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Archiv "Arbeitszeit: Assistenzärzte benachteiligt" (04.11.2005)

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Arbeitszeit

Zu dem Beitrag „Ärztliche Arbeits- zeit: Eine Frage der Ethik“ von Prof.

Dr. med. Dr. phil. Urban Wiesing in Heft 39/2005:

Herzlichen Dank

Gerade komme ich aus einem 24-Stunden-Bereitschafts- dienst nach Hause und finde das DÄ vor mit oben genann- tem Artikel. Dem Autor sei herzlich Dank gesagt für die-

sen Artikel. Leider sehe ich keine wirkliche Verbesserung in Sicht für Patientinnen und Ärztinnen, da allein wirt- schaftliche Gesichtspunkte zählen ohne Rücksicht auf Verluste. Letztere werden bei Bedarf individualisiert.

Ulla Peitz,Albrechtstraße 60 a, 12167 Berlin-Steglitz

Industrialisierung der Medizin

Herrn Prof. Wiesing ist für die- sen Beitrag zur aktuellen De- batte zu danken; bringt er doch endlich einen wesentlichen As- pekt ins öffentliche Gespräch, der in vielen privaten Diskus- sionen bereits besonderen Raum einnimmt. Wiesing un- terscheidet zwischen Ärzten

„alter Schule“ und solchen

„mit neueren“ Auffassungen, wobei er bezweifelt, dass ein Konsens beider herzustellen sei. Während Ärzte alter Schu- le bereit seien, „unhinterfragt eine . . . vollständige Hingabe“

an den Beruf zu leisten, ver- stünden andere „ . . . ihre

Tätigkeit als einen normalen Beruf, dessen Ansprüche mit denen nach Freizeit oder de- nen der Familie abgewogen werden müssten“. – Ich be- zweifle, dass Wiesings Unter- scheidung intrinsisch aus den klassifizierten Personen zu rechtfertigen ist, sondern ein an sich banales Phänomen tra- dierter Organisationsformen ist. Ärzte „alter Schule“ wur- den schlichtweg gezwungen, so zu arbeiten, wie sie es taten.

Die Macht des Faktischen

zwang ihnen die Hingabe ab.

Nach einer gewissen Zeit wird diese Arbeitsweise notwendi- gerweise zum Idealbild im Denken der so Arbeitenden.

Andernfalls müsste der Tag und Nacht „sich hingebende Arzt“ sich seines Lebensin- halts entäußern, da er zu kei- ner anderen Tätigkeit Zeit fin- den kann. Dieser Lebenssinn mag eingebildet oder real sein – er wirkt sich auf das Leben aus. Insbesondere dann, wenn dieser Lebenssinn nicht mehr zur Verfügung steht – im Ru- hestand. Insofern waren „Ärz- te alter Schule“ tatsächlich be- reit, „unhinterfragt“ diese Arbeitsethik zu akzeptieren.

Jedoch in anderem Sinne, als Wiesing (idealisierend?) po- stuliert. Es blieb keine Zeit zu hinterfragen. Falls doch, hätte die Antwort a priori festge- standen: in Form der Alterna- tive, diese Ethik zu akzeptie- ren oder dem Beruf zu entsa- gen. Eine gewisse Gegenlei- stung für die „Hingabe“ bot die Gesellschaft in höchster sozialer Stellung und Aner- kennung des Arztes sowie sei-

