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H ori zon tal i tät u n d offen e System e

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Academic year: 2022

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H ori zon ta l i tä t u n d offen e System e

Räu m e, Kom m u n i kati on u n d m eh r oh n e Pri vi l egi en

Wenn Em anzipation ein P rozess ist u nd sich du rch ein reflektiertes Vorwärtsdrängen ver- wirklicht, dan n stören starre, soziale System e. Spätestens an deren Grenzen, m eist aber du rch geh end, wirken in ih n en konservieren de Elemente wie M oralvorstellu n gen , H and- lu ngsanweisu ngen, Sch u ldgefü h le, Deu tu ngen , Disku rse, Paradigmen − einfach alle ge- sellsch aftlich en Steu eru ngen u n d Einflü sse, die nicht au f den Vereinbaru ngen der M en- sch en selbst beru h en . Solch e sind au ch in dem okratisch en Rechtsstaaten gu t zu erkennen:

• Gesetze bilden das Denken der Jah re ab, in den en sie entstanden. Sie kon servieren das Gestern in die Zu ku nft.

• H och gerü stete Apparate wie Polizei u nd Ju stiz verteidigen Gesetze u nd an dere N or- m en gegen die Verän deru ng.

• Rollen u n d Einteilu ngen (kran k − gesu n d, M ann − Frau , erwach sen − h eranwach - sen d, arbeitend − arbeitslos . . . ) werden zäh verteidigt als Kategorien, u m gesellsch aft- lich e Gestaltu ngsmöglich keiten zu zu teilen oder zu entzieh en.

• Gesellsch aftlich e Ressou rcen im Form von P rodu ktionsmitteln, Wissen, Kontroll- u n d Du rch setzu ngsinstru menten wie Überwach u n gssystem e oder Waffen sind so verteilt, dass sie P rivilegien sch affen u nd sich ern.

Die versch iedenen Festsch reibu ngen befördern sich gegen seitig. Wer ü ber M achtressou r- cen verfü gt, kann die u ngleich e Verteilu ng der P rodu ktionsm ittel du rch setzen. Gesetze, die das wiederu m absich ern, kann nu r erlassen , wer ü ber die nötigen Du rch setzu ngsmittel ver- fü gt. Recht ist kein Au sdru ck h öh erer Werte, son dern „ die Rechtsordn u ng gilt, die sich fak- tisch Wirksam keit zu sch affen vermag.“ Das sagte m it Gu stav Radbru ch au sgerech net einer der beiden wichtigsten Vordenker der deu tsch en Rechtsph ilosoph ie (G. Radbru ch (1 950), Rechtsph ilosoph ie, Stu ttgart, zitiert nach : Kü h nl, Reinh ard (1 971 ): „ Formen bü rgerlich er H errsch aft“, Rowoh lt Tasch enbu chverlag in Reinbek (S. 58); der zweite Vordenker ist Franz von Liszt). Radbru ch fü gte zu r Verdeu tlich u ng h in zu : „Wer Recht du rch zu setzen vermag, beweist damit, dass er Recht zu setzen beru fen ist.“ Es gibt also nicht, wie die Gu tm en sch en au s großen Teilen z. B. der Frieden sbewegu n g imm er wieder dah ersäu seln, einen Gegen- satz vom „ Recht der Stärkeren“ u nd der „ Stärke des Rechts“, sondern beides ist das Glei- ch e.

Versu ch e, dem mensch lich en Leben ein Korsett an Fremdorientieru ng zu geben, brech en das B esondere des M ensch en, also qu asi seine N atu r. Denn er ist h inau sgeworfen in die Umwelt − in die N atu r u nd in das soziale Umfeld. Es ist weder typisch mensch lich , von An- fang an nu r vorgegebene Rollen zu spielen, noch in vorgegebenen Kanälen zu schwim- m en , vorgekau tes Denken zu reprodu zieren oder sich in starren Weltbildern zu verkrie- ch en. Zwar ist die Gesellsch aft du rch zogen von Versu ch en, den M ensch en fü r fremdbe- stimmte I deologien einzu fangen, aber der M en sch ist von N atu r au s in der Lage, sich zwi-

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sch en versch iedenen M öglich keiten zu entsch eiden, neu e zu entwickeln, zu wech seln u n d zu misch en, kreativ zu entwerfen oder sich zu verweigern. Dem steht nicht entgegen, dass das Gegenprogramm , n ämlich das Ein h egen der h in au sgeworfen en M en sch en in vorge- gebene Wege, seit Lan gem u n d zu r Zeit m it erh eblich em Erfolg gelingt. Religion en, I deo- logien u nd äh nlich e I nstant-Welterkläru ngen vermitteln eine Sch ein -Geborgenh eit, d. h . sie bieten den Weg vom H in au sgeworfensein zu rü ck in den Sch oß der Fremdbestimm u ng.

Das sch eint vielen M en sch en attraktiv, zu mal Erzieh u ng u n d andere Formen der Zu rich - tu ng nicht den Gebrau ch der eigenen Entsch lu sskraft, sondern die Anpassu n g an vorgege- bene Sch ablonen des Lebens predigen bis erzwingen.

Au s dem Text „D ia l ektik“ von An n ette Sch l em m (www. ph il osoph icu m .de/as1 41 . h tm ) Angesichts des Leidens unter Trennungen (zwischenmenschlich, zwischen Menschen und Natur, in sich selbst) sucht der Mensch Heilung in Ganzheiten. Wenn er jetzt zurückflüchtet in alte Fusionen, ist ihm nicht geholfen. Er muss die Differenzierungen neu integrieren. Je- der Schritt ist dabei unweigerlich mit Verlusten verbunden, muss „bezahlt“ werden mit der Aufgabe früherer Integrationen, die für den nächsten Schritt lediglich Fusionen sind.

Das Gegenmodell wäre eine Gesellsch aft oh n e feste N ormen, Disku rse u nd Regeln, eben so aber au ch oh ne besondere Erm ächtigu ngen, P rivilegien oder Zu ständigkeiten , die sich au s form alen Vorgaben ableiten . Das gilt fü r das Gesamte wie fü r die Su bräu me der Gesellsch aft, fü r die ein e solch e Form ebenfalls weder erzwu ngen noch nah egelegt werden darf. Zwar könn en sich M en sch en fü r eine bestimmte Angelegen h eit im mer frei vereinba- ren, d. h . au ch das P rinzip freier Vereinbaru ngen im Einzelfall verlassen, entsch eidend ist aber, dass der Gesamtrah men offen u nd die B ildu n g eben so offen er Su bräu me als B innen- stru ktu r zu lässt. I dealerweise bestü nde dann das Gesamte au s vielen offenen Räu men, die sich ü berlagern, u ntersch eiden, kein e festen Grenzen au fweisen u nd in u ntersch iedlich en Lebensbereich en entsteh en.

Verh an del n oh n e Regel n u n d Metaeben en

Wesentlich fü r offene Räu m e ist das Feh len aller Vorgaben, d. h . es gibt keine B edin gu ngen fü r den Zu gang, kein e P rivilegien u n d keine Regeln fü r das Verweilen. Dabei ist der B egriff offener Räu me nicht nu r im Sin ne eines gebau ten Rau m es, sondern jeden gedachten Rau - m es in der Gesellsch aft zu versteh en, also au ch ein Komm u nikationsn etz, ein B etrieb, ein virtu eller Rau m im I ntern et, ein e Telefonkonferenz − einfach alles, was ein en Rah men fü r die I nteraktion zwisch en M ensch en darstellt. Eben so geh ören dazu alle Treffen einer Gru p- pe, ein Cam p, ein Kon gress oder ein P rojekttreffen, wo der konkrete Ort nu r der Au fent- h altsort au f Zeit, also an son sten völlig u nwichtig ist. B edeu tend ist das, was die B eteiligten m itbringen an Wissen , Erfah ru n gen , Kn ow-H ow, h andwerklich en Fäh igkeiten, I nformatio- n en, m aterieller u n d finanzieller Au sstattu ng.

