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als Äquivalente für „Telefon", ,,Trottoir", „Perron") oder sie werden zur adäquaten Bezeichnung eines neu aufgekommenen Begriffes geprägt (wie deutsch

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(1)

Neologismen und Terminologie

in den heutigen Türkspraehen*

Von H. Wilfbid Bbands, Frankfurt a. M.

Die im Wortbestand aller Gegenwartssprachen anzutreifenden Neo¬

logismen lassen sich von der Funktion her in zwei Hauptgruppen ein¬

teilen. Entweder sollen sie eine vorhandene Bezeichnung in puristischer

Absicht ersetzen (wie die deutschen Wörter ,, Fernsprecher", ,, Bürger¬

steig", ,, Bahnsteig" als Äquivalente für „Telefon", ,,Trottoir", „Perron")

oder sie werden zur adäquaten Bezeichnung eines neu aufgekommenen

Begriffes geprägt (wie deutsch ,, Fernschreiber", ,, Tonband", ,, Gabel¬

stapler"). Bei der ersten Kategorie wird grundsätzlich auf Elemente des

lebendigen oder historischen Wortbestandes der eigenen Sprache zurück¬

gegriffen. Bei der zweiten — die man als die der ,, Neologismen in

doppeltem Sinne" bezeichnen könnte —, sind die Wege der Neubildung

in den einzelnen Sprachen mannigfaltig und gelegentlich überraschend.

So drückt z.B. das modeme Thai neue Bezeichnungen mit Hilfe von

Elementen des Sanskrit und des Pali aus^.

In die erste Kategorie gehören die bekannten lexikalischen Ergebnisse

der Sprachreformbestrebungen in der Türkei, deren Auswirkung auf den

aktiven Wortschatz des Türkeitürkischen allerdings begrenzt geblieben

ist. Die zweite Kategorie verdient vor allem aus sprachsoziologischer und

sprachpsychologischer Sicht betrachtet zu werden. Es ist ja nicht zu

übersehen, daß die Art der sprachlichen ,, Aneignung" neuer Begriffe aus

dem Gegenwartsleben (Technik, Wissenschaft, Politik, Sport und andere

Lebensbereiche) sowohl eine Stellungnahme zu diesem Begriff als auch

einen Ausdruck der Mentalität bedeuten kann. Viele dieser echten Neu¬

bildungen wirken ebenso spontan wie prägnant und fügen sich ohne

Gewaltsamkeit in den organischen Wortbestand ein. Ein typischer

Neologismus dieser Art aus jüngster Zeit ist das englische ,,smog" —

Kontamination aus ,, smoke" (,, Rauch") und ,,fog" („Nebel") — als

Bezeichnung des feuchten, mit Abgasen vermischten Dunstes über

Industrierevieren; ein Wort, das auch ins Deutsche bereits Eingang

gefunden hat.

* Nach einem Vortrag beim XVI. Deutschen Orientalistentag 1965 in

Heidelberg.

* Mitteilung von K. Hahlweg in seinem Heidelberger Vortrag „Das

Lautsystem des Thailändischen". Herr Prof. H. Franke machte mich

freundlicherweise hierauf aufmerksam.

(2)

280 H. Wilfbid Brands

Eine dritte Gruppe von Wörtern wird zwar gelegentlich auch den

Neologismen zugerechnet, sie ist jedoch unter dem Gesichtspunkt der

Bedeutungserweiterung einzuordnen. Es handelt sich dabei nicht um

Neuprägungen, sondern um die Bezeichmmg neuer oder gewandelter

Begriffe durch existierende Wörter, deren ursprüngliche Bedeutung

erhalten bleibt. Das folgende Beispiel eines osmanisch-persischen Wortes

zeigt die Ausdrueksmöglichkeiten, die gerade das Lehngut bietet: peyk,

„Trabant", ,, Satellit", ursprünglich nur für die astronomische und die

poetisch-rhetorische Sprache von Bedeutung, kam nach dem Zweiten

Weltkrieg in der Verbindung feyk memleketi, ,, Satellitenstaat", in Ge¬

brauch und bezeichnet heute vor allem den Begriff ,, künstlicher Erd¬

satellit". Es sei hier angemerkt, daß für das Lehnwort peyk in der

astronomischen Grundbedeutung zwei verschiedene Ersatz-Neologismen

in den Wörterbüchern geführt, aber offenbar verschmäht werden: Bei

Ismail Hakki Danismend, Resimli Büyük Dil Kilavuzu 1938, Bd. 3,

findet sich das Äquivalent ardag, das man jedoch bei Aöakay, Türkge

Sözlük, 3. Aufl. 1959, vergebens sucht; dort ist peyk mit uydu wieder¬

gegeben. Übrigens verfügt auch das Aserbaidschanische über das

persische Lehnwort peyk. Es konnte daher auf die Übemahme des

russischen sputnik — das sich in der deutschen Umgangssprache schlag¬

artig durchgesetzt und eine einzigartige Rolle als Modewort gespielt

hat* — verzichten und nennt den künstlichen Erdsatelliten sün'i peyk.

Eine rein türk. Entsprechung ist mir bisher nur für das Karakalpak.

{zer zoldasi) bekannt geworden.

