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Teil III Verbesserung der Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen in ausgewählten Politikbereichen

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Academic year: 2022

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in ausgewählten Politikbereichen

1 Arbeitsmarkt und Beschäftigung 1.1 Ziele

Die Landesregierung betrachtet auch angesichts der Wünsche und Bedürfnisse von jungen Menschen deren frühzeitige und nachhaltige Integration in den ersten Arbeitsmarkt als ein Kernelement der Landespolitik zur Verbesserung der Zukunftsperspektiven von Kindern und Jugendlichen. Sie setzt zur Erreichung dieser ehr- geizigen Zielstellung gerade angesichts schwieriger Rahmenbedingungen auf zwei Ansätze:

1. die Sicherstellung eines ausreichenden Ausbildungsplatzangebots (Integration an der „1. Schwelle“) und

2. die Hilfestellung und Unterstützung bei der Arbeitsaufnahme, in der Regel nach einer Ausbildung (In- tegration an der „2. Schwelle“).

1.2 Entwicklungen und Schwerpunktmaßnahmen 1.2.1 Ausbildungsrelevante Maßnahmen

Die Landesregierung konzentrierte sich in den Jahren 1998 bis 2002 im Rahmen der Förderung der berufli- chen Erstausbildung auf Maßnahmen zur Stabilisierung und Erweiterung der betrieblichen Ausbildungsbasis sowie zur Schließung vorhandener Ausbildungsplatzlücken. Sie war und ist sich dabei des Spannungsver- hältnisses zwischen einerseits der primären Verantwortung der Wirtschaft, ihren zukünftigen Fachkräftebe- darf durch eigene Ausbildungsanstrengungen zu sichern, und andererseits den Auswirkungen von Interventi- onen bzw. Subventionen der öffentlichen Hand auf das einzelbetriebliche Ausbildungsengagement bewusst.

Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen hat im Berichtszeitraum folgende Fördermaß- nahmen durchgeführt:

1. Zur Erhöhung der Ausbildungsbetriebsquote und Heranführung an die duale Ausbildung nach dem Be- rufsbildungsgesetz oder der Handwerksordnung wurde mit den inzwischen ausgelaufenen Richtlinien zur Förderung betrieblicher Ausbildungsplätze in den Jahren 1998 und 2000 die Anzahl der Ausbildungsver- hältnisse in neuen Berufen erhöht, die Übernahme von so genannten Konkurslehrlingen unterstützt sowie der Frauenanteil insbesondere in für Frauen untypischen Berufen zu erhöhen versucht.

2. Zur Erhöhung der Ausbildungsbetriebsquote und zur Verbesserung der betrieblichen Ausbildungsqualität wurde ein Schwerpunkt auf die Förderung von Ausbildungsverbünden gelegt. Vor dem Hintergrund einer sehr kleinteiligen Wirtschaftsstruktur im Land Brandenburg ist der Ausbildungsverbund1 besonders ge- eignet, das Ausbildungspotenzial noch nicht ausbildender Betriebe - vorrangig im Bereich von Industrie und Handel - durch eine Lastenverteilung zu erschließen. Dies gilt gleichermaßen für das Handwerk. Dort unterstützt das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen im Rahmen seiner Förderung von überbetrieblichen Lehrlingsunterweisungen und überbetrieblichen Bildungsstätten die Durchführung von Ausbildungslehrgängen. Auch die Ausbildung im Agrarbereich wird vom Land Brandenburg unter- stützt. Das Ministerium für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung fördert aus ESF- und Lan- desmitteln die Teilnahme von Auszubildenden an Maßnahmen der überbetrieblichen Ausbildung in aner- kannten überbetrieblichen Ausbildungsstätten. Außerdem wird seit dem Jahr 2001 im Rahmen der „Richt- linie zur Förderung der ländlichen Berufsbildung“ der Erwerb des Führerscheins Klasse T für Auszubil- dende im Agrarbereich gefördert, um die Berufschancen der Jugendlichen zu verbessern.

3. Mithilfe von Projekten „Externes Ausbildungsplatzmanagement“ bei den Industrie- und Handelskammern, der Finanzierungsbeteiligung an Wirtschaftsmodellversuchen des Bundes sowie von Modellvorhaben auf Landesebene sollen die Qualität und die Innovationsfähigkeit der beruflichen Ausbildung im Land Bran- denburg verbessert werden, um auch in Zukunft Jugendlichen ein modernes Ausbildungsangebot zu er- öffnen.

1 Der Ausbildungsverbund ist ein Zusammenschluss von zwei oder mehreren Betrieben untereinander oder mit einem Kooperationspart- ner, z.B. einem Bildungsträger.

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4. Weiterhin steht im Mittelpunkt der Ausbildungsförderung die Finanzierung von zusätzlichen Ausbildungs- plätzen für nicht vermittelte Bewerberinnen und Bewerber. Im Land Brandenburg werden seit dem Jahr 1997 als Programmkomponenten die betriebsnahe Ausbildung bei den Ausbildungsringen bzw. Ausbil- dungsvereinen der Kammern und das schulisch-kooperative Modell2 bei den Oberstufenzentren (in Zu- sammenarbeit mit fachpraktischen Ausbildungsstätten) angeboten. Seit dem Jahr 2000 ist darüber hin- aus die Programmkomponente „Junge Frauen in neue Berufe“ eingeführt worden, mit deren Hilfe Mäd- chen und junge Frauen ohne Ausbildung verstärkt in zukunftsträchtigen Berufen ausgebildet werden.

Die Ausbildung wird vor allem aus dem ESF-Strukturfonds und aus Bundesmitteln unterstützt mitjährlich

- 3,2 Mio € für die Verbundausbildung durch Betriebe,

- 3,5 Mio € zur Überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung (ÜLU) mit etwa 30.000 Teilnehmer/-innen,

- 3,5 Mio € zur Ausstattung von Überbetrieblichen Stätten der Berufsausbildung (ÜBS) und

- 50 Mio € zur Schließung der Ausbildungsplatzlücke (5.000 Plätze).

Diese 60 Mio € entsprechen etwa 40 Prozent der Mittel, die für die Förderung des Arbeitsmarktes insgesamt zur Verfügung stehen.

Erstmalig wird in einem Modellvorhaben die Erstausbildung länderübergreifend mit Beginn des Aus- bildungsjahres 2002/2003 erprobt. Die deutsch-polnische Jugendfabrik, ein Projekt von bbw Frankfurt (Oder) und ZDZ Gorzow, bildet in Berufen der IT-Technik und im Mechatronikerberuf vernetzt aus. In Zusammenar- beit mit den kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) in Deutschland und Polen werden marktfähi- ge Erzeugnisse entwickelt und als Muster produziert. Die Ausbildung erfolgt in Projektteams mit modifizierten, modularen und binationalen Ausbildungsinhalten. Dabei erlernen die polnischen Jugendlichen die deutsche sowie englische Sprache und die deutschen Jugendlichen die polnische sowie englische Sprache in jeweils dreieinhalb Jahren.

1.2.2 Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit

Zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit insbesondere am Übergang von der beruflichen Ausbildung in den Arbeitsmarkt, der so genannten 2. Schwelle, nutzte das Land in den vergangenen Jahren die Angebote der Bundesregierung. Das Bundeskabinett beschloss am 25.11.1998 das “Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit” zunächst für ein Jahr. Es sah Ausbildungs-, Qualifizierungs- und Beschäftigungsan- gebote für bundesweit 100.000 Jugendliche vor. Das Aktionsprogramm “Lehrstellen Ost” bestand von dem Programm unberührt fort.

Die Ergebnisse des Programms einerseits und die anhaltende Jugendarbeitslosigkeit andererseits veranlass- ten die Bundesregierung, das Programm bis zum Jahr 2003 fortzusetzen.

Für das Jugendsofortprogramm wurden jährlich rund zwei Mrd. DM bereitgestellt. Während in den Jahren 1999 und 2000 noch 40 Prozent der Mittel für die neuen Bundesländer bereitgestellt wurden, fließt seit dem Jahr 2001 aufgrund der gestiegenen Jugendarbeitslosigkeit die Hälfte der Fördermittel in die neuen Bundes- länder. Das Programm wird von der Bundesanstalt für Arbeit durchgeführt, die auch Nichtleistungsbezie- her/innen, z.B. Sozialhilfeempfänger/innen oder Jugendliche, die von ihren Eltern unterstützt werden, fördern kann. Durch die offenen Zugangskriterien und eine ansprechende Öffentlichkeitsarbeit ist es gelungen, auch Jugendliche, die die Kontakte zu den Arbeits- bzw. Sozialämtern bereits aufgegeben hatten, wieder aktiv werden zu lassen.

Das Jugendsofortprogramm ist zweigeteilt. Es enthält:

a) Angebote für ausbildungssuchende Jugendliche; das sind im Einzelnen

- Trainingsmaßnahmen (Artikel 3), die nur im Jahr 1999 Fördertatbestand waren, - außerbetriebliche Ausbildung (Artikel 4),

- Nachholen der Berufsbildungsreife (Artikel 5), - Arbeit und Qualifizierung AQJ (Artikel 6).

b) Maßnahmen für arbeitslose Jugendliche; das sind im Einzelnen

- Nach- und Zusatzqualifizierung für arbeitslose junge Erwachsene oder für von Arbeitslosigkeit bedrohte Erwachsene, die älter als 20 Jahre sind (Artikel 7),

- Lohnkostenzuschüsse zur Beschäftigung von arbeitslosen Jugendlichen, die länger als drei Mo- nate arbeitslos sind (Artikel 8),

2 Bildungsgang der Berufsfachschule zum Erwerb eines Berufsabschlusses nach dem Berufsbildungsgesetz oder der Handwerksord- nung; vgl. Berufsfachschulverordnung zum Berufsabschluss nach BBiG oder HwO.

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- ABM mit Qualifizierung (Artikel 9),

- beschäftigungsbegleitende Hilfen (Artikel 10),

- soziale Betreuung und Hinführung zu Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen (Artikel 11),

- Mobilitätshilfen (Artikel 11 a).

