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Paradigmenwechsel erforderlich

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Institut der deutschen Wirtschaft Köln Nr. 39/25. September 2006

Herausgegeben vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) · Chefredakteur: Axel Rhein · Verantwortlich für den Inhalt: Alexander Weber, Köln · Telefon 0221 4981-519 weber@iwkoeln.de · www.iwkoeln.de · Deutscher Instituts-Verlag GmbH, Gustav-Heinemann-Ufer 84–88, 50968 Köln

Paradigmenwechsel erforderlich

Angebotsorientierte Umweltpolitik

Die Umweltpolitik in Deutschland hat in den vergangenen 35 Jahren viel erreicht, so etwa in Sachen Luft- und Wasserqualität. Dennoch ist es Zeit für einen Paradigmenwechsel – die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen umweltpolitischer Maßnahmen müssen stärker als bisher beachtet werden.

Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat dazu Leitlinien für eine moderne angebotsorientierte Umweltpolitik ausgearbeitet.

Eine solche Politik behandelt den Umweltschutz als eine Form des Struktur- wandels. Zentrale Aufgabe einer einheitlichen Wirtschafts- und Umweltpo- litik muss es sein, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass Arbeitsplätze, die diesem Wandel zum Opfer fallen, an anderer Stelle neu entstehen. Alle zur Debatte stehenden umweltpolitischen Maßnahmen werden deshalb daraufhin geprüft, welche Folgen sie für die Unternehmen haben – auch im Hinblick auf den internationalen Wettbewerb. Maßgabe ist, die gesetzten Ziele mithilfe marktverträglicher Instrumente zu erreichen. So weit wie möglich sollen unternehmerische Spielräume geschaffen werden oder erhalten bleiben, um eine Vorgabe zu erfüllen. Dies geschieht zum Beispiel durch freiwillige Selbstverpflichtungen der betreffenden Branchen.

Hubertus Bardt, Michael Hüther: Angebotsorientierte Umweltpolitik – Positionsbe- stimmung und Perspektiven, IW-Positionen Nr. 21, Köln 2006, 52 Seiten, 11,80 Euro.

Bestellung über Fax: 0221 4981-445 oder unter: www.divkoeln.de

Gesprächspartner im IW: Dr. Hubertus Bardt, Telefon: 0221 4981-755 Prof. Dr. Michael Hüther, Telefon: 0221 4981-600

Telefon zur Pressekonferenz in Berlin am 25. September:

0160 90742392

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Anlage zu Pressemitteilung Nr. 39/2006 des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln

Aus iwd Nr. 39 vom 28. September 2006; die abgebildeten Grafiken können zur Verfügung gestellt werden, Anfragen bitte per E-Mail: grafik@iwkoeln.de

1.029 1.934

688

518 431

329 313 309 296 292 289 279 273 271

Quelle: Umweltbundesamt

© 39/2006 Deutscher Instituts-Verlag

Staubemissionen: Klare Luft in Deutschland

insgesamt in 1.000 Tonnen

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003

Paradigmenwechsel ist notwendig

Angebotsorientierte Umweltpolitik

Ihre Geburtsstunde erlebte die Um- weltpolitik in Deutschland 1970 mit dem Umweltschutz-Sofortprogramm der so- zialliberalen Koalition. Im Jahr darauf folgte ein weiter ausgearbeitetes Um- weltprogramm. Ein eigenes Ministerium für das junge Politikfeld wurde allerdings erst 1986 gegründet – wenige Wochen nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl.

Seit 35 Jahren ist Umweltpolitik in Deutschland ein Thema. Im Laufe dieser Zeit hat sich für die Natur einiges zum Guten gewendet.

Doch aus heutiger Sicht erscheint das politische Vorgehen in vielen Fällen nicht mehr zeitgemäß. Die wirtschaftlichen und sozialen Aus- wirkungen der umweltpolitischen Maßnahmen müssen stärker als bisher beachtet werden. Daher hat das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) Leitlinien für eine moderne „angebotsorientierte Umwelt- politik“ ausgearbeitet.

*)

Heute ist die Umweltpolitik den Kin- derschuhen wohl endgültig entwachsen und die Zeit für eine kritische Überprü- fung reif. Festzuhalten ist dabei zunächst, dass in 35 Jahren politischen Augen- merks auf den Naturschutz viel erreicht wurde (Grafiken):

Seit den siebziger Jahren sind Luft und Gewässer in Deutschland deutlich sauberer geworden. Zudem produziert die Industrie weniger energieintensiv.