Ein weiteres Beispiel betrifft ein Wort, das in den meisten Türksprachen vertreten ist : Die Bezeichnung für den im alten zentralasiatisch-türkischen

Brauchtum bedeutungsvollen Wettlauf, bzw. das Pferderennen, die in

den Oghusensprachen, im Tatarisch-Baschkirischen und neuerdings

auch in der altaischen Schriftsprache yariS lautet, mit den Varianten

zaris (Kasach.- Karakalpak.), zariS (Kirgis.), cariS (Tuvin.) und caris

(Chakass.). Dieses Wort bezeichnet in den meisten der genannten Türk¬

sprachen heute auch den sowjetischen Terminus ,, sozialistischer Wett¬

bewerb", der sinngemäß dem kapitalistischen Begriff ,, Konkurrenz"

recht nahe kommt. (Das osmanisch-arabische Äquivalent müsabaka

kann eben diesen letzteren Begriff genau ausdrücken, während seine

Varianten im Usbekischen und Neuuigurischen, mu^säbaqa und musabiqä,

ansteUe des dort fehlenden yaris für den Wettbewerb im Sport und in

der sozialistischen Produktion gebraucht werden.) Nur chakass. caris

" Vgl. G. Kandlbe, „Sputnik". Zur Geschichte einer Wortung. {Sprach¬

forum III, 1958, S. 33—43.) — Aucb das Suaheli hat sputniki; vgl. E. Dam¬

mann in OLZ 60 (3/4), S. 205. Im Arab, wird qamar („Mond", „Trabant"

[astr.]) auch für den Begriff „künstl. Erdsatellit" gebraucht.

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Neologismen xmd Terminologie in den heutigen Türksprachen 281

und alt. yariS sind nach wie vor ausschließlich in der alten, konkreten

Bedeutung in Gebrauch. Für den neuen Begriif ziehen diese Sprachen

das ihnen zugängliche Lehngut, also mongolische Wörter, heran. — Der

hier vorliegende Ubergang vom Konkretum zum Abstraktum spielt

natürlich in Sprachen, die unter dem Einfluß eines Kulturwandels stehen

(und dies gilt für die Türksprachen der Sowjetunion in besonderem Maße),

eine wichtige Rolle.

Auf die weohselvoUe Geschichte der Sprachreform in der Türkischen

Republik, deren einzelne Phasen eng mit der innenpolitischen Entwick¬

lung des Landes zusammenhängen, braucht hier nicht näher eingegangen

zu werden. Sie ist des öfteren in der Fachliteratur behandelt worden.

Es genügt der Hinweis auf die Tatsache, daß die eingebürgerten Lehn¬

wörter sich auch nach mehr als dreißigjährigen Versuchen einer ver¬

meintlichen ,, Türkisierung" der Sprache behaupten. Man hätte zu¬

treffender von einer ,,Sprachreinigungsbewegung" zu sprechen, denn

der Begriff „Sprachreform" legt den Gedanken an einen abgeschlossenen

Prozeß nahe, von dem bekanntlich nicht die Rede sein kann. Zur gegen¬

wärtigen Situation sind kurz einige Fakten festzuhalten :

In den fünfziger Jahren wird die Einstellung zu den Neologismen des

Türk Dil Kurumu zum Politikum im vollen Sinne des Wortes. Nach den

Ereignissen des 27. Mai 1960 erhalten die puristischen Tendenzen neuen

Auftrieb. Der Erlaß 27—4293 vom 28. Januar 1961 weist die Regierungs¬

stellen an, nichttürkische Bezeichnungen zu vermeiden, wenn ,, rein-

türkische' ' Äquivalente vorhanden sind. An die Stelle der herkömmUchen,

unter der Regierung Menderes wieder zu Ehren gekommenen Izafet-

konstruktionen §ürayi Devlet, Divan-i Muhasebai, Mahkeme-i Temyiz

(,, Staatsrat", ,, Rechnungshof", ,, Kassationsgerichtshof") treten erneut

die Neologismen Dani§tay, Sayi§tay und Yargüay. Unter anderem

wird auch das Landwirtschaftministerium nun wieder Tarim Bakanli^

genannt, nachdem das puristische Desinteresse der Vorgängerregierung

die Rückkehr der alten Bezeichnung Ziraat Vekdleti ermöglicht hatte.

Das Ministerium der öffentlichen Arbeiten heißt wieder Bayindirlik

Bakardiffi statt Nafia Vekdleti*. Mit den sprachlich vielleicht noch

vertretbaren Neubildungen samk und tamk für maznun (,,Angeklagter")

und §ahit („Zeuge") findet auch das groteske genel für umum (allgemein") wieder vollen offiziellen Rückhalt*.

Jede Seite einer türkischen Tageszeitung von heute spiegelt den un¬

vermindert andauernden Gärimgsprozeß wieder, der das sprachliche

* Zeitweise waren auch mildere sprachliche Assimilationen, wie vekiUik,

Temyiz Mahkemesi usw. gebräuchlich.

* Dil Devriminin 30 Yiti, Ankara (Türk Dil Kurumu) 1962, S. 64.

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mm

282 H. Wilfbid Bbands

Leben der Türkischen Republik in Unruhe hält. (Die Autoren der

Belletristik pflegen sich dagegen ün allgemeinen durch einigermaßen

neutrale Wortwahl außerhalb der Kontroverse zu halten). Immerhin

bemüht sich die Zeitungssprache, jedem das Seine zu geben, indem sie

die Neologismen häufig mit den alten Wörtem abwechseln läßt, wobei

die letzteren für die Schlagzeilen bevorzugt werden. Hierfür seien einige

aktuelle Beispiele angeführt :

1. (Schlagzeile) : Sovyetler Fezada büyük ba§an sa^ladi

(Text): Sovyetlerin MZ&y ara§tirmalari ...

