Die Miniaturen im Diwan V
von Mir 'Ali Sir Nawä'i der Bibliothek
der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft
in Halle
Ein Beitrag zur Schule von Qazwin
Von GuDBUN Goeseke, Halle
Unter den Handschriften der Bibhothek der Deutschen Morgen¬
ländischen Gesellschaft in Halle verbirgt sich ein in osttürkischer Sprache
verfaßter Diwän von Mir 'Ali Sir Nawä'i^: Acc. 256, Fa 2870/4".
Diese Handschrift verdient es gewiß, einmal näher betrachtet zu werden,
denn es handelt sich um eine prachtvoll illuminierte Luxusausgabe mit
vier ausgezeichneten Miniaturen, die eine wertvolle Ergänzung zu den
bislang bekannten darstellen. Die Handschrift wurde 1857 von O. Blau"
in Persien für die Deutsche Morgenländiscbe Gesellschaft erworben*.
Die Bemerkungen A. Müllebs im Katalog* — „Die Handschrift ist
sehr reich, aber nicht fein ausgeschmückt", „Sie ist nicht datiert, aber
neu" — waren jedoch kaum dazu angetan, etwa den Kunsthistoriker
einzuladen, die nach Müllers Meinung geschmacklos ausgestattete Hand¬
schrift mit ihren „Gemälden, welche die ganze Seite einnehmen", in
seine Studien einzubeziehen. Immerhin erwähnt Bbockelmann, der sie
1 Zu 'Ali Sir Nawä'i (1441/844 H.— 1501/906 H.) vgl. Wilhelm
Babthold, Mir 'Ali Sir und das politische Leben (russ.) in : Mir "Ali Sir Sbornik, Leningrad 1928, deutsche Bearbeitung von Waither Hinz, Herät unter Husein
Baiqara dem Timuriden (Abhandlungen fiu die Kunde des Morgenlandes XXII
8), Leipzig 1938; eine ausführliche Besprechung von Bartholds Arbeit durch
H. Retter in Der Islam XIX 1931, S. 44—49. Eine Biographie mit Auf¬
zählung und Analyse seiner Werke bietet Riza Noub: Ali Chir Növäi
(Revue de Turcologie, No. 5, 1935, S. 5—58. Unser Diwän entspricht in
den ersten vier Gazal dem Diwän Öarä'ib as-sigar, jedoch ist der erste Vers (aSraqat etc.) mit der rechten Hälfte des ursprünglich doppelseitigen 'Un- wäns verlorengegangen.
2 Blaus Biographie: D.Paul Blad, Leben und Wirken eines Ausland¬
deutsohen im vorigen Jahrhundert. Erinnerungen an Dr. Otto Blau. Leip¬
zig 1928. 3 Vgh ZDMG 13. 1859, S. 258 Nr. 15 und S. 340 Nr. 256.
* Katalog der Bibliothek der Deutsohen Morgenländischen Gesellschaft,
II. Handschriften, Inschriften, Münzen, Verschiedenes, Leipzig 1881,
S. 41 ß.
Die Miniaturen im Diwän von Mir 'Ali Sir Nawä'i 289
für seine osttürkische Grammatik heranzog, „eine Anzahl guter Minia-
tiiren"!.
Daß es sich hier um keine junge Handschrift handelt, ergibt sich schon
aus Malstil und Technik der lUuminienmg. Beides weist auf die Schule
von Herät, die zum Ende der Timüridenzeit unter Husain Baiqarä
(1469—1506) in dessen Minister und Freund Mir 'Ali Sir einen Gönner
imd Förderer ihrer Künstler, vor allem Bihzäds, fand. Nach der Er¬
oberung Heräts durch den Safawiden Ismä'il I. (1510) siedelte ein be¬
deutender Teil der Heräter Schule mit Bihzäd nach Tabriz über und
setzte zunächst hier und dann nach Verlegung der Residenz unter
Tahmäsp I. (1524—1576) in Qazwin (ab 1549) ihre Traditionen fort
bis sie zu Beginn des 17. Jahrhunderts unter 'Abbäs I. (1581—1629)
in dessen neuer Hauptstadt Isfahän (seit 1600) von einem neuen Stile,
dessen typischster Vertreter Rizä-i-'Abbäsi war, abgelöst wurden.
Die Künstler, die unter den Safawiden in Herät verblieben waren,
wurden gelegenthch des §aibänidischen Eroberungszuges 'Ubaid
Häns (1534/35) nach Buhärä deportiert, begaben sich aber vielleicht
auch freiwUlig dorthin — es mag sich um Sunniten gehandelt haben —,
und heßen dort die Heräter Schule noch ethche Dezennien weiterleben.
Kühnbl und Diez haben diesen Malstil bereits ausführhch cha¬
rakterisiert". Hier sei unter Hinweis auf unsere Miniaturen noch ein¬
mal das Wesentliche hervorgehoben : Die Malerei ist hier zunächst — auf
iranischer Tradition fußend^ — reine Flächenkunst. Die dargestellten
Figuren und Gegenstände werden wie die Schrift gleichsam aufs Papier
gelegt unter Verzicht auf die Mittel der optischen Verkürzung, die den
Eindruck der dritten Dimension hervorrufen*. Der Fußboden, ein Tep¬
pich oder ein Wasserbassin (vgl. Abb. 3) erscheinen so unserem Auge
von oben gesehen, während alles Darauf befindhche in seiner vollen Höhe
— selbst wenn es sich im Hintergrund befindet — auf diese Flächen
gelegt wird. Die so ausgebreitete Fläche des Untergrundes bietet wie¬
derum genügend Raum, um zahlreiche Personen, die hier im Unter¬
schiede zur vorausgehenden mongolischen Schule in verkleinertem Ma߬
stabe erscheinen, darauf unterzubringen, so daß sie zwar übereinander,
doch durch die Art ihrer Anordnung — schräg oder S-förmig — eine
1 C. Beockelmann, Osttürkische Grammatik der islamischen Litteratur-
sprachen Mittelasiens, Leiden 1954, S. 12.
2 Kühnel, Miniaturenmalerei im islamischen Orient, S. 12; ders.. Is¬
lamische Kleinkunst, S. 45; Diez, Iranische Kunst, S. 150—162.
^ Stchoükine, Les Peintures des Manuscrits Timürides, S. 87 f.
* Pretorius, Persische Miniaturen, S. 8, läßt die Frage offen, ob die
Maler bewußt auf die dritte Dimension verzichten, um etwa ,,der Flächen-
haftigkeit beschriebener Buchseiten nicht eine plastisch tiefemäumliche entgegenzusetzen".
290 Gudrun Goeseke
raumbildende Wirkung erzielen. Als weiteres raumbildendes Mittel
dienen die so beliebten Halbfiguren, die im Hintergrunde hinter den
Bergen, Felsen oder über Brüstungen hervorschauen und das Bild in
einzelne Kulissen aufghedern, ein Stilmittel, das aus Ostasien — Ming-
malerei — entlehnt und über die Mongolen in die Timüridenkunst ge¬
langt ist! (vgl. Abb. 2, 4, 5). Der Maler verzichtet dabei auf plastische
Modellierung durch Farbnuaneen, die Licht und Schatten andeuten.
Auf den blauen oder goldenen Himmel legt er die aus spiralförmigen
Linien gebildeten chinesischen stihsierten T'chi-Wolken (vgl. Abb. 4).
Aus der um viele Farben, besonders gelb und zinnoberrot bereicherten
Farbskala wählt er für die mit streublumenartigen Büscheln und Sträu¬
chern besetzte Erdfläche gelb oder rosa bis hellviolett. Tiefer liegende
Teile des Geländes heben sich dabei im Farbton vom Vordergrrmde ab
(vgl. Abb. 2). Bihzäd liebt es, durch einen Neger die Farbkontraste
zu verstärken". Wir finden diesen Neger auch bei seinem Schüler Mah¬
müd Mudahhib*, und er darf wohl auch als ein Kennzeichen der
Bihzäd-Schule gelten (vgl. Abb. 3 den gelbgekleideten schlafenden
Neger)*.
Können wir unsere Miniaturen auf Grund der stilistischen Kriterien
ohne weiteres der Schule von Herät zuschreiben, so bereitet uns ihre
Zuweisung an einen bestimmten Zweig — Herät, Tabriz/ Qazwin oder
Buhärä — auf Grund deren wir dann etwa auf einen bestimmten Maler
schließen könnten, und die uns eine engere zeithche Abgrenzung für
ihre Datierung ermöglicht — Timüriden, Safawiden oder Saibäniden —
zunächst mehr Schwierigkeiten. Die dargestellten Turbanformen können
uns diese Entscheidung bekanntlich oft sehr erleichtern: So schließt
ein Stabturban'' die Timüriden und Saibäniden aus, denn er weist ein-
! Vgl. Stchoükine, a. a. O., S. 87, ferner Pretorius, a. a. O., S. 0 und
Diez, Die Kunst der islamisohen Völker, S. 187 ff.
2 Vgl. Kühnel, Miniaturenmalerei, S. 28; ders., Islamisehe Klein¬
kunst, S. 50.
