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Bilder des Krieges - Krieg der Bilder

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Miszelle

Thomas Menzel

Kaiser Maximilian I. und sein Ruhmes werk.

Selbstdarstellung als idealer Ritter, Fürst und Feldherr

Die vorliegende Studie basiert auf einem Kapitel der Dissertation des Verfassers über militärisches Handeln und Selbstdarstellung bei Reichsfürsten zwischen 1470 und 15501. Kaiser Maximilian I. (1459 bis 1519) nahm unter den ausgewählten Für- sten eine herausgehobene Position ein, handelte es sich bei ihm doch nicht nur um einen militärisch äußerst aktiven Römischen König und späteren Kaiser, sondern darüber hinaus um einen Fürsten, der seinem militärischen Handeln selbst größ- te Bedeutung beimaß, dieses politisch bewußt instrumentalisierte und offenkundig den militärischen Bereich als seine ureigenste, ihm wesensgemäße Domäne begriff.

Maximilian wurde bereits ab 1477, als Herzog von Burgund, mit militärischen Aufgaben konfrontiert. Diese wiesen ihm zum Teil eine defensive Rolle zu, wie im Falle der Verteidigung Burgunds gegen Frankreich. Zum Teil trat er aufgrund von ihm so empfundener politischer Zwänge in eine offensive Rolle ein, wie in Italien, gegen Frankreich oder auch gegen Venedig. Im Laufe der Zeit nutzte er dabei in zu- nehmendem Maß zur Propagierung seiner politischen Absichten die modernen Druckmedien. Doch auch anlaßunabhängig entstand ab etwa 1500 ein großange- legtes Publikationsprojekt, welches das Ansehen des Römischen Königs (ab 1486, bis 1493 unter seinem Vater Kaiser Friedrich III.) und späteren Kaisers (ab 1508) und seinen Nachruhm auf ewige Zeiten sicherstellen sollte - das sogenannte »Ruh- meswerk«. In diesem Ruhmeswerk, das schließlich mehrere reich bebilderte Druck- werke mit starken (automographischen Bezügen umfassen sollte, nimmt das mi- litärische Handeln Maximilians, sein Feldherrn-, Ritter- und Kriegertum breiten Raum ein. Maximilian wurde hier als idealer Ritter, Fürst und Feldherr präsentiert.

Zwar ist nur ein kleiner Teil des Ruhmeswerkes fertiggestellt und ebenfalls nur ein kleiner Teil zeitnah publiziert worden, doch zeigte sich in den verschiedenen Druck- werken (Teuerdank, Freydal, Weißkunig, Ehrenpforte und Triumphzug) mit star- ker Verhaftung im ritterlich-kriegerischen Milieu die Selbstsicht Maximilians, real wie ideal, wie er sich und sein Handeln wahrgenommen wissen wollte. Für das Verständnis des Menschen wie des Herrschers Maximilian ist die Beschäftigung mit seinem Ruhmeswerk daher unabdingbar.

Zunächst wird allgemein auf Maximilians Selbstdarstellung eingegangen, be- vor das Ruhmeswerk als Gesamtheit und die für die ritterlich-kriegerische Selbst- darstellung des Königs/Kaisers besonders relevanten Werke vorgestellt werden. Die Literaturlage zu Maximilians Ruhmeswerk bietet ein gemischtes Bild. Zwar wur- den die einzelnen Werke des Gesamtkomplexes Ruhmeswerk in den 1880er Jahren herausgegeben, vor allem in Wien in mehreren Bänden des »Jahrbuchs der kunst- historischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses«, doch sind diese volu- minösen Bände nur an den großen Staatsbibliotheken einsehbar. In der Folge wur- den immer wieder Studien zu einzelnen Werken vorgelegt, vor allem zum Teuer- dank und Weißkunig, und zum Teil wurden auch Neuveröffentlichungen der Wer-

1 Titel der Dissertation: Der Fürst als Feldherr. Militärisches Handeln und Selbstdarstellung bei Reichsfürsten zwischen 1470 und 1550. Dargestellt an ausgewählten Beispielen, Katholische Universität Eichstätt 2001; erschienen im Logos-Verlag Berlin 2003.

Militärgeschichtliche Zeitschrift 63 (2004), S. 401-427 © Militärgeschichtliches Forschungsamt, Potsdam

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k e v o r g e n o m m e n w i e z.B. d u r c h M u s p e r u n d U n g e r2. Einer u m f a s s e n d e r e n Be- h a n d l u n g d e r S e l b s t d a r s t e l l u n g M a x i m i l i a n s h a t sich b i s l a n g a l l e r d i n g s n u r Jan- Dirk M ü l l e r g e w i d m e t3. Eine detaillierte S t u d i e z u H i n t e r g r u n d , K o n z e p t i o n , Ent- s t e h u n g u n d W i r k u n g d e s R u h m e s w e r k e s i n s g e s a m t steht n a c h w i e v o r a u s . Ei- n e n f u n d i e r t e n Einblick bietet a u c h d a s f ü r d i e B e s c h ä f t i g u n g m i t M a x i m i l i a n I.

g r u n d s ä t z l i c h u n v e r z i c h t b a r e b i o g r a p h i s c h e Werk v o n Wiesflecker4. D i e A u s s t e l - l u n g s k a t a l o g e z u M a x i m i l i a n I. v o n 1959 u n d 1969, s o w i e d e r K a t a l o g » K u n s t u m 1492« stellen z u m i n d e s t in k n a p p e n Beiträgen d i e w e s e n t l i c h e n F a k t e n u n d bis- h e r i g e n E r k e n n t n i s s e z u e i n z e l n e n W e r k e n vor5.

1. Die Selbstdarstellung Maximilians I.

M a x i m i l i a n w u r d e a m 22. M ä r z 1459 in W i e n e r N e u s t a d t als S o h n Kaiser Fried- richs III. geboren. N a c h einer u m f a s s e n d e n E r z i e h u n g u n d A u s b i l d u n g z o g er 1477 n a c h B u r g u n d , u m d i e Tochter u n d Erbin d e s i m K a m p f g e g e n d i e S c h w e i z e r k u r z z u v o r g e f a l l e n e n H e r z o g s v o n B u r g u n d z u heiraten6. Diese H e i r a t w a r ü b e r J a h r e

2 Kaiser Maximilians I. Weißkunig. In Lichtdruck-Faksimiles nach Frühdrucken. Hrsg. von Heinrich Theodor Musper, 2 Bde, Stuttgart 1956 und Kaiser Maximilian I. Teuerdank. Die Geferlicheiten und eins Teils der Geschichten des löblichen streitbaren und hochberümbten Heids und Ritters Herr Teurdanks. Hrsg. von Helga Unger, München 1968. Zu erwähnen sind hier auch: Theuerdank, Nürnberg 1517. Kaiser Maximilian I. Mit einem Nachw. von Horst Appuhn, Dortmund 1979 (Nachdr. der 1. Ausg. im Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses Bd 8, Wien 1888) und Der Triumphzug Kaiser Maximilians 1.1516-1518.147 Holzschnitte von Albrecht Altdorfer. Mit dem von Kaiser Maximilian diktierten Programm und einem Nachw. von Horst Appuhn, Dort- mund 1979 (Nachdr. der 4. Ausg. durch Franz Schestag, Wien 1883-1884). Als neueste diesbezügliche Studien sind hier anzuführen: Magnanimus. Die lateinische Fassung des Theuerdank Kaiser Maximilians I. Hrsg. von Claudia und Christoph Schubert, Remchin- gen 2002 und Thomas Schauerte, Die Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I. Dürer und Albrecht Altdorfer im Dienst des Herrschers, München, Berlin 2001.

3 Jan-Dirk Müller, Gedechtnus. Literatur und Hofgesellschaft um Maximilian I., München 1982.

4 Hermann Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit, 5 Bde, Wien 1971-1986.

5 Maximilian 1.1459-1519. Ausstellung 23.5. bis 30.9.1959 in Wien. Hrsg. durch die Öster- reichische Nationalbibliothek, die Graphische Sammlung Albertina und das Kunsthi- storische Museum, Wien 1959; Maximilian I. Ausstellung 1.6. bis 5.10.1969 in Innsbruck.

Hrsg. durch das Land Tirol, Innsbruck 1970; Kunst u m 1492. Hispania - Austria. Die Ka- tholischen Könige, Maximilian I. und die Anfänge der Casa de Austria in Spanien. Hrsg.

von Wilfried Seipel, Milano 1992.

6 Erziehung und Unterricht wurden vor allem von Heinrich von Fichtenau anhand der verwendeten Lehrbücher rekonstruiert; vgl. Heinrich von Fichtenau, Der junge Maxi- milian (1459-1482), Wien 1959 und dazu Georg Zappert, Über ein für den Jugendunter- richt Kaiser Maximilian's I. abgefasstes lateinisches Gesprächsbüchlein, Wien 1858 (= Sit- zungsberichte der philosophisch-historischen Classe der kaiserlichen Akademie der Wis- senschaften, 28. Bd, Jahrgang 1858, Sitzung vom 14.7.1858). Darüberhinaus finden sich Aussagen zu Erziehung und Ausbildung sowohl in der Historia Friderici et Maximilia- ni und im autobiographischen Werk »Weißkunig«; vgl. Historia Friderici et Maximilia- ni. Hrsg. von Joseph Chmel, Wien 1888 (= Der österreichische Geschichtsschreiber, Bd 1) und Musper, Weißkunig (wie Anm. 2).

