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Archiv "Rezidivierende Tonsillitis bei Erwachsenen" (10.09.2010)

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Rezidivierende Tonsillitis bei Erwachsenen

Lebensqualität nach Tonsillektomie

Götz Senska, Stefanie Ellermann, Stefan Ernst, Hildegard Lax, Philipp Dost

ZUSAMMENFASSUNG

Hintergrund: Ziel war es, den Einfluss der Tonsillektomie bei Erwachsenen mit rezidivierender Tonsillitis auf die Le- bensqualität und medizinische Ressourcen zu untersu- chen.

Methode: 114 Patienten, die innerhalb von zwölf Monaten vor der Operation mindestens drei akute Tonsillitiden hat- ten, wurden prä- und postoperativ mittels eines eigenen Fragebogens und mit dem Glasgow Benefit Inventory be- fragt.

Ergebnisse: Mit 97 Patienten (85 %) war es möglich, die Befragungen komplett durchzuführen. Verbesserungen zeigten sich im Glasgow Benefit Inventory insgesamt (+19) sowie in zwei Unterskalen: Allgemeines (+18) und körperliche Gesundheit (+39). Die Unterstützung durch Freunde und Familie blieb unbeeinflusst (±0). Signifikant sanken die Anzahl der Arztbesuche, die Schmerzmittel- und Antibiotikaeinnahme, die Arbeitsfehltage und die Hals- schmerzepisoden. Die Anzahl der Arztbesuche aufgrund von Halsschmerzen sank im Mittel von fünf vor der Opera- tion auf einen postoperativ, die Anzahl der Halsschmerz- episoden von sieben auf zwei, die Anzahl der daraus resul- tierenden Arbeitsfehltage von zwölf auf einen pro Jahr.

Schmerzmittel wegen Halsschmerzen nahmen präoperativ 65 % und postoperativ 7 % der befragten Patienten ein.

Antibiotika aus diesem Grund nahmen präoperativ 95 % der Untersuchten ein, postoperativ noch 22 %.

Schlussfolgerung: Unter Beachtung der Limitationen die- ser Studie (Fallzahl, retrospektiver Ansatz, Beobachtungs- zeitraum) erbringt die Tonsillektomie bei Erwachsenen ei- ne signifikante Verbesserung der Lebensqualität, des Ge- sundheitszustands und eine geringere Nutzung medizini- scher Ressourcen.

Zitierweise: Dtsch Arztebl Int 2010; 107(36): 622–8 DOI: 10.3238/arztebl.2010.0622

D

ie Tonsillektomie gehört in Deutschland zu den häufigsten chirurgischen Eingriffen (1). Wäh- rend viele Untersuchungen zu unterschiedlichen Ope- rationstechniken, zur Nachblutungsquote und zum postoperativen Schmerz vorliegen, sind Studien selten, die das Operationsergebnis hinsichtlich der zur Opera- tion führenden Beschwerden (schmerzhafte Halsinfek- te) beleuchten. In diesem Zusammenhang ist der Ein- fluss der Tonsillektomie in Hinblick auf die Anzahl der Arztkonsultationen, die Häufigkeit und Notwendigkeit einer analgetischen und antibiotischen Behandlung so- wie die Anzahl der krankheitsbedingten Arbeitsfehltage von besonderem Interesse.