In den Folgejahren wurde das Programm aufgrund der gesammelten Erfahrungen leicht modifiziert. Insbe- sondere

- wurde die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt mit Lohnkostenzuschüssen gezielter in Angriff genommen,

- wurde die außerbetriebliche Ausbildung auf die Regionen begrenzt, in denen ausbildungssuchenden Jugendlichen kein ausreichendes Angebot freier Stellen zur Verfügung stand,

- wurden versicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigungen, die im Zusammenhang mit Altersteilzeitrege- lungen in Unternehmen entstanden, durch einen Aufstockungsbetrag gefördert (Artikel 8a)

- wurden in Qualifizierungs-ABM (Artikel 9) keine Jugendlichen mehr gefördert, die für eine Erstausbil- dung in Betracht kamen.

In Maßnahmen des Jugendsofortprogramms waren im Land Brandenburg

- im Jahr 1999 insgesamt 10.263 Jugendliche (davon 4.413 oder 43,0 Prozent junge Frauen),

- im Jahr 2000 insgesamt 8.479 Jugendliche (davon 3.571 oder 42,1 Prozent junge Frauen),

- im Jahr 2001 insgesamt 8.335 Jugendliche (davon 3.269 oder 39,2 Prozent junge Frauen) und

- im Jahr 2002 insgesamt 10.700 Jugendliche (davon 4.154 oder 38,8 Prozent junge Frauen) integriert. Damit begegnete man einem weiteren Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit.

Darüber hinaus konnten und können Jugendliche die Angebote des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) nutzen, beispielsweise

- Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM), - Strukturanpassungsmaßnahmen (SAM), - geförderte berufliche Weiterbildungsmaßnahmen.

Das Land Brandenburg fördert seit 1992 den “Berufsbezogenen internationalen Jugendaustausch” (BIJ). Die- ses Landesprogramm bietet jungen Brandenburgerinnen und Brandenburgern die Chance, während der Aus- bildung ein Praktikum in Betrieben und Berufsbildungseinrichtungen im Ausland zu absolvieren. Gefördert werden außerdem Betriebspraktika und Qualifizierungen für junge Leute nach der Ausbildung, insbesondere für arbeitslose Jugendliche, sowie der Austausch von Fachkräften. Dieses Programm ist Bestandteil des Landesprogramms “Qualifizierung und Arbeit für Brandenburg” und ermöglicht die Kofinanzierung von Projek- ten im Rahmen von EU-Bildungsprogrammen, wobei vor allem Mittel aus dem LEONARDO-Programm in großem Umfang genutzt werden konnten.

Im Rahmen berufsbezogener transnationaler Austauschprojekte erweitern bzw. ergänzen Jugendliche ihre beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten, wodurch sich ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt vor dem Hinter- grund der umfassenden Europäisierung des Marktes verbessern. Junge Brandenburgerinnen und Branden- burger entwickeln zugleich fremdsprachliche Kompetenzen und zugleich mehr Toleranz und Verständnis für andere Arbeits- und Lebensmentalitäten. Diese über persönliche Kontakte gewonnenen Erfahrungen sind besonders prägend für Jugendliche und haben auch ausstrahlende Wirkung auf deren Freunde, Bekannte und Familienangehörige. Im Zeitraum von 1998 bis Ende 2001 sind insgesamt 2.535 junge Leute, darunter 1.115 Mädchen und junge Frauen (das entspricht rund 44 Prozent), in 21 europäische Länder gefahren (Bel- gien, Italien, Schweden, Tschechien, Irland, Griechenland, Großbritannien, Norwegen, Frankreich, Portugal, Finnland, Niederlande, Spanien, Polen, Estland, Slowakei, Dänemark, Ungarn, Österreich, Russland, Zy- pern). Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen hat für den “Berufsbezogenen internatio- nalen Jugendaustausch” in den Jahren 1998 bis 2001 Landesmittel in Höhe von insgesamt rund 5,2 Mio. DM für Fördergelder sowie für Kosten der Beratung, Begleitung und Umsetzung eingesetzt. Im Jahr 2002 sind insgesamt 245 Jugendliche (darunter 113 junge Frauen) in neun europäische Länder gereist. Der Mittelein- satz des Landes (Lottogelder) für die Projektförderung und Programmumsetzung betrug dabei insgesamt rund 216.000 €.

Das Land förderte im Zeitraum 1999 bis 2002 weitere ausgewählte Vorhaben für Jugendliche. Mit dem Pro- jekt "Enterprise", das als Modellprojekt des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport im Sommer 1999 star- tete und in den Jahren 2001 und 2002 mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert wurde, wurden Ju- gendliche unterstützt, die mit dem Gedanken spielten, sich selbstständig zu machen. Dabei war es wichtig, dass den Jugendlichen die Beschäftigung mit der Idee der Selbstständigkeit möglich wurde, dass sie sich

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klarmachen konnten, was sie für diesen Schritt bedenken mussten und welche Chancen ihre Ideen hatten.

Gerade für diese Phase waren und sind konventionelle Angebote nicht geeignet, da die Barrieren für die Ju- gendlichen zu hoch sind. Da sich die Aufbringung des erforderlichen Gründungskapitals gerade für die ju- gendlichen Gründerinnen und Gründer als besonders schwierig erwies, hat das Ministerium für Bildung, Ju- gend und Sport zunächst nicht rückzahlbare Gründungszuschüsse (finanziert aus Lottomitteln) gewährt. In- zwischen tritt ein revolvierender Fonds ein, das heißt, zurückgezahlte Mittel können für neue Förderungen verwendet werden. Gründungskapital kann, wenn ein externer Vergabebeirat dem jeweiligen Vorhaben gute Realisierungschancen einräumt, in Form einer stillen Beteiligung zur Verfügung gestellt werden. Die GLS- Bank unterstützt diese Fondslösung maßgeblich.

Ab dem Jahr 2003 bietet das Programm „Junge Leute machen sich selbstständig“ jungen Existenzgründerin- nen und -gründern Fördermöglichkeiten (s. 1.3.2.2).

Im Herbst 2001 starteten die „Aktionen für Jugend und Arbeit“ (AJA). Ihr Ziel ist die individualisierte Unterstüt- zung von Jugendlichen bei dem Prozess der „Einfädelung“ in den Arbeitsmarkt; es geht um Beratung und Begleitung der Jugendlichen. Hierbei findet der Gender-Mainstreaming-Ansatz (Gleichstellung der weiblichen Zielgruppe) besondere Beachtung. Um ihre Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen, soll durch die AJA auch der direkte Kontakt zu kleinen und mittleren Unternehmen hergestellt werden - so sollen Angebots- und Nachfrageseite besser „in Einklang“ gebracht werden. Die im Rahmen eines Ideenwettbewerbs ausge- wählten Projekte haben zum 1.6.2002 die Arbeit aufgenommen.

1.3 Perspektiven und Herausforderungen

1.3.1 Demographische Entwicklung und Fachkräftebedarf

Die Zukunftsfähigkeit und Attraktivität einer Region oder eines Landes hängen maßgeblich davon ab, welche Arbeitsmarktchancen und Qualifizierungsmöglichkeiten jungen Menschen angeboten werden. Für Branden- burg steht die Landespolitik dabei vor der Herausforderung, dass sich der Wechsel von einem - gleicherma- ßen demographisch wie wirtschaftlich bedingten - Mangel an Ausbildungs- und Arbeitsplätzen zu einem star- ken Rückgang derjenigen jungen Menschen, die in den Arbeitsmarkt eintreten, in nur einem Jahrzehnt voll- ziehen wird.

Nach der neuesten vom Landesbetrieb für Datenverarbeitung und Statistik vorgelegten Prognose ist für den Zeitraum zwischen den Jahren 1999 und 2015 mit einem deutlichen Rückgang der Bevölkerung im arbeitsfä- higen Alter zu rechnen. Während die Zahl der Personen in der Altersgruppe von 15 bis unter 65 Jahren im ganzen Land um annähernd 150.000 sinkt, nimmt sie im gleichen Zeitraum im engeren Verflechtungsraum nur um rund 55.000 Personen zu. Von dem prognostizierten Rückgang der erwerbstätigen Bevölkerung bis zum Jahr 2015 werden insbesondere die kreisfreien Städte Brandenburg an der Havel, Cottbus und Frankfurt (Oder), aber auch die Landkreise Oberspreewald-Lausitz, Prignitz, Elbe-Elster, Ostprignitz-Ruppin und U- ckermark überproportional betroffen sein.

Besonders deutlich ist die sich in der Altersgruppe der 16- bis unter 19-Jährigen zwischen den Jahren 2004 und 2010 abzeichnende Halbierung der Bevölkerungszahl. Entfallen auf diese Altersgruppe in den nächsten Jahren noch rund 120.000 junge Menschen, so geht deren Zahl in den Folgejahren stetig bis auf ca. 60.000 Personen zurück. Das wird Konsequenzen für den Ausbildungsmarkt und die Rekrutierung junger Facharbeitskräfte haben.

In wissenschaftlichen Untersuchungen wird mit Blick auf die Situation in den neuen Bundesländern zuneh- mend auf das Problem der „demographischen Falle“ hingewiesen: In vielen ostdeutschen Unternehmen ist die gegenwärtige Situation durch ein hohes Durchschnittsalter der Beschäftigten mit einem zahlenmäßigen Übergewicht der Altersgruppe der über 50-Jährigen gekennzeichnet. Zunächst fand in den neuen Bundes- ländern ein starker Personalabbau statt, von dem insbesondere ältere Arbeitnehmer/-innen durch Frühverren- tung und jüngere Mitarbeiter/-innen im Rahmen von Sozialplänen betroffen waren. Darüber hinaus hat die wirtschaftlich prekäre Lage vieler Betriebe dazu geführt, dass in den letzten Jahren nur eine relativ geringe Zahl junger Facharbeitskräfte neu eingestellt wurde. Wenn nunmehr - als Folge des Geburtenrückgangs der letzten zehn Jahre - die geburtenschwachen Jahrgänge in den Arbeitsmarkt eintreten, sind die Unternehmen vor ein Beschäftigungsproblem gestellt: Auf der einen Seite haben sie gestiegenen Bedarf an neuen Fachar- beitskräften, auf der anderen Seite ist das Arbeitsangebot an Nachwuchskräften stark rückläufig. Vor diesem Hintergrund wird heute für die neuen Bundesländer ein Mangel an qualifizierten Fachkräften spätestens ab dem Jahr 2010 prognostiziert. Es besteht dringender Handlungsbedarf, um über personalwirtschaftliche Maß- nahmen und insbesondere mit verstärkten Weiterbildungsanstrengungen auf die Herausforderungen des er-

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warteten Fachkräftebedarfs zu antworten und für die Schaffung ausreichender Kapazitäten an Fachkräften zu sorgen. Bei der Mehrzahl der betroffenen Unternehmen besteht hier noch Handlungsbedarf.

