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Archiv "H. E. Bock: Verzicht — „aber an aller eigenem Leibe“" (07.09.1978)

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Die Information:

Bericht und Meinung NACHRICHTEN

H. E. Bock:

Verzicht —

„aber an aller eigenem Leibe"

Bei der Eröffnung

der Deutschen Therapiewoche in Karlsruhe:

Kritisches

zur Gesundheitspolitik

Die Veranstalter haben es gewagt, wie Prof. Dr. Dr. h. c. H. E. Bock bei der Eröffnungsveranstaltung der 30. Deutschen Therapiewoche in Karlsruhe am 26. August 1978 mit überlegener Ironie formulierte, das Jubiläum dieses seit 1949 jähr- lich veranstalteten Therapiekon- gresses und seiner Heilmittelaus- stellung feierlich zu begehen —,

„stolz darauf, was die deutsche Medizin und was die Karlsruher Therapiewoche in dieser Zeit er- reicht und bewirkt haben."

Denkanstöße hatte sich Prof.

Bock, der selbst einen bemerkens- werten Beitrag zum Thema „Multi- morbidität und Multimedikation"

vortrug, von den Festreden der Gäste erhofft, Anregungen für die Fortentwicklung der Medizin und des Gesundheitswesens in der Bundesrepublik Deutschland, ak- tive Stimulation für einen Fort- schritt, der allerdings wohl nur noch „durch Verzicht am eigenen Leibe, aber an aller eigenem Lei- be" zu erreichen sei. In der Tat wurde denn auch in den Grußan- sprachen, soweit sie sich mit Ge- sundheitspolitik befaßten, verhält- nismäßig wenig historisiert, viel- mehr wurden — allerdings recht differente — politische Bilder von Gegenwart und Zukunft der ärztli- chen Versorgung unserer Bevöl- kerung entworfen.

Frau Antje Huber, Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund- heit, die mit einem sehr ausführli- chen Bericht über die Aktivitäten ihres Ministeriums dem Jubi- läumskongreß in Karlsruhe Reve-

renz erwies, wünschte sich dabei von der Ärzteschaft „ein bißchen mehr grundsätzliche Diskussion darüber, wo die Medizin heute steht, was die Medizin heute lei- sten kann und was nicht". Nun, der Präsident der Bundesärzte- kammer und des Deutschen Ärzte- tages, Dr. Karsten Vilmar, strafte jede Unterstellung, die verfaßte Ärzteschaft treibe nur Interessen- politik, mit seinen sachlichen und abwägenden Ausführungen zur aktuellen Situation der Medizin und der Ärzteschaft Lügen:

Eine breitgefächerte interdiszipli- näre Fortbildung, für die Prof. Dr.

Dr. h. c. Bock und unzählige ärztli- che Referenten ebenso wie alle Verantwortlichen in Karlsruhe so viel geleistet haben, müsse sich heute mehr denn je rationaler The- rapie widmen; dabei sollte auch das Bewährte wieder ins Gedächt- nis gerufen werden. Bei allen In- novationen sollte man sich mehr Gedanken machen, ob und wie ei- ne breite Anwendung überhaupt finanzierbar sei. Andererseits müsse heute betont werden, daß die Medizin selbstverständlich nicht allein unter Kosten/Nutzen- Gesichtspunkten betrachtet wer- den kann.

Und: Man könne wohl unterstel- len, daß auch in der Medizin viel Wissenschafts- und Technikgläu- bigkeit geherrscht habe; aber die- se sollte man nicht ersetzen durch Gesetzesgläubigkeit. Alles bis ins letzte Detail durch Gesetze und Verordnungen regeln zu wollen schaffe mehr Übel als Nutzen. Man denke nur an die Auswahlprinzi- pien für die medizinische Ausbil- dung, die auf die Studieneignung und nicht auf die Berufseignung abgestellt sind. Aus falschen Aus- wahlkriterien resultiere auch, so Vilmar, daß immer weniger Ärzte für die Allgemeinmedizin zu moti- vieren sind.

