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Pflanzengift und Lebensretter

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140 DIE PTA IN DER APOTHEKE | November 2019 | www.diepta.de

PRAXIS

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tropin ist ein giftiges Tropan-Alkaloid, das in verschiedenen Teilen von Nachtschattenge- wächsen wie Engelstrompete (Brug- mansia spp.), Stechapfel (Datura stramonium), Bilsenkraut (Hyoscya-

mus niger) und als Hauptalkaloid in der Tollkirsche (Atropa belladonna) vorkommt. Die pupillenerweiternde Wirkung von Tollkirschextrakten war schon im Mittelalter bekannt und verlieh der Pflanze den schönen Namen Atropa belladonna. Große

Pupillen als Zeichen sexueller Erre- gung ließen Frauen für Männer an- ziehender und schöner wirken, so- dass der Saft der Tollkirsche von ihnen bewusst eingesetzt wurde.

Auch heute noch wird Atropin in der Ophthalmologie (Augenheilkunde) verwendet. Beispielsweise wird es zu diagnostischen Zwecken als Mydria- tikum zur Pupillenerweiterung ein- gesetzt oder bei einer Irisentzündung oder -verletzung, um die Akkomoda- tion am Auge auszuschalten und Iris sowie Ziliarkörper ruhig zu stellen.

Unter Akkomodation wird in der Optik die Anpassung der Brechkraft der Augenlinse an die Entfernung des jeweils fixierten Objekts durch Änderung des Krümmungsradius bezeichnet. Neben der Ophthalmo- logie ist jedoch das medizinische Haupteinsatzgebiet von Atropin die Notfallmedizin. Hier wird es zum Beispiel bei der Akutversorgung ei- nes Patienten mit Kreislaufstillstand oder als Antidot bei Vergiftungen mit Insektiziden des Organophos- phattyps verwendet.

Insektizide Schädlingsbekämp- fungsmittel werden im häuslichen Garten und vor allem in der Land- wirtschaft eingesetzt. Leider wird durch unzureichende Kenntnis die von ihnen ausgehende Gefahr unter- schätzt. Besonders gefährlich sind Insektizide, die chemisch zu den Estern der Phosphorsäure, Phos-

ANTIDOTE

Bereits der Verzehr von drei bis fünf Tollkirschen kann für Kinder tödlich sein und dennoch schafft das darin enthaltene Alkaloid Atropin Leben zu retten. Wie passt das zusammen?

Pflanzengift und Lebensretter

© irottlaender / iStock / Getty Images

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142 DIE PTA IN DER APOTHEKE | November 2019 | www.diepta.de

PRAXIS ANTIDOTE

phonsäure oder Dithiophosphor- säure gehören.

Sie wirken gegen Insekten und Warmblüter äußerst toxisch, zeigen jedoch keine Giftwirkung gegen Pflanzen, sind also nicht phytoto- xisch. Sie werden im Pflanzenschutz als Insektizide (gegen Insekten) und Akarizide (gegen Milben und Ze- cken) verwendet. Besonders cha- rakteristisch ist ihr unangenehmer, meist knoblauchartiger Geruch. Die farbigen Flüssigkeiten oder festen Verbindungen zeigen eine hohe Li- pophilie und besitzen oftmals einen hohen Dampfdruck. Sie gehören zu den Kontaktinsektiziden, was sie au- ßerordentlich gefährlich macht. Die Giftaufnahme kann über Schleim- häute beim Einatmen (Respirations- trakt), durch Verschlucken (Gast- rointestinaltrakt) oder bei Haut- kontakt erfolgen. Allein schon beim Anmischen, Versprühen oder Ver- dampfen, beziehungsweise wäh- rend der gesamten Verwendung, aber auch beim unsachgemäßem Ge- brauch können sich Anwender to- xischen Mengen aussetzen, die dann zu schwersten Vergiftungen führen.

Auch während des industriellen Her- stellungsprozesses sind hohe Sicher- heitsbedingungen einzuhalten. Mög- lich ist auch, dass die Bevölkerung durch kontaminierte Nahrung ubi- quitär in Kontakt kommen kann.

Denn weltweit wird die Giftigkeit dieser Substanzklasse sehr unter- schiedlich beurteilt. Während Chlor- pyrifos heute noch in der EU zuge- lassen ist, zählen Phoxim, Dichlor - vos (DDVP), Fenthion, Parathion (E 605) und seine Methyl- und Ethyl- Derivate sowie Tetraethylpyrophos- phat zu Stoffen, die größtenteils in Europa, Österreich, der Schweiz und den USA keine Zulassung mehr haben, jedoch in Indonesien oder in Ländern Südamerikas oder Asiens noch verwendet werden. Organo- phosphate finden auch als Kampf- gase (Sarin oder Tabun) eine weitere, menschenverachtende Anwendungs- möglichkeit.