Obwohl die Frage nach fundierten Daten hierzu au- genscheinlich ist, gibt es bisher wenige Studien, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen. Eine Medli- ne-Suche im Januar 2008 mit den Begriffen „life quali- ty tonsillectomy“, „benefit tonsillectomy“ und „econo- mic tonsillectomy“ ergab lediglich elf relevante Treffer zu diesem Thema. Dabei betrachten viele dieser Studi- en hauptsächlich die Effektivität des Verfahrens im Hinblick auf klinisch objektive postoperative Ergebnis- se (2–5). Die dezidierte subjektive Einschätzung des Operationserfolgs bleibt oft ununtersucht. Vier der ge- fundenen Studien schlossen ausschließlich Kinder ein, und nur eine Studie (6) untersuchte prospektiv die häu- figste Indikation zur Tonsillektomie: die chronische oder rezidivierende Tonsillitis. Bezüglich dieser Indi - kation wurden bereits die Kosteneffizienz und die objek- tive, klinische postoperative Besserung der Beschwer- den nach Tonsillektomie gezeigt (3, 4, 7). Bei der Beur- teilung des Erfolgs einer therapeutischen Maßnahme kommt allerdings der Meinung des Patienten eine eben- so wichtige Rolle zu wie der Einschätzung des Klini- kers (8). Die vorliegende Studie untersucht das Patien- tenurteil und die Lebensqualität im Zusammenhang mit dem klinischen Erfolg der Prozedur Tonsillektomie, um so einen Beitrag zur patientenorientierten Forschung zu leisten und gesundheitsökonomische Aspekte zu be- leuchten.

Methode

Insgesamt wurden konsekutiv präoperativ 114 Patien- ten befragt, von denen postoperativ 97 Patienten er- reicht und interviewt werden konnten. Bei diesen führte man während des Erfassungszeitraums von elf Monaten im Jahr 2004 im Marienhospital Gelsenkir- chen eine elektive Tonsillektomie durch. Einschluss-

Marienhospital Gelsenkirchen GmbH, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde:

Dr. med. Senska, Dr. med. Ellermann, Dr. med. Ernst, Prof. Dr. med. Dost Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie Universitäts- klinikum Essen: Lax

(2)

kriterien waren: Volljährigkeit, gute Kenntnis der deutschen Sprache und zumindest drei akute Tonsilli- tiden in den vorangegangenen zwölf Monaten. Aus- schlusskriterien waren: Abszesstonsillektomie, Ton- sillektomie bei Neoplasie (-verdacht), ausschließliche Hyperplasie der Tonsillen und die Tonsillektomie à chaud.

Nach Aufklärung über die und schriftlicher Zu- stimmung zur Operation und Studienteilnahme wurden die Patienten am Tag vor der Operation anhand eines strukturierten Interviews befragt.

Dabei setzten die Autoren einen selbstentwickel- ten Fragebogen ein, der im Gegensatz zum Glas- gow Benefit Inventory (GBI) einen kontrollier- ten Vorher-Nachher-Vergleich zuließ. Der Frage- bogen besteht aus elf Fragen. Abgefragt wurde die Frequenz an Halsschmerzepisoden, die Fre- quenz der deshalb notwendigen Arztbesuche, der

Verbrauch an Antibiotika und Analgetika sowie die Anzahl an Tagen mit Arbeitsunfähigkeit. Ei- nen vergleichbaren und validierten Fragebogen fanden die Autoren in der Literatur nicht. Die gleichen Fragen wurden den Patienten 14 Mona- te nach der Operation (2004 bis 2005) im Rah- men eines ebenfalls standardisierten Telefonin- terviews erneut gestellt, wobei sich die Bewer- tung wieder auf die vorangegangenen zwölf Mo- nate bezog, um nicht die Beschwerden der Hei- lungsphase zu erfassen. Die Patienten wurden zunächst bis zu dreimal angerufen und bei Nicht- erreichen angeschrieben. Zu diesem zweiten Zeitpunkt wurden die Patienten zusätzlich mit dem GBI befragt. Das GBI wurde 1996 für Nut- zenbewertungen nach otorhinolaryngologischen Eingriffen entwickelt und kann für verschiedene Interventionen angewandt werden (9, 10). Es misst TABELLE 1

Halsschmerzepisoden (pro Jahr)