Ein Fachkräftemangel würde sich langfristig negativ auf die Attraktivität des Unternehmensstandortes Bran- denburg auswirken. Konkret sind etwa die Abwanderung von Unternehmen bzw. ausbleibende Neuansied- lungen zu befürchten. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, die nicht in der Lage sind, Fachkräfte aus anderen Regionen zu rekrutieren, wären in extremen Fällen in ihrer Existenz bedroht.

Zusammenfassend bedeutet dies:

Die demographische Entwicklung im Land Brandenburg wird in wenigen Jahren einen Rückgang des Arbeits- platzangebots bewirken. Der vor diesem Hintergrund prognostizierte Fachkräftemangel kann sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft auswirken und zur Gefährdung von Arbeitsplätzen führen. Eine prä- ventive Arbeitsmarktpolitik hat schon heute dafür Sorge zu tragen, dass Strategien entwickelt und Maßnah- men initiiert werden, die geeignet sind, den erwarteten Facharbeitskräftebedarf in den brandenburgischen Unternehmen zu decken.

1.3.2 Handlungsoptionen

1.3.2.1 Weitere Sicherstellung eines ausreichenden Ausbildungsplatzangebots

Diese Entwicklung erfordert ein Festhalten an der Sicherung eines ausreichenden Ausbildungsplatzangebots auch in Zukunft, um glaubwürdig jungen Menschen eine berufliche Perspektive im Land Brandenburg zu er- öffnen. Dabei gilt es, die außerbetrieblichen Maßnahmen betriebsnäher auszugestalten, um durch sie sämtli- che Erschließungspotenziale einer Heranführung (noch nicht ausbildender Betriebe) an die duale Ausbildung zu nutzen. Zugleich bedarf es einer Stärkung der Eigeninitiative der Wirtschaft im Sinne einer Ausbildungskul- tur, um vor Eintritt des demographischen Wandels rechtzeitig betriebliche Ausbildungsanstrengungen zu mo- bilisieren. Die zukünftigen Herausforderungen müssen vor allem von der brandenburgischen Wirtschaft selbst angegangen werden; die Landesregierung kann hier zusätzlich Unterstützungs- und Beratungsangebote erbringen.

1.3.2.2 Verstärkung der Maßnahmen an der 2. Schwelle mit starker Betriebsbezogenheit

Wenngleich ein Fachkräftemangel ab dem Jahr 2015 prognostiziert wird, haben junge Leute heute drängende Arbeitsplatzprobleme nach der Ausbildung beim Einstieg in den Beruf. Der Arbeitsplatzmangel im Land Bran- denburg ist die Hauptursache für die gegenwärtig hohe Arbeitslosigkeit allgemein und speziell auch bei den Jugendlichen. Dabei stellt die Abwanderung von qualifizierten Jugendlichen in prosperierende Regionen Deutschlands für die wirtschaftliche Entwicklung Brandenburgs mittelfristig ein Problem dar, denn ein Fach- kräftemangel auch im Land Brandenburg ist wie eingangs dargestellt absehbar.

Mit der im Jahr 2002 gestarteten 5. INNOPUNKT-Kampagne „Zukunft gestalten für Brandenburgs Jugend an der 2. Schwelle“ (Schaffung neuer und zukunftsorientierter Beschäftigungsfelder für Jugendliche an der 2.

Schwelle in brandenburgischen Unternehmen) soll ein Beitrag des Landes geleistet werden, auf die aktuelle drängende Situation an der 2. Schwelle zu reagieren, wobei gleichzeitig das Problem der „demografischen Falle“ in den Blick genommen werden soll. Mit der Kampagne wird die Möglichkeit gegeben, verschiedenste Wege und Methoden dazu praktisch zu erproben, die kurzfristig zu mehr Arbeitsplätzen für Jugendliche mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung führen und mittelfristig die in Zukunft benötigten Fachkräfte in aus- reichender Kapazität bereithalten. Dabei wird besonderes Augenmerk auf den Gender-Mainstreaming-Ansatz gerichtet.

Im Rahmen dieser INNOPUNKT-Kampagne sollen

1. Methoden zur Erschließung von Beschäftigung für junge Menschen in kleinen und mittleren Unterneh- men (KMU) entwickelt werden und/oder

2. neue Beschäftigungsfelder für Jugendliche an der 2. Schwelle erschlossen und mit Jugendlichen be- setzt werden (z.B. könnte dies geschehen, indem Dienstleistungen für kleine und kleinste Unternehmen gebündelt durch einen Organisationsträger angeboten werden, der damit Arbeitsplätze für Jugendliche schafft, oder indem man in Arbeitskräfte nachfragende Branchen oder auch in „Nischenbereiche“ vor- dringt) und/oder

3. Prozesse des Generationenwechsels in den KMU eingeleitet werden, z.B. durch generationenbezogene Arbeitsumverteilung, und/oder

4. „intelligente“ Formen von Arbeitskräftepools oder „intelligente Teilzeitmodelle“ entwickelt werden; hin- sichtlich der Arbeitskräftepools könnte z.B. an Formen vermittlungsorientierter Arbeitnehmerüberlas- sung oder auch an „Arbeitnehmersharing“ gedacht werden („Arbeitnehmersharing“ bedeutet dabei, dass

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ein Jugendlicher bei verschiedenen, jedoch vorgegebenen Unternehmen arbeitet).

Für im Rahmen der INNOPUNKT-Kampagne erfolgreich erprobte Modelle sollen die Voraussetzungen und die Möglichkeiten für ihre breitenwirksame Etablierung dargestellt werden.

Der Ansatz, gezielt junge Menschen auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit zu unterstützen, der in den ver- gangenen Jahren mit dem Modellprojekt ,Enterprise‘ erprobt wurde, wird ab dem Jahr 2003 im Land Bran- denburg ausgeweitet. Jugendliche suchen Beschäftigungsmöglichkeiten, die einerseits den Einsatz und die Erprobung ihrer Kenntnisse fordern und andererseits auch finanziell ihren Lebensunterhalt sichern. Ein sozi- alversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis wird von vielen jungen Menschen in klassischer Weise angestrebt, doch nicht von allen. Diejenigen, die Herausforderungen suchen und nicht warten wollen, bis der derzeit schwierige Arbeitsmarkt ihnen Chancen bietet, versuchen, die Möglichkeiten einer Selbstständigkeit auszuloten. Dazu wurde im September 2002 im Rahmen der Initiative „Jugend 2005“ der Antragsaufruf „Jun- ge Leute machen sich selbstständig“ gestartet. Mit diesem Angebot werden Existenzgründungen junger Men- schen besonders unterstützt, da die wirtschaftliche Selbstständigkeit ein wichtiges Erfahrungsmoment und einen Baustein in den Berufsbiografien Jugendlicher darstellen kann – sie unterstützt eigenständiges Arbeiten und Planen, fördert ein bewusstes Risikoverhalten und trägt wesentlich zur Qualifizierung junger Menschen für den Arbeitsprozess bei. Die zwei ausgewählten Projekte „Enterprise“ und „garage lausitz“, die als einzige durch ihre Bankpartner die Bereitstellung von Mikrofinanzierungen für die jungen Gründer/-innen zusichern konnten, haben im Rahmen dieses neuen Angebots Anfang 2003 ihre Arbeit aufgenommen. Der Förderzeit- raum beträgt zwei Jahre.

Mit dieser Initiative werden Existenzgründungen durch junge Menschen besonders unterstützt, da die wirt- schaftliche Selbstständigkeit ein wichtiges Erfahrungsmoment und einen Baustein in den Berufsbiografien Jugendlicher darstellen kann - sie unterstützt eigenständiges Arbeiten und Planen, fördert ein bewusstes Ri- sikoverhalten und trägt wesentlich zur Qualifizierung junger Menschen für den Arbeitsprozess bei. Zwei aus- gewählte Projekte haben Anfang 2003 ihre Arbeit aufgenommen.

Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit junger Erwachsener und der damit verbundenen Abwanderung junger Menschen einerseits und des sich abzeichnenden Fachkräftemangels andererseits wurde die ,Aktion 500' ge- meinsam vom Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg und von dem Ministerium für Wirtschaft gestartet. Bis Ende 2003 sollen bis zu 500 arbeitlose junge Menschen durch eine betriebsnahe Fortbildung unterstützt wer- den. Aus Mitteln der Arbeitsämter werden jugendliche Leistungsempfänger nach dem SGB III und Schulab- gänger nach dem Jugendsofortprogramm gefördert. Die Unternehmen verpflichten sich zur späteren Über- nahme in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung für mindestens zwei Jahre.

Generell müssen sowohl die betriebliche Ausbildung als auch die Einstellung junger Fachkräfte deutlich stär- ker als bisher von den Unternehmen als Aufgabe der Wirtschaft begriffen und wahrgenommen werden. Stra- tegische Ausrichtung, Personalentwicklung und Ausbildung sind eine untrennbare Einheit für nicht nur kurz- fristig angelegte Planungshorizonte unternehmerischer Entscheidungen. Erforderlich ist, durch eine ganzheit- liche Sensibilisierung und Beratung gemeinsam mit den Partnern in der Wirtschaft diesen Ansatz dauerhaft in den Unternehmen zu verankern. Nur so wird es gelingen, durch Erschließung sämtlicher Begabungsreserven den notwendigen zukünftigen Fachkräftebedarf im Land Brandenburg zu sichern und zugleich den Kindern und Jugendlichen eine dauerhafte Lebens- und Berufsperspektive zu eröffnen.

2 Schule 2.1 Ziele

Im Land Brandenburg verständigten sich die Koalitionsfraktionen im Jahr 1999 im Koalitionsvertrag auf eine Bildungsoffensive. Damit sollen einerseits neue Schwerpunkte gesetzt und soll andererseits Bewährtes weiter entwickelt werden. Im Rahmen der Bildungsoffensive wurden umfangreiche Maßnahmen festgelegt, wobei die Verbesserung der Qualität schulischer Bildung und Erziehung im Zentrum der pädagogischen Schulent- wicklung steht. Weitere wesentliche Kernpunkte sind die Entwicklung der Selbstständigkeit von Schule, Mo- delle zur Verkürzung der Schulzeit sowie die Stärkung der Selbstverantwortlichkeit der Schülerinnen und Schüler. Die Bildungsoffensive stellte gleichzeitig den Rahmen für die Novellierung des Brandenburgischen Schulgesetzes dar. Eingebunden in die bundes- und landesweite Qualitätsdebatte wird mit dem neuen Schulgesetz die Selbstständigkeit der Schulen durch Kompetenzerweiterung gestärkt und gefördert.

