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www.b-i-t-online.de 18 (2015) Nr. 3 online

Bibliothek. Information. Technologie.

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Liebe Leserinnen und Leser,

editorial

Chefredakteur Dr. Rafael Ball Direktor der ETH-Bibliothek Zürich

im März diesen Jahres war auf Spiegel Online ein kleiner Artikel zu lesen über die „Studien-Flut“. Gemeint war die Zunahme der Menge der Publikationen, die Wissenschaftler jährlich veröffentlichen. So weit war dieser Spiegel-Beitrag nicht wirklich spektakulär. Wer aber weiter las, konnte erfahren, dass in einer empirischen Untersuchung 23 Millio- nen wissenschaftlicher Aufsätze aus dem Web of Science hinsichtlich ihrer Zitierrate untersucht worden sind. Und das Ergebnis war erschreckend: Zumeist erreicht die Zitierrate noch im ersten Jahr ein Maximum und fällt dann exponentiell (!!) ab.

Das heisst im Klartext, wissenschaftliche Veröffentlichungen werden kaum mehr richtig wahrgenommen und haben eine erschreckend niedrige Halbwertszeit. Wofür also der

„publication race“ in der Wissenschaft, wenn das eigene Paper schon nach wenigen Monaten gar nicht mehr wahrgenommen wird? Dies ist die eine ernste Botschaft dieses Artikels.

Die zweite ist zwar nicht explizit genannt, aber aus den Zahlen, lassen sich bedenkliche Schlüsse ziehen: Jährlich steigt die Anzahl der Veröffentlichungen um acht Prozent und allein in diesem Jahre werden zwei Millionen Paper erscheinen. Wenn diese riesige Menge an Veröffentlichungen aber gleichzeitig kaum mehr wahrgenommen werden kann, stellt sich die Frage, wofür diese Dinge produziert werden und warum sie in Bibliotheken gekauft und aufbewahrt werden sollen.

Gewiss, die Studie hat nur die Disziplinen Klinische Medizin, Molekularbiologie, Chemie und Physik untersucht. Dort ist die Halbwertszeit nur noch sehr klein, in anderen Disziplinen, vor allem den Geisteswissenschaften mag sie noch ein wenig höher liegen. Das Grundproblem aber, dass nur noch ein Bruchteil dessen gelesen und verarbeitet wird und verarbeitet werden kann, was produziert wird, muss auch die Bibliotheken zum Nachdenken anregen. Es macht doch wenig Sinn, wenn 90 % des Bestandes nicht mehr genutzt werden, da helfen auch die oft gehörten Argumente der Geisteswissenschaften kaum, dass es durch Zufallsfunde immer wieder gute Anregungen gibt. Zufallsfunde bedeuten Zufallswissenschaft und die ist weder systematisch noch sollte sich eine moderne Gesellschaft so etwas leisten.

Was also ist die Lösung, wenn wir als Bibliotheken über Bestände verfügen, die niemand mehr lesen kann?

Der Blick in die harte Realität der kommerziellen Welt gibt auch hier wieder eine Anregung: Zum Glück ist Amazon immer schon einen Schritt voraus und gerade jüngst hat der Medienkonzern mitgeteilt, dass er seine Ebook-Autoren nicht mehr nach der Zahl ausgeliehener Ebooks abrechnet und vergütet, sondern nach der Zahl der gelesenen Seiten. Das ist eine klare, vielleicht brutale, aber durchaus nachvollziehbare Nutzungsorientierung.

Denn nur was gelesen wird, ist (zumindest wirtschaftlich und wissenschaftlich) interessant, alles andere unnötig.

Das könnte auch Bibliotheken wieder zu einem schon oft diskutierten (und hin und wieder ausprobierten) Modell des pay-per-view bringen: Da sich Bibliotheken ohnehin nicht mehr alles leisten können, was geschrieben und publiziert wird (und wie gesehen Wissenschaftler auch nicht mehr konsumieren können), braucht es da noch den grossen Bestand, der mit riesigem Aufwand formal und sachlich erschlossen wird?

Wohl kaum! Angesichts der diagnostizierten Publikationsflut ist es höchste Zeit, dass sich Bibliotheken grundsätzlich positionieren bei der Frage, ob sie noch etwas zu sammeln haben oder doch besser nur zu vermitteln, freizuschalten oder zu organisieren. Als Teil des Publikationszyklus ist die Bibliothek direkt betroffen von dieser nicht enden wollenden Publikationsflut mit all ihren Folgen.

Welche Konzepte dabei sinnvoll sind und welche Ansätze helfen können, haben die Diskussionen auf dem diesjährigen Bibliothekartag in Nürnberg gezeigt. Wir berichten in dieser Ausgabe ab Seite 275 ausführlich darüber.

Herzlich Ihr Rafael Ball

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