ner weitgehenden Autonomie und Macht in der medizini- schen Einrichtung. Auf der an- deren Seite der Arzt mit „mo- derner“ Auffassung vom ärzt- lichen Beruf. Auch diese ist ge- prägt von (eben nicht mehr so tradierten, sondern im Um- bruch begriffenen) Organisati- onsformen. Stellte früher der Arzt die Spitze der Hierarchie im Gesundheitswesen dar, so wird eine größere medizini- sche Einrichtung heute meist von Spezialisten der Verwal- tung geleitet. War früher die Hauptaufgabe des Arztes die Patientenbehandlung, so ist heute (beinahe) die Doku- mentation wichtigste Beschäf- tigung. War früher die Auffas- sung, ärztliches Handeln sei ei- ne „Kunst“, bestimmend, so regieren heute Algorithmen und „Guidelines“. Begriff sich früher typischerweise ein Arzt eher als Generalist, so ist heu- te auch innerhalb der Fachge- biete die Subspezialisierung eher die Regel. Man mag diese Entwicklungen begrüßen oder nicht, für unvermeidlich halten oder nicht, sie sind Ausdruck der Industrialisierung der Me- dizin. Ökonomisierung, Ratio- nalisierung und Verrechtli- chung finden in der Medizin selbstverständlich ebenso statt wie in allen anderen Industrie- zweigen. Dies ist globaler, ge- sellschaftlicher Konsens, und man wird die Nachteile dieser Entwicklung in Kauf nehmen müssen, will man die Vorteile – die Kosteneffektivität – ge- nießen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass im industriellen Umfeld die Hingabe an den Beruf nur dann erwartet wird, wenn entsprechende wirt- schaftliche Kompensation ge- boten wird. Leistung und Ge- genleistung sind dort selbst- verständlich und nicht an- rüchig. Besteht die Gesell- schaft auf Fortführung der In- dustrialisierung der Medizin, wird sie sich die „Hingabe“

der Ärzte selbstverständlich erkaufen müssen. Will sie Letzteres nicht, so wird man damit leben müssen, dass Ärz- te „alter Schule“ der Vergan- genheit angehören.

Priv.-Doz. Dr. med. Martin Kleen, Landshuter Straße 8, 84095 Furth

Die Stechuhr fehlt

Ärztliche Arbeitszeit – nur ei- ne Frage der Ethik? Herr Prof.

Wiesing hat uns in seinem Ar- tikel dargelegt, dass es aus vie- lerlei Gründen Grenzen für die ärztliche Arbeitszeit braucht.

Als ob das noch irgendjemand ernsthaft bezweifeln würde – ist doch alles längst geregelt, in umfangreichen Tarifverträgen und Arbeitszeitgesetzen. Wel- cher deutsche Politiker oder Klinikträger wagt es denn heut- zutage noch, offen zu verkün- den, dass wir 24 oder sogar 36 Stunden am Stück arbeiten sol- len? Aber wie lange arbeiten Deutschlands Krankenhausärz- te – und um die ging es in dem Artikel ja vorrangig – denn nun wirklich? Solange viele Assi- stenzärzte es nicht wagen, ihre wahren Überstunden aufzu- schreiben, solange viele Chef- ärzte und Verwaltungsleute diese Überstunden ignorieren, solange fehlt uns nicht der ethi- sche Überbau, sondern – ganz einfach – die Stechuhr an allen Klinikpforten. Nicht umsonst blockieren viele Krankenhaus- träger eine echte Zeiterfassung für Ärzte, denn aus ihrer Sicht soll ärztliche Arbeitszeit auch in Zukunft im Dunkeln und damit oft zu lang und unbezahlt bleiben. Mit harten Fakten könnten wir solche Missstände besser bekämpfen als mit der (an sich natürlich ehrenwerten) Diskussion ethischer Grund- satzfragen, die aber sowieso niemand mehr bestreitet.

Dr. med. Fabian Hässler, Beim Herbstenhof 36, 72076 Tübingen

Assistenzärzte benachteiligt

. . . Doch etwas enttäuscht war ich, dass neben aller Ethik und Moral die wirtschaftliche Si- tuation der Assistenzärzte, die durch die neue Arbeitszeitre- gelung erhebliche Einbußen er- fahren werden, völlig unbeach- tet blieb. Bislang hatte man sich als Assistenzarzt sicher keine „goldene Nase“ ver- dient. Mit dem Grundgehalt kam man gut über die Runden;