Die Bewältigung der Beschäftigungsprobleme der Lehrerinnen und Lehrer ist schulpolitisch von hoher Bedeu- tung. Deshalb beabsichtigt die Landesregierung, eine dauerhafte Lösung für die Lehrerbeschäftigung zu

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schaffen. In diesem Konzept zur Weiterentwicklung der Schulressourcen (SEK 21) wird eine Lösung für die mittelfristigen Probleme des drastischen Schülerzahlenrückgangs vorbereitet. Insbesondere soll dadurch der Übergang zur regelmäßigen Vollbeschäftigung erreicht werden.

2.2 Entwicklungen und Schwerpunktmaßnahmen

Wenn Bildungspolitik auf neue Herausforderungen gezielt antworten will, braucht sie verlässliche Informatio- nen über die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Schulsystems. Ein Instrument zur Gewinnung derartiger In- formationen sind u.a. Schulleistungsstudien. So hat das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Lan- des Brandenburg im Sommer 1999 eine „Qualitätsuntersuchung an Schulen zum Unterricht in Mathematik“

(QuaSUM) durchgeführt und die Ergebnisse auf Landesebene und mit den Schulen intensiv diskutiert. Ge- meinsam mit allen anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland beteiligt sich Brandenburg auch an der so genannten PISA–Studie, bei der als Schwerpunkt Text- und Leseverständnis der 15-jährigen Schülerinnen und Schüler national und international im Vergleich untersucht werden. An einer vergleichbaren Untersu- chung (Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung/IGLU) mit Schülerinnen und Schülern am Ende der Jahrgangsstufe 4 beteiligt sich das Land Brandenburg ebenfalls. Aus der Teilnahme an derartigen Untersu- chungen erhofft sich das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport wertvolle Hinweise zu aktuellen Stärken und Schwächen des Schulsystems, um dann die Schulen durch gezielte Maßnahmen bei der Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit zu unterstützen. Die Untersuchungsergebnisse der PISA-Studie liegen jetzt in einem welt- weiten Ländervergleich und einem Vergleich der deutschen Bundesländer untereinander vor. Für Deutsch- land insgesamt und für Brandenburg im Ländervergleich der deutschen Bundesländer sind die Ergebnisse ernüchternd schlecht. Bei der Fortsetzung der Bildungsoffensive werden die Konsequenzen aus den Schul- leistungsstudien eine zentrale Bedeutung erhalten.

2.2.1 Grundschule

In den Grundschulen wurde die Erprobung der "Flexiblen Eingangsphase“ weiter ausgebaut. Mit dieser Maß- nahme soll auf die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und Lernbedingungen der Schulanfänger reagiert werden mit dem Ziel, Zurückstellungen vom Schulbesuch deutlich zu verringern und vor allem die Integration benachteiligter Schülerinnen und Schüler zu verbessern. In der "Flexiblen Eingangsphase“ können die Schü- lerinnen und Schüler je nach ihrer individuellen Leistungsfähigkeit ein, zwei oder drei Jahre verbringen und gehen danach unabhängig von der dort verbrachten Zeit in die dritte Jahrgangsstufe über.

Mit dem Kabinettsbeschluss vom 15.3.1994 hat die Landesregierung deutlich gemacht, dass das Schulnetz im Bereich der Grundschulen so zu stabilisieren ist, dass eine wohnungsnahe Grundschulversorgung auch künftig, gemäß dem Prinzip „Kurze Wege für kurze Beine“, ermöglicht wird. Einerseits soll der Nahbereich als Haupterfahrungsquelle für Kinder im Rahmen von Schulöffnungskonzepten gestärkt und andererseits sollen die pädagogischen und fachlichen Standards gesichert werden. Gleichzeitig soll Schule auch als kultureller Kristallisationspunkt in der Gemeinde gestärkt werden.

Nach Auslaufen des Bund-Länder-Kommission (BLK)-Modellversuchs „Kleine Grundschule“ wurden seit dem Jahr 1997 ca. 50 Kleine Grundschulen auf einer eigens geschaffenen gesetzlichen Grundlage genehmigt, in denen jahrgangsstufenübergreifender Unterricht erteilt wird. Um die Qualitätsentwicklung dieser Kleinen Grundschulen im Unterricht und bei der Gestaltung des Schullebens sicherzustellen, die Ergebnisse des Mo- dellversuchs für das Bildungswesen des Landes Brandenburg nutzbar zu machen und den Kleinen Grund- schulen eine Vorreiterrolle bei der Reform der Grundschulen des Landes zu ermöglichen, wurde der BLK- Modellversuch als Landesmodellversuch weitergeführt. Außerdem wurden sechs regionale Netzwerke aufge- baut, in denen die Kleinen Grundschulen ihre Erfahrungen austauschen (Schulleitungs- sowie Lehrkräftear- beitskreise) und eine gesicherte Unterstützung durch Lernwerkstätten, Modellversuchsschulen und das Pä- dagogische Landesinstitut erhalten.

Angesichts der Bedeutung, die das Beherrschen weiterer Sprachen für die beruflichen Chancen hat, ergeben sich für den Fremdsprachenunterricht in der Grundschule neue Herausforderungen und spezifische Zielset- zungen. Die Begegnung mit fremden Sprachen ist eine Möglichkeit, diese Aufgabe zu erfüllen. Seit dem Schuljahr 2002/2003 gibt es in 99 Prozent der brandenburgischen Grundschulen für die Jahrgangsstufen 3 und 4 dieses fremdsprachliche Grundschulangebot.

In den Jahrgangsstufen 5 und 6 der Grundschulen werden künftig leistungs- und neigungsdifferenzierte Lern- gruppen gebildet. Ziel ist es, den individuellen Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder besser ent- sprechen zu können und ihnen Möglichkeiten der Erprobung für die weitere Schullaufbahn zu bieten. Dafür werden den Jahrgangsstufen 5 und 6 zusätzliche Lehrerwochenstunden für Teilungsstunden zur Verfügung gestellt.

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2.2.2 Sekundarstufe I

Beginnend mit dem Schuljahr 2002/2003 werden die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 10 an al- len weiterführenden allgemein bildenden Schulen vor Erwerb der schulischen Abschlüsse Prüfungen absol- vieren. Diese Prüfungen stellen dabei einen Baustein der Leistungserziehung in der Sekundarstufe I dar und dienen u.a. der Feststellung des Leistungsstandes unter einheitlichen Bedingungen. Gleichzeitig erwerben die Schülerinnen und Schüler Prüfungserfahrungen.

Mit der neuen Generation der Rahmenlehrpläne (zunächst nur für die Sekundarstufe I) wurde erstmals für ei- ne gesamte Schulstufe ein einheitliches Bildungskonzept zugrunde gelegt. Das pädagogische Konzept zielt dabei auf die Entwicklung von Kompetenzen in allen Dimensionen des Lernens und nicht auf die Anhäufung bloßen Faktenwissens. Im pädagogischen Konzept liegt das Leitbild der Eigenverantwortlichkeit für die Pla- nung und Gestaltung des eigenen Lebens und der Mitverantwortung für die Gesellschaft zugrunde. Auf dieser Basis werden vier wesentliche pädagogische Ziele für die Sekundarstufe I formuliert. Diese umfassen die an- schlussfähige Grundbildung und Vorbereitung auf lebenslanges Lernen, die Mitbestimmungs- und Teilhabe- fähigkeit, die Ausbildungsfähigkeit und die Stärkung der Persönlichkeit.

In den Rahmenlehrplänen wird die Relation zwischen verbindlichen Vorgaben und freien Entscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeiten für die Lehrkräfte neu gewichtet. Soll die Vorbereitung der Schülerinnen und Schü- ler auf ein lebenslanges Lernen gelingen, müssen sich Unterricht und Erziehung auf die Förderung der fachli- chen, sozialen und personalen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler orientieren und sie bei der Suche nach Orientierung, Identitätsfindung und Entwicklung von Wertvorstellungen unterstützen. Ein auf Kompe- tenzentwicklung ausgerichteter Unterricht berücksichtigt auch die Auseinandersetzung mit Kernproblemen und Grundsatzfragen der Entwicklung der Gesellschaft. Diese werden in verbindlichen übergreifenden The- menkomplexen erfasst. Dazu gehören u.a. Friedenssicherung, Globalisierung und Interkulturelles, ökologi- sche Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit.

Mit dem Unterrichtsfach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER) ist Neues entstanden. 'Aufeinander- zugehen und Miteinanderreden' wurden konsequent zu Ende gedacht: Ob ein Mädchen oder ein Junge reli- giös oder weltanschaulich geprägt ist oder nicht - alle sollen sich gemeinsam innerhalb dieses Fachs mit Fragen, die uns die Welt von heute und morgen stellt, befassen können. Junge Menschen mit unterschied- lichsten Erfahrungen, Meinungen und Zukunftsplänen kommen sich so näher und lernen voneinander. Sie erfahren und leben Toleranz in einer Gesellschaft mit kultureller Vielfalt. Neben dem Erfahrungs- und Gedan- kenaustausch ist der Wissenserwerb ein wichtiges Anliegen von LER. In den Schulen, in denen LER bereits angeboten wird, ist das Konzept dieses neuen Fachs auf sehr gute Resonanz gestoßen.

Im Land Brandenburg sind in der Sekundarstufe I insgesamt 87 Schulen (in öffentlicher Trägerschaft) als Ganztagsschulen genehmigt. Die ganztagsspezifischen Angebote umfassen Arbeitsstunden, gestaltete Frei- zeit mit Arbeitsgemeinschaften und gestaltete Angebote im so genannten Mittagsband. Wahlfreie Angebote umfassen den offenen Frühbeginn sowie das betreute Mittagessen. Das System der Unterstützungsinstru- mente für Ganztagsschulen ist dabei bundesweit einmalig. Die Begleitung der Schulen durch ein Verbundsys- tem von schulinternen, regionalen, überregionalen Arbeitsgruppen sowie dem Pädagogischen Landesinstitut und den staatlichen Schulämtern bietet vernetzte Beratungsebenen, die den Schulen sowohl in der problem- bezogenen Erhebung ihrer Ausgangssituation als auch in der Transformation der Ergebnisse auf die Ziel-, Planungs-, Organisations- und Evaluierungsebene zur Verfügung stehen. Schulen mit Ganztagesangeboten oder Ganztagsschulen sind besonders dazu geeignet, berufstätigen Eltern bei der Förderung ihrer Kinder Un- terstützung zu geben.