B edingu ngen des Zu gan gs oder der N u tzu ng von Teilen, tatsäch lich e oder angedrohte Kontrolle sch ränken die Offenh eit ein es Rau m es ein. Kontrolle erzeu gt au ch dann, wenn sie n icht konkret au sgefü h rt wird, Angstgefü h le. Sie teilt M en sch en oder Gru ppen in (po- tentiell) kontrollierte u nd (potentiell) kontrollierende. Dieser Zu stand bleibt au ch dann beste- h en, wenn die potentiell Kontrollierenden diese Fu nktion nicht au sü ben wollen u nd es im Regelfall nicht tu n. Allein die M öglich keit verändert das Verh ältn is von M ensch en u nterein- an der.

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I st ein e M etastru ktu r als Kontrollinstan z n u tzbar, z. B. ein P lenu m, ein Vorstan d, Eigentü - m erI nn en oder einE Adm in istratorI n, so verlagert sich die Komm u nikation u m die Weiter- entwicklu ng des Rau mes, u m Streitfragen bei I nteressenkollisionen u n d oft au ch u m die Kooperationen zwisch en Teilen des Ganzen au f diese M etastru ktu r. Das steht einer freien Entfaltu ng im Weg, da in der M etastru ktu r eine an dere Form der Kom mu n ikation h errscht, die von Regeln, taktisch em Verh alten u nd einer stark au f Sieg/N iederlage orientierten Re- deform geprägt ist.

Direkte Komm u nikation u nd freie Vereinbaru ng gedeih en n u r dort u neingesch ränkt, wo Kontrolle u nd dam it die m öglich e Alternative, Konflikte au ch h errsch aftsförmig zu klären, gar nicht besteh en. Zweitrangig ist dabei, wie die Kontrolle organ isiert ist − ob in der Dom i- nan z einer Ein zelperson oder -gru ppe (z. B. H au srecht, Fau strecht, rh etorisch e Dom inan z) oder ü ber dem okratisch e P rozesse. Denn Letztere, au ch basisdemokratisch e Entsch ei- du ngskompetenz au f M etaeben en ist Kontrolle, zerstört direkte Kommu nikation u n d er- schwert freie Vereinbaru ng − wen n au ch versch leierter. Die ein zig gru ndlegen de Alterna- tive zu allen Formen von Kontrolle ist die totale Kontrollfreih eit: Es gibt keine M öglich keit m eh r, au ßerh alb gleich berechtigter Kom mu n ikation eigene I nteressen du rch zu setzen .

Au s Ch ristoph Sp eh r (2003): „Gl eich er a l s an dere“, Karl D ietz Verl a g in B erl in (S. 85) Verhandeln ist der wilde Dschungel der Kooperation. Das Verhandeln endet erst mit dem Tod; und auch sonst hadern wir immer ein wenig mit der Naturgesetzen, weil sich mit de- nen nicht verhandeln lässt. Verhandeln ist ein aufregender, tückischer, unordentlicher Pro- zess. Erstens können wir dabei alles mit allem in einen Topf werfen. Das Frauenplenum kann die Zustimmung zu einem politischen Aufruf davon abhängig machen, dass auch die Männer der Gruppe das Klo putzen. Die Frauen der Chiapas-Gemeinden konnten ihre Teil- nahme am Aufstand von der Bereitschaft der Männer zu revolutionären Veränderungen in- nerhalb der Community abhängig machen. Zweitens gibt es keine Regeln für die Verhand- lung. Ob über eine Frage mit Mehrheit abgestimmt werden kann oder nicht, ist selbst Ge- genstand der Verhandlung; genauso, ob sie durch Berufung auf frühere Entscheidungen entschieden wird oder nicht, ob sie innerhalb einer bestimmten Frist entschieden werden muss oder nicht usw. Drittens setzt Verhandeln (im Unterschied zu demokratischen Entschei- dungsprozessen oder »vernünftigen Dialogen«) nicht voraus, dass die Beteiligten einander in hohem Maße ähnlich sind oder bewusst bestimmte Grundauffassungen und Werte teilen.

Verhandeln findet auch zwischen Akteuren statt, die denkbar verschieden voneinander sind. . . .

In ihrer Haltung zum Verhandeln ist freie Kooperation vorwiegend Anti-Politik. Sie wider- spricht allen Versuchen, das Verhandeln einzuschränken und ordnungspolitisch zu regeln:

»das gehört nicht hierher«, »darüber reden wir später«, »das hatten wir schon geklärt«, »du verstehst gar nichts von der Sache«, »mit denen verhandeln wir nicht«. All dies sind, aus Sicht der freien Kooperation, illegitime und abzulehnende Versuche, einseitig Definitions- macht über den Prozess des Verhandelns zu gewinnen. Und keine harmlosen. »Politischer Streik«, »wilder Streik«, »Nötigung«, »Illoyalität in der Organisation«, »Maschinenstürmerei«

− dies sind ordnungspolitische Begriffe, mit denen massive Interventionen gegen die Frei- heit der Verhandelnden gefahren werden. . . .

Freie Kooperation setzt nicht an der Regulierung des Verhandelns an, sondern bei den Ak- teuren. Ob eine Verhandlung frei und gleich ist, hängt nicht von den Regeln ab, sondern von den Akteuren: ob sie in der Lage − und notfalls auch bereit sind − zum »dann eben nicht«, und ob dies zu einem vergleichbaren und vertretbaren Preis möglich ist. Auf dieser Basis können die Akteure auch über die Regeln der Verhandlung verhandeln. Sie können Regeln schaffen und ändern, sich daran halten oder dies nicht mehr tun. Freie Kooperation setzt nicht die Regeln, sie stärkt die gleiche Verhandlungsposition der Akteure. Die Aspekte

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»wissenschaftlicher Erkenntnis«, »demokratischer Mehrheiten« oder »gesellschaftlicher Not- wendigkeiten« werden demgegenüber in ihre Schranken verwiesen.

P raktisch wird jeder offene Rau m damit zu m gegen ku ltu rellen P rojekt. Denn es steht der intensiven P rägu ng gegen ü ber, in der M ensch en h eu te au fwach sen. Offene Räu m e sin d dah er weniger ein Erfolgsrezept (das könn en sie angesichts der äu ßeren Einflü sse kau m sein), sondern ein An griff au f besteh ende Disku rse u n d ku ltu relle Codes. I m offen en Rau m feh lt . . .

• ein reprodu ktives H interland, d. h . es gibt − weder in Form von Eltern , Eh efrau , H au sm eisterI n oder gekau fter Dienstleistu ng eine Person , die die Folgen des eigen en H andelns, z. B. Unordnu n g, Dreck, Verbrau ch an Ressou rcen u sw. , wieder au fh ebt.

Das kann dazu fü h ren, dass das Verh alten der Einzeln en die Su bstanz ein er stän digen Zerstöru n g u nterwirft.

• die Frem dbestim mu n g. B evormu nden de Anleitu n g, Fü h ru n g u nd Codes sch affen keinen Käfig an Regeln u nd Traditionen, wie es in der son stigen Gesellsch aft ü blich ist. Als Gefah r lau ern Orientieru n gslosigkeit, Abh ängen u nd Antriebslosigkeit au s M angel an Entsch eidu ngswillen u nd die Seh nsu cht nach H ierarch ien u nd Au toritä- ten.

• ein Gemeinwille u n d das „Wir“ als identitärer Codes. Stattdessen sind Differenz, Viel- falt, Kooperation u n d Streitku ltu r typisch − alles aber nu r als Folge eigener Aktivität.

Gleich gü ltigkeit u nd inh altlich e Leere könn en entsteh en, wen n die Aktivität feh lt.