' Vgl. seine ,,Alte vor Sangar" aus dem Pariser Nizämi (Bibl. Nat. suppl.
pers. 985) von 1545 (952 H.) in farbiger Wiedergabe bei Blochet, Musul¬
man Painting, Pls. CXIV-CXV; schwarz-weiß: Blochet, Enluminures,
Pls. LII — LIII; Sakisian, La Miniature Persane, figs. 125—126. — Zu
Mahmüd Mudahhib: Sakisian, Mahmüd Mudahhib — Miniaturiste,
Enlumineur et CaUigraphe Persan (Ars Islamiea IV 1937, S. 338—347);
dort u. a. auch eine Abbildung der ,, Alten vor Sangar" und ein Portrait
von Mir «Ali Sir Nawä'i.
* Daß an den Bändern unserer Miniaturen so viele Gesiebter negroid
erscheinen, wird durch eine schwarze Schicht hervorgerufen, die sieh im
Laufe der Zeit der Blätter bemächtigt.
* Vgl. für Stabturbane z. B. „Bahräm Gürs Jagd" aus den Sab'aH saiyära
Nawä'is in der Pariser Hs. der Kulllyät, suppl. tme. 316, geschrieben
1526 in Herät, illustriert in Tabriz (vgl. Kühnbl, Survey III, S. 1873),
TAFEL I
1. Illuminiertes Textblatt (tol. 216 v)
TAFEL II
2. Qabaqspiel (fol. 13 r)
TAFEL IV
4. T^ahräin Giirs Meisterschuß (fol. 53 v)
Die Miniaturen im Diwän von Mir 'Ali Sir Nawä'i 291
deutig auf die Safawiden. Er wurde unter Tahmäsp von 1525 bis
ca. 1550^ getragen, also in den Jahren, in denen Tahmäsp noch in
Tabriz residierte. Das betreffende Bild ist also zwischen 1525 und 1550
in Herät^ oder Tabriz geschaffen worden. Andererseits schließt das
Fehlen von Stabturbanen diese Periode nicht aus, denn diese Kopf¬
bedeckung war nicht allgemein, sondern beschränkte sich auf einen
engen Kreis, von dessen Angehörigen, den Qizilbäsen', sie auch nicht
jederzeit getragen wnrde*. Doch hat man den Eindruck, daß die Maler
jener Zeit, besonders wenn sie Hofszenen — Trinkgelage oder Jagden —
darstellten, nicht gern auf die Wiedergabe von Stabturbanen ver¬
zichteten, selbst wenn sie sich dabei auf einen einzigen beschränkten,
der dann für die Zuweisung des Bildes ausschlaggebend ist. Da sich die
Turbane von Buhärä an den kegelförmig hervorstehenden, längs¬
gerippten Kappen, um die die Turbanbinde gewickelt ist, erkennen
lassen*, bleibt lediglich für die nicht-buhärischen stablosen Turbane die
Frage offen, ob sie timüridisch oder $afawidisch sind. Für die Safawiden
bildet dabei das Ende des 16. Jahrhunderts eine Grenze, denn die volu¬
minösen Turbanformen, die sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts unter
'Abbäs I. in Isfahän herausbilden, kennzeichnen bereits deuthch die
neue Stilrichtung, die sich für uns mit dem Namen Rizä-i-'Abbäsi
verbindet.
Unsere Miniaturen weisen keine Stabturbane auf. Dafür schheßen die
Kopfbedeckungen der dargestellten weiblichen Personen, obzwar sie
hier außerordentlich selten anzutreffen sind, die Timüriden aus, denn
sie gehören der Mode des 16. Jahrhunderts an: Auf der Darstellung vom
Verkaufe Josefs nach Ägypten (Abb. 5) erkennt man auf dem Haupte
farbige Wiedergabe bei Blochet, Musulman Painting, PI. CXXIV; schwarz¬
weiß: Blochet, Enluminures, PI. L; Sakisian, La Miniatme Persane,
fig. 114; Migeon, Les Arts Musulmans, PI. XXIX fig. 2; debs., Manuel
d'Art Musulman, T. I, fig. 30.
1 Vgl. Goetz, Survey III, S. 2248 (Anm. 3 zu S. 2247).
2 Herät verlor auch nach Übersiedlung eines Teiles seiner Kimstler mit
Bihzäd nach Tabriz seine Bedeutung nicht. Hier wirkten z. B. zunächst
noch Mahmüd Mudahhib und 'Abdallah Mudahhib (Mu?awwir),
die später nach Buhärä gelangten. Ersterer scheint freilich bereits vor dem
Falle Heräts (1535) nach dort gegangen zu sein (vgl. Kühnel, Smvey III,
S. 1869).
^ = ,, Rotköpfe", so genannt wegen ihrer roten Kopfbedeckungen. Die
Qizilbäsen waren türkischer Abstammung und bildeten — als Si'itische
Bruderschaft organisiert — bereits imter Ismä'il I. die Hauptstütze des
Heeres. In der Tahmäsp-Zeit kennzeichnet sie ein roter Stab, der aus dem
Turban ragt. Vgl. dazu W. Hinz, Irans Aufstieg zum Nationalstaat, S. 76f.
* Vgl. Sakislan, La Miniature Persane, S. 102, Anm. 3. ■^
' Vgl. Sakisian, a. a. O., S. 92 und Kühnel, Miniaturenmalerei, Abb. 70b.
20 ZDMG 111/2
292 Gudrun Goeseke
der sonst nicht mehr deuthch sichtbaren Zulaihä, die aus der Kamel¬
sänfte herausschaut, die Tiara mit dem nach beiden Seiten des Gesichtes
schweifartig endenden Diadem. Dieser Kopfbedeckung begegnen wir
öfter auf Miniaturen des 16. Jahrhunderts. Berühmt ist das Bildnis des
knienden Mädchens aus der Sammlung Cartier, Paris^, von dem man
früher annahm, daß es um 1500 von Äqä Mirak geschaffen worden sei,
das man jedoch heute Säh Muhammad zuschreibt^, einem Maler, der
im 16. Jahrhundert neben dem ihm stilistisch eng verwandten Sultän
Muhammad am Safawidenhofe tätig war. Überraschend ähnlich ist
das Mädchenbildnis aus dem Louvre, das nach Blochet^ ca. 1505 in
Tabriz gezeichnet worden sein soll. Es dürfte freilich etwas später (unter
Tahmäsp) entstanden sein, denn fast identisch damit ist das kniende
Mädchen auf einer der Illustrationen einer Handschrift der Gazais Sähi
Firüzkühis (Bibl. Nat. Paris, suppl. pers. 1962)*. Die Handschrift
wäre nach Blochet* ca. 1490, also noch zur Timüridenzeit, in Herät
geschrieben worden. Doch dann müßten die Illustrationen dazu be¬
trächtlich später angefertigt worden sein, wie der Stabturban des vor
dem Mädchen knienden Jünghngs verrät. Wenn auch Blochet aus¬
gerechnet diesen Turban als ,, caracteristique de la fin du regne de Sultan Hosain Mirza, et de la domination des Shaibanides sur la Transoxiane"
bezeichnet^, so wird doch diese Behauptung durch Sakisian mit der
Feststellung, daß "le turban en question est purement et simplement
celui des S6f6vis, et le manuscrit n'est par consequent pas du 15^,
mais du 16® siecle" widerlegt'. Die Tiara mit dem geschweiften Diadem
begegnet uns also jedenfaUs nicht vor dem 16. Jahrhundert. Wahr¬
scheinhch kam sie am Safawidenhofe erst unter Tahmäsp als Kopf¬
bedeckung der Prinzessinnen auf. Bei der Illustration von Sagen werden
die Königinnen und Prinzessinnen durch diese Tiara gekennzeichnet.
Auf einer Miniatur der Sammlung Ducote, Paris, aus einer verlorenen
Nizämi-H&ndschrift aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, auf der die so
behebte Szene „Husrau entdeckt Sirin beim Bade" wiedergegeben ist,
sieht man bei Sirins Kleidern, die sie während des Bades in einem Baume
aufgehängt hat, auch die betreffende Tiara. Das geschweifte Diadem ist
sehr deuthch im Profil zu erkennen*. Nach Kühnel' erinnert die Aus¬
führung der Malerei an Sultän Muhammad und an 'Abdallah
Mudahhib, wobei wohl ersterer vorzuziehen ist, da 'Abdallah
Mudahhib zu dieser Zeit in Buhärä wirkte. Ebenfalls aus der Mitte
1 Abb.: Sakisian, La Miniatme Persane, fig. 60; Kühnel, Miniaturen¬
malerei, Abb. 57.
2 Vgl. Kühnel, Survey III, S. 1877. ^ Musulman Painting, PI. CXX.
* Blochet, Enluminures, PI. XLVb. ^ Enluminures, S. 92.
« A. a. O., S. 92. 7 La Miniature Persane, S. 92.
« Vgl. Kühnel, Mmiaturenmalerei, Abb. 68. » A. a. O., S. 60 zu Abb. 68.
