Ver¨ anderungen im Kohlenstoffgehalt der
terrestrischen Biosph¨ are ¨ uber glaziale Zeitskalen
— eine Simulationsstudie
P. K¨ohler & H. Fischer
Alfred–Wegener–Institut f¨ur Polar– und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft Postfach 12 01 61, 27515 Bremerhaven, email: pkoehler@awi-bremerhaven.de
Zusammenfassung
Der Kohlenstoffgehalt der terrestrischen Biosph¨are w¨ahrend des Holoz¨ans und des Letzten Glazialen Ma- ximums (LGM) wurde mehrfach mit Hilfe von Da- ten und Gleichgewichtssimulationen abgesch¨atzt. Wir benutzen hier diese vormaligen Ergebnisse in einem einfachen global gemittelten Boxmodell der terrestri- schen Biosph¨are, das mit unterschiedlichen Klimaauf- zeichnungen (Temperatur, pCO2, Meeresspiegel¨ande- rung) angetrieben wird, um den ¨Ubergang vom LGM via Termination I ins Holoz¨an zu berechnen und um festzustellen, welche treibenden Kr¨afte n¨otig sind, um die beobachteten Ver¨anderungen in der Biosph¨are zu erkl¨aren. Klimaantriebe f¨ur diese Art Modelltyp f¨ur rezente Fragen des Klimawandels sind zu stark um den Glazial/Interglazial- ¨Ubergang zu erkl¨aren. Ungef¨ahr 1600 PgC waren w¨ahrend des LGMs als terrestrischer Kohlenstoff gebunden, 600 PgC weniger als zu vorindu- striellen Zeiten. Die aus unseren Simulationen berech- nete Freisetzung vormals im Ozean gebundenen Koh- lenstoffes war w¨ahrend der vergangenen 20 kyr in Phase mit dem atmosph¨arischen pCO2Rekord, aber durch den Aufbau der terrestrischen Best¨ande viermal gr¨oßer als der Anstieg im pCO2. Die berechneten Ver¨anderungen in der isotopischen Signatur des ozeanischenδ13C stim- men gut mit Daten ¨uberein. Im Gegensatz zu anderen Studien kann jedoch auch die terrestrischen Biosph¨are signifikant das atmosph¨arischeδ13C Signal w¨ahrend der Termination beeinflusst haben.
Einleitung
Variationen im Pal¨aoklima bestimmten auch die Ver¨ander- ungen im Kohlenstoffgehalt der Landbiomasse. Momentan wird diskutiert, ob w¨ahrend des Glazial/Interglazial- ¨Uber- ganges Ver¨anderungen im atmosph¨arischen pCO2 und δ13C haupts¨achlich durch den Ozean verursacht wurden, wohingegen der terrestrischen Biosph¨are zu Zeiten des Ho- loz¨ans und des LGMs eine dominante Rolle zugeschrieben wird (Inderm¨uhle et al., 1999; Broecker et al., 2001; Fi- scher et al., 2003).
In dieser Studie wollen wir die Diskussion mit einem durch pal¨aoklimatische Daten angetriebenen transienten Model- lierungsansatz erweitern.
Zeitabh¨angige Antriebskr¨afte. A: Meeresspiegel (Fairbanks, 1990). B: atmosph¨ari- sches pCO2 aus dem Taylor Dome Eiskern (Smith et al., 1999). C: Eiskernisoto- pendaten als Proxys f¨ur Temperatur¨anderungen. GISP2, Gr¨onland (Grootes und Stuiver, 1997) und Vostok, Antarktis (Jouzel et al., 1987).