Die starke Abweich u ng zu r „ N orm“alität sch afft viele P roblem e, denn ku ltu relle B rü ch e fü h ren bei M ensch en oft zu Veru nsich eru n g u n d das wiederu m zu r Seh nsu cht nach festen Stru ktu ren − oder zu m Au sleben von Fau strecht. Es reicht dah er in der Regel nicht, einfach die ü blich en Kontroll- u n d Fü h ru n gsinstru mente zu streich en , sondern jeder offene Rau m bedarf der Übu ng u nd einer P raxis von Kom mu n ikation, Organisieru ng von Vielfalt u n d Kooperation bis h in zu ein er produ ktiven Streitku ltu r jenseits von Abstimm u ngen u nd Do- m in anz.

Zu dem bilden offene Räu m e N isch en in ein er h ochverm achteten Gesellsch aft. Das lässt sie zu Zu flu chtorten werden von M ensch en, die nicht etwas wollen, sondern flü chten in eine sch ein bare Oase, wo sie sich au fh alten können. Au ch solch e M ensch en sind geformt in der

„ N orm“alität da drau ßen, d. h . sie werden vorau ssichtlich im offenen Rau m diese Zu rich - tu ng reprodu zieren − u nd so erwarten, dass es Zu ständigkeiten gibt. Freih eit m u tiert dann dazu , den Rau m u nd sein e I nfrastru ktu r als Serviceleistu n g zu betrachten.

I mm er wieder kom mt dann die Disku ssion au f, ob die N ichtachtu ng des Rau mes u nd sei- n er Au sstattu ng bzw. deren rü cksichtloser Vernu tzu n g oder ü bergriffiges Verh alten eine Folge genau der Regel- u nd Eigentu m slosigkeit im offen en Rau m sind. Das aber wäre ein Ku rzsch lu ss. Denn erstens kommt es au ch in verregelten Räu m en zu solch en Ersch einu n- gen (Diebstah l u nd Vandalismu s geh en besonders h äu fig von Personen mit privilegiertem Zu gang au s) u n d zweiten s ist eh er zu beobachten, dass die gesellsch aftlich e Zu richtu ng zu m achtlosen Umgan g mit allen Ressou rcen, au ch dem eigenen B esitz fü h rt. Au ßerdem bedeu tet P rivateigentu m imm er die N ichtwertsch ätzu n g des Öffentlich en , d. h . wo imm er Eigentu m eingefü h rt wird, wird das andere n och weniger beachtet.

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Der logisch e Feh ler der Gegenm einu ng:

M ensch en kontrollieren M ensch en

Der I dee offener Räu me wird entgegengeh alten, was au ch an h errsch aftsfreien Gesellsch aft stän dig kritisiert wird: Dass es zwar ein e sch öne I dee sei, aber mit diesen M en sch en nicht m ach bar. Es wü rden sich dann wieder die an geborenen oder an sozialisierten Dom inan z- verh alten au sleben. N u n ist nicht von der H and zu weisen, dass M ensch en in der h eu tigen Gesellsch aft so geprägt sind, dass sie stark zu Unterwerfu ng oder Unterwü rfigkeit neigen

− u nd es ist an zu n eh men, dass au ch oh n e die soziale Zu richtu ng solch e Tenden zen m ög- lich blieben. Doch einerseits wäre das eh er ein Gru nd, en dlich an dere Erfah ru ngsräu me zu sch affen , damit die soziale Zu richtu ng sind ändert. Au ßerdem krankt die I dee, dass M en- sch en in ih rem Verh alten kontrolliert werden mü ssen, am Gru n dfeh ler, der au ch sch on der Forderu ng nach Kontrolle in der Gesellsch aft entgegengeh alten werden mu ss: Wer soll denn kontrollieren? Alle den kbaren Varianten tau gen nicht, denn . . .

• Einzeln e Personen als Kontrolleu rI nn en

Die B eh au ptu ng, M ensch en m ü ssten wegen ih rer son st gezeigten Verh altensweisen kontrolliert werden, widerspricht sich selbst. Denn wenn es so ist, dass M ensch en sich nu r sozial verh alten, wenn sie kontrolliert werden, wäre das der B eweis, dass die- jenigen, welch e kontrollieren, sich asozial verh alten, weil sie ja nicht kontrolliert wer- den, son dern selbst kontrollieren. Als H ilfskrü cken des u nlogisch en Denken s mag vorü bergeh en d die H offn u ng tau gen , dass ja au ch die Kontrolleu rI nnen kontrolliert werden können − aber irgendwo en det die Kette u nd das Gedankengebäu de bricht ein. Tatsäch lich ist es aber n och sch limmer. Denn wer kontrolliert, also in einer privi- legierten Position ist, kann sein Verh alten so organ isieren , dass er/sie selbst vor den Folgen gesch ü tzt wird. Das ist gu t sichtbar an den Organen dieser Gesellsch aft, die Gewalt verh indern sollen, tatsäch lich aber die meiste Gewalt au sü ben (Armee u nd Polizei) − sch licht au ch desh alb, weil sie die Sanktionieru ng von Gewalt beeinflu ssen u nd dah er fü r sich negative Folgen ih rer Gewalt verh indern kön nen. Kontrolle von M en sch en gesch ieht immer du rch M en sch en. Wenn M ensch en aber nu r du rch Kon- trolle zu sozialem Leben gebracht werden, dann kan n das M odell nicht fu nktionieren.

P rivilegien fördern M achtm issbrau ch , d. h . die Position des Kontrolleu rs ist derselben Logik n ach ein Erzieh u ngsprogramm zu m asozialen Verh alten.

• Gesamtwille als Gesetzgeber

So seh en es demokratisch e Systeme form al vor: Alle Staatsgewalt geht vom Volke au s u nd wird in Form von Gesetzen gegossen. Jenseits der Frage, ob nicht das be- reits versch leiernde Rh etorik ist, weil tatsäch lich Eliten das Gesch eh en prägen − es wäre au ch gar nicht gu t so. Den n in der M asse, also der erzeu gten Einh eitlich keit, die in einem Abstimmu ngsprozess ja im mer erzeu gt wird, verlieren die B eteiligten ih re individu elle Vielfalt, ih re Reflexionsfäh igkeit u nd die Ku ltu r der Differenz. M asse neigt zu äh nlich er Rü cksichtslosigkeit wie Ein zelpersonen mit H errsch aftsrang − nu r dass die M asse von N achteilen eigener Entsch eidu n gen betroffen sein kan n, oh ne darü ber zu reflektieren . Folglich wü rde au ch die Au sdeh nu ng der Kontrollbefu gnis au f die Ge- samth eit kein e Verbesseru ng bringen.

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Aktives Sch affen von Binnenstru ktu r im offenen Rau m

Gleich gü ltigkeit ist der Tod des offenen Rau m es. Das gilt n icht nu r fü r den Um gang m it Diskrim inieru ng u nd Übergriffen, sondern au ch fü r die Frage, ob Aktivitäten aneinander vorbei lau fen, M ensch en u nd Gru ppen kein erlei N otiz vonein ander neh men oder sich h öch stens nerven. Die Alternative h eißt, aktiv daru m zu rin gen, au s der Su mme der Einzel- n en meh r zu m ach en.

