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Strukturen der Medizinethik in Deutschland

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Bayerisches Ärzteblatt 1/2004 69

Medizinethik

Die Rubrik „Medizinethik“ im Bayerischen Ärzte- blatt möchte ethische Fragen aus dem klinischen Alltag und der medizinischen Forschung stellen, Fortbildungsangebote machen und über neuere Entwicklungen informieren. Vorgesehen ist, dass die Rubrik „Medizinethik“ einmal im Quartal er- scheint und im Sinne einer fortgesetzten Reihe sowohl Informationslücken schließen hilft als auch Neues berichtet.

Brauchen wir das überhaupt? Enthält nicht die Ausübung des ärztlichen Berufes implizit den Umgang mit moralischen Fragen und die Lösung derselben? Brauchen wir neue Exper- ten für ethische Fragen? Was ist Ethik? Wel- che Bedeutung innerhalb der medizinischen Wissenschaft kann die Ethik haben?

Gern wird darauf verwiesen, dass wir Ärzte uns seit zweitausend Jahren durch den Eid des Hippokrates gebunden fühlen, viele Nicht-Ärzte sind dementsprechend erstaunt, wenn man sagt, dass wir niemals diesen Eid oder irgendetwas anderes geschworen haben, als wir anfingen zu arbeiten. Die wenigsten wissen, dass die modernisierte Form des Hip- pokratischen Eides das Genfer Gelöbnis des Weltärztebundes von 1948 ist. Dieses Gelöb- nis ist der Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte vorangestellt, an der wir unser Handeln auszurichten haben. Insofern schwören wir zwar keinen Eid, stehen aber durch das Genfer Gelöbnis in der Tradition des Hippokratischen Eides.

Mit solchen und ähnlichen Fragen sind dieje- nigen, die sich mit Medizinethik und prakti- scher Medizin beschäftigen, fast täglich kon- frontiert. Dabei sind Ethik und insbesondere Medizinethik Modebegriffe geworden, die wie alle Modebegriffe Gefahr laufen, entwer- tet und ausgehöhlt zu werden, weil zu viele sie unwissend im Munde tragen.

Ethik-Kommissionen

Seit den Siebzigerjahren gibt es in Deutsch- land so genannte Ethik-Kommissionen, die sich mit Forschungsanträgen beschäftigen.

Das Arzneimittelgesetz (AMG) schreibt vor, dass Ärztinnen und Ärzte, die Forschung am Menschen durchführen möchten, sich durch eine Ethik-Kommission beraten lassen. Diese Ethik-Kommissionen sind an medizinischen Fakultäten der Universitäten und den Lan- desärztekammern eingerichtet worden. Be- setzt sind sie zum größten Teil mit Medizin- professoren und Naturwissenschaftlern, insbesondere Pharmakologen und Juristen, zum Teil auch Theologen. Das Prinzip der Laienmitglieder, die die Sicht des „Menschen von der Straße“ einbringen, konnte sich in Deutschland nicht durchsetzen. Frauen sind unterrepräsentiert.

Die Ethik-Kommissionen begutachten bei den Forschungsanträgen, ob sie den Bedin- gungen des aufgeklärten Einverständnisses seitens des Patienten, der Risikoabwägung, der Stellvertreterregelungen bei nicht-einwil- ligungsfähigen Patienten und ähnliches ge- recht werden. Die Beratung durch die Ethik- Kommission ist nach dem Standesrecht und dem AMG verpflichtend. Ein positives Vo- tum der Ethik-Kommission gehört zur guten klinischen Praxis und ist zunehmend Voraus- setzung, um die Ergebnisse in wissenschaft- lichen Fachzeitschriften veröffentlichen zu können.

Wichtige ethische Prinzipien, die heute in den Forschungs-Ethik-Kommissionen ver- wendet werden, gibt es als Empfehlungen be- reits seit Beginn des zwanzigsten Jahrhun- derts. 1931 wurden die „Reichsrichtlinien zur Forschung am Menschen“ vom Reichsge- sundheitsrat in Kraft gesetzt, die leider die furchtbaren Menschenversuche in den Kon- zentrationslagern des Nazi-Regimes nicht haben verhindern können.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurden diese Menschenversuche öffentlich gemacht. Die für die Versuche verantwortlichen Ärzte wur- den im Nürnberger „Ärzteprozess“ angeklagt und verurteilt. Teile aus der Urteilsbegrün- dung wurden als „Nürnberger Kodex“ be- zeichnet und sind bis heute wohl die bekann- teste, wenn auch nicht mehr aktuellste Leitlinie für Forschungsvorhaben am Men- schen. Große Bedeutung hat die vom Welt- ärztebund verabschiedete und bis heute regel- mäßig aktualisierte Deklaration von Helsinki (letzte Fassung Edinburgh 2002).

In neuerer Zeit sind zwei auf europäischer Ebene erarbeitete Leitlinien hinzugekom-

men. Die eine ist das „Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Men- schenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin“ (1997), die ver- kürzt oft als „Bioethikkonvention“ bezeichnet wird. Die zweite ist die „Richtlinie 2001/20/

EG des Europäischen Parlamentes und Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwal- tungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfun- gen mit Humanarzneimitteln“ (2001). Die letztgenannte Richtlinie muss vor Inkrafttre- ten jedoch von den einzelnen europäischen Staaten bis Mai 2004 in die nationale Ge- setzgebung eingebunden werden. Sie enthält wichtige Neuerungen zur Durchführung von internationalen Multicenterstudien.

Das Transplantationsgesetz schreibt vor, dass bei Planung einer Lebendspende eine Kom- mission prüfen muss, ob die Bestimmungen des Transplantationsgesetzes eingehalten werden, insbesondere, ob die Spende freiwil- lig erfolgt ist und kein Organhandel vorliegt.

Diese Gremien sind dem jeweiligen Landes- recht entsprechend personell zusammenge- setzt. Sie werden teilweise als „Lebendspen- dekommissionen“ bezeichnet und sind als eine spezielle Ethik-Kommission zu betrach- ten.

Seit 1994 gibt es eine „Zentrale Ethik-Ko- mission bei der Bundesärztekammer (BÄK)“, die jedoch nicht den gleichen rechtlichen Status hat wie die Forschungs-Ethik-Kom- missionen und die Lebendspendekommissio- nen. Sie ist gegründet worden, um auf Bundesebene die Haltung der BÄK zu rele- vanten, die Ärzteschaft betreffenden medi- zin- und bioethischen Fragen zu vertreten.

1997 wurde zum Beispiel eine „Stellungnah- me zum Schutz nicht-einwilligungsfähiger Personen in der Forschung“ herausgegeben.

Redaktion: Professor Dr. med. Dr. phil. Jochen Vollmann, Dr. med. Thela Wernstedt, M. A., Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Universität Erlangen-Nürnberg

Anschrift der Verfasserin:

Dr. Thela Wernstedt, Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Universität Erlangen- Nürnberg, Glückstraße 10, 91054 Erlangen, Telefon 09131 85-26435,

Fax 09131 85-22852, E-Mail:

thela.wernstedt@ethik.med.uni-erlangen.de

Strukturen der Medizinethik in Deutschland

Dr. Thela Wernstedt

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