{,,Die Sowjets haben einen großen Erfolg im Weltraum errungen" —

,,Die Weltraumforschungen der Sowjets. ..")

2. (Schlagzeile): Demirel'in babasi. . .Belediye Reisi oldu

(Text) : Belediye B a § k a n i segildi^ini ... ö^renmi§tir

(„Der Vater D's wurde Bürgermeister" — ,,er erfuhr. .., daß er zum

Bürgermeister gewählt worden war")

3. (Schlagzeile) : GmWe j/apttew nümayi§te krai aleyhineSöder söylendi

(Text) : Drama ve Kilis §eherlerinde gösteriler olmu§tur.

(„Bei der Demonstration auf Kreta wurden Äußerangen gegen den

König laut" — ,,Inden Städten D.und K. gab es Demonstrationen.")

Die drei Beispiele aus ein und derselben Zeitungsausgabe« weisen

deutlich auf die sekundäre Position der Neologismen hin, zeigen zugleich

aber auch die an sich gegebenen Möglichkeiten zur Bereicherung des

Synonymenbestandes durch Neubildungen. Freüich dürfen diese nicht

als so sprachfremd empfunden werden, wie es für viele Neologismen

zutrifft, die im Türkeitürkischen der letzten Jahrzehnte reine Papier¬

wörter geblieben sind.

Wenn wir uns nun den übrigen Türksprachen zuwenden, so stellen

sich folgende Fragen : 1. Gibt es auch dort eine Neologismenproduktion

in der Absicht, „fremde Elemente" aus dem Wortschatz zu entfernen?

2. In welcher Art erfolgt die Wiedergabe der neuzeitlichen Terminologie ?

3. Ist es richtig, von einer ,, Russifizierung" des Wortbestandes der

Türksprachen innerhalb der Sowjetunion zu sprechen ?

Für diese Überlegungen ist zu unterscheiden zwischen den vorrevolu¬

tionären türkischen Schriftsprachen — wozu das Aserbaidschanische,

das Kasantatarische, das Kasachische und das Usbekische als Fort¬

setzung des Tschaghataischen (diese Vereinfachung möge hier aus

praktischen Gründen erlaubt sein) zu rechnen sind — und denjenigen

türkischen Volksidiomen oder Stammessprachen, die erst nach 1917

ihre schriftsprachliche Fixierang erfahren haben. Zur letzteren Gruppe

Tercüman, Istanbul, vom 20. 7. 1965.

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Neologismen und Terminologie in den heutigen Türksprachen 283

gehören vor allem die südsibirischen Türksprachen, das Kirgisische, das

Türkmenische und das ,,Neuuigurisclie".

Die älteren Schriftsprachen waren nach 1920 ausnahmslos von

Sprachreinigungsbestrebungen beeinflußt, die an die SteUe arabisch¬

persischer oder russischer, bzw. russisch-gemeineuropäischer Lehnwörter

türkische Neuprägungen setzen wollten. ParaUelen zur osmanischen

Sprachreformbewegung, und zwar zu ihrer frühen, noch nicht offiziell

gelenkten Phase, ergeben sich dabei am ehesten im Aserbaidschanischen.

(In geringerem Ausmaß sind sie auch im Kasantatarischen, das ebenfalls

osmanische Einfiüsse aufgenommen hatte, feststeUbar). Bei der engen

Zusammengehörigkeit der beiden westoghusischen Spraohen ist es nicht

verwunderlich, daß das Aserbaidschanische zwischen 1900 und etwa

1930 starke Osmanisierungstendenzen zeigte, die vor allen aus den engen

Kontakten der Schriftsteller der vorrevolutionären liberalen und sozialen

Aufklärungsliteratur mit literarischen Kreisen Istanbuls resultierten.

So schrieb beispielsweise Hüseyin Öävid (1882—1944), einer der

führenden Vertreter dieser Richtung, noch in der zweiten Hälfte der

zwanziger Jahre in einer aserbaidschanisch-osmanischen Mischsprache.

Charakteristisch dafür ist vor allem die Wortwahl, wie galpag statt

papag (,,[Pelz]mütze"), gac statt negä (,, wieviel"), goga statt är (,, Ehe¬

mann"), eyi statt yaxSi (,,gut"), äkmäk statt cöräk (,,Brot"), köy statt känä (,,Dorf"), omuz statt öiyin (,,Schulter"), calmag statt oyurlamag (,, stehlen"), cälik statt polad (,, Stahl"), simdi statt indi (,, jetzt") usw.'

Gegen ,,Osmanismen" dieser Art wmrde etwa ab 1930 in Baku aUergisch

reagiert.

Schon 1922 hatte die aserbaidschanische Sowjetregierung einen

„Terminologischen Ausschuß" {Istildh Komitesi) damit beauftragt,

,,rein türkische" Wörter als Ersatz für arabisch-persisches und anderes

Lehngut vorzuschlagen. Der bekannte aserbaidschanische SchriftsteUer

MxEZÄ Ibeahimov (geb. 1911) gibt in einem seiner sprachkritischen Auf¬

sätze einige Beispiele für die damals entstandenen Neologismen, wie

toplantay für dövlät („Staat"), girilgan sulari für mä'dän sulari („Mineral¬

wässer"), yayxari für metal, yasay für ähali (,, Bevölkerung"), bürüyän für mühit (,, Ozean"), ba^ovilax für räsad^ana (,, Observatorium"), törädiS für sänaye (,, Industrie"), baSmag für prezident und reisigümhur.

