Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 24|
18. Juni 2010 A 1217 COPDAtemantwort einfach messen
In Marburg beginnt die Zulassungsstudie für ein Diagnoseverfahren, das die standardisierte Messung der hyperkapnischen Chemosensitivität ermöglicht.
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it „MATAM“ – der Marbur- ger Atemantwortmessung – hat ein Zusammenschluss von hessi- schen Unternehmen und Wissen- schaftseinrichtungen ein automati- siertes Verfahren entwickelt, das ei- ne standardisierte Messung und Be- wertung der hyperkapnischen Che- mosensitivität erlaubt ( www.biosig nalanalyse-marburg.de). Am Zen- trum für Schlafmedizin der Univer- sität Marburg startet nun die Zulas- sungsstudie für das Gerät: Circa 50 Patienten mit unterschiedlich ausge- prägter COPD-Erkrankung und lun- gengesunde Probanden werden über mehrere Messnächte polysomno - graphisch untersucht und am Tag mittels MATAM der hyperkapni- schen Atemantwort sowie Lungen- funktionsuntersuchungen unterzogen.Langfristiges Ziel ist es, Prädiktoren für nächtliche Hypoventilationen zu bestimmen, um Hochrisikopatienten schon im Vorfeld sicher erkennen zu können. Als Screeningverfahren könnte MATAM in pneumologi- schen und hausärztlichen Praxen eingesetzt werden.
„Patienten mit COPD und nächt- lichen Hypoventilationen haben ein deutlich erhöhtes Risiko für Herz- Kreislauf-Erkrankungen. Diese Pa- tienten zeigen häufig eine verrin- gerte Atemantwort. Wir wollen zei- gen, dass das MATAM-Verfahren eine Abschätzung des Hypoventi- lationsrisikos bei COPD-Patienten erlaubt. Denn bisher können nächt- liche Hypoventilationen nur durch kostenintensive Untersuchungen im Schlaflabor nachgewiesen werden“, erklärte Prof. Dr. Volker Groß von der Fachhochschule Gießen-Fried- berg, die wie das Schlafmedizini- sche Zentrum des Uniklinikums Gießen und Marburg zu den sechs Projektpartnern zählt.
Bei der Bestimmung der hyper- kapnischen Atemantwort wird un-
tersucht, ob eine Kohlendioxid- Exposition zu einem adäquaten Anstieg von Atemfrequenz und Atemzugvolumen führt. Bei norma- ler Regulation kommt es bei einem Anstieg des Kohlendioxids zu einer Erhöhung des Atemzugvolumens und der Atemfrequenz. Bei Patien- ten mit chronischer Lungenerkran- kung oder schlafbezogenen At- mungsstörungen ist die Atemant- wort mitunter deutlich eingeschränkt.
Sie kann jedoch durch spezielle Therapieverfahren verbessert oder sogar normalisiert werden.
Geschlossenes System
Bei dem Verfahren werden Atemant- wort und Atemantrieb in einem ge- schlossenen, geregelten System ge- messen. Das System kann hyperkap- nische Gasgemische von definier - barer Zusammensetzung erzeugen, was die Veränderung jeweils nur ei- ner Atemgaskomponente ermög- licht. Die Kontrolle des Systems übernimmt ein Mess-, Steuerungs- und Regelungsrechner, der mit Hilfe von Gas- und Drucksensoren über die Systemzustände und die atem- physiologischen Parameter infor- miert wird und über Einlass-, Belüf- tungs- und Umschaltventile in das System eingreifen kann. „Der Pa-
tient wird bei verschlossener Nasen- öffnung über ein Mundstück mit dem geschlossenen Kreislauf des Systems verbunden. Die Luftflüsse werden mittels Pneumotachogra- phen ermittelt. Sauerstoff und Koh- lendioxid werden über einen Atem- gasmonitor gemessen, der eine Gasprobe direkt am Mundstück abgreift. Die kapillare Sauerstoff- sättigung sowie die Pulsfrequenz werden mit einem Ohr-Pulsoxyme- ter bestimmt“, beschreibt Dr. Key- wan Sohrabi von der Thoratech GmbH die Funktionsweise.
Die Untersuchungsdauer beträgt circa 30 Minuten und erfordert keine besonderen Atemmanöver des Pa- tienten. Er kann seinem normalen Atemdrang nachkommen. „Im Ver- gleich zu der bislang üblichen nächt- lichen Untersuchung im Schlaflabor verspricht der kürzere Zeitaufwand eine wesentlich geringere Belastung für die Patienten und die Untersu- cher sowie erheblich niedrigere Kos- ten“, sagte Sohrabi. „Nach erfolgrei- cher klinischer Testung wollen wir zertifizierte Prototypen herstellen, die in multizentrischen Studien ein- gesetzt werden sollen. Mit der Seri- enreife des Gerätes rechnen wir En- de 2012“, teilte Groß mit. ■ Dr. rer. nat. Lisa Kempe
Das Gasgemisch wird durch einen flexiblen Beutel geleitet, der sich in einem Plexiglas - behälter befindet.
Die Luftflüsse werden mittels Pneumotacho- graphen gemessen.
Foto: Universität Marburg
LITERATUR 1. Sohrabi AK, Gross V:
Marburger-Atem - antwort-Messung (MATAM). mt-Medi- zintechnik 2009;
129: 228–32.
2. Nolte JES, Sohrabi AK, Jerrentrup L, Gross V, Canisius S, Koehler U: Variabilität der hypercapnic ventilatory response (HCVR) unter nicht- invasiver Ventilation (NIV) bei einer 32-jährigen Patientin mit Adipositas-Hypo - ventilationssyndrom (OHS). Somnologie 2009; 13: 62.