Der Energieeinsatz für die Herstellung einer Tonne Papier beispielsweise hat sich seit 1970 von 6.395 auf 2.539 Kilowatt- stunden verringert. Und je Tonne produ- ziertem Rohstahl gelangten 2004 mit 380 Gramm sogar 92 Prozent weniger Staub in die Atmosphäre als zu Beginn der siebziger Jahre. Die gesamten Staubemis- sionen in Deutschland sind allein seit 1990 um 86 Prozent zurückgegangen.

In diesen Erfolgen spiegelt sich wider, dass die in erster Linie aus Grenzwert- vorgaben und anderen Auflagen beste- hende Umweltpolitik der siebziger und achtziger Jahre darauf ausgerichtet war, die Sünden der Vergangenheit auszubü- geln. Doch die Zeiten haben sich geän- dert – heute gilt es, umweltpolitische Weichen für die Zukunft zu stellen.

Statt einer nach- ist nunmehr eine vorsorgende Umweltpolitik gefragt.

Fünf große Trends im Umgang mit den natürlichen Ressourcen geben dabei die Richtung vor:

1. Nachhaltigkeit. Der isolierte Blick auf die Umwelt wurde von der umfas- senden Perspektive einer tragfähigen Zukunftsgestaltung abgelöst. Umweltpo- litische, ökonomische und soziale Ziele stehen dabei gleichrangig nebeneinander.

Gefragt sind Lösungsansätze, die allen drei Punkten Rechnung tragen.

2. Internationalisierung. Während sich auf lokaler Ebene vieles zum Guten ge- wendet hat, sind die globalen Herausfor- derungen – etwa der Klimaschutz – noch längst nicht gemeistert. Internationale Kooperation gewinnt daher wie auf so vielen Politikfeldern auch in puncto Um- weltschutz an Bedeutung.

3. Betriebswirtschaftliche Integration.

Um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, setzte die Industrie zunächst auf so genannte End-of-Pipe-Technologien wie zum Beispiel Filter und Katalysato- ren. Heute sind Umweltfragen oft ein selbstverständliches Element unterneh- merischer Entscheidungen geworden.

Vgl. Hubertus Bardt, Michael Hüther: Angebotsorientierte Umweltpolitik – Positionsbestimmung und Perspektiven, IW- Positionen Nr. 21, Köln 2006, 52 Seiten, 11,80 Euro. Bestellung über Fax: 0221 4981-445 oder unter: www.divkoeln.de

*)

8.242

2.539 7.331

6.395

4.625

3.413

2.726

Quelle: Verband Deutscher Papierfabriken

© 39/2006 Deutscher Instituts-Verlag

Papierherstellung: Weniger Energieverbrauch

Energieeinsatz je Tonne Papier in Kilowattstunden

1955 0 3.000 4.000 5.000 6.000 7.000 8.000

60 65 70 75 80 85 90 95 2000 01 02 03 04

(3)

Anlage zu Pressemitteilung Nr. 39/2006 des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln

4. Zunehmende Komplexität. Die wichtigen Umweltprobleme dieser Tage – etwa der Treibhauseffekt oder die Fein- staubbelastung – lassen sich nicht so einfach einem Verursacher zuschreiben.

Zugleich sind die Folgen nur schwer in all ihren Dimensionen zu erfassen.

5. Ökonomisierung und Entideologi- sierung. Das Bewusstsein für die natür- lichen Lebensgrundlagen hat inzwischen breite Schichten der Gesellschaft er- reicht. So ist es kein Wunder, dass auch die Frage nach den Kosten der Umwelt- politik stärker in den Blickpunkt rückt.

Gesucht sind effiziente Instrumente und wirtschaftskompatible Lösungsansätze.

Die Leitlinien dafür steckt die „ange- botsorientierte Umweltpolitik“ ab. Sie ist darauf ausgerichtet, den großen Trends der Umweltpolitik Rechnung zu tragen.

Das IW-Konzept orientiert sich an der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik, wie sie der Sachverständigenrat zur Be- gutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre ausgearbeitet hat.

Die angebotsorientierte Umweltpoli- tik behandelt den Umweltschutz als eine Spielart des Strukturwandels, der die Anpassungsfähigkeit der Betriebe vor eine große Herausforderung stellt. Zen- trale Aufgabe der Wirtschafts- und Um- weltpolitik muss es deshalb sein, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass diesem Wandel zum Opfer gefallene Arbeitsplätze an anderer Stelle neu ent- stehen können. Alle zur Debatte stehen- den umweltpolitischen Maßnahmen wer- den daher daraufhin abgeklopft, welche Folgen sie für die Unternehmen haben.