(Eine besonders verunglückte Schöpfimg, da baSmaq schon bei KÄäoAEi

in der Bedeutung ,, Schuh" belegt ist — auch türk. Lehnwort in Russ. —

und diese, oder die von „Pantoffel", in vielen Türksprachen, z.T. als

Rückentlehnung aus dem Russischen, noch hat), AUe diese Konstruk-

' HüSEYN Öavid, Pyeslär, Baku 1963 (Originalfassungen mit Wörter¬

verzeichnis im Anhang).

19 ZDMG 116/2

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284 H. Wilfbid Bbands

tionen wurden, wie Ibeahimov schreibt, ,,voin Leben wie Kehricht

beiseitegeworfen' '*.

Die Ablehnung der ,, nationalen" Kunstwörter besagt aber nicht, daß

man sich in Aserbaidschan etwa im Prinzip für russische Termini ent¬

schieden hätte. Russische Wörter, davon allerdings mehr als 50% inter¬

nationale Bezeichnungen wie maSin, agregat, komplekt, elastik usw.,

wurden in großer Zahl für die Fachterminologie der Erdölindustrie und

allgemein für die industrielle Technik übernommen. Sie sind dagegen

z.B. in der Physik nur in verschwindend geringer Zahl anzutreffen, weil

hier die arabisch-persischen Lehnwörter nahezu alle Bezeichnungen

adäquat auszudrücken vermögen*. Auch die aserbaidschanische Ver¬

waltungssprache kommt überwiegend mit den traditionellen Mitteln aus.

Der Verfassungstext der Azerb.SSR enthält zwar eine Anzahl russisch-

internationaler Termini (wie diktatura, proletariat, imperialist hurzuazi-

yasi, depvJtai, organ usw.), hält aber z.B. an arab. nazir für „Minister"

fest, während alle anderen Türksprachen im Sowjetbereich, auch das

Usbekische und Tatarische , heute ministr haben. Für den BegriflF ,, Wahlen' '

wird der türkische Neologismus secki (türkeitürk. segim, türkmen. saylav,

usbek. saylav, tatar. u. kasach. etc. saylau) verwendet*".

Auch die übrigen heute gebräuchlichen Neubildungen des Aserbai¬

dschanischen sind überwiegend Ableitungen von Verbalstämmen und

fügen sich unauffällig dem lexikalischen Bestand ein, wie die Beispiele

sürü^ü („Autofahrer", ,, Pilot"), gösteriä (,, Anweisung", ,, Direktive" —

vgl. die obengenannte homonyme Prägung des Türkeitürk, für ,, Demon¬

stration") und dayana^ag (,, Haltestelle") zeigen. Die Zahl solcher

Neologismen ist aber im Aserb. nicht allzu groß; es verdient Interesse,

daß selbst ausgesprochen tagesbedingte Ausdrucksnuancen gern mit

herkömmlichen Mitteln wiedergegeben werden. Hierfür seien zwei

originelle Proben aus der Gegenwartspresse Bakus herangezogen : 1. Die

übliche aserb. Bezeichnung für den Begriff ,, Geheimagent", die wie im

Türkeitürk. — wo das ,, Reform wort" ga§it nur auf dem Papier steht —

^a^stis lautet, setzt eine negative Bewertung des Begriffes voraus, denn

das Wort bedeutet ja an sich ,, Spion". Es muß also eine andere Ent¬

sprechung gesucht werden, wenn es darum geht, einen ,, positiven"

Geheimagenten, der sich um das Vaterland verdient gemacht hat, zu

bezeichnen. In diesem Fall wird das Wort käSfiyyätöi (eigentlich ,,Ent-

* M. Ibbahimov, Dilimizin inkiSaf yollari hagginda (in Azärhaygan dili,

Aufsatzsammlung), Baku 1958, S. 34.

' S. z.B. V. P. Dbmkoviö, Fizikadan suallar vä mäsälälär (Lehrbuch f. d.

9.—11. Kl.), Baku 1964.

*" Azärbaygan Sovet Sosialist Respublikasinin Konatitusiyasi {Äsas

ganunu), Baku 1965.

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Neologismen \md Terminologie in den heutigen Türksprachen 285

decker", ,, Forschungsreisender") verwendet. 2. Seit einigen Jahren ist

das russische abstrakcjonizm, in der abschätzigen Bedeutung ,, Hinneigung

zur Abstraktion in der bildenden Kunst", häufig in der Sowjetpresse zu

finden. Die Publizistik Aserbaidschans hat, anstatt den russischen Ter¬

minus zu übernehmen, das arabisch-türkische Äquivalent mügärrädöilik

vorgezogen.

Zu den spraohreformerischen Tendenzen in der Frühzeit der usbeki¬

schen Schriftsprache („Enttschaghataisierung") und zu den sprach-

und kulturpolitischen Problemen der Türkvölker am Anfang der sowjeti¬

schen Ära allgemein gibt die Darstellung von J. Castaqn^; in der Revue

du Monde Musulman 56 (1923), S. 1—261, manchen Hinweis (s. vor

allem S. 218).