Die Miniaturen im Diwän von Mir 'Ali Sir Nawä'i 293
des 16. Jahrhunderts stammt eine Einzelminiatur aus einer unbekannten
Handschrift (Sammlung Vever, Paris), auf der Salomo mit der Königin
von Saba, Balqis, auf dem Throne dargestellt ist^. Balqis trägt die ty¬
pische Tiara. Kühnel hat zwar dieses Bild der türkischen Malerei zu¬
geordnet, doch darf man hier wohl mit der Möghchkeit rechnen, daß
es von einem aus Tabriz^ oder Qazwin^ zugewanderten Maler geschaflFen
worden ist, denn eine ganz ähnliche Wiedergabe der thronenden Königin
von Saba — auch hier mit dieser Tiara — findet sich in einer Nizämi-
Handschrift der Bibl. Nat. Paris (Suppl. pers. 1955), die 1561 von
Hairalläh b. Husain Gülabi S us tari für einen türkischen General,
der im Dienste Tahmäsps stand, geschrieben worden ist.* Der Maler
des signierten Bildes, Äqä Bahräm Afsär*, dürfte dieses Büd zwar
in Qazwin gemalt haben, aber wahrscheinhch war er vorher (bis 1549)
in Tabriz tätig, denn der Einfluß Sultän Muhammads auf die Dar¬
stellung Balqis' und der Genien, sowie auf die Wiedergabe des Himmels
mit den Wolken und Vögeln ist unverkennbar. Die Genien erinnern
außerordenthch an die der berühmten „Himmelfahrt Muhammads"
aus dem 1539—43 für Tahmäsp besorgten Nizämi, die man jetzt wohl
allgemein Sultän Muhammad zuschreibt*. Die Dienerin aber, die
mit dem rechteckigen, fahnenartigen Fächer neben Balqis steht, ist ein
ausgesprochenes ,,Muhammadi-Mädchen", d. h. ein Typ, für den
Muhammadi, der Sohn und Schüler Sultän Muhammads, be¬
kannt ist', und auf den wir noch zurückkommen werden, da wir ihm
auch auf einer der Miniaturen unserer Handschrift begegnen. — Auf
einer ca . 1560 von dem Maler GaläladdinBagnawi dargesteUten Szene
des „Saihs von San'än" (Husain Käzargähi, Magälis al-'uSSäq, Bibl.
1 Kühnbl, a. a. O., Abb. 95 und Sakisian, a. a. O., fig. 158.
2 So ging Sultän Muhammad — wahrscheinlich gelegentlich der Ein¬
nahme Tabriz' dmch Sulaimän 1548/9 (in Qazwin, das seit 1549 Haupt¬
stadt war, hat er jedenfalls nicht mehr gewirkt) — nach der Türkei, wo er
ca. 1555 starb. Ferner emigrierten die Tabrizer Maler Säh Quli, Wali
Öän und wahrscheinlich auch Kamäl, ein Schüler Mirzä 'Alis nach dort.
ä Vgl. dazu weiter unten, S. 296.
* Abb. : Blochbt, Enluminures, PI. LXXV.
^ Die Afäären waren einer der Qizilbää-Stämme (vgl. W. Hinz, a. a. O.,
S. 79 zm Gliederung der Qlzflbasen).
« Abb. : Binyon, The Poems of Nizami, PI. XIV (farbig) ; Peetobius,
Persische Miniatmen, PI. 12 (farbig); Blochet, Musulman Painting,
PI. CXXVI; Sakisian, La Miniature Persane, fig. 153; Kühnel, Miniaturen¬
malerei, Abb. 58 (hier schreibt K. das Werk noch Äqä Mirak zu, doch emp¬
fiehlt er, Smvey III, S. 1876 Sultän Muhammad). — Auf dieser Dar¬
stellung erkennt man übrigens auf dem Haupte der rechts unten schweben¬
den Genie auch die Tiara mit geschweiftem Diadem.
' Vgl. Blochet, Enlumüiures, PI. LXXXIV; Kühnel, Müiiaturenmalere
Abb. 67; Sakisian, La Miniature Persane, fig. 160.
80»
294 GuDBUN Goeseke
Nat. Paris, Ms. pers. 426 = suppl. pers. 1559, fol. 90 v) trägt die Christin
die Tiara mit dem geschweiften Diadem^. Schließlich sei noch auf die
Tiara der Zulaihä in einer Handschrift von Husain al-Käsifis
Raitdoi aS-Suhada' (Berhn, Staatsbibl., Kat. Pertsch Nr. 572 = Diez
A Fol. 5, fol. 28r) hingewiesen^, wo dieselbe Szene vom Verkaufe Josefs
nach Ägypten dargestellt wird wie in unserer Handschrift des Diwäns
von Mir 'All Sir. Eine Dienerm, die aus dem Fenster schaut, trägt
hier das gleiche Kopftuch wie die oben erwähnte Dienerin der Königin
von Saba aus dem 1561 geschriebenen Nizämi, den Äqä Bahräm
Afsär iUustriert hat. Dieses kleine dreieckige Kopftuch, dessen vor¬
dere Zipfel entweder lose zu beiden Seiten des Gesichtes herabhingen
oder unterm Kinn zusammengebunden wurden, kam um die Mitte
des 16. Jahrhunderts auf. Es ist die Kopfbedeckung der vorhin er¬
wähnten ,,Muhammadi-Mädchen"*. Nachdem Isfahän im Jahre 1600
Hauptstadt und für die Mode tonangebend geworden war, verschwand
dieses kleine Tuch wieder. Bei Rizä-i-'Abbäsi begegnen wir auch
diesem Mädchen, doch handelt es sich hier wahrscheinhch um Kopien
nach Muhammadi*, die er gegen Ende des 16. Jahrhunderts angefertigt
haben dürfte. So erinnert das Mädchen mit dem Fächer (jetzt Freer
Gallery of Art)* an jenes, das Äqä Bahräm Afiär gewiß ebenfaUs von
Muhammadi übernommen hat. Beide tragen diesen fahnenartigen
Fächer, dessen rechteckige Fläche das gleiche Ornament ausfüllt. Von
Rizä-i-'Abbäsi dürfte auch das elegante Mädchen mit dem Bettler
aus dem Sammelalbum der Bibl. Nat. Paris (Ancien fonds persan 129,
f. 32 r)^ stammen, worauf vor allem die struppige Gestalt des Bettlers
deutet. Das Mädchen mit dem Kopftüchlein erinnert hingegen an Mu¬
hammadi. Dieses Bild muß noch im 16. Jahrhundert entstanden sein,
denn das Sammelalbum, in dem es Aufnahme gefunden hat, ist gegen
Ende des 16. Jahrhunderts ZusammengesteUt worden. Die gleiche Kopf¬
haltung und -bedeckung hat auch eine Dame auf einem Bildnis aus dem
Ende des 16. Jahrhunderts, das die Signatur Sädiq trägt (Bibl. Nat.
Paris)'. Ebenso vornehm und stolz wie die ,, Elegante" zieht sie mit dem
rechten Arm ihre mit Pelz gefütterte Jacke, die sie nur lose umgehängt
hat, hoch, während sie den linken Arm freigibt, um eine Blume in der
Hand zu halten. Schheßlich treten diese Kopftücher noch in einer 1604
datierten Handschrift vonMirhwänds ßaudat as-Safä (Berhn, Staats-
1 Abb. Blochet, Enlummures, PI. LXXVIb.
^ Abb. Gbohmann/Abnold, Denkmäler Islamischer Buchkunst, Tf. 56.
^ Abb. Blochet, Enluminures, PI. LXXXIV ; Kühnel, Mmiaturenmale¬
rei, Abb. 67; Sakisian, La Miniature Persane, fig. 160.
* Kühnbl, Survey III, S. 1890. ^ Abb. Sakisian, a. a. O., fig. 171.
^ Abb. Blochet, Enluminures, PI. LXXIVa und Sakisian, a. a. O.,
fig. 172. ' Abb. Blochet, Musulman Painting, PI. CXL.
Die Miniaturen im Diwan von Mir 'Ali Sir Nawä'i 295
bibl., Or. fol. 169, f. llOr) bei der Darstellung von Lustbarkeiten an¬
läßlieh einer Hochzeit unter der Regierung Alp Arsläns als Kopfbe¬
deckimg der Tänzerinnen in Erscheinung^. Auf der Darstellung von
Bahräm Gürs Jagd^ in unserer Handschrift (Abb. 4) trägt Äzäda eben
dieses selbe Kopftuch, das etwa gleichzeitig mit Tahmäsps Über¬
siedlung nach Qazwin in Mode gekommen sein dürfte und die übhche
Kopfbedeckung der Damen bildete, solange Qazwin Residenz war. Der
Wechsel der Hauptstadt brachte stets auch Veränderungen in der Mode
mit sich. In Qazwin kamen ja auch hinsichthch der Männertrachten die
Stabturbane außer Gebrauch. Nicht nur das Kopftuch, sondern auch
die übrige Kleidung Äzädas stimmt ganz mit der Mode dieser Zeit über-
1 Abb. Gbohmann/Arnold, Denkmäler islamischer Buchkunst, Tf. 67.
2 Es handelt sich um die so oft dargestellte Meistersehußszene : Bahräm
Gür schoß zunächst einem Bock die Hörner ab und verwandelte ihn da¬
dmch in ein weibliches Tier, während er ein solches, indem er zwei Pfeile
wie Hörner auf dessen Kopf setzte, in einen Bock verwandelte. Dann jagte
er dicht über dem Ohr eines Wildesels einen Pfeil hinweg, so daß er streifte,
und während sich das Tier daraufhin mit der Hinterpfote am Ohr kraulte,
vollführte er mit einem Pfeil, der die Hinterpfote am Ohr anheftete, seinen Meisterschuß. Als Äzäda , seine Geliebte, deren Bewunderung er erheischte, daraufhin nur lächelnd bemerkte ,, Übung macht den Meister", warf er sie samt ihrer Harfe vom Kamel und zertrampelte sie. — So endet die Erzählung
nach dem Säh-Näma Firdawsis . Nizämi (Haft Paikar) gibt jedoch
demselben Thema eine andere Wendung: Bahräm Gür befahl, Äzäda töten
zu lassen, doch man verbarg sie in einem Jagdgehege bis Bahräm Gür ihr
später wieder begegnete: Er wunderte sich über eine Frau, die eine aus¬
gewachsene Kub 60 Treppen hoch trug. Als sie auf sein Befragen hin ihrer
Erklärung, daß sie diese Kuh als Kalb immer diese Treppen hinaufgetragen
und das immer weiter so getan habe, bis aus dem Kalb eine Kuh geworden
war, hinzufügte „Du siehst Herr, Übung macht den Meister", erkannte
Bahräm Gür sie wieder und, erfreut, daß sie nooh lebte, versöhnte er sich
wieder mit ihr.