Eine Verlagerung der Schwerpunktsetzung von der rein pädagogischen Schulentwicklung im Sinne von Pro- filbildung der Einzelschule zur schulstrukturellen Schulentwicklung im Sinne der Gestaltung der Schulland- schaft in den Regionen bedingt nach den bisherigen Erfahrungen eine angebots- und bedürfnisorientierte Ausdifferenzierung der Ganztagsschulmodelle. Mit dem Ziel einer bedarfsgerechten Ausweitung der Ganz- tagsschulen wird daher das Ganztagskonzept überarbeitet. Dabei soll auch die Zusammenarbeit zwischen Schulen und außerschulischen Kooperationspartnern weiterentwickelt werden.

Im Rahmen abweichender Organisationsformen werden an Schulen Projekte zur Förderung von schulverwei- gernden oder verhaltensauffälligen Schülerinnen und Schülern durchgeführt. Dazu gehört beispielsweise die

"Schule des Lebens“, ein seit dem Jahr 1996 bestehendes Kooperationsprojekt zwischen Jugendhilfe und Schule. Dieses stellt ein adäquates Bildungs- und Betreuungsangebot für manifeste jugendliche Schulver- weigerer dar, in dem die Jugendlichen ihre Schulpflicht qualifiziert erfüllen und den Abschluss der Berufsbil- dungsreife erwerben können und in dem sie auf eine spätere berufliche Laufbahn vorbereitet werden.

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Im Rahmen einer bundesweiten Initiative nehmen fünf Schulen der Sekundarstufe I am Projekt "Flexibilisie- rung der Übergangsphase und Berufswahlpass" teil. Ziel dieses Projekts ist es, für Schülerinnen und Schüler mit sozialer Benachteiligung und zum Teil gefährdetem Abschluss die Übergangsphase von der Schule in die Berufs- und Arbeitswelt zu flexibilisieren und systematischer zu gestalten. Dazu wird an den beteiligten Schu- len je eine Praxislernklasse oder eine Praxislerngruppe, beginnend in den Jahrgangsstufen 8 oder 9, einge- richtet. Weiterhin nutzen Schulen vielfältige Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Trägern der außerschuli- schen Jugendbildung mit dem Ziel, die soziale Kompetenz der Jugendlichen zu stärken sowie handlungs- und erfahrungsorientierte Lernprozesse zu ermöglichen.

2.2.3 Schulstufenübergreifende Entwicklungen

Kindern und Jugendlichen soll ermöglicht werden, den Umgang mit neuen Medien bereits während ihrer schulischen oder beruflichen Ausbildung zu erlernen. Ziel ist die Herausbildung von Medienkompetenz bei allen Schülerinnen und Schülern.

Aus diesem Grund wurde im April 2000 die Medienoffensive "m.a.u.s." ("Medien an unsere Schulen") an Schulen des Landes Brandenburg gestartet. Das Konzept zur Medienoffensive "m.a.u.s." sieht eine enge Ab- stimmung und Verzahnung zwischen Ausstattung der Schulen, Fortbildung der Lehrkräfte, Rahmenlehrplan- entwicklung und Bildungsserver des Landes Brandenburg vor. Ende des Jahres 2000 waren alle branden- burgischen Schulen an das Internet angeschlossen und bis Ende 2001 bereits etwa 80 Prozent der weiterfüh- renden Schulen mit Medientechnik ausgestattet. Bis Ende 2003 sollen alle Schulen einen modernen Ausstat- tungsstandard erreicht haben. In den neuen Rahmenlehrplänen für die Sekundarstufe I wird ab dem Schul- jahr 2002/2003 die Arbeit mit neuen Medien verpflichtend festgelegt. Parallel zur Ausstattung der Schulen läuft ein umfangreiches Fortbildungsprogramm für Lehrkräfte.

Im Rahmen des Netzwerks „Zukunft Schule + Wirtschaft“ vollziehen sich in zahlreichen Handlungsfeldern Kooperationen unterschiedlicher Partner. Mit dem Ziel der regionalen Vernetzung haben sich verschiedene Gesprächskreise zwischen Schulen, Betrieben, Sozialpartnern, Hochschulen und Arbeitsämtern gebildet. Ge- fördert wurde diese Entwicklung durch die Teilnahme von Schulen an bundesweiten Maßnahmen, Projekten und Wettbewerben zur Optimierung von Berufsorientierungs- und Berufsfindungsprozessen von Schülerinnen und Schülern. Daneben gibt es zahlreiche Initiativen zur Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf eine selbst- und mitverantwortliche Teilhabe in einer sich ständig wandelnden Arbeits- und Wirtschaftswelt. Dazu gehören u.a. verschiedene Formen von Jobbörsen und Berufsorientierungstagen sowie Existenzgründerse- minare und Schülerfirmen.

2.3 Perspektiven und Herausforderungen

Gegenwärtig und in den folgenden Jahren werden verschiedene Ansätze der Schulzeitverkürzung bis zum Abitur erprobt. Damit soll eine stärkere Individualisierung der Schullaufbahn ermöglicht werden. Im Rahmen eines Schulversuchs können derzeit besonders leistungsfähige und leistungsbereite Schülerinnen und Schü- ler bereits nach der Jahrgangsstufe 4 in eine spezielle Klasse eines Gymnasiums wechseln. In diesen Leis- tungsprofilklassen wird das Abitur nach zwölf Jahren durch das faktische Überspringen der Jahrgangsstufe 8 ermöglicht. Unter Beibehaltung der sechsjährigen Grundschule wird ein weiteres Modell zur Schulzeitverkür- zung an Gesamtschulen und Gymnasien vorbereitet. Mit dem "6+6-Modell" soll ebenfalls das Abitur nach zwölf Jahren erreicht werden können.

Infolge des Geburteneinbruchs in den neuen Bundesländern vollzieht sich seit Mitte der neunziger Jahre ein starker Rückgang der Schülerzahlen, der mit entsprechender zeitlicher Verzögerung alle Stufen des Schul- systems des Landes Brandenburg durchläuft. Dabei sind die beiden raumplanerischen Teilräume des Lan- des, der engere Verflechtungsraum mit Berlin (EVR) und der ländlich geprägte äußere Entwicklungsraum (ÄER), in sehr unterschiedlichem Maße betroffen (siehe Anhang 1). Während im engeren Verflechtungsraum der Schülerzahlenrückgang durch Wanderungsgewinne teilweise kompensiert werden konnte, kommt im äu- ßeren Entwicklungsraum der Geburtenrückgang bei der Entwicklung der Schülerzahlen voll zum Tragen und wird angesichts der zusätzlichen Abwanderung von jungen Familien mit Kindern sowie von Auszubildenden noch spürbar verstärkt.

Die Primarstufe haben die rückläufigen Schülerzahlen bereits nahezu durchlaufen und zu unvermeidbaren Schulschließungen geführt. Insgesamt wird aus diesen Gründen etwa ein Viertel der ehemals 650 Grund- schulen nicht mehr benötigt. „Kleine Grundschulen“ sollen ein möglichst wohnortnahes Schulangebot sicher- stellen. In der Sekundarstufe I wird sich der Schülerzahlrückgang beginnend ab dem Schuljahr 2003/2004 auswirken. Dann wechselt der erste zahlenmäßig schwache Jahrgang von der Grundschule in die weiterfüh-

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renden Schulen. Es ist zu befürchten, dass in wenigen Jahren ungefähr die Hälfte der gegenwärtig 434 Schu- len der Sekundarstufe I nicht mehr benötigt werden wird, wobei fast 80 Prozent der Schulschließungen im äußeren Entwicklungsraum stattfinden werden. Die Schließung von Schulen wird für einen Teil der Schüle- rinnen und Schüler zu längeren Schulwegen führen. Dennoch kann mit dem Netz der verbleibenden Schulen der Sekundarstufe I ein in allen Landesteilen zumutbar erreichbares, gleichwertiges und regional ausgewo- genes Angebot schulischer Bildungsgänge gesichert werden.

Sonderpädagogische Förderung soll sich verstärkt auf den präventiven Bereich, insbesondere für Schülerin- nen und Schüler mit Lernproblemen, Verhaltens- und Sprachauffälligkeiten konzentrieren. Durch eine erfolg- reiche Prävention kann zukünftig die Konzentration der sonderpädagogischen Fördersysteme im gemeinsa- men Unterricht, in Förderklassen und Förderschulen auf eine wesentlich kleinere Gruppe von Schülerinnen und Schüler erfolgen. Damit soll langfristig ein effektiverer Einsatz der vorhandenen Ressourcen für sonder- pädagogische Förderung erreicht werden. Durch die Zusammenführung der Angebote der sonderpädagogi- schen Förderung mit den Angeboten der allgemein bildenden Schulen soll langfristig ein Transfer sonderpä- dagogischer Kompetenzen in die allgemeine Pädagogik erfolgen.

3 Gesundheit 3.1 Ziele

Die vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen herausgegebenen Reporte „Einschüler in Brandenburg - Soziale Lage und Gesundheit“ (1999), „Brandenburger Sozialindikatoren“ (2000) und „Soziale Lage und Gesundheit von jungen Menschen im Land Brandenburg“ (2001) beinhalten detailliert den gesund- heitlichen Status der Kinder und Jugendlichen im Land Brandenburg, aber auch die teils erheblichen Ge- sundheitsrisiken, die sich aus sozial ungünstigen Familienverhältnissen ergeben.

Für die brandenburgische Gesundheitspolitik ergeben sich daraus folgende Schwerpunkte:

1. Früherkennung von drohenden oder bereits vorhandenen Erkrankungen und Behinderungen im Kindesalter, d.h. eine deutliche Senkung des Erstdiagnostikalters,

2. Früherkennung von Gesundheitsrisiken oder Erkrankungen, die eine Berufsausbildung Ju- gendlicher beeinträchtigen oder gefährden könnten,

3. Karies-Prophylaxe und

4. Suchtprävention für Jugendliche, insbesondere Alkohol- und Tabakprävention.

3.2 Entwicklungen und Befunde

Frühförderrelevante Befunde im Vorschulalter wurden bisher zu spät erkannt bzw. zu spät ernst genommen.