Bei den nachrevolutionären Schriftsprachen ergibt sich ein

anderer Aspekt. Hier war jeweils eine große Anzahl neuer Begriffe zu

bezeichnen, die in den Volksdialekten nicht existiert hatten. Dabei be¬

stand die Alternative zwischen der Übernahme russischer und der Neu¬

bildung türkischer Wörter. Das Eindringen zahlreicher russischer tech¬

nischer, administrativer und gesellschaftlich-politischer Termini in

sämtliche Türksprachen der Sowjetunion bleibt hier, als bekannte Tat¬

sache und Konsequenz historischer Kontakte von regional verschiedener

Dauer und Intensität, ausgeklammert. Es genügt, daran zu erinnern,

daß russische Wörter z.B. im Kasantatarischen etwa seit dem 17. Jh.

vorkommen. Teilweise sind sie — wie das kasach. bolis aus russ. volost'

„Aantsbezirk" — vöUig assimiliert worden. Der ümfang dieser alten

Entlehnungen ist begrenzt; wahrscheinlich ist die Zahl der aus den

Türksprachen ins Russische eingegangenen Wörter erheblich größer.

Im Gegensatz zur Situation in der Türkei ist die Kontroverse um die

Terminologie und die Neologismenfrage in der Sowjetunion heute einiger¬

maßen zur Ruhe gekommen. Die Ergebnisse der langjährigen, auf zahl¬

reichen zentralen und regionalen Konferenzen ausgetragenen Ausein¬

andersetzungen haben inzwischen in den Spalten vieler türksprachiger

terminologischer Wörterbücher ihren Niederschlag gefunden. In der

Entwicklungsgeschichte der heutigen türkischen Schriftsprachen der

UdSSR war zweifellos der Turkologenkongreß in Baku (26. 2.-6. 3.

1926) das dominierende Ereignis. Th. Menzel ist ein umfassender

Bericht darüber zu verdanken, dem heute Quellenwert nicht nur zur

Frage der Alphabetsreform, sondern auch zu allen anderen Problemen

der Herausbildung neuer Schriftsprachen, einschheßhch der Termino¬

logie, zukommt**. Hier kann nur einiges aus der vielfältigen damahgen

11 Der Islam, 16 (1927), S. 1—76,169—228. S. a. JBetwe du Monde Musulman

63 (1926), S. 15—126: Bakou, Centre d'une nouvelle culture.

19»

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286 H. WiLFEiD Brands

Thematik angedeutet werden. Bekannthch wurde in Baku die Einführung

des lateinischen Einheitsalphabets — das dann auch für nichttürkische

Sprachen angewendet wurde — beschlossen, nachdem das Aserbai¬

dschanische (in der Bezeichnungsweise jener Jahre noch ,, Türkisch") in

der Reform bereits vorangegangen war.

Die verschiedenen Wege der terminologischen Reform und Neu¬

prägung, die damals noch gleichermaßen zur Diskussion standen, sind

von einem der Kongreßreferenten von 1926 so gekennzeichnet worden:

,,Die 'Panislamisten' bemühen sich, ein Maximum arabisch-persischer

Termini beizubehalten. Die 'Europäisten' wollen ein Maximum an

Emopäismen einführen. Die 'Osmanisten' wollen ihre Sprache direkt

durch die Konstantinopler osmanische Literatursprache ersetzen. Die

'Pantürkisten' wollen eine allgemeine türkische Literatursprache von

Stambul bis Kaschgar schaffen*^. Die fünfte Gruppe will die Volkssprache

zu literarischer Geltung bringen". **

Fünfundzwanzig Jahre später gab N. A. Baskakov einen Überblick

über die Entwicklung der türkischen Schriftsprachen der Sowjetunion,

der zwar unter dem Druck der sprachtheoretischen Äußerungen Stalins

von ideologischem Ballast beeinträchtigt ist, aber doch dokumentarischen

Wert besitzt**. Er liegt auch in einer dmch kritische Anmerkungen von

St. Wubm bereicherten englischen Übersetzung vor.

Zu den Sprachreinigungstendenzen schreibt Baskakov u.a. : ,,In den

frühen Entwicklungsphasen wurden die Schriftsprachen durch die

Nationalisten eifersüchtig vor der Einführung zu vieler russischer und

internationaler Wörter und Ausdrücke bewahrt. Diese wurden künstlich

ersetzt; in einigen Sprachen durch arabische und persische Wörter, die

den breiten Massen nicht geläufig waren, in anderen durch fabrizierte

,, nationale" Wörter und Ausdrücke, die aber ebenso fremd und unver¬

ständlich blieben."**

Für einige vielgebrauchte Termini des modernen Lebens werden heute

in fast aUen Türksprachen der ÜdSSR die russischen Wörter verwendet;

so für ,, Flugzeug" (samolet), ,,Zug" (poezd), ,, Lokomotive" (parovoz) und ,, Dampf er" (parochod). Ebenso gelten die internationalen Bezeichnungen

** Diese Möglichkeit hielt auf dem Kongreß von Baku auch A. N. Samo¬

jloviÖ noch für gangbar, natürlich imter Ausklammerung des Tschuwa¬

schischen und des Jakutischen.

lä Menzel, a.a.O., S. 76.

1* Razvitie jazykov i pis'mennosti narodov SSSR (na materiale tjurkskich

jazykov) in Voprosy jazykoznanija 1952 (3), S. 19—44; engl. Übers.: The

Turkic Languages oj Central Asia. Problems oj planned culture contact.

2. Aufl. London (Central Asian Research Centre) 1960. — Vgl. J. Benzing,

ZDMG 106 (1956), S. 391—392.

" A.a.O., S. 32.