Oder das Beispiel Fortbildung: Ein ihr trotz mancherlei Reglementie- rung belassener breiter Rahmen erlaubt Flexibilität und Vielfalt, und die breite Entfaltung dieser

ärztlichen Fortbildung nützt dem Patienten. Um so bedauerlicher ist eine fehlsichtige Kritik, die sich et- wa auf einen Tagungsort bezieht und seltener auf den Inhalt (viel- leicht auch, weil die Kritiker den Inhalt so wenig beurteilen kön- nen). Die Ärzteschaft selbst müsse sich davor hüten, so mahnte Vil- mar unter dem Beifall der Versam- melten, die Fortbildung kommer- zialisieren zu lassen, etwa nach dem Werbemotto „Fortbildungs- pflicht für Ärzte — Kapitalbildung für Sie".

Dr. Dietrich Maiwald, der Präsi- dent der Landesärztekammer Ba- den-Württemberg, unterstrich in seinem Grußwort, daß ein auch weiterhin regional bis in die Kreise hinein breitaufgefächertes Fortbil- dungsangebot gerade im Hinblick auf die Auswirkungen des Kosten- dämpfungsgesetzes vor allem dem Patienten nützt, dem eine gute Medizin erhalten bleiben soll. Mit Sarkasmus vermerkte er, daß sich die offizielle Gesundheitspolitik so sehr um die ärztliche Fortbildung sorgt, die seit je freiwillig erfüllte Berufspflicht ist (wie nicht zuletzt die regelmäßige Teilnahme tau- sender Ärzte an der Karlsruher Therapiewoche erweist).

Auch Dr. Maiwald gestattete sich, wie zuvor Frau Minister Huber, ei- nen Wunsch —, daß nämlich die Ärzteschaft trotz aller Eingriffe und Steuerungen weiterhin freu- dig ihren Beruf ausüben möge ...

Wenn das, was der Präsident der Bundesärztekammer und der Prä- sident der Landesärztekammer Baden-Württemberg in Karlsruhe vortrugen, Interessenpolitik war, dann jedenfalls Politik im Interes- se einer bestmöglichen ärztlichen Versorgung unserer Bevölkerung.

Einige detaillierte Kritik — auch ärztliche Kritik — an der Bonner Gesundheits- und Sozialpolitik hatte allerdings, ehe die ärztlichen Repräsentanten das Wort erhiel- ten, die baden-württembergische Gesundheitsministerin Annemarie Griesinger in ihrem Grußwort be- reits vorweggenommen: „Es geht

Heft 36 vom 7. September 1978 1975 DEUTSCHES ÄRZIEBLATT

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Die Information:

Bericht und Meinung NACHRICHTEN

nicht an, daß nur die Ärzte die Hauptlast der Kostendämpfung tragen sollen." Die Bundesländer werden, so versicherte sie, dafür sorgen, daß die Konzertierte Ak- tion nicht zu einem Instrument für immer mehr dirigistische Eingriffe werde. Im Zusammenhang mit der anstehenden Beratung des Kran-

ken hausfi nanzieru ngsgesetzes müsse, so sagte Frau Griesinger, auch der § 371 der Reichsversi- cherungsordnung überprüft wer- den; Baden-Württemberg werde es jedenfalls nicht zulassen, daß Krankenkassen mit Hilfe dieses Paragraphen gute Krankenhäuser aus der stationären Versorgung von Kassenpatienten ausschalten.

Auch zum Vorhaben einer Tren- nung von praktischer und theore- tischer Ausbildung in der Kran- kenpflege bezog Frau Minister An~

nemarie Griesinger eine Gegenpo- sition.

~ Sich auf die Auseinanderset- zung um die ärztliche Ausbildung beziehend, plädierte sie dafür, bis 1980 zu klären und zu regeln, "wie die Möglichkeit der Niederlassung mit der Vorschaltung einer Zeit praktischer Erfahrung verbunden

· werden kann". Jedenfalls müsse man dafür sorgen, daß die künfti- gen Ärzte keinen Vertrauensver-

lust erleiden, zumal sie selbst am

meisten darunter leiden, daß sie während der Ausbildung zu wenig praktische Erfahrungen sammeln können.