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hinweg von den beiden Vätern vorbereitet worden. Von Anfang an mußte sich Ma- ximilian in Burgund zunächst gegen die Ansprüche des französischen Königs und zunehmend auch gegen aufständische Kreise durchsetzen. Der sogenannte Nie- derländische oder Burgundische Krieg zog sich bis 1493 hin, mehrere Aufstände des Herzogs von Geldern schlossen sich an. Es folgten zum einen Feldzüge gegen die Ungarn, um diese nach dem Tod des Matthias Corvinus aus Osterreich zu ver- treiben. Schließlich scheiterte 1496 der Italienzug und 1499 unterlag Maximilian mit dem Schwäbischen Bund im Schweizerkrieg, doch 1504 folgte die entschei- dende Parteinahme im Landshuter Erbfolgekrieg. Darüberhinaus stand Maximi- lian in anhaltenden Kämpfen einerseits gegen Frankreich und andererseits gegen Venedig. Bis zu seinem Tod am 12. Januar 1519 verbrachte Maximilian den größ- ten Teil seiner Herrschaftsjahre im Kriegszustand, ob als Herzog von Burgund oder als Römischer König bzw. Kaiser. Er setzte dabei in zunehmendem Maße gezielt Mit- tel zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung ein. Er gestaltete unter gleichzei- tigem Rückgriff auf die höfisch-ritterlichen Traditionen wie auch auf Repertoire und Techniken des modernen Humanismus bewußt sein Bild in der Öffentlichkeit und die Wahrnehmung seiner Taten und Absichten. Maximilian gestand der Kunst grundsätzlich nicht nur illustrative und ästhetische Funktionen zu, sondern zu- sätzlich auch die Aufgabe der Erhaltung des eigenen Gedächtnisses in der Nach- welt und hierfür das Publikmachen der eigenen Taten und Leistungen. Die Schlüs- selstelle für seine entsprechende Einstellung findet sich im Weißkunig in Kap. 24:

»Weiter sprach der kunig zu demselben herrn: >sag mir ains: was beleibt dem menschen lenger, das guet oder die gedächtnus?< Darauf gab der herr die ant- wurt: >wann ain mensch stirbt, so volgen ime nichts nach dann seine werk.<

Auf sölichs redet der kunig: >du redest recht; wer ime in seinem leben kain ge- dachtnus macht, der hat nach seinem tod kain gedächtnus und desselben men- schen wird mit dem glockendon vergessen, und darumb so wird das gelt, so ich auf die gedechtnus ausgib, nit verloren, aber das gelt, das erspart wird in mei- ner gedechtnus, das ist ain undertruckung meiner künftigen gedächtnus, und was ich in meinem leben in meiner gedächtnus nit volbring, das wird nach mei- nem tod weder durch dich oder ander nit erstat<7

Maximilians Herrscherbild weist nach Jan-Dirk Müller »keine Verdichtung zu ei- ner Symbolfigur« auf, sondern »vielmehr einander ablösende Bilder«8. Ziel war es, die verschiedenen herrschaftstragenden und -stabilisierenden Gruppen anzu- sprechen mit jeweils einer Symbolfigur, einer idealen Herrschergestalt, welche die für die jeweilige Gruppe entscheidenden Ideale aufwies. Damit wurden das Han- deln und die Werte der jeweiligen Gruppe als für den Herrscher relevant und auch ihm eigen aufgewertet. Die einzelne Gruppe erhielt so auf abstrakte Weise Anteil an der Herrschaft und am Glanz des Herrschers selbst. Maximilian bemühte sich intensiv, in jeder dieser Gruppen - Adel und Rittertum, gelehrtes Bürgertum, Be- amtenschaft und höfisches Gefolge, organisiertes Soldatentum/Landsknechte - aufgrund eigener Leistung unbestreitbar an erster Stelle zu stehen. Vor allem in diesem Sinne ist der umfangreiche Katalog von Befähigungen des jungen Weiß- kunigs zu sehen9. Vehikel dieser bewußten Selbstdarstellung waren bei Maximili-

7 In: Musper, Weißkunig (wie Anm. 2), Kap. 24, S. 225 f.

8 Beide Zitate in: Müller, Gedechtnus (wie Anm. 3), S. 262.

9 Vgl. Musper, Weißkunig (wie Anm. 2), Kap. 18-50, S. 221-239. Dieser Punkt wird aus- führlich dargestellt bei Müller, Gedechtnus (wie Anm. 3), S. 221-239.

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an alle verfügbaren Medien. Maximilian betrieb bewußte Repräsentation. Er re- präsentierte als Herr seiner Erbländer, als Römischer König und als Kaiser. Diese Repräsentation stand neben der Propaganda. Während die Repräsentation eine vorhandene politische Realität zur Schau stellte10, die des Herrschers, Königs, Kai- sers, präsentierte die Propaganda eine imaginäre Idealität: die des gelehrten Für- sten, des kriegerischen Königs, des Führers der Christenheit gegen die Heiden, des tugendhaften und vollkommenen Ritters. Die für Repräsentation und Propagan- da benutzten Medien waren, neben dem persönlichen Auftreten in den jeweiligen Rollen, Schauspiel, Literatur, Illustration und Porträt, Bildhauerei, Plastik und Ar- chitektur. Die notwendige Heranziehung von Kunst und Wissenschaft wurde wie- derum in der Gestalt von Mäzenatentum innerhalb der Hofgesellschaft Teil der Propaganda11. Müller betont in diesem Zusammenhang die Heterogenität der Führungsschicht um 1500. Die Legitimation der einzelnen herrschaftstragenden und -stabilisierenden Gruppen beruhte demnach auf verschiedenen Grundlagen.

Ritterliche Leistung, ständische Hierarchie, Fachkenntnisse und Universitätsbil- dung wirkten zusammen. Jede Gruppe innerhalb der höfischen Gesellschaft, die zu- dem keine festen Formen aufwies, pflegte ihre eigene Lebenswelt und ihre eigenen sozialen Leitbilder. Diesen paßte sich nun Maximilian in einem steten Rollenwechsel an12. Hintergrund hierfür ist Maximilians Zeit in Burgund. Dort wurde er mit ei- ner höfischen Kultur konfrontiert, die die Repräsentation des Fürsten und die da- mit verbundene Propaganda auf eine äußerst intensive und umfassende Weise be- trieb13. Es ist anzunehmen, daß Maximilian mit den entsprechenden Mitteln der Selbstdarstellung vertraut wurde, die er später ebenso intensiv und umfassend an- zuwenden suchte. Wie dies bei den burgundischen Herzogen üblich gewesen war, unterhielt auch Maximilian einen, wie es Wiesflecker nennt, »literarisch-publizi- stischen Dienst«, eine Gruppe von bei Hofe beschäftigten oder diesem naheste- henden Künstlern und Gelehrten, die, im wesentlichen Maximilians eigene Ideen umsetzend, auftragsgemäß für die Darstellung Maximilians oder auch konkreter Taten und Anliegen in der Öffentlichkeit sorgten. Diese Gruppe umfaßte hochan- gesehene Gelehrte und Dichter, darunter viele Humanisten, und lenkte phasen- weise die öffentliche Meinung14. Entscheidend war dabei die Möglichkeit schnel- ler und kostengünstiger Reproduktion mittels Druckerpresse. Sowohl direkte For- men der Beeinflußung, wie z.B. Verherrlichungen Maximilians und seiner Taten in Gedichten und Dramen, als auch subtile, in Gestalt offizieller Texte, wie z.B. Ver-

10 Nach Heinz Dollinger, Die historisch-politische Funktion des Herrscherbildes in der Neuzeit, in: Weltpolitik, Europagedanke, Regionalismus. Festschrift für Heinz Gollwit- zer. Hrsg. von Heinz Dollinger, Horst Gründer und Alwin Hanschmidt, Münster 1982, S. 24 f.

11 Schütz betont, daß in Maximilian trotz seiner zahlreichen Aufträge an Künstler kein Mä- zen im eigentlichen Sinne zu sehen sei, da es Maximilian nie um die Kunst an sich ge- gangen sei, auch nicht um den Künstler, sondern immer nur um die Kunst als Vehikel seiner Ideen; vgl. Karl Schütz, Maximilian I. und die Kunst, in: Kunst u m 1492 (wie Anm. 5), S. 157.

12 Vgl. Müller, Gedechtnus (wie Anm. 3), S. 42 und 211 f.

13 Vgl. hierzu insbes. Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. (wie Anm. 4), Bd 1, S. 244 und Her- mann Wiesflecker, Maximilian I. Die Fundamente des habsburgischen Weltreiches, Wien, München 1991, S. 63.

14 Vgl. Hermann Wiesflecker, Österreich im Zeitalter Maximilians I. Die Vereinigung der Län- der zum frühmodernen Staat. Der Aufstieg zur Weltmacht, Wien, München 1999, S. 399 und Wiesflecker, Maximilian I. Die Fundamente (wie Anm. 13), S. 211-214.

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fügungen, Reichstags-Ladungen und Urkunden und der in ihnen enthaltenen For- mulierungen zu Maximilian, seiner Politik und seinen Absichten erreichten so wei- te Kreise15. Bei all dem als bestimmendes Movens nicht außer acht zu lassen, ist das zeittypische Ruhmverlangen, von dem sicher auch Maximilian getragen wur- de und das ebenfalls eine entsprechende Publikation und Darstellung des eigenen Handelns erforderte16.

Bereits in Burgund wurde Maximilian mit der niederländischen Frühform des Humanismus konfrontiert. In seinen österreichischen Landen förderte Maximilian schließlich großzügig die Humanisten. Die Wiederaufrichtung der Wiener Uni- versität und die Vergabe ihres Rektorates an den bedeutenden Humanisten Kon- rad Celtis sicherte dem Humanismus ein Zentrum und hatte seine weitere Ver- breitung zur Folge. Daß Maximilian mehrere Humanisten mit dem Dichterlorbeer krönte, brachte ihm deren Dank und damit seinen Preis in der Öffentlichkeit ein.

Die Einbeziehung von Humanisten in Maximilians literarisch-publizistischen Dienst, ihre Anwesenheit bei Hofe generell machte aus dem königlichen/kaiserlichen Hof ein geistiges Zentrum modernster Ausprägung. Allerdings wäre es trotz der Pfle- ge von Literatur und Kunst falsch, bei Maximilians Hof von einem Renaissance-Hof zu sprechen. Denn das traditionelle, ritterliche Element war an seinem Hof min- destens ebenso ausgeprägt wie das neue humanistische. Maximilians Hof Stellte allerdings keine direkte Umsetzung seiner Erfahrungen mit dem in einem idealen Rittertum fundierten burgundischen höfischen Prunk und Zeremoniell dar. Seine Hofhaltung blieb in Personalzahl und Kosten hinter der seines Sohnes Philipp zurück, das den Herrscher entrückende burgundische Zeremoniell wurde von Ma- ximilian nicht praktiziert17.