(9)

Neologismen und Terminologie in den heutigen Türksprachen 287

tralctor und velosiped überall. Es gab aber Versuche, diese Wörter durch

spracheigene Äquivalente zu ersetzen, die man nicht einmal als künstliche

Neologismen, sondern größtenteils eher als volkstümlich metaphorische

Umschreibungen bezeichnen kann, wie sie für einen weniger entwickelten

Zivilisationsstand auch in anderen Spraohfamilien typisch sind. Hierfür

einige Beispiele:

1. ,, Flugzeug": türkmen. läcin („Falke", noch gebräuchlich);

neuuigur.g^wMür qtiä (,,Donnervoger'); tuvin. «aar x^'>ne (,, fliegendes 33oot", erst in den vierziger Jahren endgültig durch samolet verdrängt,

das oS'enbar nur im Tkm., im Aserb. [täyyarä] und ira Neuuigur.

[aeroplan] nicht die einzige Entsprechung darstellt).

2. ,,Zug" : usbek. ateSarava; neuuigur. ot harvu; kasach. otarba (,, Feuer¬

wagen"); türkmen. noch heute ötli (,,der Feurige") neben poezd;

aserb. gatar; sonst überall das russ. Wort.

3. Lokomotive" : kasach. qaraayyir (,, schwarzer Hengst").

4. „Dampfer": kasach. otkeme (,, Feuer boot").

5. Traktor": usbek. ot amac („Feuerpflug"); neuuigur. güidür qoS

(, ,Donnergespann' ').

6. ,, Fahrrad": neuuigur. Säytancaq (,, Teuf eichen" ); karakalpak.

say tan arba (,, Teufelswagen").

7. jjAutomobil": tuvin. ottug terge (,, feuriger Karren"; auf das mongol.

terge[n] geht russ. telega zurück). Jetzt nur noch avtomobil.

8. ,, Klavier": kasach. küysandiq (,, Melodie-Kiste", heute dafür

aUgemein das russ. piyanino).

9. J.Vorsitzender": kasach., kirgis. töraya (,,der Ältere, der am

Ehrenplatz [des Zeltes] sitzt"; kasach. heute nur noch das russ.

predsedatel' ; im Kirgis. daneben noch töraga; karakalpak., türkmen.

daneben basl'iqlbasliq; tatar. daneben räis; usbek. nur rais; neuuigur.

räis und baSliq, aserb. nur sadr).

10. Sauerstoff ", ,, Wasserstoff", „KohlenstofF": usbek. accil,

suvcil, kömircil; kasach. ottegi, sutegi, kömirtegi. Die usbekischen

Entsprechungen sind heute verschwunden, statt dessen werden, wie

in fast allen Türksprachen der UdSSR, die russ. Wörter kislorod,

vodorod, uglerod gebrauoht, gelegentlich aber auch die internationalen

Termini hidrogen, oksigen, karbon (im Aserb. nur diese). Die kasachi¬

schen Neologismen gehören dagegen nooh zum aktiven Wortbestand***.

15a Y. Kamal (Hrsg.), Häzirgi zamän üzhek tili, Taskent 1957, S. 107;

A. Kaydakov (u.a.), Hazirgi zaman uyyur tili 1, Leksika vä fonetika,

Almuta 1963, S. 87; A. Pal'mbach, Razvitie i soversenstvovanie tuvinskogo

jaz;yka (Gordlevskij-Festschr., Moskau 1953, S. 212—213); M. C. Sat, 25 let

tuvinskoj nacionarnoj pis'mennosti, in U&enye zapiski Tuvinskogo nauöno-

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288 H. Wilfbid Bbajtds

Die Möglichkeiten der Wortschatzerweiterung mit spracheigenen

Mitteln — also ohne Übernahme von Lehngut — sind in allen Sprachen

ziemlich die gleichen. Sie lassen sich folgendermaßen gliedern:

I. Lehnübersetzung

II. Bedeutungsveränderung (meist im Sinne der Bedeutungserweiterung bei bereits vorhandenen Wörtern)

III. Wortverbindungen

IV. Ableitungen (mit Hilfe der Wortbildungselemente aller Kategorien)**.

Die praktische Anwendung dieser Möglichkeiten in verschiedenen

Türksprachen wird aus den folgenden Beispielen ersichtlich.

I. Lehnübersetzung :

1. „Eisenbahn": tuvin. demir oruq („Eisenweg", entsprechend der Ver¬

bindung demir yol — mit ihren phonetischen Varianten wie tatar.

timer yul usw. — in allen übrigen Türksprachen außer dem Tschuwasch. ,

wo sie cugun sui, „gußeiserner Weg", lautet). Vgl. die Parallelen in den

meisten europäischen Sprachen, sowie arab., pers., tadschik., kurd. usw.

2. ,, Verlag" : tuvin. nom ündürer ceri (,,Ort, wo man Bücher herausgibt" ;

Umschreibung, die das Bestreben nach sprachlicher Eigenständigkeit

zeigt; die benachbarten Schriftsprachen Altaisch imd Chakassisch

haben nur das russ. izdatel'stvo).

3. ,, Kindergarten" : kasach. balalar baqSasi, kirgis. entspr. phonet.

Variante; altaisch haldardiii sadi, chakass. olyannar sadi; tuvin.

uruylar sadi; nog. balalar sadi; kumük. das russ. detskij sad.

4. ,, Volkswirtschaft": kas. xö^% äaruuSiliyi; kirgis. el carbasi; usbek.

xalq xozaligi, türkmen. entspr. Variante; neuuigur. xälg egiligi.

5. ,, Arbeiterklasse": tuvin. azilcin angi; alt. iSmekci klass; chakass.

toyiSci klass; kasach. zumisSi tabi; kumük. iSci klass; usbek., türkmen.,

tatar./baskir. iSciler sinfi mit phonet. Varianten; aserb. fählä sinfi;

aber nog. die unübersetzte russ. Vorlage rabocij klass.