Geschlecht männlich

weiblich

Summe

Chi-Quadrat-Test zur Geschlechterverteilung

N Prozent N Prozent N

präoperativ 3–6

19 79 36 50 55 Wert der Teststatistik Freiheitsgrade p-Wert

7–10

3 13 27 37 30

> 10

2 8 10 13 12 6,92 0,075

postoperativ keine

12 50 25 34 37 Wert der Teststatistik Freiheitsgrade p-Wert

1–3

8 33 33 45 41

4–6

1 4 9 12 10

7–10

3 13 3 4 6

> 10

0 0 3 4 3 5,994 0,2002

p < 0,0001

TABELLE 2

Patienten, die Schmerzmittel einnahmen (pro Jahr)

Geschlecht männlich

weiblich

Summe

Chi-Quadrat Test zur Geschlechterverteilung

N Prozent N Prozent N

präoperativ nein

13 54 33 45 46 Wert der Teststatistik Freiheitsgrade p-Wert

ja

11 46 40 55 51 0,2778 10,5981

postopoperativ nein

23 96 67 92 90 Wert der Teststatistik Freiheitsgrade p-Wert

ja

1 4 6 8 7 0,0445 10,833

p < 0,001

(3)

Änderungen des Gesundheitszustandes und der Lebensqualität nach einer chirurgischen Inter- vention und ist hierfür validiert (11). Jede der 18 Fragen wird anhand einer Fünf-Punkte-Likert- Skala beantwortet, die von einer starken Verbes- serung bis zu einer starken Verschlechterung des Zustands reicht. Neben dem Gesamtscore gibt es drei Subskalen:

eine zur Bewertung des allgemeinen Lebensge- fühls („Allgemeines“, zwölf Fragen)

eine für die Beziehung zu Familie und Freun- den („gesellschaftliche Unterstützung“, drei Fragen)

und eine zur „körperlichen Gesundheit“ (3 Fra- gen).

Für alle vier Skalen kann der Score einen Wert von –100 bis +100 annehmen. (Für die Berechnung werden zunächst die Likert-Werte [zwischen 1 und 5] aufsum-

miert, das Ergebnis wird dividiert durch die Anzahl der beantworteten Fragen, von diesem Wert wird 3 substra- hiert und das Ergebnis mit 50 multipliziert). Positive Werte bilden eine Verbesserung der Lebensqualität nach dem Eingriff ab, negative Werte eine Verschlech- terung.

Die Operationen führten Mitarbeiter mit unter- schiedlichem Ausbildungsgrad durch. Alle Eingriffe wurden in Vollnarkose in der sogenannten „cold steel“-Technik durchgeführt (12, 13). Hierbei werden Entlastungsschnitte der Mukosa mittels Schere geführt und anschließend die Tonsille mit einem Raspatorium aus der Fossa tonsillaris gelöst.

Die wesentlichen Komplikationen und Nebenwir- kungen der Tonsillektomie (Blutungen und Schmerzen) (14) sind Gegenstand einer eigenen, noch laufenden Untersuchung. Nach dem Eindruck der Autoren beweg- ten sich diese im üblichen Rahmen.

Patienten, die Antibiotika einnahmen (pro Jahr)

Geschlecht männlich

weiblich

Summe

Chi-Quadrat Test zur Geschlechterverteilung

N Prozent N Prozent N

präoperativ nein

1 4 3 4 4 Wert der Teststatistik Freiheitsgrade p-Wert

ja

23 96 70 96 93

0,3358 10,5623

postoperativ nein

21 88 55 75 76 Wert der Teststatistik Freiheitsgrade p-Wert

ja

3 13 18 25 21

0,9387 10,3326

p < 0,01

TABELLE 4

Arztbesuche (pro Jahr)