Maßgabe ist stets, die gesteckten Ziele mithilfe möglichst marktverträglicher Instrumente zu erreichen. So weit wie möglich sollen unternehmerische Spiel- räume geschaffen werden oder erhalten bleiben, um eine Vorgabe zu erfüllen.

Dies geschieht beispielsweise in Form von freiwilligen Selbstverpflichtungen der betreffenden Branchen.

Welche Kriterien eine angebotsorien- tierte Umweltpolitik im 21. Jahrhundert zu erfüllen hat – Punkt für Punkt:

Erleichterung des Strukturwandels.

Die Unternehmen sind gefordert, auf eine ressourcenschonende Wirtschaftsweise umzustellen – teils weil Rohstoffknapp-

heit und hohe Preise ihnen keine andere Wahl lassen, teils um bestehenden Geset- zen zu genügen. Damit stehen die Be- triebe vor mehr oder weniger ausge- prägten Anpassungsproblemen, die wirt- schaftliche Einbußen nach sich ziehen und Arbeitsplätze kosten können. Die politischen und gesetzlichen Rahmenbe- dingungen sollten so ausgestaltet sein, dass aktuelle Umweltschutzerfordernisse ohne größere Brüche zu bewältigen sind.

Marktwirtschaftliche Verträglich- keit. Wie die Abfederung sozialer Risiken gehört auch die Vermeidung von Umwelt- schäden zur marktwirtschaftlichen Ord- nung. Ziel muss es sein, dies zu möglichst geringen Kosten zu erreichen. Dazu sind marktnahe Instrumente besser geeignet als Auflagen und Verbote.

Keine Gegnerschaft zur Wirtschafts- politik. Umweltschutz und Wirtschafts- entwicklung sollten Hand in Hand gehen und nicht mehr gegeneinander stehen.

Um das zu gewährleisten, sollte die dies- bezügliche wissenschaftliche Politikbe- ratung unter einem Dach stattfinden – dem des Sachverständigenrats zur Be- gutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Berücksichtigung der wirtschaft- lichen und sozialen Folgen. Keines der drei Nachhaltigkeitsziele von der unver- sehrten Natur über die soziale Ausgewo- genheit bis zur florierenden Wirtschaft sticht die beiden anderen aus. Umwelt-

schutz darf daher nicht auf Kosten der anderen beiden Komponenten der Nach- haltigkeit gehen.

Stärkung des Standorts im interna- tionalen Wettbewerb. Die hiesigen Un- ternehmen dürfen durch Umweltauflagen nicht übermäßig belastet werden, um gegenüber der ausländischen Konkur- renz nicht benachteiligt zu sein. Zugleich kann eine clevere Umweltpolitik aber auch dazu beitragen, innovativen Unter- nehmen einen Vorsprung im internatio- nalen Wettbewerb zu verschaffen.

Keine nationalen Alleingänge bei globalen Umweltproblemen. Nationale Vorreiterrollen bei nicht regional ein- zugrenzenden Herausforderungen kön- nen mehr sozialen und ökonomischen Schaden verursachen, als sie an ökolo- gischem Nutzen bringen. Daher ist in diesen Fällen ein international abge- stimmtes Vorgehen vonnöten.

Berechenbarkeit. Ad-hoc-Umschwün- ge in den politischen Zielvorgaben oder den gewählten Instrumenten sowie stän- dig neue Regelungen erschweren den Firmen eine kontinuierliche Arbeit und eine längerfristige Planung.

Stärkung des Umweltbewusstseins.

Verbraucherinitiative kann viel bewirken.

Umweltfreundliche Produkte werden je- doch nur akzeptiert, wenn sie nicht mit erheblich höheren Preisen oder anderen Nachteilen verbunden sind. Um dies zu gewährleisten, ist die Innovationsfähig- keit der Unternehmen gefragt.

Quelle: Stahlinstitut VDEh

© 39/2006 Deutscher Instituts-Verlag

Stahlproduktion: Umweltbelastung stark reduziert

Staubemissionen je Tonne Rohstahl in Kilogramm

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9

1960 64

62 68

66 72

70 76

74 80

78 84

82 88

86 92

90 96

94 2000

98 04

02 9,13

0,98 0,46 0,38

4,76

2,28

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