-120 -100 -80 -60 -40 -20
sealevel[m] A
coral reefs
200 220 240 260 280
pCO2[ppmv] B
pCO2 Taylor Dome
-7.0 -6.8 -6.6 -6.4 -6.2 -6.0
13C[o/oo]
13C
0 5 10 15 20 25 30
Time [kyr BP]
-46 -44 -42 -40 -38 -36 -34
GISP218O[o/oo] C
GISP2
-480 -460 -440 -420 -400
VostokD[o/oo]
Vostok
Modell und Daten
Unser Boxmodell der terrestrischen Biosph¨are basiert auf fr¨uheren Arbeiten (Emanuel et al., 1984; Kheshgi und Jain, 2003). Der vorindustrielle Gleichgewichtszustand wurde mit Hilfe von Literaturwerten parametrisiert. Zu je- ner Zeit sind ungef¨ahr 2200 PgC im terrestrischen System gebunden (Vegetation: 700 PgC; B¨oden: 1500 PgC).
Unser Modell wird durch diverse Zeitreihen angetrie- ben. ¨Uber f¨ur Vegetation verf¨ugbare Landfl¨ache, CO2
D¨ungung, und durch Temperaturschwankungen induzierte metabolische Ver¨anderungen in der Nettoprim¨arprodukti- on NPP und der Respiration wird die Dynamik der ter- restrischen Biosph¨are angetrieben. W¨ahrend Meeresspie- gel¨anderungen nur eine untergeordnete Rolle spielen (∼ 4%), k¨onnen die Temperatur- und CO2-Effekte jeweils al- lein f¨ur die beobachteten Glazial/Interglazial-Unterschiede verantwortlich sein.
Modellstruktur von BICYCLE (Box model of the Isotopic Carbon cYCLE), dessen terrestrische Biosph¨are hier verwendet wird. C4 und C3 Grassvegetation; nichth¨olzerne (NW) und h¨olzerne (W) Teile von B¨aumen; Detritus (D); sich schnell (FS) und langsam (SS) zersetzende B¨oden. Pfeile deuten C-Fl¨usse an.
C3
FS SS
NW W D C4
Biosphere Atmosphere
Rock
Sediment
SEATL
SANT
TEI−P SEI−P
SNPAC SNATL
TEATL
DATL DANT DI−P
0.4 2.1
1.4 17.1
4.4 17.4 8.7 0.2 3.8 0.1
1.0 2.8 1.7 0.4
9.4 28.4 23.6 5.7 2.9 2.6
2.6 20.8 9.0 3.8 10.8 16.8 23.0 4.3 0.5 0.2
5.6 7.6 17.6 18.6
0.8 C3
FS SS
NW W D C4
Biosphere
Atmosphere
Box model of the Isotopic Carbon cYCLE
BICYCLE
Atlantic Indo−Pacific
Biosphere
SO
Der Einfluss unterschiedlichen CO2 und Temperatur auf die Gesamtbiomasse wurde in Gleichgewichtssimulationen analysiert.
Fall I: erh¨ohte CO2 D¨ungung. Fall II: erh¨ohte Temperaturabh¨angigkeit.
-100 -50 0
(pCO2) [ppm]
-1000 -500 0 500
(Carbon)[PgC] A
-100 -50 0
(pCO2) [ppm]
0 2 4 6
C/pCO2[PgC/ppm]
C/ pCO2 C
-100 -50 0
(pCO2) [ppm]
-1000 -500 0 500
(Carbon)[PgC] B
-100 -50 0
(pCO2) [ppm]
0 2 4
C/pCO2[PgC/ppm]
C/ pCO2 C
-10 -8 -6 -4 -2 0 T [K]
-1000 -500 0 500
(Carbon)[PgC] C
-10 -8 -6 -4 -2 0 2 T [K]
0 30 60 90 C/T[PgC/K]
C/ T C
-10 -8 -6 -4 -2 0 T [K]
-1000 -500 0 500
(Carbon)[PgC] D
-10 -8 -6 -4 -2 0 2 T [K]
0 30 60 90 C/T[PgC/K]
C/ T C
Ergebnisse
Rezente Antriebe sind zu stark um den glazialen Kohlen- stoffgehalt in der Biosph¨are zu erkl¨aren. Der Mittelwert des terrestrischen C im LGM aus ca. 10000 unterschiedli- chen Antriebskombinationen bleibt mit 1600 PgC sehr sta- bil, sein Unsicherheitsbereich wird durch die Hinzunahme von zus¨atzlicher Informationen jedoch deutlich reduziert.