Die ältesten Darstellimgen folgen dem Berichte des Säh-Näma: Hier
reitet Bahräm Gür auf einem Kamel, und Äzäda sitzt mit ihrer Harfe hinter
ihm. Diese Darstellungsweise ist typisch für die frühislamischen Metall¬
arbeiten und für die Keramik am Ende des 12., Anfang des 13. Jahrhunderts.
Die ältesten Miniaturen zeigen ebenfalls Bahräm Gür mit Äzäda auf einem
Kamel. Es handelt sich umSäh-Nama-I\lustTa,tionen, die noch der Mongolen- schule zuzuordnen sind.
In der Schule von Herät wmde sodann die Darstellung nach Nizämis
Haft Paikar beliebter. Bahräm Gür reitet nieht mehr auf einem Kamel,
sondern auf einem Pferde, und Äzäda sitzt mit ihrer Harfe auf einem an¬
deren Pferde am Rande der Szene. Mit dem Aussterben der Schule Bihzäds
verschwindet auch dies Thema nach und nach von der Bildfläche. Auf einer
Lacktruhe Säh 'Abbäs I. v. J. 1609 (1018 H.; Islam. Abt. der Staatl.
Museen Berlin) finden wir die Szene noch einmal dargestellt, doch Äzäda
spielt hier nieht Harfe, sondern beißt sich vor Staunen in den Finger
(vgl. Kühnel, Die Lacktruhe Schah 'Abbas I., S. 53, Abb. 6).
296 Gudrun Goeseke
ein. Sie gleicht von Kopf bis Fuß den Muhammadi-Mädchen mit ihrem
lockeren Mantel'^, unter dessen dreiviertellangen Ärmeln die langen
schmalen Ärmel des enger anhegenden Untergewandes hervorschauen,
das — bei Äzäda nicht so deutlich hervortretend — dmch seinen tief
um die Hüften gebundenen Gürtel den langen schlanken Oberkörper be¬
tont, besonders, wenn die Mädchen ohne den weiten Überwurf erscheinen^,
mit ihren neckischen knöchellangen Hosen und den flachen spitzen
Schuhen.
Schheßhch bestätigen uns auch die Ornamente auf den Textihen, daß
unsere Miniaturen aus dem 16. Jahrhundert stammen: Hier fäUt zu¬
nächst das Entenmuster auf, das wir auf Miniatmen des 16. Jahrhunderts
antreffen*. Besonders häufig aber erkennen wir — neben weniger deut¬
hchen Blumenornamenten — die sternförmigen Rosetten, die sich auf
dem Mantel eines Jünghngs — man nimmt allgemein an, daß es sich
um Tahmäsp handelt — befinden, den Säh Muhammad gegen 1530
gemalt hat*. Auf Miniaturen finden wir dieses Ornament etwa seit dem
zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts bis in die ersten Jahre des 17. Jahr¬
hunderts belegt*. In Tabriz eingeführt, hat es sich vor allem in Qazwin
dauernder Beliebtheit erfreut, bis 'Abbäs Anfang des 17. Jahrhunderts die Residenz nach Isfahan verlegte.
Nach Qazwin, das in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts als
Werkstätte für unsere Miniaturen in Betracht gezogen werden muß,
weist nicht nur die Mode der Trachten mit ihren Ornamenten, sondern
auch der architektonische Hintergrund bei der Darstellung der Palast-
1 Vgl. Sakisian, La Miniature Persane, fig. 160.
2 Vgl. Blochet, Enlummures, PI. LXXXIV.
3 Vgl. AcKERMAN, Smvey III, S. 2064/5. Außer den hier (S. 2065 Anm. 1)
zitierten Beispielen vgl. noch: Sakisian, a. a. O., fig. 156: Haidar 'Ali
(Sattel); fig. 146: Sultän Muhammad; fig. 190: Mir Sayyid 'Ali
(um 1540, vgl. auch Diez, a. a. O., Abb. 89); Grohmann/Arnold, a. a. O.,
Tf. 62: Hs. dat. 1577 (984 H.); Tfn. 67, 68, 69: Hs. dat. 1604; Tf. 56. In
der konservativen Lackmalerei noch im Jahre 1609: Kühnel, Die Lack¬
truhe Schah 'Abbas, farbige Tafel neben S. 56.
* Abbn. Kühnbl, Miniaturenmalerei, Abb. 61 (hier noch Sultän Mu¬
hammad mit (?) zugeschrieben, doch Smvey III, S. 1877 wird Säh Mu¬
hammad wahrscheinlich gemacht) und Sakisian, a. a. O. fig. 138.
^ Sakisian, a. a. O., fig. 190 und Diez, a. a. O., Abb. 89: Mir Sayyid
'Ali (um 1540); Kühnel, Miniatmenmalerei, Abb. 67: Mitte des 16. Jahr¬
hunderts, Muhammadi ( ?); Blochet, a. a. O., PI. ClVa: Hs. geschrieben
in Konstantinopel, dat. 1561; Grohmann/Arnold, a. a. O., Tf. 64: Hs.
dat. 1577; Blochet, a. a. O., PI. LXXIXa: Hs. dat. 1580 (988 H.); Simsar,
a. a. O., PI. XXVII: Hs. dat. 1582; Grohmann/Arnold, a. a. O., Pls. 67,
68, 69: Hs. dat. 1604; vgl. auch Ackerman, a. a. O., S. 2063 fig. 669a.
Für die Lackmalerei die Truhe 'Abbäs I. vom Jahre 1609 (Kühnel, Die
Lacktruhe Schah 'Abbäs I., farb. Tf. bei S. 56).
Die Miniaturen im Diwän von Mir 'Ali Sir Kawä'i 297
szene (vgl. Abb. 3): In einer 1580 (988 H.) datierten und demnach
wohl in Qazwin geschriebenen und illustrierten Handschrift der Magälis
al-'uäSäq von Husain Käzargähi (Bibl. Nat. Ms. pers. 427 = suppl.
pers. 1150) erkennt man ohne weiteres denselben Hintergrund der
Szene wieder^. Die Formen der Torbogen sowie ihre Anordnung, vor
allem aber die geometrischen Ornamente der Fliesen erinnern an das
Stadttor von Qazwin^. Ganz ähnhchen Fassaden begegnen wir auf
Miniaturen in Handschriften dieser Periode*. Auch die hakenkreuz¬
förmigen Fliesen, die auf unserer Miniatur zwar nicht in Erscheinung
treten, aber auf dem Stadttor zu sehen sind, finden neben den stern¬
förmigen ihre Wiedergabe*. Diem gibt in seinen Asiatischen Reiter¬
spielen, S. 213 (Abb. 98) die Nachzeichnung einer Miniatur* aus Gayets
„L'Art persan" (Paris 1895, S. 285) wieder, auf der ein Polospiel dar¬
gestellt ist. Wichtig ist hier in diesem Zusammenhange zunächst der
architektonische Hintergrund: Es ist wieder die für Qazwin typische
Fassade mit ihrem Sternornament, das in senkrechten Kolumnen ver¬
läuft, deren Sockel — wie auch sonst auf den Miniaturen, die diese
Fassaden aufweisen, — von senkrecht angeordneten rechteckigen Ziegeln
gebildet werden. Die hier dargestellten Personen werden sogleich in
anderem Zusammenhange nähere Beachtung finden.