Geschlecht männlich

weiblich

Summe

Chi-Quadrat Test nach Geschlechterverteilung

N Prozent N Prozent N

präoperativ 1–3

10 42 22 30 32

Wert der Teststatistik Freiheitsgrade p-Wert

4–6

11 46 31 43 42

7–10

3 12 17 23 20

> 10

0 0 3 4 3 3,3222 30,5054

postoperativ 1–3

4 16 15 21 19

Wert der Teststatistik Freiheitsgrade p-Wert

4–6

0 0 5 7 5

7–10

0 0 2 3 2

> 10

0 0 0 0 0

keine

20 84 51 69 71 33 0,4092

p < 0,001

(4)

Statistische Methodik

Die Patienten-Charakteristika wurden in Text und Häu- figkeitstabellen dargestellt und, wo nötig, anhand einfa- cher univariater Tests (Wilcoxon Rangsummentest und χ2-Test) verglichen. Vor Beginn der Datenanalyse wur- de ein Signifikanzniveau von alpha = 0,05 festgelegt.

Alle resultierenden p-Werte wurden ohne weitere al- pha-Adjustierung deskriptiv angegeben. Zum Testen der prä- und postoperativen Unterschiede (Analgetika-, Antibiotikagabe, Halsschmerzepisoden, Arztbesuche und Arbeitsfehltage) wurde ein zweiseitiger verbun- dender Wilcoxon-Rangsummentest verwendet.

Diese Studie wurde von der Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Es- sen genehmigt.

Ergebnisse

Insgesamt erfüllten im Jahr 2004 114 Patienten die Ein- schlusskriterien und wurden befragt. Im gleichen Zeit- raum wurden 467 Patienten tonsillektomiert, die ausge- schlossen werden mussten, weil sie zum Beispiel we- gen eines Abszesses oder Tumors operiert wurden, noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hatten, die deutsche Sprache nicht fließend sprachen oder die Zu- stimmung zur Studie verweigerten (siehe Einschluss- kriterien). Von diesen 114 Patienten konnten 14 Monate postoperativ 97 (85 %) befragt und ausgewertet wer- den. Unter den 97 befragten Patienten befanden sich 73 (75 %) Frauen und 24 (25 %) Männer. Die Ge- schlechtsverteilung aller operierten volljährigen Patien- ten war 41 % Männer zu 59 % Frauen. Der jüngste Pa- tient war 18 und der älteste Patient 62 Jahre alt. Der Al- tersmedian lag bei 26 Jahren (Mittelwert 28 Jahre;

Spannweite 44 Jahre). Das Durchschnittsalter unter- schied sich nicht signifikant zwischen Männern (28,2 Jahre) und Frauen (27,9 Jahre).

Vor der Operation lag der Median der Anzahl an Tonsillitiden beziehungsweise Halsschmerzepisoden bei sechs pro Jahr (Mittelwert: 7); postoperativ sank er

auf eine (Mittelwert: 2). Für Einzelheiten siehe Tabelle 1. Die postoperativ geringere Anzahl von Halsschmer- zepisoden war hoch signifikant (p = 0,0001).

Analgetika im Rahmen von Halsinfekten benötigten präoperativ 51 (53 %) Patienten (Tabelle 2). Durch- schnittlich nahmen diese im vorangegangenen Jahr 1,6-mal ein Analgetikum ein. Postoperativ sank die An- zahl der Patienten, die Analgetika benötigten, auf 7 (7 %). Die Abnahme der Einnahmefrequenz war signi- fikant (p < 0,001).

Auch bei der Einnahme von Antibiotika aufgrund von Halsschmerzepisoden kam es postoperativ zu einer Reduktion des Gebrauchs (Tabelle 3). Während vor der Tonsillektomie 93 (96 %) Patienten ein Antibiotikum einnahmen, sank die Anzahl nach der Operation auf 21 (22 %) Patienten. Auch diese Ergebnisse waren signifi- kant (p < 0,01).