6. ,, Ehrenbürger ": aserb. fäxri vätändaS.

7. ,, Personenkult" : aserb. Säysiyyätä pärästiä; türkmen. Saxsiyet kul'tu;

balkir. Säxes kuVte; mehr umschreibend: kirgis. zeke adamga siyinü;

chakass. alin^a kizinirjb kul'ti.

issledovatel'skogo instituta jazyka, literatury i istorii 3, Kyzyl 1955, S. 9,

zit. boi Baskakov, Tjurkskie jazyki juinoj Sibirii (Mladopis'mennye jazyki

narodov SSSR, Moskau 1959, S. 141—169); S. Sabybaev, 1920—1930

zildarday'i ädebi tildin tarixina qatisti keyhir mäseleler, in Qazaq tili tarixi

men dialektologiyasinin mäseleleri 5, Almaty 1963, S. 5—18. — Darüber

hinaus wurden für diese und die folgenden Beispiele die gängigen russisch-

türksprachigon Wörterbücher herangezogen, so daß auf die Angabe der

Belegstellen verzichtet werden kann.

*° Baskakov führt in der genannten Darstellung als weitere Kategorie

nooh die Abkürzungen an, die jedoch nur eine reduzierte Form der Lehn¬

übersetzung darstellen.

(11)

Neologismen und Terminologie in den heutigen Türksprachen 289

8. ("Übersetzung ganzer Begriffsgruppen):

a) „Politische Massenarbeit": kasach. sayasi-köpsilik zumisi.

b) „Der Große Vaterländische Krieg": usbek. Uluy Vatan uruSi;

kasach. UU Otan soyisi; karakalpak. Ulli Watandarliq uris; kirgis.

Ulü Ata Mekendik SoguS; tatar. Böyek Vatan sugiM (baschkir.

entspr. Variante); umschreibend im Altaischen: Ada-Töröl ucun

Ulu yü.

II. Bedeutungsveränderung :

(Dieser Kategorie kommt natürlich über die hier ausschließlich zu

besprechende moderne Terminologie hinaus eine allgemeine semasiologi¬

sche Bedeutung zu. Sie wird an dieser Stelle nur kurz berührt. Im

Rahmen einer größeren Arbeit über den Wortbestand der Türksprachen

versuche ich sie ausführlich und unter verschiedenen Aspekten zu be¬

handeln).

1. gesamttürk. oq, ux usw., Grundbedeutung ,, Pfeil", schon bei Radloff

in einigen Dialekten in 2. Bedeutung ,,Gewehrkuger' ; heute auch

„Artilleriegeschoß" (aserb. und kumük. aber nur top külläsi, top güllä).

2. gesamttürk.iamya usw.(„Brandmarke", „Eigentumszeichen", ,, Siegel"

usw.) kirgis. auch „Druckbuchstabe", ,, Letter". Der neue Begriff ist

damit nicht nur adäquat, sondern auch sprachlich schön wieder¬

gegeben. (Altaisch, chakass., nog.: bukva, das russ. Wort, das auch

im Kumük. neben dem arab. garp < harf der islamischen Türk¬

sprachen gebraucht wird. Das Tuvin. hat üzük, eine mongol. Ent¬

lehnung).

3. kasach. qun (,, Blutgeld" < pers. hün ,,Blut"), heutige Bedeutung J.Warenpreis".

III. Wortverbindungen :

a) eigentliche Verbindungen :

1. kasach. közqaraS (,, Augen-Schauen" = ,, Weltanschauung"). Ent¬

sprechende Bildung im Neuuigur. Dagegen sind aserb. dünyagörüSü,

türkmen. dünya garaS, usbek. dunyäqaras usw. Lehnübersetzungen.

Das Nog. hat auch hier das russ. Wort (mirovozzrenie), wie es aU¬

gemein über weniger Eigenbildungen verfügt als selbst die süd¬

sibirischen Türksprachen.

2. kasach. zarissöz (,, Wettstreit-Wort" = ,, Debatte").

3. kasach./karakalpak. baspasöz, kirgis. basmasöz (,, Druck-Wort" =

,, Presse"). Altaisch, chakass. und nog. das russ. pecat', tuvin. das

mongol. parlalga ; in den islamischen Türksprachen außer den drei

obengenannten die Varianten von arab. maßü'ät.

b) Wortpaare:

1. tuvin. azil-agiy (,, Arbeit-Fluß" = ,, Wirtschaft").

2. altaisch ep-süme (,,Geschicklichkeit-EinfaU" = „Methode").

(12)

290 H. WnFRiD Brands, Neologismen und Terminologie

IV. Ableitungen :

Bei dem Reiohtum der Türksprachen an Wortbildungselementen und

der fast uneingeschränkten Anwendbarkeit der letzteren ist es nahezu

zwangsläufig, daß der größte Anteil der Neologismen auf diesem Wege

zustandekommt. Dies gilt sowohl für die Sprachen mit arabisch-persi¬

schem Lehngut, mit Einschluß des Türkeitürkischen, als auch für

lexikalisch ärmere wie die südsibirischen Türkspraehen, die z.T. auoh

mongolische Formantien verwenden und unter denen vor allem das

Tuvinische sehr produktiv an inneren Neubildungen ist.

1. tuvin. oredilge ,, Lehre", ,, Theorie", ,, Unterricht".

2. tuvin. örülge ,,Satz" (typograph.), örükcü ,, Setzer".

3. tuvin. bildiriSkin ,, Erklärung".

4. tuvin. turguzüSqun ,,Bau", ,, Auf bau".