Davon sind Kinder aus sozial schwachen Familien besonders betroffen. Die Vorsorgeuntersuchungen der niedergelassenen Kinderärzte sind zwar wichtige individualdiagnostische Verfahren, werden aber gerade bei Kindern sozial benachteiligter Familien unzureichend genutzt. Die bisherigen Ergebnisse der von den Ge- sundheitsämtern durchgeführten kinderärztlichen Reihenuntersuchungen bestätigen, dass eine frühzeitige Diagnostik dringend erforderlich ist.

Die Schuleingangsuntersuchungen bei den Fünfjährigen zeigen eine unterschiedliche Verteilung „medizinisch relevanter Befunde“ (das sind Befunde, die ernstere Beeinträchtigungen für die Kinder bedeuten und bei de- nen ein medizinischer Handlungsbedarf besteht) je nach Sozialstatus. Kinder aus Familien mit niedrigem So- zialstatus haben mit Ausnahme der Neurodermitis, der häufigsten allergischen Erkrankung im Einschulungs- alter, einen deutlich schlechteren Gesundheitszustand. Jungen weisen verglichen mit Mädchen deutlich mehr frühförderrelevante Befunde auf. Die gleiche Relation gilt auch für Behinderungen: Die Rate liegt bei Jungen bei 5,6 Prozent, bei Mädchen bei 3,4 Prozent (eingeordnet nach § 39 BSHG).

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Medizinisch relevante Befunde kommen in den Förderschulen deutlich häufiger vor. Über 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler weisen hier medizinisch relevante Befunde auf; in den Gesamtschulen sind es da- gegen nur ca. 55 Prozent. Man kann die hohen Befundraten in den Förderschulen – mit Einschränkungen – als Hinweis auf die soziale Differenzierung der gesundheitlichen Befunde bei Jugendlichen sehen.

Auch bei den Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 10, die im Durchschnitt etwa 16 Jahre alt sind, fallen Sehstörungen und Allergien als medizinisch relevante Befunde besonders ins Gewicht. An dritter Stelle stehen orthopädische Befunde. Jeder achte Jugendliche weist Störungen des Knochenapparats und Stütz- systems auf.

Medizinisch relevante Befunde bei Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 10

Jungen Mädchen

Einschränkungen im Sehen 29,4 % 33,9 %

Einschränkungen im Hören 2,3 % 2,2 %

Allergien 12,0 % 13,9 %

Orthopädische Befunde 12,4 % 11,9 %

Endokrine Störungen 1,7 % 7,3 %

Adipositas 4,8 % 5,2 %

Erkrankungen der Bauchorgane 2,0 % 3,4 %

Zerebral primär neurologisch bedingte Störungen 3,9 % 2,7 %

Entzündliche Erkrankungen der Haut 3,3 % 2,7 %

Chronisch rezidivierende Kopfschmerzen 0,6 % 1,4 %

Psychische Störungen/Erkrankungen 1,6 % 1,3 %

In den neunziger Jahren hat sich die Mundgesundheit der Kinder und Jugendlichen im Land Brandenburg deutlich verbessert. Dies gilt besonders für die Verhütung von Karies. Hatten beispielsweise die 15- bis 16- jährigen Schülerinnen und Schüler 1991/1992 noch durchschnittlich 7 Zähne mit Karieserfahrung, waren es zehn Jahre später nur noch 4,2 Zähne. Das zeigt der für kariesepidemiologische Erhebungen international gebräuchliche DMF-T-Index. Die Anzahl der kariösen bleibenden Zähne ist um gut ein Drittel zurückgegan- gen, d.h. der allgemeine Kariesrückgang setzt sich auch in der Altersgruppe der Jugendlichen fort. Drei Fak- toren beeinflussen diese Entwicklung positiv: die hohe Verfügbarkeit von Fluoriden, ein allgemein geändertes Gesundheits- und Ernährungsverhalten sowie ein hoher Grad an zahnärztlicher Betreuung. Schülerinnen und

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Schüler der Gymnasien hatten deutlich seltener kariöse und behandelte Zähne und somit den niedrigsten DMF-T-Index. Die höchsten Werte wurden bei Gesamt- und Förderschülerinnen und -schülern registriert. Das macht die Notwendigkeit einer sozialkompensatorischen Prophylaxe deutlich.

Zum Alkohol- und Nikotinkonsum Jugendlicher im Land Brandenburg liegen landesweit keine repräsentativen Daten vor. Nach Expertenschätzungen ist die häufige Alkoholrausch-Erfahrung Jugendlicher und junger Er- wachsener zwar rückläufig und liegt in den neuen Bundesländern derzeit bei 13 Prozent. Dabei sind männli- che Jugendliche im Alter zwischen 16 und 17 Jahren die am meisten gefährdete Risikogruppe. Die gleichen Schätzungen und Befragungen zeigen, dass etwa die Hälfte aller Jugendlichen im Alter von 17 Jahren raucht.

Beim Tabakkonsum ist insbesondere eine dramatische Zunahme bei Mädchen im Alter zwischen 12 und 17 Jahren zu verzeichnen: von 16 Prozent (1993) auf 41 Prozent (1997). Diese Zahlen stimmen auch mit dem Bundesgesundheitssurvey 1998 überein.

3.3 Perspektiven und Herausforderungen

Eine verbesserte Früherkennung stellt hohe Anforderungen an die sich anschließenden Versorgungsstruktu- ren, insbesondere im ländlichen Bereich. Allein die Diagnose von Sprachstörungen reicht nicht, es muss auch Logopäden in erreichbarer Nähe geben. Im ländlichen Raum ist die ambulante Frühförderung nur unter er- schwerten Bedingungen (z.B. weite Fahrwege für Heilpädagogen) durchführbar.

Ein weiterer Aspekt ist, dass die Versorgungsqualität nicht selten durch einzelne Träger der örtlichen Sozial- hilfe durch eine restriktive Verordnungspraxis von Heilmitteln oder eine verweigerte anteilige Kostenüber- nahme für Behandlungen in einem Sozialpädiatrischen Zentrum beeinträchtigt wird.

Die Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen stellen eine hervorragende Grundlage für eine über Ver- haltensempfehlungen hinausgehende gesundheitsorientierte Beratung der ganzen Schule dar. Auch schuli- sche Projekte zur Gesundheitsförderung können von einer intensiveren Zusammenarbeit mit dem Kinder- und Jugendgesundheitsdienst und mit dem Zahnärztlichen Gesundheitsdienst profitieren.

Die Krankenkassen sollten bei ihren sozialkompensatorischen Präventionsangeboten Kinder und ihre Eltern zu einer vorrangigen Zielgruppe machen und dabei mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst zusammenarbei- ten. Kitas und Schulen sind Orte, wo alle gesellschaftlichen Schichten annähernd gleich erreicht werden. Sie stellen für die brandenburgischen Krankenkassen ein ideales Arbeitsfeld für ihre gesetzlichen Präventions- aufgaben gemäß § 20 SGB V dar. Ein geeignetes Forum zur Koordinierung im Land Brandenburg ist inzwi- schen mit dem Arbeitskreis „Primärprävention“ beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen geschaffen worden.

Die große Zahl orthopädischer Befunde bei Jugendlichen legt eine Intensivierung präventiver Maßnahmen nahe. Dazu wird im Land Brandenburg besonders die Schule als Interventionsort genutzt, da hier alle, also auch sozial benachteiligte Jugendliche, erreicht werden. Mit dem Projekt "Bewegte Schule“ möchte das vom Ministerium für Bildung, Jugend und Sport und vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen gemeinsam unterstützte Netzwerk „Gesunde Schulen (OPUS)“ gezielt Anreize zur Überwindung von Bewe- gungsarmut, Haltungsschwächen und Übergewicht vermitteln. Dazu sollen vorrangig Schülerinnen und Schü- ler zu Mentoren in eigener Sache ausgebildet und Schulräume für gemeinsame Aktivitäten von Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrkräften genutzt werden.

Beispielhaft ist auch das gemeinsame Projekt der AOK des Landes Brandenburg, des Instituts für Sportmedi- zin und Prävention der Universität Potsdam und des Kita-Trägers Internationaler Bund, das mit Unterstützung des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen und des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport bis zum Jahr 2005 durchgeführt wird. Auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse über den Zusam- menhang von motorischer und kognitiver Entwicklung werden ein Konzept zur optimalen Förderung motori- scher und kognitiver Fähigkeiten in der Phase der maximalen Hirnreifung sowie entsprechende Fortbildungs- konzepte und Materialien für das pädagogische Personal in Kindertagesstätten entstehen. Ziel des Projekts ist sowohl die Verbesserung des Bildungsstandes als auch der körperlichen Verfassung und des sozialen Wohlbefindens der Kinder.

Die relativ hohen Zahlen der Tabak- und Alkoholkonsumenten und darunter insbesondere die hohe Zahl der Jugendlichen sind Besorgnis erregend. Das im Dezember 2001 verabschiedete brandenburgische Landes- programm "Gegen Sucht!“ trägt dem Rechnung und regt eine Verbesserung der Datenlage, insbesondere im Rahmen der kommunalen Gesundheitsberichterstattung, als erste Maßnahme an. Darauf aufbauend soll die Suchtprävention intensiviert werden. Dazu gehören auch gezielte Angebote für junge Menschen. Ein Beispiel ist das Präventionsprojekt zum Tabakkonsum "Be Smart - Don‘t Start“; es hat sich im Jahr 2001 zum landes-

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weiten Schulprojekt entwickelt und wird dabei vom OPUS-Landeszentrum, von den sechs vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen geförderten überregionalen Servicestellen für Suchtprävention und der Zentralstelle für Suchtprävention in Potsdam organisatorisch und inhaltlich unterstützt. Das branden- burgische Landesprogramm gegen Sucht ist ein Steuerungs- und Entwicklungsinstrument zur Verbesserung der Prävention im Rahmen eines Public-Health-Prozesses. Das Zusammenwirken der verschiedenen Akteure in der Landessuchtkonferenz soll der besseren gegenseitigen Abstimmung, der Vereinbarung gemeinsamer Ziele und der Steigerung von Effektivität und Effizienz dienen. Sie hat ihre Arbeit mit der konstituierenden Sit- zung am 3.9.2002 aufgenommen.