Grundsätzlich gilt es, zwischen Maximilians Hof während der Aufenthalte in Innsbruck oder anderen Hauptorten und dem Hof auf den häufigen Reisen und Feldzügen zu unterscheiden. Daß Maximilians Finanzen in der Regel enge Gren- zen setzten, kommt hinzu. Da der reisende Hof mitunter in seinen Aufenthaltsor- ten mit festlichen Einzügen empfangen wurde, relativiert sich dieses Bild erneut.

Es läßt sich daher festhalten, daß Maximilians Hof durchaus zur Prunkentfaltung fähig war und dies auch anlaßbedingt tat. Zusätzlich wurden einzelne Aspekte hö- fischen Lebens von Maximilian gezielt gefördert, etwa die Musik und das Turnier.

15 Vgl. Eberhard Isenmann, Politik und Öffentlichkeit im Zeitalter Friedrichs III. und Ma- ximilians I., in: Europäische Hofkultur im 16. und 17. Jahrhundert. Vorträge und Refe- rate gehalten anläßlich des Kongresses des Wolfenbütteler Arbeitskreises für Renais- sanceforschung und des Internationalen Arbeitskreises für Barockliteratur in der Her- zog August Bibliothek Wolfenbüttel vom 4. bis 8.9.1979. Hrsg. von August Buck [u.a.], Bd 3, Hamburg 1981, S. 586 und Wiesflecker, Maximilian I. Die Fundamente (wie Anm. 13), S. 211 f.

16 Vgl. Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. (wie Anm. 4), Bd 1, S. 414 und Anna Coreth, Dy- nastisch-politische Ideen Kaiser Maximilians I., Wien 1950 (= Mitteilungen des Öster- reichischen Staatsarchivs, 3/1950), S. 1-8 und Werner Goez, Renaissance und Rittertum, in: Geschichtsschreibung und geistiges Leben im Mittelalter. Festschrift für Heinz Löwe zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Karl Hauck und Hubert Mordek, Köln, Wien 1978, S. 570.

17 Wiesflecker bemerkt hierzu, die burgundische Art hätte nicht Maximilians Lebensstil entsprochen; vgl. Wiesflecker, Österreich (wie Anm. 14), S. 275. Allerdings betonte Wies- flecker an früherer Stelle, Maximilian hätte sehr daran gelegen, die überirdische Stellung des Fürsten gewahrt zu wissen, trotz aller Volksnähe. Der Abbau höfischen Zeremoni- ells sei allein aus Kostengründen erfolgt; vgl. Wiesflecker, Maximilian I. Die Fundamente (wie Anm. 13), S. 64.

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Der Hof wurde jedoch weit mehr von seinen Verwaltungs- und Führungsaufga- ben bestimmt als von höfischer Selbstdarstellung. Die eigentliche, politisch wirk- same Selbstdarstellung war über die engere Hofgesellschaft hinaus nach außen ge- richtet und zog dabei alle Möglichkeiten der Zeit heran. Gerade durch den Hu- manismus bot sich mit dem wiederbelebten antiken Repertoire der Herrschersa- kralisierung eine hervorragende Form der fürstlichen Selbstdarstellung. Gegenüber nicht- oder weniggebildeten Kreisen, und damit ohne Zugriffsmöglichkeit auf die- ses antike Repertoire, blieb zwar diese Tendenz der Selbstdarstellung erhalten, aber die Intensität war geringer. Die Sakralisierung bezog ihre Elemente aus christli- cher Heiligen Verehrung und mittelalterlichen Auserwählungsvorstellungen. Ma- ximilians Bestrebungen, eine Geschichte der Heiligen seines Hauses und eine Ge- schichte seiner kaiserlichen Vorgänger anfertigen zu lassen sind vor diesem Hin- tergrund zu sehen18. Nicht nur das Herrscherbild allgemein, sondern die Sakrali- sierung des Herrschers ist damit je nach Publikum und Adressat wechselnd.

Allgemein findet sich in Maximilians Selbstdarstellung ein durchaus zeitgemäßes Nebeneinander von antiken Herrscher- und Heldenvorstellungen und ritterlichen Idealbildern. Ebenfalls zeittypisch ist die Einkleidung traditioneller ritterlich-hö- fischer Bräuche und Vorstellungen in ein antikisierendes Gewand, etwa bei Maxi- milians Bildwerk »Triumphzug«: Der Inhalt ist zeitgenössisch ritterlich-höfisch, die Form ist antik. Die Darstellung Maximilians gls antiker Heros war die Aufga- be der gelehrten Panegyriker und Hofschriftsteller. Eine tiefergehende Einwirkung Maximilians selbst war kaum nötig, die Verfasser verfügten über das Repertoire und wandten sich vorrangig an ein gleichgeartetes Publikum. Angebot und Nach- frage stützten sich innerhalb dieses gleichermaßen interessierten wie dazu be- fähigten Kreises gegenseitig. Eine weitere Steuerung war nicht in demselben Maße notwendig wie bei der volkssprachlichen »gedechtnus«.

Neben der Selbstdarstellung in Schauspiel und reproduzierbarem Text war die bildliche Präsentation die zweite wesentliche Form der Selbstdarstellung. Maxi- milian gab zahlreiche Porträts für sich selbst und für Verwandte in Auftrag, war in höchstem Maße an der Illustration seiner Auftragswerke interessiert, griff dabei in laufende Arbeitsvorgänge zum Teil mehrfach ein und schätzte offensichtlich die Möglichkeiten des reproduzierbaren Bildes sehr hoch ein. Gerade das Bild bot die Integration mehrerer Bedeutungsebenen in einem Werk, wobei zudem durch die Verbildlichung abstrakter oder langwieriger Vorgänge eine extreme Informations- dichte erreicht werden konnte19. In diesen bildlichen Darstellungen dienten wie- derum viele verschiedene Symbole und Attribute, die je nach Adressat und Kern- aussage des Bildes variiert und zusammengesetzt wurden, der Betonung der Stellung Maximilians, bzw. der in dem jeweiligen Bild von ihm angenommenen Rolle. Der Aspekt der Abbildung »sub specie aeternitatis« der Renaissance deck-

18 Zu nennen sind hier: »Die Heiligen der Sipp-, Mag- und Schwägerschaft Kaiser Maxi- milians I.« von Jakob Mennel, »Die Genealogie« von Hans Burgkmair, Mennel und Johannes Stabius, »Der Zaiger« von Mennel, »Kayserart« von Mennel, sowie »Die Fürst- liche Chronick / Kayser Maximilians Geburtsspiegel« ebenfalls von Mennel; in der Re- gel nur teilweise vollendet; vgl. Maximilian I. Ausstellung 1969 (wie Anm. 5), S. 134-143 und Unger, Nachwort, S. 320 f. in: Unger, Teuerdank (wie Anm. 2); vgl. hierzu allg. auch Müller, Gedechtnus (wie Anm. 3), S. 264-268.

19 So etwa, wenn in den Illustrationen im Weißkunig komplizierte politisch-diplomatische Vorgänge (Bündniswechsel u.ä.) einfach durch bestimmte Verhaltensweisen oder Gesten der beteiligten Könige dargestellt werden.

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te sich mit Maximilians persönlicher Auffassung von »gedechtnus«. Vor diesem Hintergrund ist die weitgehende Ähnlichkeit zumindest der in Maximilians nähe- rem Umfeld entstandenen Bildnisse zu sehen, erleichtert durch sein äußerst mar- kantes Profil.

Festzuhalten bleibt, daß aus Maximilians Sicht, ausgehend von dem eingangs angeführten Weißkunig-Zitat, nach seinem Tode in der Nachwelt nichts bliebe außer dem Ruhm, der Tat und dem Bildnis. Die Tat bewahrte Maximilian selbst im Gedächtnis durch seine autobiographischen Texte. Den Ruhm sicherte er sich etwa durch die übergroßen Bildwerke Triumphzug und Ehrenpforte, aber auch durch sein nicht minder großes Grabmal-Projekt oder sein Augsburger Reiter- denkmal-Projekt20. Sein Bildnis ließ er durch eine Vielzahl von Porträts erhalten.

Der Übergang zu den rein propagandistischen Bild- und Textwerken, die also mehr einer bestimmten Situation Rechnung trugen als einer langfristigen »gedechtnus«- Absicht war dabei fließend, da sich die Propaganda- und die Porträt-Absicht zum Teil die Waage hielten. Es ist also anzunehmen, daß die Rollen, in denen sich Ma- ximilian in propagandistischer Absicht hat abbilden lassen, durchaus Rollen wa- ren, in denen er in der Erinnerung (in der »gedechtnus«) weiterleben wollte. Es waren dies vor allem die Rollen des siegreichen Feldherrn, des kriegerischen Kö- nigs, des militärischen Fachmanns, des vollkommenen Ritters und Kreuzfahrers und auch des Heiligen Georg.

2. Das Ruhmeswerk

Kern von Maximilians SelbstdarStellung ist das sogenannte »Ruhmeswerk«: die Text- und Bildwerke, die sein Leben und seine Taten in unterschiedlich stark stili- sierter Weise behandeln, »unscharf zwischen Biographie und Autobiographie«

(Misch). Allen diesen Werken liegt nach Misch eine auf Maximilian bezogene Ide- alisierungsabsicht zugrunde, die sich durch poetische Mittel und die Auflösung der Lebensgeschichte in eine Fülle von Einzelstücken ausdrückt21. Dieses Ruh- meswerk ist deutschsprachig, wodurch Maximilian die Teile der Führungsschicht erreichen konnte, denen die gelehrte Bildung nicht zugänglich war. Maximilian selbst bezeichnete sein Ruhmeswerk als »gedechtnus«, was seiner Absicht ent- sprach, vor allem sein Fortleben in der Erinnerung der Nachwelt zu sichern, be- ziehungsweise die Art, wie sich die Nachwelt an ihn erinnern würde, selbst zu be- stimmen.