Der Schreiber unserer Handschrift ist Hidäyat al-Kätib aä-
Siräzi, also Hidäyat, ,,der Schreiber aus Siräz". Er dürfte identisch
sein mit dem Schreiber Hidäyat-Alläh as-Siräzi, der im Jahre 1564
(972 H.) die Abschrift desselben Diwäns (garä'ib as-sigar) Nawä'is
der Bibl. Nat. (suppl. turc 762)* beendete, und von dessen Hand auch
die 5ä/i-iV^äma-Handschrift der India Office Library Nr. 867 (Press¬
mark 741)' stammt, die jedoch nicht datiert ist. Wenn er sich auch im
1 Vgl. Blochet, Enlummures, Pls. LXXVIIIb und LXXIXa, ein Bild,
das auoh bereits im Zusammenhange mit den Ornamenten der Textüien
S. 296 Anm. ö vermerkt worden ist.
2 Vgl. Abb. bei Ross, The Persians, Tf. neben S. 24.
ä Vgl. z. B. die Palastszenen in einer Hs. der Kulllyät von Sa'di der
John Frederick Lewis Collection Philadelphia aus dem Jahre 1584, abgeb.
bei Simsar, a. a. O., Pls. XXI und XXII.
* Vgl. die Abbn. bei Grohmann/Arnold, a. a. O., Tf. 65: Firdawsi,
Säh-Näma, dat. 1593 (1002 H.) (Berlin, Staatsbibl. Diez A Fol. I, fol.l97r);
Tf. 66: Nizämi, Hamsa, kopiert um 1690 (Rom, Accademia dei Lincei,
Ms. A. b. 9, f. 303 r); Tfn. 68 u. 69: Mirhwänd, Raudat as-Safä, kopiert
1604 (Berlin, Staatsbibl., Or. Fol. 169, ffs. 148 v, 256r); Tf. 56.
^ Aus dem Besitze der Ägyptischen Bibliothek, Kairo.
• Vgl. Blochet, Catalogue des Manuscrits turcs de la Bibliotheque
Nationale, Tome II, S. 59.
' Vgl. Eth^;, Catalogue of Persian Manuscripts in the Library of the
India Office, Oxford 1903.
298 Gudrun Goeseke
Kolophon unserer Handschrift nur einfach Hidäyat (ohne Beifügung
von Alläh) nennt, so läßt doch ein Vergleich der Schriftzüge kaum
daran zweifeln, daß sie von derselben Hand stammen. Die drei Hand¬
schriften sind offenbar auch von ein und demselben Illuminator ver¬
ziert worden, der freilich nicht genannt ist. Alle drei Handschriften ent¬
halten Miniaturen: Die Illustrationen der Säh-Näma-llandsohrift^ und
die des Pariser NawäH^ erwecken den Eindruck, als seien sie von ein und
demselben Maler geschaffen worden, und zwar dürfte es sich hier um
denselben Maler handeln, der auch das oben erwähnte Polospiel gemalt
hat, denn hier begegnen wir einigen Gestalten, die auch beim Qabaq-
spieP vertreten sind: Der Polojunge, der unten in der Mitte steht und
auf demselben BUde in der Mitte des hnken Randes noch einmal wieder¬
kehrt, hält sich beim Qabaqspiel am linken Rande in der Mitte auf. Der
Trommler, der beim Polospiel oben links beide Arme emporschwuigt,
ist identisch mit dem, der beim Qabaqspiel rechts oben die gleiche
Haltung einnimmt*, und der Trommler, der beim Qabaqspiel die kleinen
1 Vgl. daraus die Wiedergabe einer Miniatm bei Hädi Hasan, A History
of Persian Navigation, (farbige) Tf. neben S. 154: Kai Husrau auf dem
Schiff. 2 Blocket, Enluminures, PI. LXXVII b. "
ä Qabaqbäzi oder Qabaqandäzi (= „Kürbisspiel") ist ein ostasiatisohes
Beiterspiel, das mit den Mongolen und Türken in den vorderen Orient
gelangte. Es sollte die Reiter im Bogenschießen üben. Als Ziel diente zu¬
nächst, wie der Name des Spieles besagt, ein Kürbis, der auf einer ea. 7 Meter hohen Stange, die sich im Mittelpunkte des Übungsplatzes befand, steckte,
dann aber aueh eine in einem Käfig sitzende Taube oder Ente (so zur Zeit
Bäburs). Die Eeiter mußten im Galopp an der Stange vorbeireiten, sich
dann rasch mit dem Oberkörper rechtsherum nach hinten wenden und
einen Pfeil nach dem Ziele jagen, sodann, während sie einen weiteren Pfeil
aus dem Köcher zogen, sich linksherum wenden, um aueh in dieser Wendung
zu schießen. Am Safawidenhofe hängte man goldene oder silberne Äpfel
oder andere kostbare Gegenstände, wie goldene Gefäße (auf unserer Miniatur scheint es sich um ein solches zu handeln) an der Spitze der Stange auf, und der geschickte Schütze, der sie abschoß, durfte sie sieh als Preis behalten. — Das Spiel war aueh bei den Mamlüken sehr beliebt und ist offenbar während der Kreuzzüge durch ihre Vermittlung ins Abendland gelangt. Hier ist es unter
dem Namen „Vogelschießen" bekannt, denn das bevorzugte Ziel war zu¬
nächst eine lebende Taube oder auch ein anderer Vogel, schließlich ein
hölzerner Vogel, dann meist in der Gestalt eines Papageien. Der msprüng¬
liche Zweck war auch hier das Üben im Bogenschießen. Im 16. Jahrhundert wurden die Bogen freilich durch Feuerschußwaffen ersetzt.
* Wegen des Unterschiedes, der durch den Bart beim Trommler des
Qabaqspieles hervorgerufen wird, muß erwähnt werden, daß die Miniatmen
dieser Hs. naeh Angabe Blochets (Enluminures, S. 126) „ont 6te l'objet
d'additions stupides, de la part d'un maladroit, qui les deflgurent", und daß
gerade auf diesem Büde „le mauvais plaisant qui a retouch^ ces peintmes
a affublö le timbalier, qui parait dans la partie superieure de la composition, d une paire de moustaches sommaires d'un effet grotesque".
Die Miniaturen im Diwän von Mir 'Ali Sir Nawä'i 299
Trommeln bedient, findet sich beim Polospiel in der Mitte der Kapelle
wieder. Der aufbhckende Poloreiter links unten weist auch gewisse
Ähnhchkeit mit den bogenschießenden Reitern des Qabaqspieles auf,
was bei den übrigen Reitern, durch die unterschiedhchen Spiele bedingt,
nicht so deuthch werden kann. Dafür haben fast aUe Pferde ihr Gegen¬
stück : Das helle und das dunkle Pferd rechts unten stimmen auf beiden
Bildern auch im Standort überein. Das schwarze Pferd des mittleren
Bogenschützen entspricht dem schwarzen Polopferde, das ledighch in
entgegengesetzter Richtung dahinsprengt, und das schwarz beinige
weiße des Qabaqspieles, dessen Satteldecke einen schwarzen Bauch deut¬
lich werden läßt, sprengt beim Polospiel von der Mitte des linken Bild¬
randes auf den Bali zu. Der gezackte Saum der Satteldecke ist hier
angedeutet (es handelt sich ja nur um die Nachzeichnung einer Miniatur !).
•— Schließhch scheint von diesem Maler auch das Polobild der Islami¬
schen Abteilung der Staatlichen Museen Berhn zu stammen^.