• Streit als P rodu ktivkraft

Streit bedeu tet Widerspru ch zwisch en Überzeu gu ngen , H andlu n gen, Zielen − also zwisch en dem Wollen der Einzelnen . Das ist h ervorragend, denn eine Welt, in der viele Welten P latz h aben, h at ja zu m Ziel, Untersch iedlich keit Ch ancen zu geben u nd die Vielfalt zu r Stärke zu mach en. Unter den h eu te ü blich en B edingu n gen h eißt Streit h ingegen meist Sieg oder N iederlage, Dominanz oder Unterwerfu ng. Dabei bietet Streit so viel: Er setzt Energie u nd Potentiale frei. M ensch en ist etwas wichtig, woh in- gegen Gleich gü ltigkeit zu nichts au ßer vielleicht Rangeleien der von der Gleich gü ltig- keit zermü bten Personen fü h rt. Au s einem produ ktiven Streit können im sch lim msten Fall Absprach en ein es sin nvollen N ebenein anders oder N ach einan der, im besten Fall aber Kooperation en oder neu e, ü ber die bish erigen Vorsch läge h in au sgeh ende Ent- wü rfe entsteh en. Dafü r sollte Streit ständig ku ltiviert werden, d. h . er sollte nie u nter- schwellig entsteh en, sondern mittels Rau m u nd M eth oden gestaltet werden nach dem M otto: H u rra, es gibt Streit. Da geht en dlich wieder was!

• Kooperationsanbah nu ng u nd aktiv h ergestellte Transparenz

Ein sozialer Rau m , in dem alles neben einander h erläu ft, oh n e von einander N otiz zu n eh men, ist war möglich , reizt aber die eigenen M öglich keiten nicht au s. Die Selbst- entfaltu ng der beteiligten M en sch en wird du rch I deen klau , Kooperation u nd produ k- tive Disku ssion gefördert. Das alles klappt dan n gu t, wenn es nicht nu r dem Zu fall ü berlassen wird, wer ü berh au pt wovon etwas m itbekommt. Es ist dah er sinnvoll, Tran sparenz aktiv zu erzeu gen , Kooperationen anzu bah nen u nd dafü r M eth oden des I nformation sflu sses bereitzu stellen.

P raktisch wird au ch h ier gelten, was fü r die Em anzipation insgesamt passt: Es ist ein P ro- zess, ein e Annäh eru ng an ein sich du rch stän diges, neu es Überlegen selbst wandeln des u nd erweiterndes Zielbild, du rch viele klein e Sch ritt, ab u nd zu au ch größere Wü rfe u n d das penetrante skeptisch -analytisch e H interfragen des Statu s Qu o.

Gleich e M öglich keiten fü r alle:

H orizontalität in Gesellsch aft u nd Su bräu m en

N eh m en wir eine beliebige Alltagslage, z. B. am Arbeitsplatz. Zwei M ensch en treffen au f- einander. EineR ist sch on ein Jah r im B etrieb, kennt die Abläu fe allmäh lich etwas. Er/sie ist vor einem Jah r n eu gewesen, u nsich er, froh ü ber An dere, die H inweise gaben ü ber richti- ges Verh alten, Fettn äpfch en u nd soziale Codes an diesem Ort. Aber ebenso verärgert dar- ü ber, als N esth äkch en betrachtet zu werden, die blöden Arbeiten zu gesch oben zu bekom- m en u nd nicht so richtig fü r voll gen omm en zu werden . N u n kommt jemand N eu es − u n d wie au tomatisch kippt das B ild. N u n ist die/der N eu e vom letzten Jah r sch on etwas erfah - ren − u nd die/der N eu e ist froh , in ih m/ih r eine Person zu finden , die die zu r I ntegration in ü blich e Verh alten sweisen nötigen Tipps gibt. Ständig reprodu zieren sich so die H ierar-

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ch ien zwisch en den Personen − u nd stän dig wird so mit der M acht dieser h ierarch isch en Sortieru ngen das Alte gegen ü ber dem N eu en du rch gesetzt. So man ch einE N eu eR wird eigen e I deen nie entwickeln oder sch n ell vergessen bei der Zu richtu n g au f das N ormale.

Diese Zu richtu ng wird sogar noch als angeneh m erlebt, weil sie Un sich erh eiten zu sch ü tten kann.

Damit alle M en sch en au ch tatsäch lich gleich e M öglich keiten h aben , bedarf es nicht nu r des Verschwindens von Zu gangsbarrieren u nd P rivilegien. Son dern es mü ssen au ch prak- tisch Vorkeh ru ngen getroffen werden , die B arrieren beseitigen. Diese könn en im mangeln- den Wissen u m die Existenz oder u m die M eth ode der N u tzu ng der Ressou rcen liegen.

Was nü tzt ein P resseverteiler, der im P rinzip zu gän glich in einer Sch u blade oder au f einer Festplatte liegt, aber die m eisten nicht wissen, wo? H ier bedarf es eines bewu ssten u nd akti- ven M anagem ents von Ressou rcen zu gang, erklären den Anleitu n gen oder Einfü h ru ngs- ku rsen bis zu r ü berlegten Gestaltu ng von Gebäu den, dass ü berh au pt alle an jeden Ort ge- langen kön nen.

Eine andere Ungleich h eit ist versteckter. Die B eteiligten kommen m it u ntersch iedlich en Vorau ssetzu ngen in einen sozialen Rau m. I h re M öglich keiten, sich dort zu entfalten, sin d au ch du rch das bestim mt, was sie au ßerh alb des Rau mes sind u nd h aben. Wer z. B. ü ber au sreich end Reichtu m verfü gt, kann kooperieren , m u ss aber nicht, u m z. B. M aterialien zu besch affen, Dinge zu organisieren , etwas dru cken zu lassen oder was au ch im mer. Wer dieses Geld nicht h at, ist zu r Kooperation mit der ressou rcenverfü genden Gru ppe gezwu n- gen. Wer den ganzen Abend u nd au ch noch die N acht Zeit h at, kann an ders disku tieren u n d Debatten zerlabern wie das alleinerzieh ende Elternteil, das u m 21 Uh r wieder zu h au se sein mu ss. Es wäre ein e spann en de Au fgabe, diese Untersch iede abzu bau en. Es gibt kau m ein e soziale oder politisch e Gru ppe, die diesen Anspru ch ü berh au pt als ih ren begreift.

Au s Mü h sam , E rich (1 933): „D ie B efreiu n g der Gesel l sch a ft vom Staa t“, N ach dru ck bei Syn - dikat A u n d im I n tern et (S. 1 0, m eh r Au szü ge)

Der Begriff der Gleichheit möge nicht in der Bedeutung von Gleichmacherei verstanden werden. Im Gegenteil ist die Forderung der Gleichheit nichts anderes als die Forderung:

Gleiches Recht für alle! Das heißt: gleiche Bedingungen für einen jeden, seine Anlagen zu ihren günstigsten Möglichkeiten zu entwickeln. Wirtschaftliche Gleichheit besagt soviel wie Ausschaltung aller aus widrigen Umständen, zumal aus Mangel, erwachsenen Störungen, die die Entfaltung der Individualität in ihrer Verschiedenheit von allen anderen Individua- litäten behindern. Gleichheit, als Gleichberechtigung verstanden, unterbindet nicht, son- dern ermöglicht erst das Wachstum der Persönlichkeit.

Aus Bakunin, Michail (1 866): „Zusammenfassung der Grundideen des Revolutionären Kate- chismus“

Die ökonomische Gleichheit und soziale Gerechtigkeit sind unmöglich, solange nicht in der Gesellschaft für jedes ins Leben tretende menschliche Wesen vollständige Gleichheit des Ausgangspunkts besteht, gebildet durch Gleichheit der Mittel für Unterhalt, Erziehung und Unterricht und später für Betätigung der verschiedenen Fähigkeiten und Kräfte, welche die Natur in jeden einzelnen gelegt hat. Abschaffung des Erbrechts.

Aus Dahn, Daniela: „Staat ohne Scham“, in: Freitag, 1 6.1 2. 201 0 (S. 1 )

Anhand von UNO-Statistiken wiesen zwei britische Forscher nach, dass Wohlbefinden nicht davon abhängt, wie viel man besitzt, sondern wie gleichmäßig der Reichtum verteilt ist.

Denn Ungleichheit erzeugt Stress, der krankmachende Hormone ausschüttet, führt zu Ge- walt, Alkoholkonsum, Konflikten und Zukunftsangst. Zu einer Gesellschaft, in der selbst die Reichen gefährdet sind.