Maximilians »gedechtnus« arbeitete dabei innerhalb der einzelnen Werke mit mehreren Bedeutungsebenen. Der Grad des Verstehens, den der Betrachter oder Leser erreichen konnte, hing dabei von seiner Nähe zum Herrscher oder der Größe

20 Vgl. hierzu Fedja Anzelewsky, Ein unbekannter Entwurf Burgkmairs für das Reiter- denkmal Kaiser Maximilians, in: Festschrift für Peter Metz. Hrsg. von Ursula Schlegel und Claus Zoege von Manteuffel, Berlin 1965 und Vinzenz Oberhammer, Die Bronzestatuen am Grabmal Maximilians I., Innsbruck, Wien, München 1955.

21 Nach: Georg Misch, Die Stilisierung des eigenen Lebens in dem Ruhmeswerk Kaiser Ma- ximilians, des letzten Ritters, Berlin 1930, S. 437 und 452 (= Nachrichten von der Gesell- schaft der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-Historische Klasse 1930, H. 3 und 4).

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seines Eingeweihten-Wissens ab. Die einzelnen Werke, obwohl reproduzierbar her- gestellt, wurden entweder durch ihre Monumentalität oder ihren Prunk oder auch durch dahingehende Behauptungen im Vorwort oder in der Erläuterung als etwas Einzigartiges dargestellt, dessen Besitz allein bereits Zeichen der Erhöhung und Auserwählung sei22. Der Entstehungsvorgang war bei allen graphischen Werken des Ruhmeswerkes ähnlich. Der übliche Ablauf zeigt nach Schütz eine enge Zu- sammenarbeit von eigentlichem »Erfinder«, in der Regel Maximilian, den planen- den Koordinatoren, etwaigen Quellenforschern und Genealogen, den Textern, den für die Bilder zuständigen Künstlern und den ausführenden Holzschnitzern und Druckern. Zunächst wurden erste Bildentwürfe zeichnerisch festgehalten und schließlich für Maximilians Privatgebrauch eine farbige Miiiiaturenausgabe pro- duziert. Neben der Erstellung der eigentlichen Holzschnittversion, zum Teil auch bereits vorher, entstanden besondere Prachtausgaben. In Gänze erfolgte dieses Vor- gehen allerdings nur beim Teuerdank23.

Maximilian war immer wieder mit seiner »gedechtnus« beschäftigt. Er gab ent- sprechende und häufig detaillierte Anweisungen, wann immer sie ihm einfielen, und diktierte, sobald sich die Gelegenheit ergab. Die Arbeit an der »gedechtnus«

vollzog sich damit neben dem alltäglichen Geschäftsverkehr. Maximilian nutzte sowohl die humanistisch inspirierten Ausdrucksformen der Gelehrten als auch traditionelle Formen der ritterlich-höfischen Kultur. Allerdings verlegte sich der Schwerpunkt von zunächst lateinischen Texten auf deutschsprachige24. Hinter- grund dürfte gewesen sein, wie Jan-Dirk Müller meint, daß Maximilian sich ver- stärkt bemühte, seine Selbstdarstellung dort publik zu machen, wo seine Pläne und Absichten die entscheidende Unterstützung oder Ablehnung erfahren konn- ten: beim Adel, den Reichsständen, den bürgerlichen Herrschaftsträgern in den Städten und an den Höfen, nicht zuletzt auch bei den mit dem Haus Habsburg und Maximilian persönlich verbundenen Fürsten25. Eine breite Publikation war erst in zweiter Linie beabsichtigt. Zunächst sollte mittels Prunkausgaben für einen ausgewählten Kreis der Charakter der Auszeichnung erweckt werden. In diesem Sinn ist wohl auch noch Ferdinand I. vorgegangen, der 1526 100 Exemplare des Weißkunig bestellte, dazu 300 Exemplare der Genealogie, 200 Exemplare des Tri- umphwagens und 300 Exemplare der Ehrenpforte26. Letztes Ziel war aber die Brei- tenwirkung, die mittels »Volksbuch«-Ausgaben hätte erreicht werden sollen27. Tatsächlich zu Lebzeiten Maximilians »erschienen« war nur der Teuerdank (1517), aber auch dieser wurde nur in wenigen Exemplaren an ausgewählte Personen über- reicht. Die einzelnen Werke der »gedechtnus« waren also Belohnung für Dienste am Haus Habsburg und gleichzeitig Versuche, die Beschenkten in ihrer Bindung an Maximilian und das Haus Habsburg zu bestärken. Durch die Monumentalität

22 Vgl. hierzu vor allem Müller, Gedechtnus (wie Anm. 3), S. 153 und 276-279.

23 Vgl. Schütz, Maximilian I. (wie Anm. 11), S. 159 f.

24 Vgl. zur ursprünglichen Planung Alwin Schultz, Fragmente einer lateinischen Autobio- graphie Kaiser Maximilians I., Wien 1888 (= Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlun- gen des allerhöchsten Kaiserhauses, Bd 6), aber auch Historia Friderici et Maximilian!

• (wie Anm. 6), sowie Schubert, Magnanimus (wie Anm. 2).

25 Vgl. Müller, Gedechtnus (wie Anm. 3), S. 65 und 74-77.

26 Vgl. Maximilian I. Ausstellung 1969 (wie Anm. 5) und Maximilian I. Ausstellung 1959 (wie Anm. 5).

27 Vgl. Heinz-Otto Burger, Der Weisskunig als Literaturdenkmal, in: Musper, Weisskunig (wie Anm. 2), S. 18 f.

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der einzelnen Werke in Verbindung mit ihrer Reproduzierbarkeit und der geziel- ten Auswahl der Teilhaber an diesen Werken war es Maximilian möglich, einen prunkvollen, aber imaginären Hof mit ebenso imaginären Festen zu erschaffen28. Gemeinsames Kennzeichen dieser verstreuten Hofgesellschaft war neben der Be- ziehung zu Maximilian und dem Haus Habsburg die gemeinsame, wenn auch un- terschiedlich tiefgehende, Teilhabe am Wissen über den Herrscher und seine An- schauungen und Pläne. Sie stellte das Publikum dar für den im Realen unauf- führbaren Triumphzug oder die Ehrenpforte. Dies war jedoch in der Theorie ge- dacht, weil nur ein kleiner Teil des Ruhmeswerkes tatsächlich vollendet wurde und entsprechend wirken konnte.

3. Der Teuerdank

Im Jahr 1505 hatten die Planungen und ersten Maßnahmen zur Erstellung eines deutschsprachigen autobiographischen Versepos begonnen, aus dem schließlich der »Freydal«, der »Teuerdank« und der »Weißkunig« erwuchsen. Zunächst war allerdings noch an ein einzelnes Werk gedacht. Etwa 1510 wurde jedoch aus dem geplanten einzelnen autobiographischen Versepos der Bereich der Brautfahrt nach Burgund herausgenommen und selbständig zum stark abstrahierenden Versepos

»Teuerdank« weiterbearbeitet: zunächst von Marx Treitzsaurwein, ab 1514 von Melchior Pfinzing. Der Bereich der Turniere und Mummereien (Maskenbälle) wur- de ebenfalls zum »Freydal« weiterbearbeitet. Beide Teile stilisierten Maximilian in den Titelgestalten Teuerdank und Freydal zum idealen Ritter. Im Teuerdank er- weist sich ritterliche Bewährung im Meistern von »geuerlichkeiten« verschieden- ster Art (Zweikämpfe, Anschläge, Sorglosigkeiten, Unfälle aller Art, Krankheit).

Rittertum wird hier durch eine »widerständige zeitgenössische Alltagswelt« (Jan- Dirk Müller) herausgefordert, findet also im Alltag statt. Dabei ist Teuerdank als Fürst der einzige Ritter, dem das Vermögen zu solcher Bewährung zugestanden wird29.

Maximilian war also nach wie vor darum bemüht, ritterlich-fürstliche Kreise mittels einer Selbstpräsentation als ritterliche Idealgestalt an sich zu binden. Der Teuerdank machte dabei deutlich, daß sich Rittertum auch außerhalb des traditio- nellen ritterlichen Zweikampfes verwirklichen ließ und bot so eine Weiterent- wicklung in Anbetracht des zunehmenden Verlustes traditioneller ritterlicher Hand- lungsfelder. Als drittes Ergebnis von Maximilians autobiographischen Bestrebun- gen entstand in der Folge der »Weißkunig«, der im Gegensatz zu Freydal und Teu- erdank als Prosaroman entstand und weit stärker an den realen Vorgängen orientiert war, wenn auch die Geschehnisse stark verschlüsselt wurden.

28 Auf letzteres weist vor allem Müller, Gedechtnus (wie Anm. 3), S. 77 und 269-275 hin.

29 Der Teuerdank geht hier letztlich auf das Vorbild des »Chevalier délibéré« von Olivier de la Marche zurück. La Marche, Dichter und Geschichtsschreiber am burgundischen Herzogshof, präsentierte darin in stark idealisierter Form Leben und Taten Karls des Kühnen. Bereits hier erfolgte die Umformung von Lebens-Realität in eine allegorisch- symbolische Idealität; vgl. Wiesflecker, Österreich (wie Anm. 14), S. 419.

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Im Jahre 1517 wurde der Teuerdank fertiggestellt. Er ist damit das einzige Ruh- meswerk Maximilians, das zu seinen Lebzeiten vollendet und gedruckt wurde. Al- lerdings wurde es nicht in die breite Öffentlichkeit gebracht, sondern, wie bereits dargestellt, an ausgewählte Persönlichkeiten verschenkt. Die eigentliche Publika- tion sollte wohl erst nach Maximilians Tod erfolgen, worin ein Modell auch für die anderen Ruhmeswerk-Teile zu sehen wäre30.