Der Median der Arztbesuche lag präoperativ bei vier (Mittelwert: 5) und nahm postoperativ auf 0 (Mittel- wert: 0,7) ab. Für 71 (73 %) Patienten bestand nach der Operation keine Notwendigkeit mehr zur Konsultation des Haus- oder HNO-Arztes aufgrund von Halsschmer- zen. Einzelheiten sind Tabelle 4 zu entnehmen. Die postoperative Abnahme der Arztbesuche war signifi- kant (p < 0,001).

Der Median der Anzahl von tonsillitis- oder hals- schmerzbedingten Arbeitsfehltagen sank von zehn Ta- gen (Mittelwert: 12) präoperativ auf 0 Tage (Mittel- wert: 1) postoperativ. Dieser Unterschied war signifi- kant (p < 0,001). Details sind Tabelle 5 zu entnehmen.

Der Mittelwert im Gesamtscore des postoperativ er- hobenen GBI betrug für alle Patienten +19. Bezüglich der Subskalen ergaben sich folgende Werte: Für die Subskala „Allgemeines“ (zwölf Fragen) ein Mittelwert von +18, für die Subskala „körperliche Gesundheit“

(drei Fragen) ein Mittelwert von +38 und für die Sub- skala „gesellschaftliche Unterstützung“, also die Unter- stützung durch Familie und Freunde (drei Fragen) ein Mittelwert von +0,17. Bezogen auf diese letzte Subska- TABELLE 5

Arbeitsausfalltage (pro Jahr)

Geschlecht männlich

weiblich

Summe

Chi-Quadrat Test nach Geschlechterverteilung

N Prozent N Prozent N

präoperativ 1–3

5 21 4 5 9

Wert der Teststatistik Freiheitsgrade p-Wert

4–6

1 4 6 8 7

7–10

4 17 10 14 14

> 10

11 46 32 44 43

keine

3 13 21 29 24 7,0584 40,1328

postoperativ 1–3

1 4 1 1 2

Wert der Teststatistik Freiheitsgrade p-Wert

4–6

0 0 2 3 2

7–10

1 4 4 5 5

> 10

0 0 5 7 5

keine

22 92 61 84 83 3,1856 40,5273

p < 0,001

(5)

la verspürten überhaupt nur sieben Patienten eine Än- derung zu den präoperativen Verhältnissen. (Grafiken 1 und 2, Tabelle 6).

Diskussion

Die Tonsillektomie zählt mit circa 115 000 Eingriffen pro Jahr zu den häufigsten in Deutschland durchge - führten chirurgischen Eingriffen (1). Die häufigsten Diagnosen, die zu einer Tonsillektomie führen, sind die chronische beziehungsweise rezidivierende Tonsil- litis (7). Da die Tonsillektomie bei diesen (evidenz - basierten [7]) Indikationen eine erfassbare Änderung in der Lebensqualität verspricht und die Datenlage hierzu spärlich ist, führten die Autoren diese Untersuchung durch (8).

Die Einnahmefrequenz von Medikamenten, die Fre- quenz von Arztbesuchen und die Anzahl von Arbeits- fehltagen dienten zudem als Anhalt für den ökonomi- schen Nutzen der Tonsillektomie. Um eine Änderung in der subjektiven Lebensqualität zu beschreiben, nutzten die Verfasser den GBI und die eigenen Fragen nach Analgetikagebrauch und Schmerzepisoden. Diese dien- ten auch zur Abschätzung des klinischen Erfolgs.

Die Altersverteilung der Patientengruppe mit einem Altersdurchschnitt von 28 Jahren ist vergleichbar mit anderen Studien, in denen ausschließlich erwachsene Patienten untersucht wurden (4, 15–18).

Die auffallende Geschlechtsverteilung von 3,5:1 zu- gunsten der Frauen findet sich im Literaturvergleich

tendenziell auch (bis zu 2,5:1) (5, 15 ,17). Sie ist jedoch in dem im Rahmen dieser Untersuchung beobachteten Ausmaß nicht zu klären.

