der wir aber Nichts zur Er¬
weiterung oder Berichtigung der unserigen entnehmen konnten.
Bd. xvn 45
682
Mittheilungen aus dem Orient*).
Von Frellt. V. §chleelitM-ll'SM«hrd.
üeber den neugestifteten türkischen Gelehrten-Verein.
c
lu^Ltic &A«Jle 0-<.^4-^
Das Associationswesen , welchem man im Occidente sowohl auf
dem Gebiete der materiellen Interessen als auf jenem der Humanität so bedeutende Erfolge verdankt, hat in der Türkei erst seit wenigen Jahren Eingang gefunden.
Krieg und Raub waren bis dahin so ziemlich die einzigen Hebel
mächtig genug eine grössere Anzahl von Menschen auf längere Zeit
zu gemeinsamer Thätigkeit zu vereinigen. Reschid Pascha, dem Ur¬
heber des berühmten Chatti scherif von Gülhane, war die Ehre
vorbehalten der europäischen Gesittung auch in dieser Richtung in
seinem Vaterlande Bahn zu brechen. Unter ihm entstand nach dem
Muster des österr. Lloyd und der franz. Messageries jene Dampfschiff¬
fahrtgesellschaft, welche, ausschliesslich aus einheimischen Elemen¬
ten bestehend, unter dem Titel nj^as» c>.£=^ die schönste Wasser¬
strasse der Welt, den Bosphorus, in regelmässigen Fahrten ausbeutet-
Nach ihrem Beispiele, docb mit Zulassung fremden Capitals, wurden
später jene Eisenstrassen angelegt, deren eine das Innere des frucht¬
baren Anatoliens mit dem Stapelplatze Smyrna, deren andere, den
Ister mit dem Pontus zu Lande verknüpfend, den Weg für Reisende
aus dem Abendlande in die Metropole des Ostens von 8—10 Tagen
auf 4 verkürzte, und deren dritte von Rustschuk nach Varna, eine
noch weit wesentlichere Verringerung dieser Entfernung in Aussiebt
stellt. Aber nicht nur der touristischen und commerciellen An¬
näherung, auch der Centralisation geistiger Thätigkeit widmete der
aufgeklärte osmanische Machthaber seine energische Fürsorge. ' Seit
Auflösung der arabischen Gelehrten-Verbindung der Brüder der Rein¬
heit, erfreute sich der mobammed. Orient keiner Association mehr,
deren Zweck es gewesen wäre das Gebiet wissenschaftlicher Forschung
gemeinsam auszunützen. Die jetzige Türkei hat eine solche gar
nicht gekannt. Die von Sultan Abdul Medschid auf Reschids
Veranlassung gegründete „Versammlung des Wissens" CT*^'
sollte diesem Mangel abhelfen und in Stambul einen Brennpunkt
schaffen für die Gedankenstrahlen aus allen Theilen des grossen
*) Vorgetragen vor der Versammlung der Orientalisteu am 25 September 1862 in Augsburg.