Er besteht aus 118 Kapiteln mit 118 Holzschnitten, vor allem von Leonhard Beck geschaffen, dazu auch von Hans Schäuffelin und Hans Burgkmair. Der Teuerdank behandelt die Gefahren und Abenteuer, denen der vollkommene Ritter Teuerdank (d.i. Maximilian) auf seiner Brautfahrt ausgesetzt ist. Es sind drei Hauptleute der Königin, seiner Braut, die seine Herrschaft verhindern wollen und ihm daher eine Vielzahl von Schwierigkeiten in den Weg legen. Es handelt sich dabei um Fürwit- tig, Unfallo und Neidelhart. Letztlich überwindet Teuerdank aus dem Alltag er- wachsende Schwierigkeiten ritterlich. Hierbei wird Teuerdank immer wieder als er- fahrener Feldherr präsentiert. Schon zur Verlobung kommt es aufgrund der krie- gerischen Befähigung Teuerdanks. In Kap. 5 wird als Grund für die Wahl Teuerdanks zum Gatten genannt, es sei eine streitbare Hand zum Schutz der Königin, der Leu- te und des Landes nötig, und in Kap. 75 sagt die Königin selbst, sie brauche einen Mann, der nach ritterlichen Taten dürstend unverzagt von früh bis spät gegen ih- re Feinde kämpfen könne31. In Kap. 76 spricht der Widersacher Neidelhart zu Teu- erdank, ihn solcherart zu einer Ubereiltheit verleiten wollend:

»Eim Herrn geburt, / daß der Kriegshendel wissen sol, / damit er künn be- schützen wol / sein treu Diener und Undertan32

Weiter beweist Teuerdank in Kap. 88, daß er die Geschütze perfekt beherrscht und so einen überraschend angreifenden Gegner in die Flucht schlagen kann und in Kap. 94 tritt er als erfahrener Belagerungsführer auP3. Entsprechend sind auch die Illustrationen. Häufig sieht man Teuerdank an der Spitze von Fuß- und Reiter- truppen in bedrohlichen Gefechtssituationen, so etwa in den Illustrationen zu den Kapiteln 76, 79, 81, 84, 88 und 9134.

Auf Bild 91 wird Teuerdank durch einen Kommandostab darüber hinaus bewußt als Feldherr gekennzeichnet35. Den eigentlichen Höhepunkt erreicht die Darstel- lung Teuerdanks und damit die Selbstdarstellung Maximilians am Schluß des Ver- sepos'. In Kap. 113 fordert ihn die Königin auf, er solle einen Feldzug gegen die Ungläubigen anführen, erst danach wolle sie ihm ganz gehören36. Dem zögerli- chen Teuerdank erscheint schließlich in Kap. 115 ein Engel und verkündet ihm, es

30 Vgl. Maximilian I. Ausstellung 1969 (wie A r m . 5), S. 140 f. Allerdings erfolgte noch 1519 eine Veröffentlichung des Teuerdank durch Maximilians Buchdrucker Johannes Schöns- perger, der bis zu Maximilians Tod durch entsprechende Einschränkungen daran ge- hindert gewesen war; vgl. E.I. in Kunst um 1492 (wie Anm. 5), S. 310.

31 Nach Unger, Teuerdank (wie Anm. 2), Kap. 5, S. 18 und Kap. 75, S. 184 f.

32 Ebd., Kap. 76, S. 187.

33 Vgl. ebd., Kap. 88, S. 218 f. und Kap. 94, S. 234-236.

34 Vgl. die entsprechenden Kapitel in Simon Laschitzer, Der Theuerdank, Wien 1888 (= Jahr- buch der kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses, Bd 8); Abbil- dungen dort.

35 Die folgende Illustration aus Kapitel 76 zeigt Teuerdank an der Spitze eines Landungs- unternehmens; vgl. hierzu auch den Text in Unger, Teuerdank (wie Anm. 2), Kap. 76, S. 187 f. In diesem Kapitel wird vor allem die Gefährlichkeit von Angriffen über See und von Truppenanlandungen herausgestrichen. Auch hierin bewährt sich Teuerdank.

36 Vgl. ebd., Kap. 113, S. 288.

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Teuerdank an der Spitze eines Landungsunternehmens, Teuerdank, Kap. 76. Original in der Universitätsbibliothek Innsbruck, Sign. 42 B2. Abbildung in: Theuerdank (wie Anm. 2, Kap. 76.

sei Gottes Wunsch und Wille, daß er diesen Kreuzzug anführe, der Christenheit zum Nutzen. Diese Szene ist auch in der Illustration zu diesem Kapitel dargestellt37. Die Illustration Nr. 117 zeigt darauf Teuerdank gerüstet zu Pferd mit Kreuzfahne an der Spitze des Kreuzfahrerheeres. Das letzte Bild im Teuerdank zeigt ihn in Rü- stung auf einem Schwerterkranz stehend. Nach Percy Ernst Schramm drückt die-

37 Vgl. Unger, Teuerdank (wie Anm. 2), Kap. 115 und Laschitzer, Theuerdank (wie Anm. 34), Kap. 115.

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ses Bild die Erhebung des »glückhaften Helden« (so die Bildzuschrift) auf dem Schwerterkranz zum Halbgott und Heros aus38.

Der Teuerdank vermittelt auf mehreren Ebenen Informationen über Maximili- ans Selbstverständnis. Zuvorderst steht die Herausstreichung der Möglichkeit rit- terlicher Bewährung in alltäglichem Handeln und damit außerhalb der höfisch- ritterlichen Kunst-Atmosphäre von Fest und Turnier, In dieser Hinsicht ist Teuer- dank vorbildlich und vollkommen, innerhalb des Versepos auch einzigartig, er steht in keinem Wettbewerb mit Konkurrenten um die ritterliche Idealität, es geht allein um seine Bewährung. Ziel war eine Anbindung ritterlicher Kreise an die als Ideal dargestellte Person Maximilians unter der Versicherung, ritterliches Verhal- ten sei »in der zeitgenössischen Realität« (Jan-Dirk Müller) möglich. Das ganze Epos dreht sich um die Bewährung Teuerdanks. Alle Geschehnisse, selbst die Krie- ge, die in keiner Weise näher beschrieben oder motiviert werden, sind allein auf die Möglichkeit der Bewährung Teuerdanks hin ausgerichtet. Teuerdanks Handeln dient nur diesem Zweck, seine Ehre durch Bewährung zu erhöhen. Letztlich ist dies ein maskiertes Streben nach Selbstvervollkommnung und Selbstüberwindung, bis hin zur Vermählung, die nur durch seine Bewährung möglich wird. Mit der Vermählung erhält er schließlich seine eigentliche Bestimmung zugewiesen, die Führung des Kreuzzuges. Der ganze Entwicklungs- und Bewährungsweg Teuer- danks ist damit auf den Auftrag zum Kreuzzug am Ende ausgerichtet.

In diesem Aspekt lag eine propagandistische Komponente, die freilich zunächst nur gegenüber den ausgewählten Parteigängern zur Wirkung kam, die das Werk zum Geschenk erhielten. Nach Burger sollte allerdings auch der Teuerdank in Form eines billigeren »Völksbuches« in eine breitere Öffentlichkeit gebracht werden. Hier sollte er vor allem eine Antwort liefern auf die zeitgenössische Suche nach der Er- neuerung des inneren Menschen. Die Antwort des Teuerdank wäre dabei nach Burger die romantische Rückkehr zu den Werten der Ritterzeit, gezeigt in der rit- terlichen Bewährung in Alltagssituationen39. Vor dem Leser bzw. Betrachter woll- te sich Maximilian als durch seine innere Vollkommenheit herausgehoben und zur Führung des Kreuzzuges bestimmt darstellen. Dabei ist zu bedenken, daß der Teu- erdank innerhalb des autobiographischen Werkes als ein Teil von drei deutsch- sprachigen idealisierend-biographischen Texten zu sehen ist. Daher ist die »Ar- beitsteilung« zu beachten, die mit Teilung des Ausgangsvorhabens vorgenommen wurde. Der Teuerdank idealisiert Maximilian als vollkommen und ritterlich han- delnd in der Alltagswelt. Der Freydal idealisiert Maximilian als vollkommen in- nerhalb der höfisch-ritterlichen, zunehmend in der Defensive befindlichen Kunst- welt. Der Weißkunig schließlich, der sich weitgehend an Fakten hält, idealisiert Maximilian als vollkommen handelnd in der alltäglichen Sphäre fürstlichen Da- seins und stellt diese in einen ritterlichen Rahmen.

Doch wo der Weißkunig Maximilian in der Realität hauptsächlich nüchtern- pragmatisch handelnd zeigt, diese Realität aber soweit wie möglich aus traditio- nell-ritterlicher Sicht beschreibt und interpretiert, zeigt der Teuerdank Maximilian in Alltagssituationen ritterlich handelnd in einer allein auf ihn ausgerichteten sinn- bildhaften irrealen Welt. Die Alltagssituationen im Teuerdank umfassen die Be-

38 Angeführt bei Müller, Gedechtnus (wie Anm. 3), S. 233. Jan-Dirk Müller hingegen in- terpretiert das Bild als Darstellung des glückhaften Helden, der das Schwerter-Glücks- rad mit Füßen tritt.

39 Nach Burger, Weisskunig (wie Anm. 27), S. 18.

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reiche, in denen sich Maximilian in seinem Alltag aufhält: Turnier, Jagd, Krieg, so- gar eher häusliche Gefahren werden thematisiert. Die Art und Weise wie Maximi- lian diese »geuerlichkeiten« meistert, weist ihn als vollkommenen Ritter aus, darin einzigartig und deshalb zur größten Aufgabe, dem Kreuzzug auserwählt. Diese stark idealisierte und vor allem die innere Vervollkommnung aufzeigende Dar- stellungsart läßt die faktengenaue Darstellung der Taten Maximilians kaum zu.

Diese Aufgabe übernimmt der Weißkunig. Inwieweit der ritterlich gefärbte Rah- men tatsächlich Maximilians Denkungsart entsprochen hat, ist nicht bestimmbar.