Intoxikation Charakteristisch für die Vergiftung sind der Knoblauch- oder Lauchgeruch der Ausatemluft und eine blaue Verfärbung des Spei- chels und der Schleimhäute, vor allem im Mund. In der Klinik wird zur Diagnostik die Acetylcholin-Es- terase-Aktivität in den Erythrozyten bestimmt, deren Aktivität proportio- nal zum Grad der Vergiftung sinkt.

Die irreversible Hemmung der Ace- tylcholin-Esterase führt zu einem starken Konzentrationsanstieg von Acetylcholin im synaptischen Spalt von muscarinergen und nikotini- schen Acetylcholin-Rezeptoren. Die lebensbedrohliche Parasympathikus- Aktivierung führt zu Symptomen des cholinergen Syndroms mit Bra- dykardie, Miosis, stark erhöhtem Speichelfluss, Diarrhoe, abdominel- len Schmerzen, Stuhl- und Urinab- gängen. Aus der Überstimulation von Nikotin-Rezeptoren resultieren typi- sche Muskelzuckungen, die später in Lähmungen übergehen und zur peri- pheren neuromuskulären Atemläh- mung führen können. Ruhelosigkeit, Angst, Ataxie, Tremor bis hin zum Koma gehören zur charakteristischen ZNS-Symptomatik, wobei die Haupt- gefahr neben der peripheren die zen- trale Atemlähmung ist.

Notfalltherapie Für Ersthelfer sowie behandelnde Ärzte und Pflege- personal hat der Eigenschutz mit Handschuhen und Atemmaske oberste Priorität. Eine Mund-zu- Mund- sowie die Mund-zu-Nase-Be- atmung und der direkte Kontakt mit Körperflüssigkeiten muss vermieden werden. Das Entfernen der kontami- nierten Kleidung des Patienten sowie das Abwaschen mit Wasser und Seife der kontaminierten Haut, kann eine weitere Resorption des Giftes redu- zieren. Natürlich gehört das Sichern der Vitalfunktionen auch hier zu den wichtigsten Erstmaßnahmen.

Antidottherapie Die Atropingabe soll, verständlicherweise, so schnell wie möglich erfolgen. Atropin be- setzt so als kompetitiver Antagonist die Muskarin-Rezeptoren und min-

dert damit die Acetylcholinwirkung.

Patienten mit leichteren Symptomen und ohne Ateminsuffizienz, Koma oder zerebralen Krampfanfällen wer- den, unter strenger Überwachung der Herzfrequenz, zwischen zwei und zehn Milligramm Atropin intra- venös als Bolus verabreicht. Unter Bolus versteht man eine Medika- mentengabe innerhalb eines kurzen Zeitintervalls, um schnell einen hohen Wirkspiegel beziehungsweise ein schnelles Anfluten zu erreichen.

Im Falle einer schweren Vergiftung mit einhergehender Bewusstlosigkeit werden initial zwei Milligramm At- ropin intravenös verabreicht und die Dosis alle fünf Minuten bis zur maxi- malen Dosis von 50 Milligramm ver- doppelt. Die Antidotwirkung kann gut am Rückgang der Hypersaliva- tion (vermehrter Speichelfluss) und der tracheobronchialen Sekretion er- kannt werden. Diese Atropin-Infu- sion muss bis zur Neubildung der Acetylcholin-Esterase erfolgen. Dazu wird eine Dauerinfusion mit einer Konzentration von ein bis vier Mil- ligramm Atropin pro Stunde durch- geführt. Eine „Überatropinisierung“

sollte unbedingt vermieden werden, denn ebenso gilt für Atropin, dass die „Dosis das Gift macht“. Werden toxische Mengen von Atropin oral aufgenommen oder zu hohe Konzen- trationen durch die intravenöse Gabe erreicht, wirkt Atropin als nicht- selektiver, nichtkompetitiver Mus- karin-Rezeptor-Antagonist selbst to- xisch. Zusätzlich ist eine allgemeine, symptomatische Intensivtherapie mit künstlicher Beatmung und der Gabe von Benzodiazepinen gegen die ze rebralen Krämpfe in den meis- ten Fällen notwendig.  n

Bärbel Meißner, Apothekerin a

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