Doe´s und Don´ts in der Therapie
Begleitende Unterrichtsveranstaltungen März 2021
Anka Röhr
Apotheke Klinikum Heidenheim
Gram positiv
Besiedlung von Haut und Schleimhaut im Mund-, Rachenbereich
(Darm)
Gram negativ Besiedlung vom Darm
(Mund-,
Rachenbereich) Antibiotika haben unterschiedliche Wirksamkeiten bei gram
positiven und negativen Erregern
Initiale Antibiotikaauswahl orientiert sich am erwarteten Keimspektrum
Fakultativ pathogene Erreger
Enterobakterien
Gram negative Stäbchen
E. coli, Klebsiellen, Proteus,
Enterobacter, Citrobacter, Morganella...
Virulenzfaktoren z.B. Adhäsine, Toxine
Zahlreiche
Infektionen (HWI, abdominelle
Infektionen, seltener Pneumonie)
Multiresistenzen:
alt: ESBL
Extended Spektrum Betalaktamase Bildner Neu: MRGN
Multiresistente gram Negative Erreger
Staphylokokken
Gram positive Haufenkokken
Staphylococcus epidermidis u.a.
Koagulase negative Staphylokokken (KnS) Häufig multiresistent wenig Virulenzfaktoren v.a. Protheseninfektionen
Staphylococcus aureus
Methicillin-sensibel (MSSA) ca.
90%
Methicillin resistent (MRSA) Zahlreiche Virulenzfaktoren alle Infektionen (Haut-,
Weichteilinfektionen, Atemwege, Knocheninfektionen,
Protheseninfektionen, seltener HWIs...)
Gram positive Kokken, vereinzelt oder kurzen Ketten
Enterokokken
Intrinsisch resistent gegen viele Wirkstoffe
Vancomycin resistente Enterokokken (VRE)
Wenig Virulenzfaktoren
Protheseninfektionen, Herzklappen-, Bandscheibeninfektionen
Gram positive Kokken, Diplokokken oder Ketten
Streptokokken
Wenig Resistenz- problematik
Zahlreiche
Virulenzfaktoren
Zahlreiche Infektionen
(Atemwegsinfektionen, Haut-, Weichteilinfektionen, Meningitis, Herzklappeninfektionen...)
1) beide
2) die junge Patientin
3) der geriatrische Patient 4) keiner von beiden
5) muss der Arzt entscheiden
Eine 25-jährige Patientin mit schmerzhaftem unkompliziertem HWI und ein 82-jähriger
dementer Patient bei liegendem Dauerkatheter mit positivem U-Status
Wer sollte mit Ciprofloxacin behandelt werden?
Ofloxacin, Norfloxacin, Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin
16.11.2018
Schwerwiegende Nebenwirkungen beschrieben
Neurologisch, Sehnenrupturen, hämtologisch, kardiologisch, dermatologisch, metabolisch
Breite Wirksamkeit grampositiv wie gramnegativ Keime, auch bei intrazellulären Erregern (Clamydien, Mykoplasmen, Legionellen, TBC)
Sehr gute Bioverfügbarkeit Gute Gewebegängigkeit Biofilmwirksamkeit bei Protheseninfektionen
2010: 37,3 Mio verordnete DDDs
2018: 25,6 Mio verordnete DDDs
Therapie von Infektionen in der Praxis, MVZ Labor Ravensburg, 1. Auflage 2016
Außerdem: vermehrte Bildung von Multiresistenzen und
Clostridieninfektionen nachgewiesen unter Fluorchinolonen!
Einsatz bei banalen Infektion und ohne Austestung mit Antibiogramm
Unbegründet hohe Dosis oder lange Therapiedauer Moxifloxacin (schlechtestes Nutzen-Risiko-Verhältnis)
Einsatz bei schwer kranken Patienten z.B. mit Pseudomonas Infektionen
Einsatz nach vorheriger Testung mit Antibiogramm Möglichst „schmale“ Substanz (Ofloxacin >>
Ciprofloxacin >> Levofloxacin)
Nierenfunktion für Dosierung berücksichtigen
1) Eine andere Wirkstoffgruppe z.B. ein Fluorchinolon
2) Eine andere Betalactamgruppe , z.B. ein Cephalosporin der 3. Generation
3) Ampicillin/Sulbactam beibehalten
Eine 66-jährige Patientin mit Pankreatitis soll mit Ampicillin/Sulbactam behandelt werden. Die
behandelnde Ärztin findet in der Patientenakte den Hinweis auf eine Penicillinallergie und fragt in der Apotheke nach, welches Antibiotikum sie
stattdessen nehmen soll.
Dokumentiert bei 2 bis 20% der Patienten
Nur 10% der dokumentierten Fälle sind echte Hypersensibilitätsreaktionen!