Der Vorsitzende des Bundesver- bandes der Pharmazeutischen In- dustrie, Max P. Tiefenbacher, run- dete die in vollendeter Höflichkeit formulierte direkte und indirekte Kritik an der offiziellen Banner Ge- sundheits- und Sozialpolitik mit dem Vorschlag, anstelle einer auf direkte Forschungsförderung und -Ienkung hinauslaufenden Befas- sung mit der Arzneimittelfor- schung in der Konzertierten Ak- tion eine Beratung jener Beein- trächtigungen vorzunehmen, die jüngste Gesetze, Verordnungen und Gerichtsbeschlüsse für die

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pharmazeutische Industrie ge- bracht haben und bringen. DÄ

Herbstkongreß in Meran eröffnet

25 Jahre

Zusammenarbeit mit Österreichischen Ärzten

Am Saalausgang klicken die von der Bundesärztekammer einge- führten Stempeluhren - aber nur für die deutschen Kongreßteilneh- mer; hoch sei dies in Österreich nicht nötig, sagte Dr. med. Hadmar Sacher, Präsident der Ärztekam- mer für Kärnten, aber man solle auch nicht "schlafende Hunde"

wecken, die Österreichischen Kol- legen möchten bitte nicht "stem- peln".

Dies sind die praktischen Auswir- kungen der' Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 4. August 1977, wie sie sich auch jetzt wieder beim XXVI. Internationalen Fortbil- dungskongreß der Bundesärzte- kammer in Meran darstellen: Ge- radezu ein Paradebeispiel, inter- national vorgeführt, für das Unver- mögen deutscher Staatsbürokra- tie, der Situation eines freien Be- rufes Verständnis entgegenzu- bringen!

Dr. med. Gustav Osterwald, Präsi-

dent der Ärztekammer Nieder- sachsen, rannte wohl "offene Tü-

ren" ein, als er sich bei den Teil-

nehmern der Eröffnungsveranstal- tung namens des Bundesärzte- kammer-Vorstandes dafür ent- schuldigte, solche "bürokrati- schen Querelen" behandeln zu müssen.

Osterwald äußerte die Hoffnung, daß die Finanzminister der Länder, die sich jetzt mit der Frage der steuerlichen Absetzbarkelt der Reise- und Aufenthaltskosten bei ärztlichen Fortbildungskongres- sen im Ausland beschäftigen, eine vernünftige Lösung finden wer- den.

Denn ärztliche Fortbildung, beton- te Dr. Osterwald, wird immer not- wendiger: Einerseits wächst die Menge medizinischen und ärztli- chen Wissens immer rascher. An-

1976 Heft 36 vom 7. September 1978 DEUTSCHES ARZTEBLATT

dererseits hat es der Arzt mit bes-

ser informierten und auch kriti-

scheren Patienten zu tun.

Zusammenarbeit - sowohl inter- disziplinär als auch international verstanden - wurde in dieser Me- raner Eröffnungsfeier am 28. Au- gust besonders herausgestellt.

in seinem Festvortrag behandelte Professor Dr. med. Carl Steffen, Vorstand des Wiener Universitäts-

instituts für Immunologie, die in-

terdisziplinäre Bedeutung der Im- munologie für die Medizin.

Er schlug vor, die Tatsache anzu- erkennen, daß sich die Immunolo- gie zu einem eigenständigen, ge-

glied~rten Forschungsgebiet ent- wickelt hat. Im Hochschulbereich solle man ihre Zersplitterung schleunigst beenden.

Die Wahl des Kongreßthemas -

"Arzneitherapie gastroenterologi-

scher und abdomineller Erkran- kungen" - erläuterte der Vorsit- zende des Deutschen Senats für ärztliche Fortbildung, Professor Dr. med. Albert Schretzenmayr (Augsburg), unter anderem mit dem Hinweis, daß einerseits die Endoskopie, auf der anderen Seite neue Arzneimittel zahlreiche wei- tere Möglichkeiten, die auch für den Allgemeinarzt wichtig sind, für die Behandlung gastroenterolo- gischer Erkrankungen eröffnet haben.

Und schließlich war ein Jubiläum zu würdigen: Zum 25. Male ist die Österreichische Ärztekammer in Meran Mitveranstalter. Dr. Sacher kündigte einen noch stärkeren Einsatz der Österreichischen Ärzte für die Kongresse an, die für die gesamte ärztliche Fortbildung auch in Österreich so qroße Be- deutung hätten.

Namens der deutschen Teilneh- mer dankte Professor Schretzen- mayr für 25 Jahre voller menschli- cher Kontakte, geistiger und fach- licher Anregungen - unerläßliche Elemente echter ärztlicher Förtbil-

dung. gb

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