Im Vergleich mit anderen Studien fällt die mit 85 % hohe Antwortquote der von den Autoren untersuchten Patienten auf. Diese Quote liegt in der Literatur zwi- schen 26 und 56 % (5, 15, 16). Der bisher höchste Wert wurde in der aktuellsten Studie (16) erreicht, die eben- so wie die Autoren die Patienten nicht ausschließlich anschrieben, sondern versuchten, die Studienteilneh- mer teils mehrfach telefonisch zu erreichen. Deshalb schätzen die Autoren dieser Studie die bei Rückruf-Ak- tionen zu erwartende Selektion (berufliche Mobilität, Migration, Sterben etc.) als gering ein.

Die Anzahl von Tonsillitiden beziehungsweise Hals- schmerzepisoden sank durch die Tonsillektomie signi- fikant (p = 0,0001). Wolfensberger und Mund (7) sahen ebenfalls einen signifikanten Rückgang von durch- schnittlich sechs Halsschmerzepisoden auf zwei pro Jahr. Die Auswertungsgewichtung von Witsell et al.

(17) ist nicht direkt vergleichbar, kommt aber zu ähnli- chen Ergebnissen. Hier wurde in Form einer Ja-Nein- Frage zur Feststellung von mehr als zwei Halsschmerz - episoden pro Monat gefragt. Zusammenfassend sahen die Autoren aber ebenfalls einen statistisch signifikan- ten Rückgang der Beschwerden.

Auch die Einnahme von Analgetika beziehungs - weise Antibiotika verringerte sich im prä- und postope- rativen Vergleich signifikant (p < 0,001 beziehungsweise Die Ergebnisse der GBI (Glasgow Benefit Inventory)-Befragung aller

Patienten. Aufgeteilt sind die Ergebnisse nach dem Gesamtergebnis sowie den drei Unterskalen: Allgemeines (allgemein), Verbesserung der körperlichen Gesundheit (Körper), Beziehung zu Familie und Freunden (sozial). Positive Werte bedeuten eine Verbesserung der Lebensqualität, negative Werte eine Verschlechterung.

Die Ergebnisse der GBI (Glasgow Benefit Inventory)-Befragung aller Patienten differenziert nach Geschlecht. Aufgeteilt sind die Ergebnis- se nach dem Gesamtergebnis sowie den drei Unterskalen: Allgemei- nes (allgemein), Verbesserung der körperlichen Gesundheit (Körper), Beziehung zu Familie und Freunden (sozial). Positive Werte bedeuten eine Verbesserung der Lebensqualität, negative Werte eine Ver- schlechterung.

(6)

p < 0,01). Diese Ergebnisse stimmen mit denen der vor- hergehenden Studien überein (4, 5, 16).

Konsultationen des Haus- oder des HNO-Arztes nahmen während des Beobachtungszeitraums signifi- kant ab. Mui et al. (5) sahen im Mittel eine signifikante Verringerung von vier auf 0,4. Bhattacharyya et al. (4, 16) beschrieben durchschnittlich eine noch größere Ab- nahme der Anzahl an Arztbesuchen als die Autoren (5,8 vor OP zu 0,3 nach OP). Auch ihre Ergebnisse waren signifikant.

In Bezug auf die Anzahl von Arbeitsfehltagen kam es ebenfalls zu einer signifikanten Reduktion. Bhatta- charyya et al. (4) sahen eine signifikante Verringerung der Fehltage von acht auf 0,5. Wolfensberger und Mund (7) beschrieben einen signifikanten Rückgang von durchschnittlich 7,4 Fehltagen auf 1,6 pro Jahr.

Gemeinsam ist allen Untersuchungen die Feststel- lung, dass nach der Tonsillektomie eine Verbesserung beziehungsweise Verringerung der untersuchten Para- meter eintrat.