Vergleicht man die Wiedergabe des Qabaqspieles in unserer Hand¬
schrift (vgl. Abb. 2) mit der des Pariser Codex^, so ist man zwar über¬
rascht, dieselben Gesichter anzutrefi'en, mitunter dieselben Gestalten,
z. B. den Trommler, doch entbehrt die DarsteUung im Pariser Codex
der Bewegung, durch die sich die Reiter unserer Miniatur auszeichnen,
die an dem Mast vorbeireiten, und während sie sich nach beiden Seiten
rückwärts wenden, nach dem auf der Stangenspitze befestigten Ziele
schießen. Hier wird man ohne weiteres das Meisterwerk von dem des
Schülers unterscheiden und unseren Meister unter den namhaften seiner
Zeit suchen. Ein Vergleich unserer Bilder mit etwa gleichzeitigen Werken
läßt am ehesten Muhammadi vermuten. Vor allem die schmalen,
runden, puppenhaften Gesichter der Jünglinge verraten seine Hand,
auch die Anmut ihrer Bewegung und Haltung. Vielleicht vermißt man
die überbetont langen schmalen Hüften, doch handelt es sich meist um
sitzende oder reitende Personen oder um Halbfiguren im Hintergrunde
oder am unteren Bildrande, die immerhin — wofern es sich nicht gerade
um wohlbeleibte Alte handelt — mädchenhaft schmale Schultern und
zum Teil überschlanke Oberkörper aufweisen. Ferner ist auf die sich
diagonal kreuzende Anordnung der Figuren im Bildaufbau unserer
Miniaturen hinzuweisen. Es ist dies, wie Kühnel* hervorhebt, ein
Charakteristikum der Bilder Sultän Muhammads, und Muhammadi
dürfte sich hier an die Regeln seines Vaters mid Lehrmeisters gehalten
haben. — Die letzte der drei weiblichen Gestalten, die unsere Miniaturen
aufweisen, die Alte, die zum Verkaufe Josefs herbeigeeilt ist, um mit
ihrem Bündelchen, ihrer ganzen Habe, als Bewerberin aufzutreten
1 Diem, Asiatische Beiterspiele, Abb. 96.
2 Blochet, Enlumüiures, PI. LXXVII b. ' Survey III, S. 1876.
300 Gudrun Goeseke
(vgl. Abb. 5), hat er von seinem Vater kopiert: Es ist dessen „Alte vor
Sangar" aus dem Nizämi Tahmäsps^. Der weiße Umhang über dem
in beiden Fällen blauen Mantel, der sich in der Mitte nach imten hin
ölFnet und das Untergewand sichtbar macht, fällt in gleicher Abstufung
der Falten vom rechten Arme aus, mit dem sie sich auf einen Stock
stützt, nach hinten. Der linke Arm unterscheidet sich — bedingt durch
die verschiedenen Handlungen, die die beiden Alten in den einzelnen
Szenen ausführen, — in der Haltung. Die Alte vor Sangar erhebt ihren
Arm und reißt dadurch den Umhang auf dieser Seite geöffnet empor, so
daß er mit seiner weißen Fläche den Untergrund zu dem blauen Mantel
der Gestalt bildet. Unsere Alte streckt ihren hnken Unterarm mit dem
Bündelchen in der Hand nach vom, so daß auch hier der dadurch auf
dieser Seite nach vorn geöffnete weiße Umhang den Untergrund zum
blauen Mantel abgibt. Die Schrittstellung der Beine ist in beiden FäUen
die gleiche, nur die Schuhe haben verschiedene Formen. Unsere Alte
trägt die flachen Schuhe, die wir schon bei der Tracht der Muhammadi-
Mädchen vermerkten. — Weiterhin entdecken wir auf dem Bilde von
Bahräm Gürs Jagd (vgl. Abb. 4) am unteren BUdrand einen Hund, der
bei derselben DarsteUung in der Pariser Handschrift (suppl. turc. 316)
der Kulllyät Nawä'is^ in der linken unteren Ecke des Bildes, ganz
wie imser Hund — mit geöffneter Schnauze und erhobenem Schwänze —
nur in anderer Richtung dahineilt. Die Jagddarstellung des Pariser
Nawä'i stammt aber auffallenderweise wiederum höchstwahrscheinlich
von Sultän Muhammad*. Dieser Hund begegnet uns ferner mehr¬
fach auf einem Tierteppich aus der Grabmoschee des Saih Safi in
Ardabü aus der Mitte des 16. Jahrhunderts (Metropolitan Museum of
Art, New York)* und dürfte hier wohl auf eine Vorlage SuUän Mu¬
hammads zurückzuführen sein. — Die chinesischen stihsierten T'chi-
Wolken, die für Sultän Muhammad charakteristisch sind, hat
Muhammadi ebenfaUs von diesem übernommen*. Auf unseren Minia¬
turen treten sie besonders deutlich als goldene Wolken auf tiefblauem
Himmel (Abb. 4) und als süberne Wolken auf goldenem Himmel (Abb. 5)
in Erscheinung, während sie als weiße Wolken auf hellblauem Himmel
1 Abbn.: Binyon, The Poems of Nizami, PI. IV (farbig); Diez, a. a. O.,
Tf. VI (farbig); Sakisian, a. a. O., fig. 148.
2 Für Abbn. vgl. S. 290 Anm. 5.
' Vgl. Kühnel, Survey III, S. 1877.
* Abbn.: Altorientalische Teppiche, brsg. v. Österreich. Mus. f. Kunst
u. Industrie, bearb. v. Friedr. Sarre u. Herrmann Trenkwald, Wien/
Leipzig, Bd. II 1928, Tf. 38 (farbig) ; Dimand, A Handbook of Mobammedan Decorative Arts, fig. 150.
* Vgl. Blochbt, Enlumüiures, PI. LXXXIV und Kühnel, Miniaturen¬
malerei, Abbn. 65, 66, 67.
Die Miniaturen im Diwän von Mir 'Ali Sir Nawä'i 301
(Abb. 2) jetzt nicht mehr so klar zu erkennen sind. Der Flammennimbus Josefs (Abb. 5) ist in gleicher Weise gebildet worden.
Die Möghchkeit, daß Muhammadi der Meister unserer Miniaturen
ist, wird noch durch folgenden Umstand wahrscheinhcher: Der Jüng¬
ling, der beim Verkaufe Josefs (vgl. Abb. 5) mit den beiden Geld¬
beuteln in den Händen oberhalb der ,, Alten" mit rückwärts gewendetem
Kopfe steht, ist von dem Maler, der Husain al-Käsifis Raudat aS-
Suhadä' illustriert hat, übernonunen worden, nur steht er hier auf der
rechten Seite und wendet seinen Kopf nach dem rechten Bildrande. Doch
hat auch Josef hier eine andere Sitzstellung und Blickrichtung erhalten,
so daß der Standort des Jünghngs in bezug auf Josef derselbe geblieben
ist. Ferner ist die Gestalt, die hier — wie auch auf unserer Miniatur —
als einzige direkt in Frontalansicht zu sehen ist, oflFenbar ebenfalls über¬
nommen worden: Hier steht sie in der Mitte des Hintergrundes an der
Mauer unterhalb des Fensters, aus dem Zulaihä schaut, während sie
auf unserer Darstellung im Hintergrimde neben dem linken der beiden
Bäume steht. Hier ist nur das Gesicht nachgedunkelt, imd man kann
ntu" am Originale noch deuthch dieselben Gesichtszüge mit den schie¬
lenden Augen wiedererkennen. Der Maler des Raudat aS-Suhadd" über¬
nahm aber seine Gestalten oflFensichthch mit Vorliebe von Muhammadi.
Der Alte nämhch, der neben dem eben erwähnten Jüngling am rechten
Bildrande steht, und zu dem der Jüngling sich hinwendet, stammt von
Muhammadis Schilderung einer Exkursion von Lehrern mit ihren
Schülern in die Berge^. Hier steht er nur in umgekehrter Blickrichtung
am hnken Bildrande. An die Gestalten der beiden knienden dunkel¬
bärtigen Lehrer mit ihren langen schmalen Gesichtern auf Muhamma¬
dis Bilde erinnern sodann die dunkelbärtigen Gestalten bei der Szene
vom Verkaufe Josefs, die um Josef gruppiert sind. Das läßt vermuten,
daß dieser Maler mit der Übernahme unseres Jünglings ebenfalls Mu¬
hammadi kopierte!
Muhammadi war etwa vom 3. bis zum 9. Jahrzehnt des 16. Jahr¬
hunderts tätig. Sein frühestes uns bekanntes signiertes und 1527/8
(934 H.) datiertes Werk, das Portrait eines Safawidenprinzen^, hat er in
Tabriz geschaflFen, während er ein 1584 (992 H.) datiertes, das zu seinen
letzten Produktionen gerechnet werden darf*, laut Inschrift in Herät
vollendete. Wann und warum er nach Herät ging, läßt sich nur ver¬
muten : Vielleicht nach dem Tode Tahmäsps (1576), denn die daraufhin
entstehenden Thronwirren* boten gewiß einem Künstler wenig Ge-
1 Abb. bei Blochet, Enluminmes, PI. LXXXIV.
2 Im Album Bahräm Mirzäs in Istanbul (vgl. Kühnel, Smvey III,
S. 1883). ä Ebenfalls im Album Babräm Mirzäs (vgl. Kühnel, a.a. O.).
* Vgl. dazu ausführlich bei Hinz, Schah Esma'il (MSOS 36, 1933, II,
302 GuDBUN Goeseke
legenheit und Muße, schöpferisch tätig zu sein. Ismä'il II., der wäh¬
rend seiner 18 Monate langen Regierung ausschließlich damit be¬
schäftigt war, sämtliche Prinzen seines Hauses ausziu-otten, wird auch
kaum daran interessiert gewesen sein, die Maler der Werkstatt seines
ihm verhaßten Vaters, der ihn eingekerkert und um sein Leben betrogen
hatte, weiter zu beschäftigen.
Damals dürfte auch jener Maler, in dem wir einen Schüler Mu¬
hammadis vermuten, Qazwin verlassen haben, um seinem Meister nach
Herät zu folgen: Gayet^ macht für das Polobild (vgl. S. 297) einen ,, per¬
sischen Maler Djhangliir" namhaft. Das legt den Verdacht nahe,
daß die Signatur der betreffenden Miniatur das Wort ,,Gahängiri" ent¬
hält, es sich hier also um den Maler Äqä Rizä-i-Murid handelt, jenen
Äqä Rizä, der schließlich für den Mogulherrscher Gahängir — aber
bereits vor dessen Thronbesteigung (1605) arbeitete und dann seinem
Namen ,,Gahängiri" anfügte. Nach Muhammadis wohl gegen Ende
des 16. Jahrhunderts erfolgtem Tode mag er sich nach Indien begeben
haben. Aus Gahängirs Memoiren wissen wir, daß Äqä Riza von
Herät kam^.
Sein idyllisches ,, Landleben" (Louvre, Paris)*, das 1578 (986 H.) da¬
tiert ist, wird Muhammadi demnach in Herät, fern von der Residenz
und dem höfischen Treiben, gezeichnet haben. Die Exkursion der Lehrer
mit ihren Schülern*, die nach Kühnel*, da dem „Landleben" in den
einzelnen Motiven und auch technisch eng verwandt, nur einige Jahre
zuvor entstanden sein kann, muß dann mindestens noch in die letzte
Qazwiner Zeit Muhammadis fallen, wenn wir voraussetzen, daß der
Maler des Raudat aS-Suhadä', der doch gewiß in Qazwin arbeitete, von
diesem Bilde einige Gestalten übernommen hat. Die Jünglinge mit ihren
puppenhaften Gesichtern, die hier anmutig einen Becher oder ein Buch
in der Hand halten, treffen wir zahlreich auf unseren Miniaturen an.