Aber es ist durchaus feststellbar, daß er ritterlichen Denk- und Wertestrukturen in der Politik gefolgt ist. Bezeichnenderweise schenkte Maximilian seinem Enkel Karl bei seinem Besuch in Brüssel 1518 eine Ausgabe des fertiggestellten Teuerdank, aber auch eine des noch fragmentarischen Weißkunig, seinen Nachfolger damit gewissermaßen auf seine Spur setzend und durch sein eigenes idealisiertes Bei- spiel prägen wollend40.

4. Der Freydal

Die Teilung des geplanten autobiographischen Versepos ist ein Zeichen für eine bewußt stärkere Differenzierung in verschiedene Aspekte idealen Rittertums. Durch einen »Rückzug auf die repräsentative Seite von Rittertum« konnte die »gesell- schaftliche Exklusivität einer Sphäre >ritterlichen< Handelns« gerettet werden41.

Die folgende Abbildung etwa zeigt Maximilian im Zweikampf gegen Claude de Vauldrey, einen bekannten burgundischen Turnierhelden. Der Kampf fand während des Reichstags von 1495 in Worms statt und diente vermutlich dazu, den in diesem Zweikampf gegen den burgundischen Champion d'armes siegreichen Ma- ximilian als Krone der Ritterschaft zu präsentieren. Zumindest die Ausgangslage ist inszeniert und von politischer Aussagekraft. Der Verlauf dieses erst im Fuß- kampf entschiedenen Kampfes, das vorherige Rennen verlief ohne eindeutigen Sieger, kann inszeniert gewesen sein, muß es aber nicht. Maximilian war erwiese- nermaßen tatsächlich ein hervorragender Turnierkämpfer42.

Der Freydal besteht aus einem Zyklus von 256 Turnieren an 64 Turnierhöfen, je- weils noch mit festlichen »Mummereien«, also Bällen mit Verkleidungen. Die Tur- niere und Mummereien hatten in der Regel tatsächlich stattgefunden, wurden aber im Freydal zugunsten der Betonung der Idealität aus ihrem realen und chronolo- gischen Kontext herausgelöst43.

40 Vgl. Misch, Die Stilisierung (wie Anm. 21), S. 446. Zu beachten ist hier allerdings, daß der junge Karl, da des Deutschen nicht mächtig, zunächst mit beiden Werken vermutlich nur wenig anfangen konnte.

41 Nach Müller, Gedechtnus (wie Anm. 3), S. 215.

42 Vgl. den Bericht über diesen Turnierkampf in den »Geschichten und Taten Wilwolts von Schaumburg«, zit. in Deutsche Reichstagsakten. Mittlere Reihe: Deutsche Reichstagsak- ten unter Maximilian I, Bd 5: Reichstag von Worms 1495. Bearb. von Heinz Angermeier, Göttingen 1981, Bd 2, Nr. 1857, S. 1708-1710

43 Vgl. Misch, Die Stilisierung (wie Anm. 21), S. 458 und Wiesflecker, Österreich (wie Anm. 14), S. 284. Der Freydal blieb allerdings Fragment. Die als Holzschnitte geplanten Bilder liegen aber zumindest, wenn auch ohne Text, in einem farbigen Miniaturenkodex vor, vgl. hierzu Quirin von Leitner, Freydal. Des Kaisers Maximilian I. Turniere und Mummereien, Wien 1880-1882.

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-reydal/Maximilian im Kampf gegen Claude de Vauldrey, Frey dal fol. 39v. Original in der (unstkammer des Kunsthistorischen Museums in Wien, Inv.Nr. P5073 fol. 39v. Abbil- lung in: Kunst um 1492 (wie Anm. 5), S. 310.

>. Der Weißkunig

m Weißkunig waren es Maximilians tatsächliche Erlebnisse in ihrem chronologi- ichen und politisch-kausalen Kontext, die bearbeitet wurden und in einer dem îweck der »Gedechtnus« adäquaten Form präsentiert werden sollten. Er entstand ib etwa 1510 als selbständige deutschsprachige, stark verschlüsselte Autobiogra- phie Maximilians in Form eines Prosaromans, erstellt von Marx Treitzsaurwein.

m Weißkunig sind alle politischen Kräfte als ritterliche Turniergesellschaften un- er ebenso ritterlichen Königen dargestellt. Krieg ist die übliche Form der politi- ichen Auseinandersetzung. Insoweit wird unter Ausblendung der Realität aui atsächliche politische, wirtschaftliche oder auch rechtliche Motivationen kein Be-

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zug genommen. Im Zentrum der Geschehnisse steht der in allem überragende und vollkommene Weißkunig. Er wird als vollkommener Fürst präsentiert, da er alles, was zu seinen fürstlichen Aufgaben gehört, bereits in Kindheit und Jugend bis zur Vollkommenheit erlernt hat. Er wird präsentiert als vollkommener Ritter, der sei- ne unvorbereiteten Gegner mitunter vor einem Angriff warnen läßt, was er selbst unklug aber ehrenhaft nennt44, und immer wieder als überragender Feldherr, der sich vor allem gegenüber dem Blauen König (d.i. der König von Frankreich) dadurch auszeichnet, daß er seine Truppen persönlich ins Heer führt, wie es in Kap. 75 heißt.

Dort wird geschildert wie zwei Heere gegeneinander nichts ausrichteten, »dann dieselben heer wurden gefuert von baider kunig hauptleut«. Zwei andere Heere hingegen, besonders große Heere zumal, kämpften gegeneinander und hier war Ma- ximilian im Vorteil, denn »der jung weyß kunig fueret sein heer selbs«, während dem Blauen König das Schlachtergebnis, es handelt sich um Guinegate 1477, erst von einem gefangenen und als Boten abgesendeten Edelmann mitgeteilt werden mußte, »dann er het zuvor kain gruntliche potschaft«45. Auch wenn die dann fol- gende Anekdote vor allem auf den Schreiber des Weißkunigs, Marx Treitzsaur- wein, zurückgeht, wird trotzdem daraus ersichtlich, wie in Maximilians Umfeld dessen persönliche Heerführung gegenüber der simplen Auftragserteilung an Hauptleute auf Seiten des französischen Königs betrachtet wurde. Der junge Weiß- kunig läßt durch den Boten dem Blauen König ausrichten, er habe das Feld be- hauptet. Dann heißt es weiter:

»Als nun der plab kunig vernam, das der jung weiß kunig das veld het behal- ten, wisset derselb plab kunig von zorn nit, was er reden solt, und gab darauf die antwurt: >hat denn der jung weiß kunig das velt behalten, so sää er ponen daran. < Und so ainer in dem puech hernach weiter lesen, wird er finden, das in demselben veld die ponen auf gangen sein46

Der junge Weißkunig (Maximilian) hat sich, innerhalb der ritterlichen Ehrvorstel- lungen gedacht, völlig korrekt, geradezu vorbildhaft verhalten. Er hat seine Trup- pen persönlich ins Treffen geführt. Er hat einen Edelmann, den er selbst gefangen genommen hatte, nicht für eine Lösegeldforderung genutzt, sondern schlicht als Bo- ten zu dessen König abgefertigt und diesem so mitteilen lassen, er habe das Feld behauptet, was der ja noch nicht wissen konnte. Denn im Gegensatz zum jungen Weißkunig hatte dieser an der Schlacht nicht teilgenommen. Und dieser Blaue König reagiert nun nicht im geringsten ritterlich. Er weiß vor Zorn nicht, was er sagen soll und offenbart durch seine Antwort ein fehlendes Verständnis für ritter- liche Ehrvorstellungen.

In der Regel werden im Weißkunig keine ritterlichen Motivationen zur Erklä- rung der Kriegsgeschehen herangezogen. Es überwiegt die sachlich-technische Darstellung. Und in dieser Hinsicht bietet der Weißkunig ein realistisches, nichts beschönigendes Bild der Geschehnisse. Es ist die Form, die ritterlich ist oder als solche dargestellt wird, und innerhalb der handelnden Gesellschaften ist allein der jeweilige König als ritterlich handlungsfähig dargestellt. Wie Jan-Dirk Müller aus- führt, handelt es sich also primär um eine Maskierung der Politik als ritterlich und

44 Vgl. Musper, Weißkunig (wie Anm. 2), Kap. 118, S. 274.

45 Alle Zitate nach ebd., Kap. 75, S. 251.

46 Ebd. Diese Stelle wird in der von Maximilian korrigierten Handschrift wieder gestri- chen, wie er auch sonst witzige Äußerungen Treitzsaurweins in der Regel wieder streicht;

vgl. Burger, Weisskunig (wie Anm. 27), S. 21.

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um eine entsprechende Darstellung des fürstlichen Handelns. Ziel ist es, den Adel an seinen Fürsten als Verkörperung von Ritterlichkeit zu binden, während diese Rit- terlichkeit den eigentlichen »Rittern« nicht zugestanden wird47. Die Darstellung Maximilians als in dieser Hinsicht vollkommen ritterlich sollte gerade die eher re- staurativ orientierten Kräfte in Adel und Rittertum an seine Person und Politik binden.

Es ist anzunehmen, daß der Weißkunig wie schließlich der Teuerdank zunächst als wertvoller Prunkband hätte gedruckt und als solcher ganz bewußt an ausge- wählte Persönlichkeiten als Auszeichnung verschenkt werden sollen. Aber in den Kap. 10, 33 und 39 wird auch der »gemaine man« als Adressat genannt, der über die Ausgabe in einem »Volksbuch« zu erreichen gewesen wäre. Die breitere Öf- fentlichkeit wäre noch stärker von der Vollkommenheit des Weißkunigs inmitten einer unklaren und geheimnisvollen Umgebung beeindruckt worden. Die Stilisie- rung Maximilians als vollkommener Fürst hätte hier noch stärker gewirkt48. Im Hinblick auf diesen Adressatenkreis ist Maximilians Selbstdarstellung zu betrachten, gerade der als eine Art Fürstenspiegel angelegte zweite Teil mit Erziehung und Ausbildung des jungen Weißkunigs ist zu nennen.