Damit sollen Präventionsmaßnahmen in anderen Bereichen jedoch nicht vernachlässigt werden. So ist z.B.

für Jugendliche das Screening auf allergische Disposition oder Erkrankung von besonderer Bedeutung, um eine für sie geeignete Berufswahl treffen zu können. Ebenso sollen die Bemühungen um eine zahnärztliche Gruppenprophylaxe gemäß § 21 SGB V auch für Schülerinnen und Schüler über zwölf Jahren fortgeführt werden.

4 Verkehr 4.1 Ziele

Wie aus der Auswertung der statistischen Angaben zum Verkehrsunfallgeschehen (siehe Anhang 1) ersicht- lich wird, besteht trotz der erfolgten positiven Entwicklung weiterhin Handlungsbedarf. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund der im Bundesvergleich nach wie vor überproportional hohen Unfallrate und der sich erge- benden hohen Zahl von im Straßenverkehr Getöteten zu sehen. Nach wie vor muss an einer Bewusstseins- änderung der Kraftfahrer und der anderen Verkehrsteilnehmer mit dem Ziel gearbeitet werden, dass toleran- tes Fahrverhalten und Rücksichtnahme auf andere Verkehrsteilnehmer zur Selbstverständlichkeit werden.

Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen sind weitere Bemühungen erforderlich, ihre Kompetenz im Ver- kehr zu erhöhen. Verkehrssicherheit muss auch in Zukunft als gesamtgesellschaftliches Problem thematisiert werden.

4.2 Entwicklungen und Schwerpunktmaßnahmen

Vor dem Hintergrund der eingangs erwähnten Ziele wird seit dem Jahr 1997 die Verkehrssicherheitskampag- ne der Landesregierung unter dem Motto „Lieber sicher. Lieber leben“ durchgeführt. Mithilfe sehr genau auf die einzelnen Zielgruppen zugeschnittener Angebote und Maßnahmen soll darauf hingewirkt werden, Sicher- heit im Straßenverkehr als ein hohes, schützenswertes Gut zu erkennen, das nur gemeinsam erreicht und erhalten werden kann. Das Verständnis für die so genannten „schwachen Verkehrsteilnehmer“, zu denen auch Kinder zählen, soll in einem möglichst früh beginnenden Prozess, der sich über alle Lebensphasen hin- weg fortsetzt, entwickelt werden. Jugendlichen ist das Gefühl zu vermitteln, dass es „cool“ ist, ihr Fahrverhal- ten stets unter Kontrolle zu haben. Die nachfolgend aufgeführten Maßnahmen dürfen daher nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Senkung der Unfallzahlen gesehen werden, sondern sie sind zugleich als eine Inves- tition in verantwortungsbewusste Verkehrsteilnehmer in der Zukunft anzusehen.

Zielgruppe der 3- bis 10-Jährigen

Der Grundstein für das Verhalten von Erwachsenen wird im Kindesalter gelegt. Daher hat die Vorbildwirkung der Erwachsenen eine besondere Bedeutung. Das gilt auch für das Verhalten im Straßenverkehr, den Um- gang mit Sicherheitsmaßnahmen und das eigene Verhalten als Verkehrsteilnehmer.

Die Altersgruppe der 3- bis 10-jährigen Kinder umfasst den Zeitraum des ersten eigenen Kontakts mit dem Thema „Straßenverkehr“ in den Kindertagesstätten bis zum ersten konzipierten Lernen durch die Verkehrser- ziehung in der Grundschule. Verkehrs- und Mobilitätserziehung fangen im Kindesalter an.

Als Imagefigur für diese Zielgruppe wurde als "Übermittler" das ZeBra entwickelt. Mit der Aufführung des mitt- lerweile etablierten Theaterstücks „ZeBras Verkehrstipps“, das mit den Kindern in Dialog tritt, werden wichtige Inhalte der Verkehrssicherheit aufgegriffen und mit viel Spaß veranschaulicht. Die Interaktion zwischen den Kindern und dem als Hauptfigur auftretenden ZeBra ermöglicht es, ältere Kinder aufzufordern, jüngeren an einer Spielstraße zu zeigen, wie man diese überquert, und somit das Verantwortungsbewusstsein der Kinder füreinander zu steigern. Ergänzend und um den Lehrkräften in den Schulen oder den Erzieherinnen und Er- ziehern in den Kindertagesstätten die Möglichkeit einer thematischen Vor- oder Nachbereitung zu geben, wurde ein entsprechendes Malbuch entwickelt, das ebenfalls spielerisch auf die Kinder einwirkt.

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Für die Erhöhung der Schulwegsicherheit werden jedes Jahr ca. 450.000 € zur Verfügung gestellt. Dazu zäh- len die Anlage von Geh- und Radwegen und deren Beleuchtung sowie die Einrichtung von Querungshilfen wie Mittelinseln und Fußgängerlichtzeichenanlagen.

Zielgruppe der 11- bis 17-Jährigen

Erstmals im Jahr 2001 wurde für die Zielgruppe der 11- bis 17-Jährigen ein Element in die Verkehrssicher- heitsarbeit eingeführt, das sich gezielt mit der Situation von älteren Kindern und Jugendlichen im Straßenver- kehr beschäftigt. Mit der Auslobung eines Wettbewerbs wurde die neue Figur "Matze“ bei dieser Zielgruppe eingeführt und auf ihre Botschaft zur Verkehrssicherheit aufmerksam gemacht. Unter dem Motto „Ich kann cool sein und mich trotzdem sicher im Straßenverkehr verhalten“ wurden in den Kategorien Song, Comic und Video von den Schülerinnen und Schülern Beiträge produziert und so Erfahrungen, Anregungen, Meinungen und Wünsche zum Thema „Straßenverkehr und Verkehrssicherheit“ kreativ dargestellt.

Zielgruppe der 18- bis 25-Jährigen

Für die Zielgruppe der 18- bis 25-jährigen Verkehrsteilnehmer wird das über das Land Brandenburg hinaus bekannte Element "Schutzengel - Disco-Tour" fortgeführt. Durch verschiedene neu gestaltete Kommunikati- onselemente wie „Fotowettbewerb“ oder „Spruchwettbewerbe“ sollen sich die Jugendlichen mit den für ihre Zielgruppe spezifischen Problemfeldern "Geschwindigkeit", "Alkohol" und "Drogen“ auseinander setzen.

Mit einer Bundesratsinitiative wollte das Land Brandenburg (Ministerium fürStadtentwicklung, Wohnen und Verkehr) eine Reduktion des Blutalkoholwertes für Fahranfänger auf 0,0 Promille erreichen. Die Initiative wurde im Bundesrat leider abgelehnt. Es bestehen jedoch der Wille der Landesregierung und der Auftrag des Landesparlaments, sich weiterhin dafür einzusetzen.

Jedes Jahr sterben auf den Straßen des Landes Brandenburg fast 120 junge Menschen im Alter zwischen 16 und 25 Jahren, über 1.400 werden schwer verletzt. Das entspricht etwa einem Drittel der Verunglückten insgesamt, obwohl der Bevölkerungsanteil dieser Altersgruppe nur zehn Prozent beträgt. Die häufigsten Unfallursachen sind Alkohol, überhöhte bzw. unangepasste Geschwindigkeit und mangelnde Fahrpraxis.

Besonders unfallgefährdet sind junge Menschen auf dem Weg zur bzw. von der Disco. Im ländlichen Raum des Landes Brandenburg sind zu Tanzveranstaltungen längere Anfahrtswege unvermeidlich. Der Öffentliche Personennahverkehr kann diese Verbindungen zu den betreffenden Zeiten nicht kostengünstig abdecken.

Um die Freizeit-Unfälle von jungen Menschen dieser Altersgruppe drastisch zu senken, wurde im Jahr 1995 das Verkehrssicherheitsprojekt "Fifty-Fifty-Taxi" ins Leben gerufen. Es stellt ein Angebot zum verbilligten Benutzen von Taxen an Wochenenden und Feiertagen dar, um Jugendlichen vor allem eine gefahrlose Heimkehr von derartigen Veranstaltungen zu ermöglichen. Das Verkehrsministerium stellt dafür jährlich annähernd 100.000 € zur Verfügung.

4.3 Perspektiven und Herausforderungen

Im Jahr 2003 soll das Verkehrssicherheitsprogramm des Landes veröffentlicht werden. Die Elemente, die über die bisher erfolgreich ergriffenen Maßnahmen hinausgehen, werden in einem umfassenden neuen Verkehrssicherheitsprogramm gebündelt. Die hohen Unfallzahlen auf brandenburgischen Straßen signalisieren weiter dringenden Handlungsbedarf und eine gesellschaftliche Verpflichtung zur Reduzierung.

Veränderte Bedingungen von Verkehr und Mobilität und neue Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis stellen neue Herausforderungen an die Verkehrssicherheit. Mit einem Verkehrssicherheitsprogramm, in dem die Handlungsfelder der Verkehrssicherheitsarbeit (Mensch, Umfeld, Verkehrswege und Technik) gebündelt werden, soll ein tragfähiger Aktionsrahmen für die Verkehrssicherheitsarbeit der nächsten zehn Jahre geschaffen werden. Ziele des neuen Verkehrssicherheitsprogramms sind:

- Bündeln vorhandener Kräfte mit dem Ziel einer nachhaltigen Erhöhung und dauerhaften Stabilisierung der Verkehrssicherheit im Land Brandenburg;

- Schaffen handlungsleitender Orientierungen für eine enge Kooperation der in der Verkehrssicherheitsarbeit tätigen Verwaltungen auf Landes- und kommunaler Ebene, freier Träger und der privaten Wirtschaft;

- Schaffen eines Handlungsrahmens für die wissenschaftliche Bewertung und Evaluation der Verkehrssi- cherheitsarbeit und

- Erstellen eines Ausführungskonzepts für die konkrete Umsetzung der Verkehrssicherheitsarbeit auf der Projekt- und Maßnahmenebene .

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5 Familie

5.1 Familienpolitik 5.1.1 Ziele

Die Familienpolitik des Landes Brandenburg ist auf die Schaffung familienfreundlicher Rahmenbedingungen gerichtet. Dies entspricht dem Auftrag aus Artikel 26 der Landesverfassung. Im Vordergrund stehen dabei die Eltern-Kind-Beziehung und das Wohl des Kindes.