Bhattacharyya und Kepnes (4) beurteilten mit Hilfe einer Break-even-Zeitanalyse den ökonomischen Nut- zen der Tonsillektomie und zeigten, dass hinsichtlich der gesamten Kosten (sowohl medizinischer als auch arbeitsbezogener) bei Erwachsenen nach 2,7 Jahren (Break-even-Punkt) der Nutzen die Kosten überstieg.

Anhand des GBI überprüften die Verfasser dieser Studie die Veränderung der Lebensqualität der Patien- ten nach Durchführung der Tonsillektomie (9). Hohe GBI-Werte ergaben sich in allen vergleichbaren Studi- en beim Gesamtwert und beim Wert für die Subskala

„allgemeines Lebensgefühl“. Hier zeigt sich, dass die Tonsillektomie nicht allein die körperliche Gesundheit im Speziellen, sondern insbesondere auch das Lebens- gefühl beziehungsweise die Lebenszufriedenheit und die Kontakte und Beziehungen im gesellschaftlichen Umfeld (zum Beispiel Beruf und Öffentlichkeit) ver- bessert. Erklärlich ist dies durch die besseren sozialen Bindungen bei weniger Krankheitsausfällen. Ähnliche Ergebnisse fanden Baumann et al. (18) sowie Schwent- ner et al. (15). Auch sie sahen die höchsten GBI-Werte für „allgemeines Lebensgefühl“ und „allgemeine kör- perliche Gesundheit“, wohingegen die Beziehung zu Familie und Freunden keine Veränderung erfuhr. Hier scheint ein sekundärer Krankheitsgewinn also nicht im Vordergrund gestanden zu haben. Bhattacharyya et al.

(16) fanden hingegen für die körperliche Gesundheit nur eine geringe Verbesserung (+9), verglichen mit den Unterskalen für „allgemeines Lebensgefühl“ (+35) und Beziehung zu Familie und Freunden (+14). Eine schlüssige Erklärung für diese Differenzen fanden die Autoren nicht.

Unterschiede zu den bisherigen Studien ergeben sich in der hohen Antwortquote und den zusätzlich unter- suchten Parametern: Frequenz von Arbeitsfehltagen, Arztkonsultationen, Halsschmerzepisoden und Medi- kamenteneinnahme.

Die Verfasser entschieden sich ebenso wie die Auto- ren von drei vorhergegangenen Untersuchungen (4, 16–18) für den retrospektiven Ansatz einer Befragung

zur Lebensqualität nach Tonsillektomie in Form des etablierten GBI.

Diese Studie hat einige mögliche Limitationen. Ers- tens wurde ein zusätzlicher Fragebogen eingesetzt, der nicht validiert ist. Zweitens betrug die Beobachtungs- zeit nur 14 Monate, auch wenn Schwentner et al. (16) keinen Unterschied in der GBI-Bewertung bei unter- schiedlichen Follow-up-Zeiten sahen. Drittens war die Befragung retrospektiv. Auch wenn solche Untersu- chungen sehr sensitive Ergebnisse erbringen (19), sind sie doch nicht vergleichbar mit prospektiven Untersu- chungen mit einer Messung einzelner Parameter zu be- stimmten Zeitpunkten. Viertens ist auch bei einer Re- sponserate von 85 % nicht auszuschließen, dass ledig- lich Patienten teilgenommen haben, die einen positiven postoperativen Verlauf erlebten. Ferner befanden sich fünftens in der befragten Gruppe anteilig weniger Män- ner. Einen signifikanten Unterschied in der geschlechts- spezifischen Auswertung der Ergebnisse sahen die Au- toren jedoch nicht. Weiterhin kann man die Fallzahl als gering bezeichnen.

Die vorgelegte Studie macht deutlich, dass bei mä- ßig eng gestellter Indikation (drei Tonsillitiden pro Jahr) im Erwachsenenalter mit einer deutlichen Ver - besserung der Lebensqualität zu rechen ist und ökono- mische Effekte (geringerer Medikamentenverbrauch, weniger Arbeitsfehltage und seltenere Arztbesuche) er- kennbar werden.