Anhand detaillierter Untersuchungen identifizieren wir zwei F¨alle von je 10-15 Einzelsimulationen, deren mittlere Dynamik bisherigen Untersuchungen entspricht. Sie un- terscheiden sich weiterhin in der St¨arke der Antriebskr¨afte (CO2D¨ungung vs. Temperatureffekt).
Es ist nun m¨oglich, den resultierenden Fluss zwi- schen Ozean und Atmosph¨are/Biosph¨are zu berechnen.
W¨ahrend der Termination setzt der Ozean ca. 800 PgC frei. Dieser Kohlenstofffluss ist in Phase mit den atmo- sph¨arischen Ver¨anderungen und in etwa das Vierfache des pCO2-Anstieges. Der Glazial/Interglazial-Anstieg in ozea- nischem δ13C von etwa 0.4◦/◦◦ stimmt mit Messwerten
¨uberein. Aus diesem Ergebnis ergibt sich jedoch auch die M¨oglichkeit, dass auch auf glazialen Zeitskalen die terre- strische Biosph¨are als treibende Kraft f¨ur die beobachten Ver¨anderungen im atmosph¨arischenδ13C zu nennen ist.
Modellergebnisse f¨ur terrestrischen Kohlen- stoffgehalt im LGM f¨ur unterschiedliche Szena- rien und Filter. Gelb:
bisheriger Studien.
Scenario 600
800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200 2400
Carbon[PgC]
Terrestrial carbon at LGM Terrestrial carbon at LGM
0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1.0
SD/mean[-]
Scenario 600
800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200 2400
Carbon[PgC]
Terrestrial carbon at LGM
KheshgiA KheshgiB Kicklighter Allvariations C fC4 NPP C+fC4 C+NPP NPP+fC4 C+fC4+NPP CaseI CaseII
Transiente Modellergebnisse f¨ur der terrestrischen Biosph¨are. A: erh¨ohte CO2 D¨ungung; B: erh¨ohte Temperaturabh¨angigkeit). Grau unterlegt ist der Fehler- bereich (1 SD). Kumulative Kohlenstofffl¨usse (C: Kohlenstoff; D: isotopische Signatur) aus dem Ozean in das Atmosph¨are/ Biosph¨are-Teilsystem. Simulati- onsergebnisse (I: erh¨ohte CO2 D¨ungung; II: erh¨ohte Temperaturabh¨angigkeit) verglichen mit atmosph¨arischen Eiskerndaten aus Taylor Dome.
1500 1600 1700 1800 1900 2000 2100 2200
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0
normalized[-]
sealevel T (S) T (N) pCO2 total C
A
1500 1600 1700 1800 1900 2000 2100 2200
TotalC[PgC]
1500 1600 1700 1800 1900 2000 2100 2200
TotalC[PgC]
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0
normalized[-]
sealevel T (S) T (N) pCO2 total C
B
1500 1600 1700 1800 1900 2000 2100 2200
TotalC[PgC]
200 400 600 800
Co2ab[PgC]Cumulativeflux
case II case I data pCO2(atm)
C
450 500 550 600
pCO2(atm)[PgC]
0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
13Co[o/oo] D
Oceanicincrease
0 5 10 15 20 25
Time [ky BP]
-7.0 -6.8 -6.6 -6.4 -6.2 -6.0
13Catm[o/oo] case II case I data13Catm
Referenzen
Broecker et al. 2001: G3 2, 2001GC000177.
Emanuel et al., 1984. Ecology 65:970–983.
Fairbanks. 1990. Paleoceanography 5:937–948.
Fischer et al. 2003. Mem Natl Inst Polar Res. 57: 121–138.
Grootes, Stuiver, 1997. JGR 102, 26455-26470.
Inderm¨uhle. et al. 1999. Nature 398:121–126.
Jouzel et al. 1987. Nature 329, 403-408.
Kheshgi, Jain 2003. GBC 17 1047 101029/2001GB001842 Smith et al. 1999. Nature 400:248–250.