5.1.2 Entwicklungen und Schwerpunktmaßnahmen

Durch die Förderung von Projekten der Familienbildung und -beratung sollen vorhandene Kompetenzen ge- fördert, schwierige Situationen durch vorbeugende Maßnahmen weitgehend verhindert und soll den Familien geholfen werden, ihre Selbsthilfekräfte zu stärken.

Eine wichtige Bedingung für die Entwicklung und Erfahrung von Familienzusammengehörigkeit ist die ge- meinsame Gestaltung freier Zeit in der Familie. Sie ist unverzichtbarer Bestandteil des Familienlebens. Dieser Aspekt gewinnt in Zeiten, in denen Familien oft einem beträchtlichen Problemdruck von außen ausgesetzt sind und innerfamiliäre Spannungen das Zusammenleben erheblich belasten, zusätzliche Bedeutung. Durch die Weiterführung der Förderung von Individualzuschüssen zu Familienferien soll Familien, die nur über ein geringes Einkommen verfügen, auch zukünftig ein Erholungsaufenthalt in Ferienstätten oder ähnlich geeigne- ten Einrichtungen ermöglicht bzw. erleichtert werden. In zunehmendem Maße sollen dabei auch Familienbil- dungsmaßnahmen integriert werden. In den Jahren 1998 bis 2000 konnte dadurch zwischen 600 und 800 Familien pro Jahr ein Ferienaufenthalt ermöglicht werden.

Im April 2001 wurde vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen die dritte, überarbeitete Auflage des “Ratgebers für Familien” herausgegeben. Der Ratgeber enthält ein breites Angebot an Informati- onen für Familien in unterschiedlichen Lebenslagen sowie wichtige Hinweise zu aktuellen gesetzlichen Ände- rungen. Außerdem wurde die fachliche Zusammenarbeit mit den Familienverbänden als der Interessenvertre- tung von Familien mit dem Ziel der Verbesserung der Rahmenbedingungen für Familien fortgeführt und wei- terentwickelt.

An dem über zwei Jahre laufenden Vorhaben „Familien im Mittelpunkt - örtliche Familienförderung im Land Brandenburg“ waren insgesamt 35 Familienassistentinnen und Familienassistenten in 35 Kommunen aus den 14 Landkreisen und den kreisfreien Städten Potsdam, Frankfurt (Oder) und Cottbus beteiligt. Ziel des in Trä- gerschaft des Instituts für angewandte Familien-, Kindheits- und Jugendforschung an der Universität Potsdam durchgeführten Projekts war die Förderung von Familien in der kommunalpolitischen Arbeit. Tätigkeits- schwerpunkte für die Familienassistentinnen und -assistenten waren die Familienberichterstattung für den jeweiligen örtlichen Bereich und die Ermittlung des Handlungsbedarfs zur Familienförderung. Daraus entwi- ckelten sie konkrete Angebote für Familien, um die soziale Infrastruktur in den Kommunen weiter auszuge- stalten. Im Rahmen einer Fachkonferenz wurden die Ergebnisse des Projekts mit den beteiligten und den daran interessierten öffentlichen Ämtern und Stadtverwaltungen, den Familienverbänden sowie freien Trä- gern und Einrichtungen ausgewertet.

Im Jahr 1998 wurde erstmalig der Landeswettbewerb „Familienfreundliche Gemeinde” durchgeführt, der auf große Resonanz in den Kommunen gestoßen ist. Ziel des Wettbewerbs war es, familienfreundliche Maß- nahmen und Initiativen vor Ort auszuzeichnen und damit zur Fortentwicklung einer familienfreundlichen Ges- taltung des Lebensumfelds auf kommunaler Ebene beizutragen. Beteiligen konnten sich Gemeinden mit bis zu 1.000 Einwohnern. Insgesamt wurden zehn Gemeinden ausgezeichnet, weitere zehn Gemeinden erhielten eine Anerkennungsprämie. Mit den Preisgeldern wurden weitere Vorhaben der Familienpolitik unterstützt. Im Jahr 2001 wurde der Wettbewerb zum zweiten Mal ausgelobt. Diesmal richtete sich der Wettbewerb an Ge- meinden mit mehr als 1.000 bis höchstens 10.000 Einwohnern. Eine unabhängige Jury bewertete die Wett- bewerbsbeiträge und verteilte Auszeichnungen an acht Gemeinden.

Eine partnerschaftliche Arbeitsteilung in Beruf und Familie und eine familienfreundliche Unternehmenskultur lassen sich nicht von heute auf morgen realisieren. Hierzu bedarf es neuer Wege und innovativer Lösungen.

Die Landesregierung hat in den vergangenen Jahren politische Akzente zur Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit gesetzt und aus Landesmitteln sowie Mitteln des Europäischen Sozialfonds erstmals eine Reihe von Programmen und Maßnahmen unterstützt. Eltern brauchen für die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit familienverträgliche Rahmenbedingungen, denn ihr zeitliches Engagement hängt grundsätz- lich von vereinbarkeitsfreundlichen Möglichkeiten und Maßnahmen ab. Durch die Ideenwettbewerbe des Mi-

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nisteriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen „Chancen für Familie und Erwerbstätigkeit“ können seit dem Jahr 2001 fortlaufend bis zum Jahr 2006 beispielhafte Projekte zur Kinderbetreuung, zur Verbesse- rung der Mobilität und zur Erprobung von flexiblen Arbeitszeitmodellen durchgeführt werden.

Die Familienpolitik des Landes ist eng mit den familienpolitischen Maßnahmen des Bundes verbunden. Mit dem Familienleistungsausgleich wurde die materielle Situation von Kindern verbessert. Das Kindergeld wurde erhöht; für das erste und zweite Kind stieg das Kindergeld zuletzt um monatlich rund 30 DM (15,95 Euro).

Damit erhalten die Kindergeldberechtigten ab dem 1.1.2002 für das erste, zweite und dritte Kind je 154 Euro (301,20 DM). Jedes vierte und weitere Kind erhält rund 179 Euro (350,09 DM). Das Kindergeld wird auch für Kinder gewährt, die im Ausland einen dem Zivildienst vergleichbaren Dienst ableisten. Der allgemeine Kinder- freibetrag wurde angehoben. Für das so genannte sächliche Existenzminimum werden 3.648 Euro (7.135 DM) jährlich freigestellt. Der Freibetrag von 1.546,15 Euro (3.024 DM) für die Betreuung von Kindern, den die Bundesregierung im Jahr 2000 eingeführt hat, gilt zugleich auch für über 16-Jährige. Er wird zu einem „Frei- betrag für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung“ von 2.160 Euro (4.225 DM) zusammengefasst. Insge- samt steigt der steuerliche Freibetrag auf rund 5.810 Euro (11.360 DM).

Zum 1.1.2001 trat eine geänderte Fassung des Bundeserziehungsgeldgesetzes in Kraft, die für ab dem 1.1.2001 geborene Kinder gilt. Damit verbesserten sich deutlich die Voraussetzungen für eine gemeinsame partnerschaftliche Betreuung des Kindes ohne eine wesentliche Einschränkung der gleichzeitigen Berufstä- tigkeit der Eltern.

Mit der zum 1.12.2001 im Verbraucherinsolvenzrecht neu geregelten möglichen Stundung der Verfahrenkos- ten verbesserten sich insbesondere für mittelose Schuldnerinnen und Schuldner die Rahmenbedingungen für das vereinfachte Verbraucherinsolvenzverfahren. Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frau- en hat die Finanzierung der Beratung durch als geeignet anerkannte Stellen im Verbraucherinsolvenzverfah- ren geregelt. Ab dem 1.7.2001 erhalten die Beratungsstellen nunmehr höhere und nach der Anzahl der Gläu- biger gestaffelte Fallpauschalen. Zudem wurden die Qualifizierung der Verbraucherinsolvenzberaterinnen und -berater in den Jahren 2000 und 2001 im Rahmen eines Praktikerforums gefördert sowie im Rahmen des Projektes “Info-Pool“ der Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung/Insolvenzberatung e.V. ein Informa- tionsangebot für Ver- und Überschuldete sowie für Beratungsstellen geschaffen und eine Informationsseite im Internet eingerichtet. Die Möglichkeiten für eine leichtere Entschuldung verbessern die Lage der auf der Schuldnerseite betroffenen Familien.

5.1.3 Perspektiven und Herausforderungen

Der Stand und die Perspektiven der Familienpolitik im Land Brandenburg wurden im Rahmen einer Kabinett- klausur auf der Grundlage der bestehenden familienpolitischen Schwerpunkte des Landes erörtert. Diese sind:

- bessere Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit, - wirtschaftliche Stärkung der Familien,

- Sicherung einer kinder- und familiengerechten Infrastruktur sowie - Stärkung der Erziehungskompetenz der Eltern.

5.2 Aktionsplan der Landesregierung Brandenburg zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen 5.2.1 Ziele

Am 22.11.2001 wurde der Aktionsplan der Landesregierung Brandenburg zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen beschlossen. Kinder und Jugendliche als Mitbetroffene der Gewalt gegen ihre Mütter sind in diesen Aktionsplan einbezogen. Sind Mütter der Gewalt durch den Partner ausgesetzt, so sind in 90 Prozent der Fäl- le die Kinder während der Gewalttat anwesend und erleben diese selbst mit. Darüber hinaus ist die Miss- handlung der Mutter der häufigste Begleitumstand von Kindesmisshandlung. Wenn Mütter dauerhaft der Ge- walt durch den Partner ausgesetzt sind, verlieren sie häufig die Initiative, etwas zum Schutz der Kinder zu un- ternehmen. Neuere Forschungsergebnisse kommen daher zu dem Schluss, dass die Unterstützung für miss- handelte Frauen gleichzeitig auch zu den besten Strategien für den Kinderschutz zählt. Prävention ist ein we- sentlicher Teil des Gesamtkonzepts bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder. Dem Zu- sammenwirken und der ständigen Abstimmung der im Präventionsbereich wirkenden Stellen kommt hierbei besondere Bedeutung zu.

Eine Offensive zur Bewusstseinsbildung auf breiter Basis ist nötig. Eltern sind für Kinder die wichtigsten Be- zugspersonen in ihrem unmittelbaren Umfeld. Bereits dadurch, dass Eltern ihren Kindern einen gewaltfreien Umgang vorleben, können sie einen wichtigen Beitrag zur Verwirklichung des Kinderrechts auf gewaltfreie

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