Überempfindlichkeitsreaktion allergischer und nicht allergischer Art
Probleme:
Keine klinische Evaluation
Keine Angabe/Differenzierung der Symptome
Keine Angabe der Substanz, nur (teilweise falsche) Obergruppe Kein Streichen aus der Akte bei negativem Test
Konsequenzen:
Verwendung weniger wirksamer und/oder schlechter verträglicher Alternativen (z.B. Levofloxacin statt
Amoxicillin für Pneumonien, Clindamycin statt
Cefuroxim/Cefazolin in der perioperativen Prophylaxe)
→ Höhere Folgekosten wegen höherem Rezidivrisiko (z.B. Erysipel) oder negative Auswirkungen für den Patienten (z.B. Clostridieninfektionen)
Verschlechterte Resistenzsituation wegen vermehrtem Einsatz von Breitband- oder Reserveantibiotika
(Fluorchinolone)
Diagnostik bestehend aus
Historie plus
Körperliche Untersuchung Hauttestung
In-vitro Testung (IgEs)
Arzneistoff-Provokationstest
Aktenvermerk unkritisch übernehmen
Dokumentation hinterfragen und Symptome, zeitlichen Verlauf und letztes Auftreten
evaluieren
Patienten über die Hintergründe aufklären Ärzte über die Hintergründe aufklären
Austestung anregen
Eine 72-jährige Patientin wurde bei schwerer Haut- und Weichteilinfektion mit Staphylokokken für 4 Wochen stationär behandelt. Nach der Entlassung fallen dem Hausarzt fulminant erhöhte Leberwerte (AST/ALT, γ-GT, AP) auf, die im Verlauf der kommenden Wochen nur sehr langsam absinken.
Welches Antibiotikum könnte dafür verantwortlich gewesen sein? 1) Clindamycin
2) Flucloxacillin 3) Levofloxacin 4) Alle drei
5) Keins von den dreien
Wikipedia
Hautreaktionen und Allergie und sonst??
Dosisabhängige Nebenwirkungen Myelotoxizität unter Zytostatika
Nephrotoxizität unter Aminoglykosiden Neurotoxizität unter Antiepileptika
Hepatotoxizität unter Paracetamol ...
Dosisunabhängige Nebenwirkungen Hautreaktionen unter Allopurinol Hepatotoxizität unter Rifampicin
Allergische Reaktionen unter Penicillinen Myelotoxizität unter Thyreostatika
...
Allgemeines
Konzentrations- abhängig
Nicht
konzentrations- abhängig
Für die orale Einnahme von Betalactamen durch viel geringere
Dosen eher nicht relevant!
Viel hilft viel
Dosierungen an die Organfunktion anpassen,
auch bei i.v. Betalactamen
Eine 35-jährige Patientin kommt mit einem Rezept über Cefaclor 500 mg Kapseln 2 x 30 St (Einnahmehinweis 2 Kapseln 3 x täglich) in die Apotheke.
Auf Nachfrage gibt sie eine Sinusitis als Grund für die Verschreibung an.
Was sagst du der Patientin zur Therapiedauer?
1) Alle Tabletten aufbrauchen (10 Tage)
2) Tabletten 2-3 Tage nach Symptomfreiheit absetzen
3) Nicht länger als 5 Tage anwenden
Wie entstehen Resistenzen?
Heute:
Resistenz existiert in der Natur
Therapiedauer lang → Selektionierung resistenter Keime → Ausbreitung selektionierter Mutanten im Mikrobiom (meist nicht am Behandlungsort!) Früher:
Resistenz getriggert durch Antibiotikagabe
Therapiedauer kurz → Bakterien können überleben → Resistenz bei der nächsten Behandlung
Pneumonie
Verschiedene Indikationen
Fätkenheuer, HIV and More, Mai 2019
Protheseninfektionen (Biofilme!)
Knocheninfektionen (Gewebegängigkeit) Staph aureus Bakteriämie
Rezidivierendes Erysipel Endokarditis
Empfehlung immer „Packungen zu Ende nehmen“
Banale Infektionen lieber kürzer als länger therapieren
Ungünstiger klinischer Verlauf → neu evaluieren
Therapiedauern differenzieren
1) H. pylori schützt als Besiedler des Magens vor Sodbrennen
2) H. pylori löst als Pathogen des Magens Gastritis aus
3) H. pylori weist viele Resistenzen auf Ein Kunde löst bei dir ein Rezept über Pylera
(Eradikation H. pylori) ein. Er möchte etwas über
dieses Bakterium wissen, was damit behandelt
werden soll. Was fällt dir dazu ein?
Gesamtheit aller Mikroorganismen, die ein vielzelliges Lebewesen besiedeln
Beim Menschen ca. 39
Billionen (Körperzellen ca.
