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Die Schweiz braucht eine umfassende Migrationsstrategie | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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45 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 12-2011

Sämtliche aktuellen Risiken, welche die Schweiz bedrohen, sind heute global: Pande- mien, Terrorismus, organisiertes Verbrechen, Menschenhandel, Klimawandel, Migrations- ströme und Flüchtlingswesen. Nur mehr in- ternationale Kooperation kann deshalb der Weg sein, den aktuellen Gefahren zu begeg- nen, keinesfalls weniger. Denn kein Land ist heute eine Insel – auch die Schweiz nicht.

Dringend auf Einwanderung angewiesen Migrationsthemen prägen heute weltweit die politische Agenda. Noch nie in der Ge- schichte waren derart viele Menschen per- manent am «Wandern» wie heute. Schätzun- gen gehen von 300 Mio. Menschen aus, die ausserhalb ihrer Heimat ihr Glück suchen.

Populisten, nicht nur in der Schweiz, sondern in ganz Europa, stellen sich den aus dieser Tatsache resultierenden Globalisierungsängs- ten immer häufiger mit Abscheu und Einige- lungsmentalität. Die Chancen der Zuwande- rung werden über weite Strecken ausgeblen- det, und vor allem Risiken prägen den teil- weise gehässigen Diskurs. Wer sich allerdings vergegenwärtigt, dass unser Land mit rund 23% einen höheren Prozentsatz an Auslän- dern beherbergt als klassische Einwande- rungsländer wie etwa die USA oder Kanada, wird sich der Dringlichkeit von Integrations- bemühungen und einer breit angelegten Auf- klärungsarbeit sowie einer effektiven Migra- tionsstrategie bewusst. Dabei ist gerade die Schweiz dringend auf ausländische Arbeits- kräfte angewiesen: Industrie, Tourismus, Ge- sundheitswesen, Bauwirtschaft und Wissen- schaft brauchen Fachkräfte, die unser Land nicht in genügender Anzahl auszubilden und zur Verfügung zu stellen vermag. Auch die grösste Bildungs- und Ausbildungsoffensive würde der Herausforderung bei weitem nicht gerecht werden, wollen wir unsere Wirt- schaftskraft und unseren Wohlstand sichern.

Das Problem einer alternden Gesellschaft – nicht nur in der Schweiz, sondern in ganz Europa – dürfte die Herausforderungen in Zukunft noch verschärfen. Die Personenfrei- zügigkeit wird auf Dauer nicht einzige Ant- wort auf den Fachkräftemangel darstellen können. Eine flexiblere und umsichtige Hal- tung gegenüber unserer Drittstaatenpolitik scheint daher auf Dauer unausweichlich.

Flüchtlingswesen umfassend verstehen Von 40 Subsahara-Afrika Staaten stehen zur Zeit rund 25 in einem offenen, bewaff- neten Konflikt. Korruption, Überbevölke- rung, massiver Bildungsrückstand, wirt- schaftliche Not, Klimakatastrophen und fehlende Zivilgesellschaften bewirken, dass permanent 3 Mio. Menschen auf der Flucht sind und Richtung Europa drängen. Die Zu- kunft Nordafrikas ist nach hoffnungsvollen Aufständen nach wie vor mit grössten Unsi- cherheiten behaftet. Flüchtlingsströme wer- den daher aller Voraussicht nach zunehmen.

Die Schengen Aussengrenze ist vollends überfordert. Allein in Griechenland, das ei- gene wirtschaftliche Missstände nicht zu verkraften und Probleme nicht zu lösen im Stande ist, stranden pro Monat gegen 30 000 Flüchtlinge.

Sollte die Schweiz lediglich auf den Ver- trägen Schengen-Dublin beharren, ohne Zu- satzhilfe zu leisten, was durchaus seine Be- rechtigung hat, wird unser Land mit allergrössten Sorgen in diesem Bereich kon- frontiert werden. Nur mehr Kooperation in der Migrations- und Flüchtlingsproblematik und intensivere Hilfe vor Ort eröffnen die Chance, Antworten zu finden. Entwicklungs- zusammenarbeit ist somit nicht einfach als ein «Geschenk an die Armen» zu verstehen, sondern als eigennützige Dringlichkeit, wol- len wir potenzielle Flüchtlinge dazu motivie- ren, in ihrem eigenen Land zu bleiben und nicht vor unseren Pforten auf Hilfe zu war- ten. Die humanitäre Hilfe der Schweiz hat nicht nur Tradition, sondern geniesst welt- weit Respekt. Migrationspartnerschaften zei- gen neue und Erfolg versprechende Wege auf. Es wird zu akzeptieren sein, dass unsere Entwicklungshilfegelder auch an Flüchtlings- Rückübernahmeforderungen geknüpft wer- den. Eine romantische Sicht der Dinge wird in der Schweiz von unserer Bevölkerung nicht akzeptiert. Auch darauf gilt es, ob es uns passt oder nicht, Rücksicht zu nehmen.

Falsch verstandener Altruismus nützt nie-

mandem. m

Die Schweiz braucht eine umfassende Migrationsstrategie

In der Migrationspolitik vermi- schen sich Fakten mit Ängsten und Stimmungsmache. Freier Personenverkehr wird (bewusst) verwechselt mit Flüchtlingswe- sen, illegaler Immigration, den Verträgen rund um Schengen- Dublin, Drittstaaten-Kontingen- ten und Ausländerkriminalität.

Eine eigentliche Migrationsstrate- gie, die diesen Namen effektiv verdienen würde, hat die Schweiz bis heute nicht formuliert. In einem Land, welches von unten nach oben regiert wird, hat es der nötige top-down Strategie-Ansatz schwer. Die direkte Demokratie birgt zudem die Gefahr, dass sämtliche Konzepte permanent hinterfragt und umgekrempelt werden. Der vernetzte Ansatz und das Verständnis, dass Aussen- politik, Sicherheitspolitik und Wirtschaftspolitik eng zusammen spielen müssen, ist schwer ver- mittelbar. Gerade die Migrations- politik leidet unter dieser Tat- sache.

NR Doris Fiala Mitglied der Schweizer Delegation am Europarat, der Aussenpolitischen Kommission (APK) und der beratenden Kommis- sion für Internationale Entwicklungszusammen- arbeit (IZA)

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