Aber auch dem Typ des alten Weißbärtigen begegnen wir auf der Dar¬
stellung der Palastszene (vgl. Abb. 3). Hier hockt der Wohlbeleibte in
seinen hellblauen Mantel gehüllt (am hnken Bildrande) unweit von
einem Dunkelbärtigen, der seinerseits wieder gewisse Ähnhchkeit mit
dem einen der beiden dunkelbärtigen Lehrer des Exkursionsbildes auf¬
weist. Noch ähnlicher aber ist ihm mit seinem leicht geneigten nach-
denkhchen Haupte Muhammadis Selbstportrait (Museum of Fine
S. 19—100) und Roemeb, Der Niedergang Irans nach dem Tode Isma'ils
des Grausamen 1577—1581. ^ L'Art persan, Paris 1895, S. 285.
" Vgl. Sakisian, a. a. O., S. 129 Anm. 4; Kühnel, Smvey III, S. 1885.
^ Abbn.: Kühnbl, Miniaturenmalerei, Abb. 65; Sakisian, a. a. O.,
fig. 161; Blochet, Musulman Painting, PI. CXXXVII; Migeon, Les Arts
Musulmans, PI. XXXII; Ders., Manuel d'Art Musulman, fig. 50 auf S. 185.
* Vgl. Blochbt, Enluminures, PI. LXXXIV. ^ Survey III, S. 1883.
Die Miniaturen im Diwän von Mir 'Ali Sir Nawä'i 303
Arts, Boston)!, das der Meister im Alter von ca. 50 Jahren geschafifen
hat^, also etwa in den Jahren zwischen 1550—1560, so daß dies Werk
bereits in seine Qazwiner Periode fiele. In diesen Jahren mögen auch
tmsere Miniaturen entstanden sein, denn hier malt er noch ganz im
Stile Bihzäds und dessen Tabrizer Schüler. Es ist noch nichts von
dem zu verspüren, was seine späteren Bilder mit ihren idyllischen Land¬
schaften, Land- und Schäferszenen kennzeichnet, auf denen nm noch die
menschhchen Gestalten Muhammadis Hand erkennen lassen.
"^Venn auch bisher für Qazwin keine Malschule bezeugt ist, so dürfte
es keinem Zweifel unterhegen, daß eine solche bestanden hat, diente
doch diese Stadt den Safawiden ein halbes Jahrhundert lang als Resi¬
denz. Warum sollte ausgerechnet Tahmäsp, der noch wenige Jahre
zuvor die Prunkausgabe des Nizämi veranstaltet hatte, in Qazwin auf
eine Werkstätte verzichtet haben ?! Von einigen Tabrizer Künstlern
wissen wir freihch, daß sie an der Übersiedlung nach Qazwin nicht
teilnahmen, sondern es vorzogen, auszuwandern: Sultän Muhammad,
der Leiter des Tabrizer Ateliers, wandte sich nach der Türkei, wo er
ca. 1555 starb. Ferner folgten die beiden Maler Mir Sayyid 'Ali und
'Abd a.s-Samad Humäyün, der seit 1544 als Flüchtling bei Tah¬
mäsp in Tabriz geweilt hatte, nach Indien (1550) und begründeten dort
die Mogulschule. Kamäl, Säh Quli und Wali Gän hmgegen sind
vielleicht erstjetwas später nach der Türkei gegangen. Möghcherweise
hat Äqä Mirak noch in Qazwin für Tahmäsp gearbeitet. 1550 soU er
jedenfalls noch in seinen Diensten gewesen sein*. Bei Muzaffar 'Ali,
der erst kurz nach Tahmäsp starb, darf man noch eher damit rechnen,
daß er auch iu'Qazwin tätig war. Nachfolger Sultän Muhammads
als Leiter der könighchen Werkstatt mag Mir Naqqäs gewesen sein*.
Aber er hat sicher nicht mehr lange in Qazwin gewirkt. Er war vermut¬
lich der Vater Mir Sayyid 'Alis, gehörte also noch wie Sultän
Muhammad zur älteren Generation, die im Aussterben begriffen war.
Als maßgeblicher Lehrer der Schule von Qazwin dürfte vielmehr vor
aUem Muhammadi richtungweisend gewirkt haben, der — so viel er
auch von seinem Vater, dem Leiter der Tabrizer Malschule, übernahm
und weiter überheferte — doch einen eigenen Stil entwickelte. Die Anmut
und Grazie der Gestalten mit ihren liebenswerten Gesichtern verleiht
seinen Bildern einen besonderen Reiz. Die weiblichen Personen streifen
ihre frühere konventionelle Starre ab und nehmen mit einem versonnenen
Lächeln, das fast an das Lächeln der Mona Lisa Leonardo da Vincis er¬
iimert, am Leben mit seinen geistig sinnlichen Genüssen teil.
1 Abb.: Sakisian, La Miniature Persane, fig. 131.
2 Vgl. Kühnel, Survey III, S. 1883. ' Vgl. Kühnel, Smvey III, S. 1874.
< Vgl. Kühnel, Survey III, S. 1877; Ackerman, Survey III, S. 2081.
304 GuDBUN Goeseke
Eine fragmentarisch erhaltene Handschrift von Nizämis Husrau und
Sirm der Bibhothek der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft in
Halle^ enthält vier Miniaturen, die ganz deutlich auf Muhammadis
Schule zurückgehen, vielleicht sogar vom Meister selbst geschaffen
worden sind. Mindestens gehen die Bilder auf direkte Vorlagen von ihm
zurück, die dann leider nicht mehr erhalten sind. Die Figmen lassen
sich aber auch im einzelnen gut mit denen Muhammadis vergleichen.
Besonders deuthch erkennt man seine Gestalten wieder bei der Dar¬
stellung Sirins im Garten, umgeben von Dienerinnen und Musikantinnen,^
vergleicht man damit z. B. nur seine Exkmsion von Lehrern mit ihren
Schülern in die Berge. Die Szene Husrau entdeckt Sirin beim Bade
erinnert an Sultän Muhammads Bild gleichen Themas im Nizämi
Tahmäsps*. Muhammadi dürfte hier seinerseits auf Vorlagen seines
Vaters zurückgegriffen haben.
Etwa gleichzeitig mit diesen Miniaturen wird die Darstellung Bahräm
Gürs mit einer der Prinzessinnen der sieben Khmate im Palaste, um¬
geben von Musikantinnen und Tänzerinnen, aus der Sammlung Luzac
u. Co., London entstanden sein, ein Bild, das Gangoly* zwar noch der
Schule Sultän Muhammads zuschreibt, das aber vielmehr erst aus
der Qazwiner Schule Muhammadis hervorgegangen sein dürfte. Ver¬
gleicht man die hier wiedergegebene Szene mit der bereits S. 295 erwähnten
Darstellung von Lustbarkeiten anläßlich einer Hochzeit unter der Re¬
gierung Alp Arsläns in der 1604 geschriebenen Handschrift von Mir-
bwänds Raudat as-Safä der Staatsbibliothek Berhn*, so wird deutUch,
daß hier der Maler, der doch bereits dem 17. Jahrhundert angehört,
wenn er nicht gar selbst noch aus der Schule von Qazwin hervorgegangen
ist, mindestens nach Vorlagen malte, die dort in der zweiten Hälfte
des 16. Jahrhunderts entstanden sind. Auch die anderen Miniaturen
der Handschrift erwecken diesen Eindruck*. Außer den für Qazwin
typischen geometrisch ornamentierten Palastwänden' begegnen wir
hier* dem von Palmetten und kleinen rosettenförmigen Blumen durch¬
setzten Spiralrankenornament des Teppichs, das wir vorzugsweise auf
1 Katalog der Bibl. der DMG., Bd. II Handschriften, Teil B: Persische
und Hindustanische Handschriften, bearb. v. Mahommed Mushabbat-
tTL-HuKK, Leipzig 1911, Nr. 23.
2 Obgleich einige der Figmen auf dieser Miniatur nooh deutlich zu er¬
kennen sind, lohnt sich eine Wiedergabe nicht, da die Farben bereits zu
sehr abgeblättert sind.
' Abbn. : Binyon, The Poems of Nizami, PI. VII (farbig) ; Sakisian,
a. a. O., fig. 147
* C. Gangoly, Notes on some Persian Miniatmes: Bupam No. 18,
April 1924, Tf. neben S. 61. » Abb. bei Gbohmann/Abnold, a. a. O., Tf. 67.
' Vgl. weitere Abbn. bei Gbohmann/Abnold, a. a. O., Tfn. 68 u. 69.
' Vgl. S. 296f. 8 Vgl. Tfn. 67 u. 69 bei Gbohmann/Abnold, a. a. O.