30 Billionen)
Mögliche Folgen eines gestörten Mikrobioms
Darmentzündungen Adipositas Asthma Autismus
metabolisches Syndrom Angstzustände Autoimmunerkrankungen
Beispiel Helicobacter pylori 1905 beobachtet
1983 nachgewiesen
1989 als Verursacher von Geschwüren in Magen und Zwölffingerdarm anerkannt
In allen Mägen von Säugetieren nachweisbar Auf Grund von Genanalysen des Keims
Wanderungsbewegungen der Völkergruppen über die letzten 60.000 Jahre möglich
Um 1900: im Prinzip jeder mit H. pylori besiedelt
Heute: in Deutschland ca. 50% der Erwachsenen (in Amerika ca.
30 %)
H. pylori assoziiert mit der Entwicklung von Magenkarzinomen
Zahlen Magenkarzinom in Industrie- nationen stark rückläufig
ABER: neuere Untersuchungen belegen einen Schutz von H. pylori gegen Sodbrennen und
Adenokarzinome des Ösophagus (Prof. Blaser, NY) Zahlen für Adenokarzinome des Ösophagus seit 30 Jahren stark gestiegen
Korrelation = Kausalität???
Einsatz ohne gerechtfertigte Indikation
Aktuellen Stand der Wissenschaft verfolgen
So wenig wie möglich, so viel wie nötig
Frau A.B., 32 Jahre, wird mit Fieber, Schmerzen beim
Wasserlassen, Flankenklopfschmerz und rötlichem Urin auf die Gynäkologie aufgenommen
Sie stillt seit 2 Wochen ihren erstgeborenen Säugling
Bei Verdacht auf eine Pyelonephritis ist die Gabe von Ampicillin/Sulbactam i.v. geplant
Darf sie weiter stillen?
1) Ja 2) Nein
3) Weiß nicht
Übertritt von Antibiotika in die Muttermilch begünstigt durch:
hohe Lipophilie
geringe Melokülgröße (<200 D) hohen pka-Wert
geringen Ionisierungsgrad geringe Proteinbindung Lange Halbwertszeit
Strehl et al, Pharmazeutische Zeitung 2010(14)
Übertritt von Arzneistoffen ins Blut des Säuglings verstärkt durch:
höheren Magen pH
permeablere Darmwand längere Verweildauer
weniger Gallensäuren und
Pankreasenzyme
Embryotox LactMed
Konzentrationen in der Muttermilch Nach oraler Gabe 0,01-1,1 mg/l
Nach i.m. Gabe 0,1-0,9 mg/l Nach i.v. Gabe bis 3 mg/l
Erste Besiedelung des Gastrointestinaltrakts vor allem mit Lactobacillen aus der vaginalen Flora
Beispiel Lactobacillus crispatus
MHK Penicillin <0,032-0,25 mg/l
Ampicillin 0,125-1 mg/l
(Klare et al JAC 2007)Ampicillin: Streptokokken < 0,5 mg/l Enterokokken < 4 mg/l
Enterobacteriales < 8 mg/l
(Fachinformation)Aktuelle Erkenntnisse nicht mit den Patientinnen besprechen
Vorübergehend abpumpen und Milch
verwerfen erwägen
Ein Krebspatientin mit oraler Zytostatikatherapie fragt bei Ihnen nach, ob sie noch Hühnchen essen dürfe. In der Zeitung hätte sie gelesen, dass so viele
multiresistente Keime im Fleisch seien und sie hat Angst sich zu infizieren, weil ihr Immunsystem schlecht ist.
Was rätst du ihr?
1) Fleisch gründlich zu waschen 2) auf Hähnchen zu verzichten
3) auf Fleisch generell zu verzichten
4) Hähnchen mit Handschuhen anzufassen
1733 To 733 To
2011 2017
Ca.
750 To 2017
Dt-land Tierhaltung Dt-land Humanmedizin
Zur Behandlung und Vorbeugung von Infektionen?
For more than 50 years we have known that the administration of low doses of
antibacterial agents promotes the growth of farm animals, consequently, in the United States, the largest use of antibiotics and related antimicrobial substances is within
farms, with low doses fed to large numbers of animals used for food production to increase weight gain by as much as 15%. These effects are broad across vertebrate species, including mammals (cattle, swine, sheep) and birds (chickens, turkeys), and follow oral administration of the agents, either in feed or water, indicating that the microbiota of the gastrointestinal (GI) tract is a major target. That the effects are observed with many different classes of antibacterial agents (including macrolides, tetracyclines, penicillins and ionophores) indicates that the activity is not an agent- specific side effect, nor have the effects been observed with antifungals or antivirals.
Massentierhaltung
Breite Wissenschaftliche Untersuchungen der
Zusammenhänge von Resistenzverbreitungen
Hygieneregeln in der Küche beim Umgang mit
Fleisch bei Risikopatienten beachten
Dr. Anka Röhr
Fachapothekerin für klinische Pharmazie, Infektiologie Klinikum Heidenheim
anka.roehr@kliniken-heidenheim.de