die eigentliche „Butter aufs Brot“ verdiente man jedoch A

A3016 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 44⏐⏐4. November 2005

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durch die Nachtdienste. Diese wird es künftig im herkömmli- chen Stil nicht mehr geben. Die Nachtarbeitszeit ist dann in ei- nem Schichtdienstmodell in der maximal zulässigen Wochenar- beitszeit bereits enthalten. Zu- dem gehen viele Kliniken, ins- besondere kleinere Häuser, in ihrem Bestreben, das neue Ge- setz kostenneutral umzusetzen, dazu über, anstelle Vollzeit- mehr und mehr Teilzeitstellen einzurichten. (Ein Schicht- dienstmodell bedarf zur Ab- deckung der Schichten einer Erhöhung der bisherigen Kopf- zahl, wobei es dann wiederum ausreicht, dass der Einzelne nur noch 75 Prozent arbeitet). Aus diesem Grund gibt es an unse- rer Klinik bereits jetzt nur noch 75-Prozent-Stellen . . . Sollte die Umsetzung des neuen Arbeits- zeitgesetzes ab 1. Januar 2006 tatsächlich Pflicht werden, ha- ben viele Assistenzärzte (zum Teil Familienväter) mit ihrer Teilzeitstelle bei gleichzeitigem Wegfall der Nachtdienste ein ernsthaftes Problem.Wir haben in der Klinik schon oft darüber diskutiert. Darauf angespro- chen, halten es viele der Kolle- gen hinsichtlich des Spannungs- bogens zwischen Ethik und Moral einerseits und finanziell- wirtschaftlichen Existenzsor- gen andererseits doch eher mit Bertolt Brecht. Die ärztliche Arbeitszeit allein auf eine Fra- ge der Ethik zu reduzieren, wird der Komplexität des Pro- blems sicherlich nicht gerecht.

Dr. med. Steffen Sassie, Rotteckring 8, 79341 Kenzingen

Ärzte als IM

Zu dem Beitrag „Ich habe doch nie- mandem geschadet“ von Dr. phil.

Francesca Weil in Heft 39/2005:

Lebenslanges Berufsverbot

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“ heißt der erste und wichtigste Satz in unse- rem Grundgesetz. Das gilt für alle Menschen in unserem Land. Kaum ein Mensch muss sich körperlich und seelisch so sehr entblößen wie der Pa- tient beim Arzt. Dieses be- sondere Vertrauensverhältnis wird durch die ärztliche Schweigepflicht geschützt.

Das gilt für alle Ärzte in unse- rem Land. Wer gegen das Grundgesetz und die ärztliche Schweigepflicht verstößt, tritt Freiheit und Menschenwürde mit Füßen. Die Ausreden der ehemaligen Stasikollabora- teure, die in dem Artikel auf-

geführt sind, können nicht verbergen, dass sich Men- schen auf Kosten anderer Vorteile verschafft haben. Je- de Zusammenarbeit mit der Stasi hatte natürlich das Potenzial, jemandem zu scha- den, und jeder wusste das. Ich denke, dass ein lebenslanges Berufsverbot für die „IMs“

zwingend ist. Wer mit einem totalitären Staat auf diese Weise kooperiert, um seine Lebensrisiken zu mindern, riskiert umso mehr, wenn sich

die Zeiten einmal ändern soll- ten. Und das ist auch gut so.

Dr. Wolfgang Lorenz, Trajanstraße 24 a, 68526 Ladenburg

Eigene Erfahrungen

Auch in meinem Fall war der Chefarzt einer Poliklinik als IM (informeller Mitarbeiter) auf mich angesetzt. Ich stellte 1986 einen Ausreiseantrag, da mir weitere wissenschaftliche Aktivitäten auf dem Gebiet der Umweltforschung unter- sagt wurden und ich außerdem von einer Lehrerin erfahren hatte, dass meine beiden Kin- der trotz sehr guter schuli- scher Leistungen nicht auf die erweiterte Oberschule aufge- nommen würden. Bis 1988 war ich aktiv vor allem bei kirchli- chen Veranstaltungen tätig und habe die Bevölkerung über die Zusammenhänge zwischen der extrem hohen Luftverschmutzung in Indu- striegebieten und Erkrankun- gen der Atmungsorgane hin- gewiesen . . . Bis Dezember

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 44⏐⏐4. November 2005 AA3017

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E-Mail

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kürzen.

Foto:DÄ-Montage/CARO

Referenzen

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