Die Miniaturen im Diwän von Mir 'Ali Sir Nawä'i 305
Miniaturen vorfinden, die in Qazwin entstanden sind. Auch bei der Dar¬
stellung der Palastszene in unserer Handschrift fehlt dieses charak¬
teristische Teppichornament nicht (vgl. Abb. 3). Es erscheint ferner in
der Säh-Näma-B.eindsch.Tiit vom Jahre 1593 (Berlin, Staatsbibl. Diez A
Fol. I, fol. 197 r) auf einer Miniatur, die bereits S.297 Anm.4 wegen der
sternförmigen Ornamente der Fhesen erwähnt worden ist^. So wird die
i§äÄ-iV^äma-Handschrift der Bibl. Nat. Paris (Suppl. pers. 489), deren
Abschrift am 9. August 1546 vollendet wurde, wenigstens zum Teil erst
in Qazwin illustriert worden sein. Das Ornament des Teppichs bei der
Darstellimg einer Palastszene (fol. 59 r)^ läßt darauf schheßen. Die Malerei
an diesem Bilde mag in Tabriz begonnen — die Figuren, besonders der
am rechten unteren Bildrande kniende Stabturbanträger mit seinen
Pausbacken, erinnern noch an die Schule Sultän Muhammads —
imd in Qazwin vollendet worden sein. Die DarsteUung einer anderen
Szene derselben Handschrift, Siyäwul reitet durchs Feuer (fol. 104r)*,
ist auf jeden FaU erst in Qazwin und zwar unter 'Abbäs I. entstanden,
wie die Kopfbedeckung Kai Kä'üs' bezeugt. Hier spürt man sogar
schon deuthch den sich gegen Ende des 16. Jahrhunderts aus der Schule
Muhammadis in Qazwin herausentwickelnden Stil Rizä-i-'Abbäsis,
wie er uns in den Miniaturen einer 1591 geschriebenen und wahrschein¬
lich auch in Qazwin iUustrierten ÄäÄ-iVäma-Handschrift der John
Frederick Lewis CoU. der Free Libr. PhUadelphia (Ms. Nr. 53) ent¬
gegentritt*. Mit dem Wirken Rizä-i-'Abbäsis, der sich schheßlich
unter dem Einfluß europäischer Vorbilder völhg von seinem Ausgangs¬
punkt, der Qazwiner Schule Muhammadis, entfernte, mit den über¬
heferten Traditionen brach und andere Wege aufzeigte, die dann auch
seine Zeitgenossen und Nachfolger beschritten, ist das Ende der Schule
von Qazwin gekommen. Er trat aber erst in Isfahän in 'Abbäs' Ateher
ein, so daß die Tradition der Qazwiner Schule bis zum Ende des 16. Jahr¬
hunderts, bis zu dem Zeitpunkt, da 'Abbäs die Residenz nach Isfahän
verlegte, wirksam war, mögen auch viele Künstler, die nach Tahmäsps
Tode (1576) in Ismä'il II. keinen Gönner fanden, damals wie Mu¬
hammadi Qazwin verlassen haben, um in Herät, in Indien oder in der
Türkei einen neuen Wirkungskreis zu suchen. In Qazwin beschäftigte
'Abbäs noch den Saih Muhammad, einen gebürtigen Siräzer, der
bereits in Tabriz tätig war*, vor allem aber in Qazwin wirkte. Zu dem
wenigen, was uns von ihm erhalten ist, gehören zwei Darstehungen eines
1 Abb. GBOHMAinsr/ABNOLD, a. a. O., Tf. 6ö: Bustam am Hofe des Säh.
2 Blochet, Enluminures, PI. LXIII a.
3 Blochet, a. a. O., PI. LXIVa. * Simsab, a. a. O., Pls. XIV u. XV.
* Hier wird sein Bild des Guläm Hazrat Säh Sayyid 'Ali b. Sayyid
Muhammad der Sammlung Vöver entstanden sein, da dieser noch den
Stabtmban trägt (vgl. Kühnel, Smvey III, S. 1878).
306 Gudrun Goeseke
knienden Prinzen^, die Saih Muhammad noch als typischen Ver¬
treter der Qazwiner Schule erweisen. Vielleicht stammen auch unsere
Miniatmen im Diwän von 'Ali iSir Nawä'i nicht von Muhammadis,
sondern von seiner Hand, aber an Hand der wenigen Bilder, die uns
von Saih Muhammad erhalten sind, läßt sieh das nicht entscheiden.
Wenn man der Überlieferung Glauben schenken kann, daß Saih Mu¬
hammad als erster in Persien nach europäischen Vorlagen gearbeitet
habe^, so wird er das allenfaUs erst in den letzten Jahren der Qazwiner
Epoche getan haben. Der Aufenthalt der Brüder Sherley, die 1598 bei
'Abbäs I. in Qazwin eintrafen, um das persische Heerwesen zu re¬
formieren*, könnte den Anstoß dazu gegeben haben.
' Abbn. Sa-Kisian, a. a. O., figs. 122, 123 u. Kühnel, Miniaturenmalerei, Abb. 77.
- Vgl. Kühnel, Miniaturenmalerei, S. 34; ders., Smvey III, S. 1878.
' Vgl. Sü E. Denison Ross, Sir Anthony Sherley and his Persian ad¬
venture, London 1933; A. Wilson, Some early travellers in Persia and the
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Abbildungen -.^
1. Illuminiertes Textblatt (fol. 216v).
2. Qabaqspiel (fol. 13r).
3. Unterhaltungsszene im Palast (fol. 27v).
4. Bahräm Gürs Meisterschuß (fol. 53 v).
5. Josef wird nach Ägypten verkauft (fol. 151 v).
6. Sirin empfängt aus der Hand einer Dienerin einen Becher.
1 Abbn. 1—5: Mir 'Ali Sir Nawä'i, Diwän garä'ib as-sigar, Hs. der
Bibliothek der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Halle, Acc.
Nr. 266.
Abb. 6: Nizämi, Husrau u Slrln, Ms. pers. Nr. 23 der Bibliothek der
Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Halle.
21 ZDMG 111/2
Die Verse des Sarabhanga-Jätaka
von Uleich Schneidee, Freiburg i. Brsg.
Abkürzungen: DN = Digbanikäya, Ausg. der PTS. Francis = The
Jätaka or Stories of the Buddha's Former Births, V, transl. G. = Gäthä.
Geiger = Päli, Literatur u. Sprache (Grundriß I 7). Jät = Jätaka, Ausg.
V. Fausböll. Jones = The Mahävastu, III, transl. (= SBB XIX). Litdebs
(ohne nähere Angabe) = Bhärhut u. die buddhist.Literatur (= AKM.XXVI 3).
Lüdebs, Beob. = Beobachtungen über die Sprache des buddhist. Urkanons.
MN = Majjhima-Nikäya, Ausg. der PTS. Mv = Mahävastu, Ausg. v. Se¬
nabt. P = Päli-Fassung des Sarabhanga-Jät. PED = The Päli Text So¬
ciety's Päli-Engl. Dictionary. Phl = Philologica Indica (Festschrift Lü¬
debs). Pischel = Grammatik der Präkrit-Sprachen (Grundriß I 8). pw
= kleines Petersb. Wörterbuch. Eäm = Rämäyana, Ausg. v. T. R. Kbish-
nachabya (Bombay, 1905). S., = Sarabhanga, bzw. Sarabhanga. SJ
= Sarabhanga-Jät. Smith = Saddaniti, Texte ötabli par H.S., IV Tables,
le Partie (Lund, 1949), S. 1151fr. SN = Samyutta-Nikäya, Ausg. der PTS.
Sn = Sutta-Nipäta, Ausg. der PTS von D. Andebsen u. H. Smith.
Heineich Lüdees hat unter den Flachrehefs des Stupa von Bhärhut
u. a. auch eine Szene aus dem SJ entdeckt^ und ist in seiner meister¬
haften Abhandlung Bhärhut und die buddhistische Literatur, S. 112—129,
auf die beiden Fassungen dieses Jätaka, Jät Nr. 522 (= V 125 ff.) und
Mv III 361—375, näher eingegangen. Im folgenden sollen seine Aus¬
führungen ergänzt werden.
1. Bestand und Reihenfolge der Gäthäs
Lüdees hat, S. 128 f., als wichtigstes Ergebnis seiner Untersuchung
herausgestellt, daß eine falsche Anordnung der Gäthäs schon bei der
Aufnahme der Erzählungen in die Sammlung vorgekommen ist und
daß ,,man sich nicht scheute, gelegentlich kleine Zusätze zu den Gäthäs
zu machen, wenn man auch im allgemeinen den überkommenen Text
pietätvoll bewahrte". Die ursprünghche Reihenfolge der Gäthäs muß
nach ihm folgende gewesen sein (die Zählung von P zugrunde gelegt):
G. Nr. Inhalt
1—12 Die Gespräche, die geführt werden, als die Be-
(= Mv III 366, 1 — 368, 12) sucher bei den Rsis anlangen.
Fragen der Könige u. S.s Antworten
20—25 Was mit den vier Königen Dandaki, Nälikera,
(= 368, 14 — 369, 21) Arjuna u. Kalabha nach ihrem Tode geworden
sei.
! Es handelt sich um T. XLIV 6 bei Cunningham, The Stüpa of Bharhut
(London, 1879).