TABELLE 6

Glasgow Benefit Inventory

gesamt

männlich

weiblich

Minimum unteres Quartil Median arithmet. Mittel oberes Quartil Maximum Minimum unteres Quartil Median arithmet. Mittel oberes Quartil Maximum Minimum unteres Quartil Median arithmet. Mittel oberes Quartil Maximum

Gesamt- punktzahl –25 11,11 16,67 18,52 25 55,56 –22,22 11,11 18,06 16,44 22,92 33,33 –25 11,11 16,67 19,21 25 55,56

allgemein –29,17 8,33 16,67 18,1 25 70,83 –29,17 8,33 16,67 15,8 25 45,83 –25 8,33 16,67 18,87 26,04 70,83

sozial –66,67 0 0 0,17 0 50 –16,67 0 0 0 0 16,67 –66,67 0 0 0,23 0 50

Körper –50 33,33 33,33 38,54 50 83,33 –33,33 33,33 33,33 35,42 50 66,67 –50 33,33 33,33 39,58 54,17 83,33

(7)

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 20. 11. 2008, revidierte Fassung angenommen: 26. 10. 2009

LITERATUR

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Adenotonsillectomy or watchful waiting in patients with mild to mo- derate symptoms of throat infections or adenotonsillar hypertrophy:

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Anschrift für die Verfasser Dr. med. Götz Senska HNO-Abteilung

Marienhospital Gelsenkirchen GmbH Virchowstraße 122

45886 Gelsenkirchen E-Mail: goetzsenska@arcor.de

SUMMARY

Recurrent Tonsillitis in Adults—The Quality of Life After Tonsillectomy

Background: The aim of this study was to assess the effect of tonsil- lectomy in adults with recurrent tonsillitis on their quality of life and on their use of medical resources.

Method: 114 patients who had had at least three episodes of acute tonsillitis in the 12 months preceding tonsillectomy were evaluated pre- and postoperatively with a questionnaire developed by the authors, and with the Glasgow Benefit Inventory.

Results: 97 patients (85%) filled out the questionnaires completely. The Glasgow Benefit Inventory revealed an improvement in the overall score (+19) and in the partial scores for general well-being (+18) and physi- cal health (+39). The degree of support from friends and family was un- changed (±0). Significant decreases were observed in visits to a physi- cian, analgesic and antibiotic consumption, days off from work, and epi- sodes of sore throat. The number of visits to a physician because of sore throat decreased from an average of five preoperatively to one post- operatively; the number of episodes of sore throat, from seven to two;

and the number of days taken off from work, from twelve to one per year. 65% of the patients surveyed took analgesics for sore throat pre- operatively, 7% postoperatively. 95% took antibiotics for sore throat preoperatively, 22% postoperatively.

Conclusion: Although this study had a number of limitations (small size, retrospective design, short follow-up), it was able to show that tonsil- lectomy for adults with recurrent tonsillitis improves health and quality of life and reduces the need to consume medical resources.

Zitierweise: Dtsch Arztebl Int 2010; 107(36): 622–8 DOI: 10.3238/arztebl.2010.0622

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The English version of this article is available online:

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Die Tonsillektomie aufgrund rezidivierender Tonsillitis ist in der vorliegenden Studie mit einer Verbesserung der Lebensqualität, mit einem geringeren Medikamenten- verbrauch, weniger postoperativen Arbeitsfehltagen, ei- ner verminderten Anzahl notwendiger Arztbesuche und geringeren Gesundheitskosten verbunden.

Mögliche Limitationen dieser Studie sind: Einer der ein- gesetzten Fragebögen ist nicht validiert, die Nachbeob- achtungszeit von 14 Monaten, der retrospektive Ansatz, die Responserate von 85 %, es wurden mehr Frauen als Männer befragt und die Fallzahl (n = 114).

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