Während der von der Realität weitgehend entbundene Teuerdank den Auf- bruch Teuerdank-Maximilians an der Spitze des Kreuzfahrerheeres vorwegneh- men konnte, stockte zum selben Zeitpunkt die Weiterarbeit des an der Realität ori- entierten Weißkunig. Die weitere Darstellung des verlorenen Venezianischen Krie- ges innerhalb des auf eine Idealität abzielenden Werkes hatte keinen Sinn. Als letz- ter Höhepunkt, als Ziel war auch im Weißkunig die Darstellung des Kreuzzuges beabsichtigt. Dieses Vorhaben wurde von Maximilian auch zäh weiterverfolgt - schließlich in seinen letzten Monaten nahtlos in die Maßnahmen zur Sicherung der Nachfolge im Reich für seinen Enkel Karl übergehend. Doch 1516 wurden die Ar- beiten am Weißkunig eingestellt. Das Werk endet mitten in der Darstellung des Ve- nezianischen Krieges. Der Kreuzzug gegen die Türken und als dessen Vorausset- zung die Kaiserkrönung in Rom nach erfolgreicher Durchsetzung in Italien und gegen Frankreich war im Jahre 1516 in weite Ferne gerückt.

Der demnach sehr umfangreiche Weißkunig umfaßt 221 Kapitel in drei Teilen.

Teil I stellt Heirat und Kaiserkrönung des alten Weißkunigs (d.i. Friedrich III.) dar, Teil II behandelt Geburt und Jugend des jungen Weißkunigs (d.i. Maximilian) bis 1477, Teil III, fast vollständig das diktierte Werk Maximilians, behandelt seine Krie- ge von 1477 bis 1513. Gerade in Teil III wird Maximilians Anspruch spürbar, wie Julius Caesar nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern vor der Nachwelt auch als Historiograph der eigenen Taten zu glänzen. Zum Text kommen noch 251 Holz- schnitte, hauptsächlich von Hans Burgkmair und Leonhard Beck. Erst 1527 erging

47 Vgl. Müller, Gedechtnus (wie Anm. 3), S. 212-215 und 222-225. Die Maskierung der mi- litärischen Realität als ritterlich ist nicht neu und läßt sich auch in französischen Chro- niken des 14. und 15. Jahrhunderts finden. In den Worten Huizingas dient dort die rit- terliche Fiktion als »Korrektiv für die Unbegreiflichkeiten der eigenen Zeit«. Die Kriege der Zeit wurden nach ihm als form- u n d zusammenhangslos empfunden, der Rückgriff auf die Fiktion des Ritterideals »führte damit alles auf ein schönes Bild von Fürstenehre und Rittertugend, ein hübsches Spiel edler Regeln zurück und schuf so wenigstens die Illusion einer Ordnung«. Vgl. Johann Huizinga, Herbst des Mittelalters. Studien über Lebens- und Geistesformen des 14. und 15. Jahrhunderts in Frankreich und in den Nie- derlanden, 11. Aufl., Stuttgart 1975, S. 86 f., die Zitate ebd. S. 87.

48 Vgl. Burger, Weisskunig (wie Anm. 27), S. 19.

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Unterweisung des jungen Weißkunigs im Umgang mit Wagenburgen, Weißkunig, Kap. 52.

Original in der Österreichischen Nationalbibliothek, Cod. Vind. 3032. Abbildung in: Mus- per, Weißkunig (wie Anm. 2), Kap. 52.

durch Ferdinand I. ein Druckauftrag an Marx Treitzsaurwein. Weil dieser aber im selben Jahr starb, blieb der Druck bis ins Jahr 1775 aus49.

In der Regel dient jeweils ein Holzschnitt zur Illustration eines Kapitels. Dies führt dazu, daß in Teil II zahlreiche Bilder Weißkunig-Maximilian bei Erlernung der unterschiedlichen Fähigkeiten zeigen, die als notwendig zur Heranbildung ei- nes vollkommenen Fürsten begriffen wurden und damit auch beim Erlernen rit-

49 Vgl. Maximilian I. Ausstellung 1969 (wie Anm. 5), S. 139 f. und E.I. in Kunst um 1492 (wie Anm. 5), S. 305-307.

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terlich und militärisch relevanter Tätigkeiten. Die Bilder in Teil III stellen Weiß- kunig-Maximilian in der Regel auf Feldzügen, im Gefecht oder bei Belagerungen dar50. So zeigt etwa Bild Nr. 44 den jungen Weißkunig beim Erlernen des Fechtens mit Schwertern51. Bild Nr. 80 präsentiert den jungen Weißkunig und damit Maxi- milian beim Einzug in das eroberte Utrecht über die zerschossene Mauer hinweg reitend. Bild Nr. 109 zeigt den jungen Weißkunig in der Beratung mit seinen Haupt- leuten vor der Belagerung einer Stadt (Arnheim 1505). Auf Bild Nr. 185 wird der junge Weißkunig bei der »Eroberung der venezianischen Flecken«, wie der Bildtext dazu lautet, gezeigt. Es zeigt ihn zu Pferd in Rüstung mit Krone, einen Komman- dostab in den Händen und so als tatsächlich führender Feldherr ausgewiesen. Wie in anderen Darstellungen wird Maximilian auch in den Illustrationen des Weiß- kunigs immer wieder als Feldherr präsentiert.

Die Selbstdarstellung Maximilians im Ruhmeswerk zielte in zwei Richtungen.

Er wollte zum einen von den Zeitgenossen, die dieses Werk bei Fertigstellung er- halten hätten, in einer bestimmten Weise gesehen werden. Zum anderen sollte die Nachwelt, deren Blick von ihm und seinen Taten dauerhaft durch den Weißkunig hätte geprägt werden sollen52, ihn so sehen. Die Art, wie sich Maximilian im Weiß- kunig zeigt, ist daher keine Rolle, wie etwa die des gelehrten Fürsten, sondern Selbstsicht; keine propagandistisch begründete Rolle des Augenblicks, wie etwa die oft von Maximilian angenommene des Heiligen Georg, sondern die Art und Weise, wie Maximilian im Gedächtnis der Zeiten zurückbleiben wollte. Maximili- an ist hier der vollkommene Fürst, seine Partei, also sein Reich, sicher, erfahren und tatkräftig führend, dazu in herausragendem Maße befähigt durch seine per- sönlichen Anlagen und seine »lernung« (Ausbildung). Sein politisches Handeln wird auf das Führen von Kriegen reduziert, die er durch seine überragende Bega- bung auf diesem Gebiet durchweg gewinnt. In dieser Reduzierung der Politik auf den Krieg läßt sich eine Wahrnehmung Maximilians erkennen. Er reduziert damit auch sein politisches Wirken und seine politische Leistung im wesentlichen auf das Führen von Kriegen und auf militärische Triumphe. Da er dies ganz bewußt und »sub specie aeternitatis« tat, wird darin seine persönliche Wertung sichtbar. Es ist ganz konkret sein militärisches Wirken, durch das er im Gedächtnis bleiben wollte. Es hätte sowohl die Möglichkeit bestanden, sein politisch-diplomatisches Handeln zum Schwerpunkt zu machen, als auch in der Art von Freydal und Teu- erdank noch stärker ritterliche Motivationen für die einzelnen Handlungen her- auszuarbeiten und dabei in der Art burgundischer Chroniken den Fürsten als Teil einer in jedem einzelnen Mitglied ritterlich handelnden, um Ehre streitenden Ge- sellschaft zu präsentieren. Nicht so der Weißkunig: Der Rahmen ist ritterlich, das Handeln ist nüchtern-pragmatisch, nur der Fürst, nur der Weißkunig, handelt gleichbleibend vorbildlich ritterlich. Indes ist der ritterliche Rahmen als Einklei- dung seines, für ihn hauptsächlich militärisch erfahrenen politischen Wirkens ent- scheidend. Denn es hätte auch die Möglichkeit bestanden, die Autobiographie als humanistisch inspirierte, antikisierende Res gestae zu gestalten.

50 Zu den folgenden erwähnten Abbildungen vgl. Musper, Weißkunig (wie Aran. 2).

51 Vgl. ebd., Kap. 44.

52 Hierbei gilt es zu berücksichtigen, daß der Weißkunig auch als eine Art Fürstenspiegel für die Enkel Karl und Ferdinand gedacht war. Wie der Teuerdank so war auch der Weiß- kunig Karl und Ferdinand gewidmet.

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6. Der Triumphzug

Im Jahre 1512 begannen die Arbeiten an Maximilians »Triumphzug«, wobei sich er- ste Planungen bereits 1507 feststellen lassen. Aber erst 1512 stand das Bildpro- gramm, und Maximilian erteilte den Auftrag, das Werk auszuführen. Es handelte sich dabei u m einen den antiken Vorbildern nacheifernden, aber rein auf der bild- lich-zweidimensionalen Ebene verbleibenden Triumphzug von gewaltigem Aus- maß. Die Konzeption erfolgte durch Johannes Stabius gemeinsam mit Maximili- an.

Ausgehend von Skizzen aus der Werkstatt Jörg Kölderers, denen zunächst ei- ne Reihe von 109 Miniaturen folgte53, entstand in den nächsten Jahren eine Folge von 136 Holzschnitten, bei einer Gesamtlänge der Serie von 57 Metern. Mit dem Tod Maximilians w u r d e die Arbeit an dem bereits weitgehend fertiggestellten Tri- u m p h z u g eingestellt. Entworfen wurden die Holzschnitte vor allem von Hans Burgkmair, Albrecht Altdorfer und daneben auch von Leonhard Beck, Hans Schäuf- felin und Hans Springinklee. Der eigentliche Triumphwagen und seine Umgebung wurde bei Albrecht Dürer bestellt. Die Gesamtleitung der Arbeiten übernahmen für den ersten Teil Burgkmair und Dürer für den Hauptteil54.