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H orizontalität ist etwas an deres als Gleich mach erei oder Gleich h eit. Gan z im Gegenteil sch afft sie die Vorau ssetzu n g von individu eller Vielfalt. Denn wenn M ensch en au s der Fü lle von M öglich keiten frei wäh len oder au ch neu e sch affen können, oh n e dass Erwartu n gsh altu n gen, soziale Rollen, Zu richtu n gen u nd Verh ältnisse, N ormen u n d Disku rse ih n en die Wah l ein sch ränken , kan n Differenz zu m Au sdru ck kommen, weil jede Selbstentfaltu ng ih re eigenen Wege wäh lt.

Ein h orizontales N etz verträgt kein e Delegation , keine Vertretu ng, keine allgem eingü ltigen B esch lü sse u nd Konsense, den n fü r diese ist im mer eine Gleich m ach u ng u nd eine Vereinh eitlich u ng der Vielfalt nötig. Die P rozesse dorth in stecken voller informeller M acht, die Ergebnisse produ zieren P rivilegien u nd Ungleich h eiten (sieh e im folgenden Kapitel).

Worau f i st dan n n och Verl ass?

Die Seh nsu cht nach Sich erh eit u nd Geborgenh eit

Es entspricht der N atu r des M ensch en , sich u nd sein e Umwelt zu reflektieren . Er kann da- h er h interfragen, planvoll vorgeh en , sich selbst organ isieren, gezielt Kooperationen einge- h en − zu samm en gefasst: Sich mit eigenen I deen selbst entfalten. Tu t er das, so bem erkt er seine Au ton omie, die zwar nicht soweit reicht, dass er völlig losgelöst von natü rlich en Gru ndlagen bzw. gesellsch aftlich en Verh ältnissen u nd B ezieh u n gen existiert u nd leben könnte, aber doch soweit, dass er das eigene Leben steu ern kann. Er ist sich selbst Su bjekt, n icht n u r Getriebener der äu ßeren B edin gu ngen u n d in neren, z. B. genetisch en Vorgaben.

Das löst den M ensch en au s sein er festen Gebu ndenh eit u nd gibt ih m Freih eit − n im mt ih m aber gleich zeitig die Geborgen h eit des Unfreien. M it der M öglich keit der Reflexion entsteht das B ewu sstsein , dass n ichts sich er, weil verän derbar u nd nicht vorh ersagbar ist.

Das kann verängstigen − u n d mit dieser Angst spielen au toritäre Politiken genau so wie Unterdrü ckerI nnen in konkreten sozialen B ezieh u ngen, wen n sie Angst streu en u nd sich bzw. ih re H an dlu ngen als Sch u tz inszen ieren. Das treibt den M ensch en zu rü ck in eine vor- m en sch lich e Konstitu tion . Em anzipation als B efreiu n g u nd Entfaltu ng des M ensch lich en bedeu tet h ingegen, die Su ch e nach M öglich keiten, Sch einsich erh eiten u nd Entmü ndi- gu ng zu ü berwinden u n d dabei Selbstbestimm u ng zu stärken.

Keine Kontrolle, aber was dann?

Der Sch rei nach Sich erh eit ist trü gerisch . Den n er su ggeriert, dass es diese geben kann.

Doch Leben ist nicht vorau sberech enbar. Gesch ü rte An gst u nd Angebote fremdbestim- m en der Sich erh eit beru h en imm er au f I llu sionen, h inter denen oft mächtige I nteressen ste- h en. Das Sich erh eitsgefü h l entsteht du rch den u nkritisch en Glau ben an die Versprech u n- gen. Kinder verkriech en sich in die Obh u t ih rer Eltern − u nd mü ssen erleben, dass, statis- tisch geseh en, gen au von diesen am wah rsch einlich sten Gewalt au sgeht. M ensch en ver- trau en au f den Sch u tz du rch Polizei u n d Armee − doch tatsäch lich sind diese die gewalttä- tigsten Teile der Gesellsch aft. M ensch en h offen au f Recht u nd Gesetz − doch dieses greift imm er erst, wenn alles zu spät ist, dreht die Opfer gn adenlos du rch die Ju stizmü h len u n d befriedigt mit Urteil u nd Strafe n icht die B etroffenen , sondern das au toritäre System selbst.

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Zu h orizontal er Gesel l sch aft

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gibt es ein Kapitel im Buch

„ Autonom ie & Kooperation“.

Al s . rtf unter www.

projektwerkstatt.de/h efte/

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Sanktion ieren de Gewalt kan n Übergriffe nicht verh indern, sondern nu r ansch ließend be- strafen. Strafe ist aber selbst das Recht au f Gewalt, d. h . die Spirale dreht sich nu r weiter. Um h orizontale Räu me zu sch affen u nd zu sich ern, kommt es dah er n icht au f die Sanktion, sondern au f die H erstellu ng u nd Sich eru ng diskrim inieru ngs- u n d ü bergriffsfreier Räu m e an − u nd au f den Umgan g m it Vorgängen , die diesen in Frage stellen. Wenn Übergriffe al- lerdin gs M achtentsch eidu ngen nach sich zieh en, zerstören sie doppelt die I dee offener u n d h orizontaler Räu m e: Einmal du rch den Übergriff selbst (der Ängste au slöst u n d folglich den Rau m fü r B etroffen e u nd au ch andere versch ließen kann), zu m zweiten du rch die Sank- tion. Das P roblem , näm lich das Übergriffsverh alten , wird du rch Sanktion selten gelöst, sondern nu r verlagert (z. B. an andere Orte). I n der Regel steht au ch gar nicht das Verh al- ten , sondern die Person (aggressiv als „TäterI n“ ) bezeich n et, im M ittelpu nkt. Das verein- facht das Vorgefallen e, zu dem meist viele Facetten geh ören , u .a. das N icht-Verh alten An- derer vor, wäh rend u nd nach dem Übergriff. M eist besteht au ch das P roblem, dass Über- griffe keine eindeu tigen Definition en h aben können, weil nicht nu r die H andlu ng, sondern au ch M otiv u nd Wille der B eteiligten wichtig sind, diese sich aber einer M essbarkeit entzie- h en.

Es wü rde au ch keinen Sinn m ach en, wie bü rgerlich e Gerichte au f Wah rh eitsfin du ng zu ge- h en. Defin itionsmacht ü ber das Gesch eh en zu verteilen, ist ebenso nu r ein Au sdru ck des- sen , dass es nicht möglich ist, eine allgemeingü ltige Gesch ichte zu sch reiben. Darau f kommt es eh er gar nicht an, sondern au f die Sich eru n g, in diesem Fall Wiederh erstellu ng des ü bergriffsfreien Rau mes. Sanktionen gegen Einzelne können Alltagsdiskrim ieru ng so- gar versch leiern. Stattdessen sind P rozesse nötig, die Verh alten verändern − u nd zwar in der Regel aller B eteiligten, insbesondere derer, die bei bish erigen Vorfällen passiv blieben.

Denn das Paradies h erbeizu seh nen , in dem n ie ein e Person ü bergriffig wird, ist eine I llu - sion. Aber einen Rau m zu sch affen , in dem Diskriminieru ng oder sch on die Anbah n u ng von Übergriffen sofort au f Reaktionen stoßen u nd abgefangen werden − das ist seh r woh l m öglich . Es bedarf der An eignu ng von H andlu ngskompeten z du rch die Vielen, die sich selbst als Akteu rI n nen im offen en Rau m definieren. Das Wissen u m „ Zu ständige“ fü r P rob- lem e kann das eh er verh indern.

