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Die Rückkehr der Regenmacher

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Academic year: 2022

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Tom Schimmeck | Technologie

124 Kolumne IP April 2007

124 Kolumne IP April 2007

124 Kolumne IP April 2007

When first I raised the tempest. Say, my spirit, How fares the king and’s followers?

Shakespeare, The Tempest

Früher war Sonnenschein in Moskau zur Militärparade am Jahrestag der Okto- berrevolution eine nationale Ehrensache. Noch heute steigen russische Flieger gelegentlich auf, um am Wetter zu drehen. Dann gehen die „Hagelflieger“ auf etwa 8000 Meter und besprühen die Wolken. Der Trick ist alt: Man nimmt Silberjodid, das eine Kristallstruktur wie Trockeneis hat. Die Wolken werden so mit künstlichen Gefrierkernen „geimpft“. Effekt: Es bilden sich Tropfen, die schließlich abregnen. Und über dem Roten Platz scheint die Sonne.

Seit Menschengedenken wollen die Menschen am Wetter drehen. Weil es ihnen zu heiß oder zu kalt ist, vor allem zu trocken. Auch Geld kann man mit dem Wolkenschieben lange schon machen. Verbürgt ist etwa die Geschichte des George Ambrosius Immanuel Morrison Sykes, der im Sommer 1930 angeheuert wurde, um für ein sonniges Pferderennen im New Yorker Belmont Park zu sor- gen. Er stand etwas abseits, mit Drähten, Antennen, alten Radios, einem Spiel- zeugpropeller, dazu etlichen Bottichen voll gefärbten Wassers und lenkte die Wolken wie ein Dirigent. Der Deal war, dass Sykes für jeden trockenen Tag 1000 Dollar erhalten, für jeden Regentag aber 2000 Dollar einbüßen sollte. Es war am Ende kein gutes Geschäft für ihn.

In Texas schießt man schon seit 1891 in die Luft, um Niederschläge zu pro- vozieren – unter Berufung auf Bürgerkriegserfahrungen, wo es nach heftigem Artilleriebeschuss oft lange regnete. Die Ergebnisse waren dürftig. Der Trick mit dem Silberjodid allerdings scheint zu funktionieren. In Süddeutschland wird so der Hagel bekämpft. Der gewitterträchtige Landkreis Rosenheim meldet einen deutlichen Rückgang der Schäden. „Wolkenimpfungen“ sind in mindes- tens zwei Dutzend Ländern Usus. In den USA bezichtigen sich durstige Städte bereits des „Wolkendiebstahls“ und führen Prozesse gegeneinander. China plant zur Olympiade 2008 Wolken abzuschießen, die frech auf Stadien zustreben. Seit Jahren schon sind dort Regenmacher für die Landwirtschaft im Einsatz, angeb- lich 37 000 Mann, mit 30 Flugzeugen, 6900 Flugabwehrgeschossen und 3800 Raketenabschussrampen. Unter Anleitung des „Wetterbeeinflussungsbüros“.

Der Fünfjahresplan verlangt: mehr Regen für mehr Ernten! Feuer frei!

Ließen sich Stürme stoppen, Hurrikane abdrängen? Könnte man die Welt- temperatur drosseln? Das Meer vom Steigen abhalten? Nun, da offensichtlich ist, dass die menschliche Industrialisierung einen rapiden Klimawandel zur Folge hat, kommt die Forschung in Schwung, werden auch alte Pläne entstaubt.

Lange galt die Zunft der Klimaingenieure als anrüchig. Die sowjetischen hatten schon in den Fünfzigern wilde Pläne: Sie wollten die Beringstraße per Damm

Die Rückkehr der Regenmacher

Kann man das Klima in großem Stil manipulieren? Die Wissenschaft wird erfinderisch. Und gräbt manch verrückte Idee von gestern aus

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IP April 2007 Kolumne 125

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Tom Schimmeck | Technologie

IP April 2007 Kolumne 125

schließen und Wasser aus dem Nordmeer in den Pazifik pumpen. Der Plan:

Durch wärmeres nachströmendes Wasser würde der arktische Ozean eisfrei, also schiffbar und Sibirien wärmer. John F. Kennedy fand die Idee anfangs auch nicht schlecht. Im Vietnam-Krieg schwärmten dann US-Flieger tausendfach aus, um Wolken über dem Ho-Chi-Minh-Pfad zu impfen. „Project Popeye“ sollte den Monsunregen verstärken. Die Logik: Viel Wasser macht viel Matsch. So bleibt der Nachschub des Vietkong stecken. 1978 trat eine UN-Konvention in Kraft, die militärische Wettermanipulationen verbietet.

Der Klimawandel macht die Branche der Wetterwandler nun wieder salon- fähig. Vor vier Jahren empfahl die National Academy of Sciences der USA ein nationales Programm zur Erforschung von Möglichkeiten der Klima-Modifika- tion. 2004 schlug der US-Meteorologe Ross Hoffmann vor, hohe Luftschichten über ein Satelliten-Netz mit Mikrowellen zu beschießen, um entstehenden Hurrikanen die Wucht zu nehmen. Der Physiker John

Latham steuerte die Idee bei, in den Ozeanen eine Ar- mada gigantischer Quirle zu betreiben, um so eine Wol- kendecke zu erzeugen, die das Sonnenlicht stärker re- flektiert. Ein belgisch-israelisches Team plant, riesige Wüstenflächen mit Spezialfolie zu belegen, die durch

Aufheizung in der Sonne Kondenswasser transportiert und Regen produziert.

Die Sahara soll so grüner werden. Andere Forscher wollen die Meere mit Eisen düngen, damit die so gezüchteten Algenmassen Unmengen Kohlendioxid kon- sumieren: Fragt sich nur, ob der Transport der Brühe mehr CO2 produziert, als durch das Experiment hernach gebunden wird.

Als 1991 der philippinische Vulkan Pinatubo viele Millionen Tonnen Schwefel in die Erdatmosphäre spuckte, sank die Welttemperatur um ein halbes Grad. Der niederländische Chemie-Nobelpreisträger Paul J. Crutzen wartet nun mit der Idee auf, große Mengen Schwefel in die Stratosphäre zu transportieren, um so mehr Sonnenstrahlung zu reflektieren. Andere möchten den Effekt mit Siliziumdioxid erreichen. Oder Trillionen transparenter kleiner Flugobjekte in die Umlaufbahn schießen, damit eine nahezu 100 000 Kilometer lange Wolke entsteht. Oder Abermillionen weißer Bälle ins Meer werfen.

Noch besser wäre es freilich, unsere Heizungen, unser Verkehr, unsere Fab- riken würden die Treibhausgase gar nicht erst produzieren. Dann könnten wir die Sonne einfach scheinen lassen.

Was hilft? Schwefel in die Stratosphäre schießen? Oder lieber Abermillionen weißer Bälle ins Meer werfen?

TOM SCHIMMECK, geb. 1959, schreibt als freier Journalist über Politik und Wissenschaft für Zeitungen, Magazine und fürs Radio.

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