Eine Vielzahl von Reiter- und Personengruppen und thematisch gefaßten Wa- gen führt in langer Linie zum Triumphwagen Maximilians hin. Die thematischen Wagen stellen unter anderem Maximilians militärische Triumphe dar, indem die je- weiligen Kriege gezeigt werden. So zeigt Blatt Nr. 89 den Krieg Maximilians ge- gen Venedig, Blatt Nr. 91 einen Triumphwagen mit den eroberten Städten und Pro- vinzen. Blatt Nr. 92 thematisiert den Krieg mit Neapel, Blatt Nr. 93 die Rücker- oberung Österreichs und Blatt Nr. 102 zeigt einen mit Trophäen beladenen Wa- gen55. Leere Inschrifttafeln, die sich in den meisten der einzelnen Holzschnitte finden, veranschaulichen, daß die Holzschnitte noch nicht fertiggestellt waren.

Denn die Textfelder waren auf den Druckstöcken noch freigehalten worden.

Wie erwähnt stammt der Triumphwagen (der eigentliche Wagen mit sechs Pfer- degespannen) von Dürer und wurde von diesem 1522 unabhängig vom restlichen Triumphzug veröffentlicht. Ein umfangreicher Textteil von Willibald Pirckheimer schlüsselt die Bedeutungen der einzelnen Elemente auf. Die Gespanne werden von Personifizierungen der Eigenschaften und Tugenden, die dem vollkommenen Herr- scher eignen, begleitet. Der in vollem Kaiserornat auf dem Wagen sitzende Maxi- milian, mit Szepter und Palmzweig in den Händen, Schwert und Reichsapfel zu sei- nen Füßen, wird ebenfalls von personifizierten Tugenden umringt. Ein hinter Ma- ximilian stehender Engel hat auf seinen Flügeln Maximilians Kriege verzeichnet.

Dieser selbst wird von den durch Kränze verbundenen Kardinaltugenden beschirmt

53 Vgl. hierzu Franz Winzinger, Die Miniaturen zum Triumphzug Kaiser Maximilians. Fak- simile und Text, Graz 1972-1973 (= Veröffentlichungen der Albertina, 5).

54 Vgl. Franz Schestag, Triumph des Kaisers Maximilians I., Wien 1883 (= Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses, Bd 1), incl. Supple- mentband.

55 Exemplare des Triumphzuges befinden sich in der Albertina in Wien (Inv. Nr. 1931/35/89) und in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg. Abgebildet in Schestag, Triumph, Sup- plementband (wie Anm. 54). Die Abfolge der Blätter findet sich bei Schestag, Triumph (wie Anm. 54), S. 155-172.

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und zuoberst über dem Dach des Wagens steht, als Herrschaftsmaxime zu verste- hen, »Quod in celis sol, hoc in terra Caesar est«56.

Bei dem Triumphzug handelt es sich um einen »imaginären Festzug, dessen Zuschauer die Nachwelt ist«. Es ist letztlich eine Bildchronik57. Dabei scheint die Situation des Jahres 1512 einen Triumphzug nicht zu rechtfertigen. In Italien blieb Maximilian zunächst weiter von seinen Verbündeten abhängig, trat schließlich aus dem Bündnis mit Frankreich aus und näherte sich der Gegenseite an. Und auf dem Reichstag zu Trier und Köln wurde sein Plan eines stehenden Reichsheeres endgültig von den Reichsständen verworfen. Aber der Triumphzug war wohl für die Nach- welt gedacht, er war kein Propagandawerk des Augenblicks. Das macht allein schon sein Umfang deutlich. Es waren Maximilians Leistungen auf der Jagd, aber vor allem im Krieg, die ihm triumphzugswürdig erschienen. Letztlich ist der Tri- umphzug in seinem Aufbau - Jagd, Musik, Narren, Mummereien, Turnier- und Heerwesen, Ahnen und Familie - eine Darstellung von Maximilians ureigenstem Wesen. Es ist sowohl eine Präsentation seiner Neigungen und Interessen, als auch seiner Absichten und seines Selbstverständnisses58. Das Beeindruckende liegt vor allem im Umfang.

7. Die Ehrenpforte

Für eine gezielte Zurschaustellung aller Taten und Leistungen eignete sich dem- gegenüber die statische Form einer Ehrenpforte besser. Dies führte zum ebenfalls 1512 begonnenen Bildwerk der »Ehrenpforte«, einem 3 Meter auf 3,5 Meter großen, aus 192 Bildstöcken zusammengesetzten monumentalen Werk. Die Ehrenpforte besteht aus einer Mittelpforte (»Pforte der Ehren und der Macht«), einer linken Pforte (»Pforte des Lobes«) und einer rechten Pforte (»Pforte des Adels«), Über dem Mittelportal befindet sich ein Stammbaum Maximilians, über den beiden klei- neren Seitenpforten befinden sich historische Ereignisse aus Maximilians Regie- rungszeit, darüber die kaiserlichen Vorgänger Maximilians (links) und die mit dem Haus Habsburg verwandten Fürsten (rechts). Auf den Rundtürmen der Außen- seiten finden sich Szenen aus der Jugend und dem Privatleben Maximilians. Die Programmatik des Werkes geht vor allem auf Johannes Stabius zurück, von dem auch der Textteil stammt. Auch hier gab es zu Anfang einen jedoch verlorenen zeichnerischen Entwurf Kölderers59. Vor allem die zahlreichen Textfelder machen aus der Ehrenpforte ein geradezu erzählerisches Medium. Jan-Dirk Müller nennt die Ehrenpforte entsprechend eine »>vita et historia< in gedrängter Form«60, die in der Darstellung Maximilians Vollständigkeit anstrebt, wo Freydal, Teuerdank, Weißkunig und auch der Triumphzug nur Ausschnitte und bestimmte Aspekte be- handeln.

56 Vgl. Appuhn, Triumphzug (wie Arm. 2) und E.P. in Kunst um 1492 (wie Anm. 5), S. 328 f.

57 In: Müller, Gedechtnus (wie Anm: 3), S. 149-152.

58 Vgl. hierzu auch Appuhn, Nachwort (wie Anm. 2), S. 163.

59 Vgl. Eduard Chmelarz, Die Ehrenpforte des Kaisers Maximilian I., Wien 1885 (= Jahr- buch der kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses, Bd 4), incl.

Supplementband.

60 Nach Müller, Gedechtnus (wie Anm. 3), S. 148.

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Wie der Triumphzug ist die Ehrenpforte ein antikisierender Rahmen, aufbau- end auf einer typischen Form antiker kaiserlicher Selbstdarstellung, mit zeit- genössischem Inhalt, in den Texten ebenfalls auf deutsch gehalten. Die Abfolge der Szenen auf dem äußerst linken Rund türm ist von oben nach unten: die Neu-Grün- dung des St. Georgs-Ordens; das Kreuzzugsgelöbnis der Ritter vom St. Georgs- Orden; Maximilian als Verbesserer der Artillerie; Maximilian unterhält sich mit sei- nen Hauptleuten in ihren Sprachen; die Auffindung des heiligen Rockes; ein lee- res Feld und Maximilian auf der Jagd, Der Text zum Bild Maximilians als Verbes- serer der Artillerie lautet:

»Er hat das grewlichst geschutz erdacht / mit grosser kost zuwegen pracht / darmit manch schloss in grund gefeilt / man schätzt in pillich fur ein hellt / dann er zu ritterlicher that / sich altzeit gefudert hat.«

Das Bild selbst zeigt ihn inmitten eines reichhaltigen Geschützsortiments, auf ei- ne angeblich von ihm entwickelte Hebevorrichtung für Geschützrohre deutend61.

Die Szenen über der linken Pforte stellen von links oben nach rechts unten dar:

Maximilians Fähigkeiten allgemein; die Heirat mit Maria von Burgund; den Er- sten Flämischen Krieg; die Schlacht von Guinegate; die Eroberung Geldems; die Er- oberung Utrechts; die Wiedervereinigung mit seinem Sohn Philipp; die Eroberung Lüttichs; die Wahl zum Römischen König; den Zweiten Flämischen Krieg; das Bündnis mit England und die Rache für die Verstoßung seiner Tochter durch ihren Verlobten, den König von Frankreich. Das Bild zu Maximilians allgemeinen Fähig- keiten verweist mittels ihn umgebender Gegenstände auf seine Befähigungen als Krieger, Jäger und Gelehrter. Uber den Szenen der linken Pforte finden sich die kaiserlichen Vorgänger Maximilians. Darüber befindet sich ein Textfeld, in dem es heißt:

»Der keiser so hie seind formiert / der merer theil hat wol regirt / zu macht das romisch reich gepracht / altzeit nach lob unnd eer gedacht / nit minder Maximilian / mag loblich bei den allen stan / bei im sovil geschehen ist / als man von keinem keiser list / treflicher ding unnd grosser that / dartzu got im geholffen hat / dann er den hochverumbten standt / beschirmet hat mit streit- par handt62

Über der Mittelpforte findet sich der Stammbaum Maximilians. Zuoberst ist Ma- ximilian thronend mit Szepter, Krone und Reichsapfel über dem Doppeladler mit Vlies-Orden. Auf beiden Seiten finden sich Wappenwände.

Der äußerst rechte Rundturm zeigt von oben nach unten: Maximilian bei Rit- terspielen; die Erhebung von Burgund und Osterreich zu Königreichen (wie es von Maximilian eine Zeitlang geplant war); die Erstellung der Grabmäler einmal für seinen Vater und darauf für sich selbst; zwei leere Felder; Baumaßnahmen allge- mein. Die Szenen über der rechten Pforte stellen dar, von links oben nach rechts un- ten: die Rückeroberung Österreichs; den Ungarn-Feldzug und die Eroberung Stuhl- weißenburgs; die spanische Heirat seines Sohnes und seiner Tochter; den Schwei- zerkrieg; die Kriegshilfe für Spanien in Neapel; den Landshuter Erbfolgekrieg; den Geldern-Krieg; die Wiederanbindung Mailands ans Reich; den Krieg gegen Vene- dig; den Krieg in den Niederlanden an der Seite Englands; die habsburgisch-ja- gellonische Doppelhochzeit und einen nicht näher zu erschließenden Krieg um

61 In: Ehrenpforte, linke Pforte, linker Rundharm, in: Chmelarz, Ehrenpforte, Supplement- band (wie Anm. 59).

62 Ebd., Linke Pforte.

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