Wo Kontrolle wegfällt, ist es die Sach e aller M ensch en, was gesch ieht u nd wo sie sich ein- m isch en, weil sie nicht m eh r akzeptieren, was gesch ieht. Doch wer kan n das in einer Welt, in der es im mer nu r h eißt: „Wen n was nicht stim mt − die Polizei“ ? Zu mal mensch nach dem H olen der Polizei m erkt, dass das eine richtig du mm e I dee war, denn nu n verschwin- det die/der H eldI n des Alltags als Zeu gI n in den mensch enfeindlich en M ü h len der Ju stiz.

Soziale I ntervention, vor allem das direkte Ein greifen, will gelernt sein. Es m u ss ü berh au pt erstm al klar sein, welch e Ersch einu ngsform en Übergriffe, B elästigu ngen, Unterwerfu ngen, Au sgrenzu ngen u sw. h aben können. B ei den Reaktionen geht es nicht u m den Rau swu rf von TäterI nnen, sondern u m die Du rch setzu ng eines u nterwerfu ngsfreien Rau -

m es u n d u m ein e Kom mu nikation mit Person en, deren Verh alten andere stört. Einen objektiven M aßstab, wie ih n Strafgerichte, Sch iedskom missionen u n d viele linke P len a definieren , gibt es n icht. Es kommt au ch n icht darau f an, ein Urteil ü ber die Vergangen h eit zu fällen, sondern die Verbesseru ng fü r die Zu ku nft zu sch affen. Das gesch ieht in der P raxis, aber au ch du rch Trainings, Worksh ops u n d Seminare, in denen sich die B eteiligten mit den Form en von Unterwerfu ng u nd dem Um gang damit au sein andersetzen.

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Zu Al ternativen zur Strafe gibt es ein Ka- pitel im Buch „ Auto- nom ie & Kooperation“ : www. projektwerkstatt.

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Die Kollision m it der N orm alität:

Kontrollfreih eit zwisch en Anspru ch u nd Wirklich keit

Wie au ch im mer sich eman zipatorisch e I deen fortentwickeln u nd dann h offentlich zu ei- n em dynam isch en Teil gesellsch aftlich er Verän deru ng werden, sie werden n och lange, vielleicht sogar im mer, ein gegen ku ltu relles P rojekt bleiben. Denn die I dee ständiger weite- rer B efreiu ng, das Aneignen neu er M öglich keiten u n d der Wille, selbst zu r/m GestalterI n des eigenen Lebens zu werden, m u ss als vorantreiben de Kraft der Zeit immer etwas vorau s sein. Das sch afft P robleme, denn gleich zeitig sind die Akteu rI nn en selbst der Zeit eh er h in- terh er, lag doch ih re soziale Zu richtu ng in vergangenen Jah ren. Au s diesen m ü ssen sie sich im permanenten P rozess selbst befreien, u m gleich zeitig n ach neu en M öglich keiten zu su - ch en u nd zu streben.

Sichtbar wird das in den experimentellen Räu men, wo erh offte Zu kü nfte (au s dem h eu tigen B lickwinkel entworfen) vorweggenom men u nd im begrenzten sozialen Rah men au spro- biert werden. M ensch en, die dort au ftau ch en , stam men von ih rer Zu richtu ng au s der Ver- gangenh eit u n d sind den gesellsch aftlich en Einflü ssen der Gegenwart au sgesetzt, wenn sie etwas N eu es probieren wollen. Das fü h rt zu Spann u ngen u n d absu rden Widersprü ch lich - keiten − gu t sichtbar z. B. am Verh alten von M en sch en in offenen Räu men. Dass dort kei- n erlei Regeln u nd Kontrolle h errsch en , ist gewollt u nd u topisch er Versu ch . Gleich zeitig sin d die M en sch en, die in ih nen agieren, aber von Vergangenh eit u n d Gegenwart geformt.

Sie ken nen n u r Dinge, die ih nen oder anderen geh ören. Sie kü m mern sich u m Sach en, weil es ih re sin d − oder weil ih nen jem and (mit Sanktionsgewalt) au fträgt. I n den moder- n en Überflu ssfamilien des B ildu ngsbü rgerI nn entu m , au s deren N achwu ch s sich viele anar- ch istisch e Szenen h eu te speisen , war es nicht ein mal meh r n ötig, sich u m den eigen en Kram zu kü mmern . Der war au f der Gru ndlage au sreich en der finan zieller M öglich keiten jederzeit ersetzbar.

Eine solch e Vorprägu ng sch afft im offenen Rau m erh eblich e P roblem e. M eist kü m mern sich nu r wenige M ensch en u m die reprodu ktiven Tätigkeiten − vom P u tzen bis zu Forma- lien. Es sind regelmäßig die, die au ch sch on so sozialisiert wu rden oder ü ber lange Zeit in diese Au fgaben h in eingewach sen sin d. Der große Rest n u tzt den Freirau m weitgeh end frei von irgendein em I nteresse an Selbstorganisieru ng. Der materielle B ackgrou nd wird als Selbstverständlich keit ebenso h ingenom men wie das Wirken der Wenigen, die sich kü m- m ern − wie bei M am i u n d Papi zu h au se, wo sich an arch istisch er Lifestyle bequ em entwi- ckeln kon nte, weil er mit keinerlei Zu ständigkeit fü r das eigen e Leben verbu nden war. Sol- ch e „ An arch ie“ war fremdorganisiert, lief in sich eren B ah nen u nd vor einem geklärten H in- tergru nd von Eigentu m u nd H au srecht.

Offene Räu me bilden h ierzu einen gegenku ltu rellen Entwu rf − u nd genau das stellt die Ex- perim ente stän dig in Frage. M itu nter fü h rt es zu grotesken Situ ationen. Drau ßen ist das Ei- gentu m geregelt u nd der Allgemeinh eit weitgeh en d entzogen. So h at der anarch istisch e Slogan „ Eigentu m ist Diebstah l“ seine B erechtigu ng. I m offenen Rau m keh rt sich die Lo- gik u m. Dort, wo alles fü r alle zu gän glich ist, also im rechtlich en Sinn e gar kein Eigentu m besteht, lau tet der Satz u mgekeh rt: „ Diebstah l ist Eigentu m“. Den n was M ensch en au s ei- n em offenen System entn eh m en u nd n u r n och privat nu tzen, ist wieder Eigentu m. N äm- lich ih res. Der Diebstah l au s dem offenen Rau m sch afft das Eigentu m . Du mm erweise kommt er massenh aft vor, weil M ensch en , die au s den Ordn u ngssystemen der normalen

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Welt komm en , in der Regel ü ber keinen eigenen H an dlu ngsimpu ls verfü gen, m it eigen- tu mslosen Din gen so u mzu geh en, dass sie fü r andere nu tzbar bleiben . Da h elfen au ch Ch e-Gu evara-T-Sh irts, schwarze Son nen brillen u nd martialisch e Au ftritte au f Demonstratio- nen n ichts: Offene Räu me sind ein gegenku ltu relles P rogramm, was in der Realität an den konkreten M ensch en sch eitert, die es gewoh nt sind, au f Regeln u nd Kontrolle zu reagieren u n d sich im offen en Rau m folglich nicht nu r orientieru ngslos bewegen , sondern zu dem diesen stän dig selbst gefäh rden. Der Konflikt daru m aber ist ein Teil der gewollten, politi- sch en I ntervention.