5. aserb. tikinti ,,Bau".

6. kasach. qondirma ,, Auf bau", ,, Unterbau".

7. kasach. basqarma ,, Verwaltung".

8. kasach./karakalpak. uSqiS, neuuigur., kirgis, ucquc, tuvin. uzvduqcu,

usbek., tatar. ucuci (kumük. entspr. Variante) „Flieger", ,, Pilot".

Türkmen, samolet sürigi, aserb. ebenso und täyyaräci, chakass.,

altaisch und nog. ohne eigenes Wort (russ. Ictcik).

Bei der Assimilation der vielen russisch-internationalen Abstrakta

aus der Politik kommt es natürlich auch leicht zu einer Häufung von

Doppel- und Mehrfachbildungen, zu denen der türkische Formantien¬

reichtum geradezu verleitet. Mit gutem Grund wurde auf dem 2. türk¬

menischen Linguistenkongreß 1954 mehr Sorgfalt im Lancieren neuer

Derivate gefordert. Als negatives Beispiel führten die Kritiker an, daß

u.a. je drei Entsprechungen für die Begriffne ,, Liberalismus" (liberalliq, liberalcilik, liberalizmcilik) und ,, Opportunismus" {opportunistlik, oppor- tunistcilik, opportunizmcilik) geprägt worden waren*'.

Abschheßend ist festzustellen, daß die unvermeidliche russische Be¬

einflussung der Türksprachen der Sowjetunion stets relativ gesehen

werden muß. Ihr Grad ist in den einzelnen Sprachgebieten, bei der

Stadt- imd Landbevölkerung, in den ,, Fachsprachen" und selbst bei

einzelnen Individuen sehr unterschiedlich. Es darf nicht übersehen

werden, daß die technische Spezialausbildung fast immer Zweisprachig¬

keit voraussetzt. Andererseits läßt sich ein sprachlicher Selbstbehaup-

tungswiUe nicht verkennen, der sich besonders deutlich in den Bemü¬

hungen um die neuzeitliche Terminologie ausdrückt.

*' Voprosy jazykoznanija 1956, 2, S. 147—151. — Aus einer statistischen

Untersuchung von L. Hbebiöek, Russian Borrowings in Kazakh, in AO 34

(1966), S. 67—72, läßtsich nooh ein schöner kasach. Parallelfall hinzufügen :

progresSiljprogresaivti/progressivtik/progressivSil für „fortschrittlich" (S. 70).

(13)

Die Beziehungen zwischen Kämasütra und Arthasästra*

Von Friedrich Wilhelm, München

Das Kämasütra des Vätsyäyana hat eine ganze Reihe von Formu¬

lierungen aus dem Arthasästra des Kautalya übemommen. Das

wurde bald nach der Entdeckung des ArthaSästra festgestellt.

Jacobi, Shamasastry, Jolly und J. J. Meyer haben diese Passagen

vergleichend zusammengestellt, auch wiesen sie schon auf den ähnlichen

Aufbau beider Werke hin*. In den Literaturgeschichten von Winter¬

nitz und Keith wird erwähnt, daß der macchiavellistische Geist des

Arthasästra im Kämasütra wiederkehrt^. Ich brauche diese Feststellungen

hier nicht zu wiederholen, möchte statt dessen Beobachtungen über

Stil und Stellung beider Werke vortragen, die bisher noch nicht oder nur

andeutungsweise publiziert worden sind.

Während das Arthaäästra in 15 adhikaranas, 150 adhyäyas und 180

prakaranas eingeteilt wird, umfaßt das Kämasütra 7 adhikaranas,

36 adhyäyas und 64 prakaranas. Im Inhaltsverzeichnis des Kämasütra

werden insgesamt aber 67 prakararias aufgezählt. Ihre Gesamtzahl wird

jedoch mit 64 angegeben, wie es dem laufenden Text tatsächlich ent¬

spricht. Der Fehler liegt im 6. adhikarana : es enthält im Inhaltsverzeichnis

drei prakaranas mehr als es im laufenden Text aufweist. Im Inhalts¬

verzeichnis dieses adhikararia sind das 50., 54. und 58. prakarana in

insgesamt sechs prakararias aufgelöst worden. Vergleichen wir die Titel

der prakaranas:^

* Dieser Aufsatz ist die ausführliche Fassung eines Referates, das ich auf

dem XVI. Deutschen Orientalistentag am 5. 8. 1965 in Heidelberg

hielt.

1 H. Jacobi, Kultur-, Sprach- mid Literarhistorisches aus dem Kautillya,

in: Sitzimgsberichte der Preußischen Akademie der Wissensehaften, Berlin

1911, p. 962f. und Über die Echtheit des Kautillya, ibid, 1912, p. 840—842;

R. Shamasastby, Kautilya' s Arthaiästra (Translation), Mysore 1951*,

Preface, p. Xlf.; J. Jolly, Kollektaneen zum Kautillya Arthaiästra, Zeit¬

schrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Band 68, 1914,

p. 351ff. ; J. J. Meyeb, Über das Wesen der altindischen Rechtsschriften,

Leipzig 1927, Nachtrag, p. 393—414. Vgl. auoh L. Renou, Sur la Forme de

quelques Textes Sanskrits, in: Journal Asiatique, Paris 1961, p. 183—197.

^ Vgl. auoh Sushil Kumab De, Ancient Indian Erotics and Erotic Litera¬

ture, Calcutta 1959, p. 95.

^ Kämasütra zitiert nach der Edition Bombay 1891.

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