Diese Zahlen wurden auf der 20.
bundesweiten Tagung der Frauen- selbsthilfe genannt, zu der rund 400 Teilnehmer nach Gelsenkirchen ge- kommen waren. Sie stand unter dem Motto „Rehabilitation und Nachsor- ge". Kennzeichen der Tagung war ein erfreulicher Mangel an trocke- nen Vorträgen. Viele der Referen- ten, die zu den Bundestagungen kommen, sind den Mitgliedern der Frauenselbsthilfe persönlich verbun- den: Sei es als behandelnder Arzt, als betreuender Therapeut oder als betroffener Ehemann. Diese Erfah- rungen prägten die Reden.
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DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
URZBERICHTE
Dr. med. Gertfried Schweikhart, Deutsche Klinik für Diagnostik in Wiesbaden, hatte das Thema „Zur Lebensqualität von Frauen mit Brustkrebs" gewählt. (Selbst-)kri- tisch setzte er sich mit den Belastun- gen auseinander, die auch Ärzte im Umgang mit krebskranken Patienten empfänden oder eben verdrängten:
„Bei kaum einer anderen Krankheit werden so viele Angstgefühle wach.
Bei keiner anderen Krankheit wird aus Angst so viel hin- und herüberwie- sen", stellte er fest. Dabei sei es Auf- gabe des Arztes, zu „ent-ängstigen".
Dies könne allerdings in einer erfah-
Hin- und Her-Überweisen von
Patientinnen als Zeichen von Angst
Es gibt Vereinigungen, die einem nie auffallen — bis man ihrer Un- terstützung und Hilfe bedarf und froh ist, daß sie existieren. Eine davon ist die „Frauenselbsthilfe nach Krebs e.V.". Gerade 15 Jahre ist es her, daß sich 20 brustamputierte Frauen zur Gründung einer Interessengemeinschaft in Mannheim trafen. Bis heute sind knapp 250 Gruppen in der ganzen Bundesrepublik entstanden, in denen sich 30 000 krebskranke Frauen gut aufgehoben fühlen.
renen Selbsthilfegruppe manchmal besser gelingen. Deren Arbeit könne auch nicht durch die Tätigkeit von Ärzten und Therapeuten ersetzt wer- den, fand Schweikhart.
Prof. Dr. Reinhard Tausch, Psy- chologisches Institut III der Univer- sität Hamburg, widmete sich dem Thema „Psychologische Erkenntnis- se zur Förderung der Selbsthilfe in Gruppen". Er nutzte seinen Vortrag alltagsnah zu praktischen Tips und äußerte sich kritisch zur Auffassung, daß Krebs allein psychisch bedingt sei. Dies heiße für viele Patienten:
„Ich bin selbst schuld", was außeror- dentlich belaste. Tatsache sei, daß Krebserkrankungen multikausal be- dingt seien. Tausch verwies auf Stu- dien in den Vereinigten Staaten, wo- nach offenbar eine gute psycho-so- ziale Betreuung sich positiv auf die Lebensqualität und -verlängerung von Krebspatienten auswirke. Aller- dings hätten sich in einigen Fällen Krebskranke, die nach nur kurzer Zeit in einer Selbsthilfegruppe an ih- rer Krankheit starben, durch die Gruppenerfahrung sehr belastet ge- fühlt. Dies solle man bei der Betreu- ung bedenken. Sabine Dauth
Grund für den vorsichtigen Op- timismus ist das Kompensationsmo- dell, das in den Verbänden der Phar- maindustrie, der Apotheker und der Großhändler entwickelt wurde. Die- se Alternative liegt derzeit im Bun- desministerium für Arbeit und So- zialordnung zur Beratung.
Ganz so simpel wie der Abschlag liest sich der Alternativvorschlag nicht. Ausgangspunkt der Berech- nungen sind die Arzneimittelausga- ben zu Lasten der gesetzlichen Kran- kenversicherung (GKV) 1989, in Zahlen: rund 20 Milliarden DM oder
15,6 Prozent aller GKV-Ausgaben.
Der BPI geht nun von dieser Zahl modellhaft für 1991 aus und kalku- liert: Analog zur Bevölkerungszahl in den neuen Bundesländern würden die entsprechenden Ausgaben dort maximal ein Viertel, also rund fünf Milliarden DM, betragen.
3,7 bis 4,2 Milliarden DM sind nach Auffassung des BPI im kom- menden Jahr aus den Einnahmen der GKV für Arzneimittel ohne De- fizit zu finanzieren. Hier setzt nun der Kompensationsvorschlag an. Für eine Differenz zwischen den kalku-
lierten und den tatsächlichen Arz- neimittelausgaben käme die Phar- maindustrie auf. Konkret sähe das so aus: Bei einem Defizit bis zu 500 Millionen DM würden die Mehraus- gaben vollständig finanziert, bis zu einer Milliarde DM würden 75 Pro- zent des Differenzbetrags übernom- men und bis zu 1,5 Milliarden DM Defizit 60 Prozent.
Da derzeit noch 80 Prozent der verordneten Arzneimittel aus der ehemaligen DDR stammten, seien weitergehende Ausgabensteigerun- gen unrealistisch. Nach Angaben des BPI-Vorsitzenden von Loeper wür- den die Arzneimittelhersteller den größten Beitrag leisten, gefolgt von den Apothekern.
Eigene Kalkulationen haben die Spitzenverbände der Krankenkassen vorgelegt. Wenn die Hälfte des ehe- maligen DDR-Sortiments durch westdeutsche Produkte zu westdeut- schen Preisen ersetzt würde, sei mit Ausgaben bis zu sieben Milliarden DM zu rechnen. th
Kompensation statt Preisabschlag
Eine Streichung wird es nicht geben, eine Novellierung scheint der- zeit realistisch: So schätzte Dr. Hubertus von Loeper am Rande der
„Medica" den Stand der Diskussion um den pauschalen Abschlag von 55 Prozent auf die Herstellerabgabepreise aller Arzneimittel ein. Er wurde im Einigungsvertrag von 1991 an für die fünf neuen Bundes- länder festgeschrieben. Von Loeper ist Vorsitzender des Bundesver- bandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI).
Dt. Ärztebl. 87, Heft 49, 6. Dezember 1990 (25) A-3909