Anwen du n gsfel der

Offene H äu ser, Fläch en, gebau ter Räu m e

I n der „ N orm“alität sind alle Räu me eingesch ränkt − Eigentu msrecht, Wertlogiken, N or- m en u sw. dom in ieren. Da diese ü ber alle Köpfe u nd, wo das nicht reicht, au ch ü ber institu - tionelle H errsch aft weiterwirken , wird es kau m gelin gen , das ganz Richtige im Falsch en zu sch affen . Der Versu ch aber ist das politisch Spannende, denn die Reibu ng, die du rch Ver- su ch , Erfolg u nd Sch eitern entsteht, bietet Ansatzpu nkte fü r öffentlich en Streit. Er dem as- kiert H errsch aft u nd kann Gelegenh eiten sch affen, eigene Strategien weiterzu entwickeln (was allerdings fü r die Strategien der H errsch enden au ch gilt). I n sofern wird es eine der wichtigsten Aktivitäten sein, den h errsch aftsdu rch zogen en P rinzipien der besteh en den Ge- sellsch aft qu adratm eterweise den Einflu ß zu entzieh en u nd h errsch aftsfreie Verh ältnisse zu sch affen . Der B egriff „ Rau m“ steht dabei fü r einen sozialen Rau m, d. h . einen m eh r oder weniger abgren zbaren B ereich gesellsch aftlich en Lebens. Das kan n ein m aterieller Rau m, also ein H au s, ein Zimm er, eine Werkstatt, ein Wagen, ein P latz, eine Straße, eine B iblio- th ek, ein Veranstaltu n gsort oder etwas äh nlich es sein, aber au ch ein sozialer Zu sam men- h an g, z. B. eine M ailingliste, eine Gru ppe, ein Woh nprojekt, jede Veran staltu ng, ein P ro- du ktionszu sammenh ang oder ein e Verleih -/N u tzerI n nen gemeinsch aft. H ier gleich e M ög- lich keiten fü r alle zu sch affen, die Ressou rcen aktiv fü r alle zu gän glich zu mach en, N or- m en , Gesetze u nd kollektive Entsch eidu ngen, ja kollektive I dentität ü berh au pt zu ü berwin- den, ist wichtig. Der Versu ch wird au ch im mer wieder au f den Widerstand derer treffen, die sich beteiligen u nd − bewu sst oder u nbewu sst − im Versu ch des Anderen das Üblich e du rch setzen wollen. Die Realität in politisch en Gru ppen , alternativen P rojekten u sw. zeigt das. Die I dee „ offener Räu me“ m u ss dah er im mer ein offensiver P rozess sein. Wer, wenn N eu es entsteht, nach dem M otto verfäh rt: „ Erstm al gu cken u nd dan n, wenn´s sch ief geht, kann mensch ja immer noch ein sch reiten“, verkennt die B ru talität von N orm ieru n g u nd I n- teressen. Offene Räu me mü ssen aktiv h ergestellt u n d imm er aktiv au ch au frechterh alten werden . Sonst geht es ih nen wie der B ewegu n g der Sozialforen, an deren B eginn die I dee ein es offenen Rau m es stand (sieh e Ch arta des Weltsozialforu ms in Porto Alegre, Absch n itt 6). Die formal damals festgelegte Offenh eit m ü sste au ch h eu te noch gelten − doch sie ist seh r sch nell in Vergessen h eit geraten . Von B egin n an dom in ierten die,

die eine „Wir“ -Kollektivität verbal ersch affen, fü r die dann sprech en, die dafü r nötige I nfrastru ktu r (P ressekonferenzen, Fü h ru ngsräu m e u sw. ) gegen die eigene B asis absperren u nd imm er in gleich en perso- nellen Kon stellationen das Gesch eh en m anagen

(sieh e www. projektwerkstatt.de/sozialforu m).

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E ntsch eidungsfindung von unten

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und Dom inanzabbau m it E xtra- seiten zur Organisierung offener Räum e, zu Kreativm eth oden usw. : www. h ierarch nie.de.vu

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Kom m u nikationsanbah nu ng u nd -räu m e

B ezogen au f die gesamte Gesellsch aft oder größere Su bräu m e (z. B. Dörfer, Städte oder Regionen) könn en die Orte des I nform ationsau stau sch es au ch gesondert u nd gezielt ge- sch affen werden. Was inn erh alb der sonstigen offenen Räu m e imm er als Teil des Gan zen Sinn m acht, kann als B eitrag zu r gesellsch aftlich en P raxis au ch eigenständig entsteh en. So wie es h eu te Sch u len u nd Rath äu ser oder, teilweise dem P rin zip des offen en Rau mes äh - n elt, öffentlich e B ü ch ereien gibt, so könnten in einer h errsch aftsfreien Gesellsch aft Tu m- m elplätze des I nformation sau stau sch es entsteh en − als öffentlich e P lätze, Gebäu de, B e- gegn u ngsstätten, Cafés oder virtu eller Rau m. Da Kom mu n ikation ein kom plexer u n d krea- tiver Vorgang ist, werden die P lätze direkter B egegnu ng ein e besondere Rolle einneh men.

M eth oden des M iteinander-ins-Gespräch -Kommens können Au stau sch u n d Kooperation an bah nen (z. B. Open Space). P innbretter, Wandzeitu ngen, M itmach magazin e au f Papier oder in Fu n k u nd Fernseh en sch affen Transparenz u nd regen an. I n entlegeneren Gebieten könn en I nfomobile die I nformationen zeitweise bereitstellen. Der öffentlich e N ahverkeh r, Restau rants u nd Cafés, öffentlich e Toiletten u nd m eh r könn en gesch ickt eingebu nden sein.

Die I nformation kom mt zu m M ensch en.

Bildu ng, Wissen, Lernen

Angebu nden an Treffpu n kte zu r Kom mu nikation u nd Kooperationsan bah nu ng könn en Lernorte entsteh en , wo M ensch en ih r Wissen weitergeben u nd sich An dere Wissen u n d Fäh igkeiten aneignen können. Das h eu tige B ildu ngssysteme setzt M ensch en au f be- stimmte Gleise. Es ist vorgegeben, wer zu welch er Lebenszeit was zu lernen h at. Zwar ist − m it erh eblich en Einsch ränku ngen je n ach sozialer H erku nft − die Wah l z. B. zwisch en ver- sch iedenen Stu diengän gen m öglich , aber die Art der Au sbildu ng u ntersch eidet sich nu r in den gelernten I nh alten , nicht vom System des Lernens.

Die Alternative wäre ein organisierter P rozesss des Leh ren u nd Lernens n ach Lu st u nd B e- dü rfnissen, d. h . Zeitpu nkt, Th ema u nd Vermittlu ngsform sind Sach e der M ensch en selbst.

Damit es m öglich st einfach ist, an Wissen zu gelangen, sollte das niedergesch riebene Wis- sen gu t zu gän glich sein, zu dem sollten Orte oder M ech an ismen gesch affen werden, du rch die M ensch en leicht an Wissen gelangen bzw. ih r Wissen weitergeben können. Das wü rde Sch u len u nd Universitäten ersetzen. Denkbar sind weiterh in beson dere Lernorte, vorrangig aber die Verlageru ng des Lern en u nd Leh rens in alle B ereich e der Gesellsch aft, in H äu ser, Werkstätten u nd drau ßen in die

Landsch aft.

Au s: H el frich , Sil ke u n d H ein rich -B öl l -Stiftu n g (H rsg. , 2 009): „Wem geh ört d ie Wel t?“, Ökom in Mü n ch en (S. 1 00)

Um die Freiheits- und Innovationsvorteile zu erschließen, die eine vernetzte Informa- tionsökonomie ermöglicht, müssen wir parallel zur proprietären Infrastruktur eine gemein- same Basisinfrastruktur aufbauen. Diese Infrastruktur wird sich von der physikalischen Ebene auf ihre logistischen und inhaltlichen Ebenen erstrecken. Sie muss so ausgeweitet werden, dass jedes Individuum über ein Cluster an Ressourcen verfügt, die es diesem Indi- viduum ermöglichen, Informationen, Wissen und Kultur zu produzieren und mit jedem be- liebigem anderen Individuum zu kommunizieren. Nicht alle Einrichtungen zur Kommunika- tion und Informationsproduktion müssen offen sein. Aber es muss auf jeder Ebene einen bestimmten Anteil geben, den jeder benutzen kann, ohne irgendjemanden um Erlaubnis bitten müssen. Dies ist notwendig, damit jeder Person oder Gruppe jederzeit irgendeine

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E ine Meth ode, wie sich Lern-

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wil l ige und Ausbil dende fin- den, könnte das Open Space sein: www. projektwerkstatt.

de/h oppetosse/h ierarch N I E / openspace. htm l .

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Möglichkeit offen steht, das zu artikulieren, zu kodieren und zu übertra- gen, was er oder sie zu kommunizieren wünschen − völlig unabhängig davon, wie randständig oder nicht kommerzialisierbar das auch sein mag.

Konfliktau stragu ngsorte

Komm u nikation u nd Kooperationsversu ch werden au ch die Grenzen des- sen zeigen, was konfliktfrei neben-, nach - oder m iteinander fu nktion iert. Wo M einu n gsversch iedenh eiten entsteh en, mu ss P latz gesch affen werden, den Streit au szu tragen. Weder eine streitabwü rgende u nd in der Regel

ein e Seite u nterwerfende Abstimm u ng noch die H armon isieru ng des Konfliktes können au s dem Widerspru ch die Weiterentwicklu ng h erau sh olen. Dazu brau cht es ein er Streitku l- tu r, die die M einu ngen offenlegt u nd in einen Au stau sch m iteinander bringt − n icht zu m Zwecke der M eh rh eitsfindu ng wie in Abstimm u ngsprozessen, sondern oh ne Vorgabe, als offener Sch lagabtau sch , in dem aber gen au desh alb angstfrei kreative H andlu ngsmöglich - keiten au sgelotet werden kön nen .

Wäh rend in einzelnen Räu m en solch e M eth oden als M öglich keit vorh an den u nd bekan nt gem acht werden sollten (z. B. Fish B owl), kann es in größeren gesellsch aftlich en Su bräu - m en besondere Streitstru ktu ren geben − Orte u nd M öglich keiten, sich au s-

ein anderzu setzen.

Offene Werkstätten

Fü r vieles im Leben brau ch en M ensch en Werkzeu ge − aber selten brau ch en

sie es ständig. Solange Werkzeu ge P rivateigentu m sind, h errsch en enorm e Reichtu m s- u ntersch iede, aber alle h aben weniger als der Gesamtbestan d. Um gleich e u nd fü r alle m eh r M öglich keiten zu sch affen, sollten die P rodu ktion sm ittel fü r den Alltagsgebrau ch öf- fentlich zu gänglich sein : Fah rradwerkstätten, Sch neidereien , H olzbearbeitu n g u nd vieles m eh r als öffentlich e Räu m e. Egoism u s u nd Gemein nu tz verbinden sich h ier, denn der Rau m ist fü r jedeN so gu t nu tzbar, wie die M ensch en ih n organisieren.

Das Gesamte: Eine Welt, in der viele Welten P latz h aben . . .

Das Ergebnis ist eine Vielfalt m it inten siv entwickelter B innenstru ktu r. Die Su bräu m e sin d sowoh l eigenständig wie au ch vielfach vernetzt. Der Au fbau dieser Vernetzu ngssträn ge ist ein e wichtige Au fgabe. Da sie allen B eteiligten n ü tzen, stammt der Antrieb, die au frechtzu - erh alten, von diesen selbst.

Offene Räu me sind keine M asse, son dern sie ku ltivieren geradezu in nere Differenz. Dabei sie kennen − das ist fü r offene Räu me u n d ih re H errsch aftsfreih eit wichtig − keine Verein- nah mu n g u nd Au ßenvertretu ng, benötigen also au ch keine einh eitlich e M ein u ng. Sie brau ch en nicht einm al ein en N am en, geschweige denn ein „Wir“ -Gefü h l oder eine kollek- tive I dentität. Sie sind einfach da − u nd h offentlich im mer weiterentwickelt au s dem Kreis der N u tzerI nnen, die selbst N u tznießerI nnen ih rer Weiterentwicklu ngen wären.

Au s H a rdt, Mich a el /N egri, An ton io (2 004): „Mu l titu de“, Ca m pu s Verl ag in F ran kfu rt Die Teile der Multitude müssen weder alle gleich werden noch ihre Kreativität verleugnen, um miteinander zu kommunizieren und zu kooperieren. Sie bleiben verschieden, was Ethnie, Geschlecht, Sexualität und so weiter angeht. Es geht darum zu verstehen, welche

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E xtratext zur Streitkul tur in Gruppen: www.

projektwerkstatt.de/

h ierarch N I E /reader/

konfl ikt. htm l

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Zu h errsch aftsfreien Lernorten gibt es ein Kapitel im Buch

„ Autonom ie & Kooperation“ : www. projektwerkstatt.de/

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autokoop_l ernen. rtf Auch al s pdf.

Sch ul kritik und sel bstbe- stim mtes Lernen: www.

h errsch aftsfrei-l ernen.de.vu.

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kollektive Intelligenz aus der Kommunikation und Kooperation einer solchen bunten Vielfalt entstehen kann. . . . (S. 111 )

Die Multitude produziert nicht nur Güter und Dienstleistungen; sie produziert auch und vor allem Kooperation, Kommunikation, Lebensformen und soziale Beziehungen. Anders aus- gedrückt: Die ökonomische Produktion der Multitude ist nicht nur Modell für die politische Entscheidungsfindung, sondern sie wird immer mehr selbst zur politischen Entscheidungsfin- dung. Die Demokratie der Multitude lässt sich somit auch als eine Art »Open Source«- Gesellschaft verstehen, als eine Gesellschaft, deren Quellcode sichtbar ist, sodass wir alle gemeinsam daran arbeiten können, seine »bugs« zu beseitigen und neue, bessere soziale

»Programme« zu entwickeln. . . .

Für die Multitude jedoch gibt es keine prinzipielle Verpflichtung gegenüber der Macht. Im Gegenteil, für die Multitude sind das Recht auf Ungehorsam und das Recht auf Abwei- chung grundlegend. Die Verfassung der Multitude beruht auf der ständigen legitimen Mög- lichkeit des Ungehorsams. S. 374)

Au s Gru pp e Gegen bil der (2 006), „Au ton om ie u n d Kooperation“ (S. 1 07 f. )

Horizontalität stellt die in einer Netzwerkgesellschaft entscheidende Machtfrage: Die Frage der Codes und Diskurse, sprich der Spielregeln. Interessant dabei ist, dass vor allem die Herausnahme von Spielregeln, d. h. der organisierten Form von Privilegien durch bevor- zugten Zugang zu Schaltstellen, Informationsflüssen und Ressourcen der Horizontalität hilft. Herrschaft wird aus einer netzwerkartigen Gesellschaft herausgenommen, wenn Nor- mierungen, Eigentum, Zugangskontrolle, Patente und mehr verschwinden und so niemand mehr privilegiert auf gesellschaftliche Ressourcen zugreifen oder andere von diesen aus- grenzen kann. Horizontalität ist die „Regel der Nicht-Verregelung“ von Zugängen − im op- timalen Fall mit der durchdachten Förderung des gleichberechtigten Zuganges, damit auch tatsächlich alle Menschen die Möglichkeit haben, vorhandene Ressourcen, bestehendes Wissen und funktionierende Schaltstellen zu nutzen. Antrieb dazu ist die im Grundgedan- ken von Autonomie und Kooperation formulierte Erwartung, dass bei fehlender Möglichkeit der machtförmigen Abschottung eigenen Wissens und eigener materieller Ressourcen vor anderen Menschen kein Interesse mehr daran besteht, Menschen in ihrer Selbstentfaltung und damit auch an der intensiven Nutzung aller gesellschaftlichen Möglichkeiten einzu- schränken, weil jede Einschränkung in ihren Folgen z. B. fehlender neuer Ideen, Techniken und Ressourcen notwendigerweise auch die trifft, die diese Einschränkungen schaffen.

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