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Archiv "Die Präeklampsie: Eine Endothelerkrankung? H’enrichment-Prinzip" (23.02.2001)

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Klinische Beobachtungen bestätigen diesen Kompensationsmechanismus:

Bei einer fetalen Wachstumsretardie- rung stirbt das Kind häufig nach Beginn einer blutdrucksenkenden Therapie ab, weil der Kompensationsmechanismus gestört wird. Das CTG zeigt im silen- ten Herzfrequenzverlauf Zeichen einer Zentralisation. Durch die Kontraktion der Gefäße wird der Kreislauf zu ei- nem starren Rohrsystem mit konstan- tem Durchfluss. Dopplersonographisch zeigt sich die Zentralisation in der Er- höhung des Resistence-Index in Aorta und Nabelschnur und einem Abfall in der Arteria cerebri media als einem Ge- fäßgebiet mit wenig kontraktilen Ele- menten. Das empfindliche Gehirn wird bevorzugt durchblutet auf Kosten ande- rer Organe, welche die intrauterine Ent- wicklungsverzögerung postpartal aus- gleichen. Klinische Folge dieser Kreis- laufreaktion ist der „dysproportionier- te“ Minderwuchs mit vergleichsweise großem Gehirn beziehungsweise Kopf bei Spätgestose im Gegensatz zu der

„proportionierten“ Wachstumsverzöge- rung bei Nikotinkonsum (3), die Folge der toxischen Nikotinwirkung ist. Bei Raucherinnen ist die mütterliche Pla- zentadurchblutung nicht eingeschränkt (4). Der Kompensationsmechanismus ist bei kleinem Kind und daher günstige- rer feto-plazentarer Gewichtsrelation seltener notwendig. Bei der häufig un- umgänglich notwendigen Behandlung der Spätgestose durch Blutdrucksen- kung sollte beachtet werden, dass die fe- talen Entwicklungsmöglichkeiten in ge- fährlicher Weise gestört werden.

Literatur beim Verfasser

Dr. med. Bernd Warkentin Kreiskrankenhaus Lörrach Spitalstraße 25 79539 Lörrach

Systemische Aspekte

In ihrem Beitrag verweisen die Auto- ren zu Recht auf die bedeutende Rolle, die der Störung der Endothelfunktion im Rahmen der Präeklampsie zu- kommt. Eindrucksvoll wird eine Viel- zahl auf unterschiedlichen System- ebenen interagierender und sich in ih-

rer Wirkung teilweise gegenseitig ver- stärkender Signalmoleküle und Sy- stemachsen aufgezeigt (zum Beispiel sympathisches Nervensystem, Renin- Angiotensin-Aldosteron-System, und plasmatisches Gerinnungssystem). Dies alles trägt dazu bei, eine Vorstellung zu entwickeln, wie komplex die Verhält- nisse sich in vivo tatsächlich gestalten.

Angesichts dieser Verhältnisse ist es nicht überzeugend, die Präeklampsie zu einer Erkrankung im Wesentlichen des Endothels zu reduzieren. Wenngleich auch vieles noch wenig verstanden ist:

Eine Flut von Daten belegt, der Prä- eklampsie liegt eine gravierende Stö- rung ineinandergreifender neuroendo- kriner und neuroimmunologischer Pro- zesse zugrunde. Zahlreiche Untersu- chungen sprechen dafür, dass die Schwangerschaft auch mit einer Modifi- kation des mütterlichen Immunstatus einhergeht (1, 2). In Tierversuchen konn- te gezeigt werden, dass die Blastozysten- implantation sowie der komplikationslo- se Schwangerschaftsverlauf abhängig sind von einer im kritischen maternofeta- len Bereich stattfindenden Verschiebung des Th1-/Th2-Typ-Zytokinprofils zugun- sten des antientzündlichen Th2-Typs (3).

Neben anderen Faktoren trägt Proge- steron in Konzentrationen, die für den Erhalt der Schwangerschaft notwendig sind, durch Polarisierung der Immunant- wort in Richtung Th2 im maternofetalen Bereich zu einer gewissen Form der Im- muntoleranz bei (1, 4, 5). Mittlerweile besteht auch zunehmend Übereinstim- mung, dass Östrogene, ebenso wie Pro- gesteron, zellulär immunsuppressiv wir- ken (6, 7, 9). Die pathogenetisch bedeut- same Th1-Verschiebung in Fällen von Präeklampsie belegt auch der Nachweis eines Mangels an plazentarem IL-10, ei- nem dominierenden Faktor der Th2-Po- larisation. Es konnte nachgewiesen wer- den, dass der IL-10-Gehalt des Trophob- lasten in Fällen von Präeklampsie signi- fikant niedriger lag, verglichen mit nor- mal verlaufenden Schwangerschaften (2). Th1-Typ-Cytokinexpression führt über eine Abnahme der endothelabhän- gigen Vasodilatation (8), eine Förderung der Adhäsion, Aktivierung und Aggre- gation von Leuko- und Thrombozyten und schließlich einer Leukozytentrans- migration zu einer umfangreichen Er- krankung des Endothels (2). Was den für

die Präeklampsieentstehung so bedeut- sam eingestuften Mangel an endothelia- lem und dominierend vasodilatierend wirkendem Stickstoffmonoxid (NO) be- trifft, so konnte in einer hochaktuellen Studie gezeigt werden, dass 17-beta-Est- radiol durch Bindung an einen Östro- gen-Oberflächenrezeptor neben einer NO-Freisetzung aus menschlichen Mo- nozyten (10) auch die NO-Freisetzung aus humanen arteriellen Endothelzellen in der Zellkultur induziert (11).

Zusammengefasst lassen die bei der Präeklampsie ablaufenden Prozesse auf eine neuro-endokrin-immunologisch vermittelte, zunächst im Gebiet des Trophoblasten sich manifestierende zelluläre Immunreaktion vom Th1-Typ schließen. Diese geht, unter Beteiligung einer gestörten Endothelfunktion, ein- her mit einer anfänglichen Wider- standserhöhung im uterinen und rena- len Strombett und führt im weiteren Verlauf, unter Ausweitung auf andere Organbereiche und unter Einbezie- hung der an der Volumenregulation be- teiligten Steuerungssysteme, zu den hä- modynamisch und rheologisch fatalen Konsequenzen.

Literatur beim Verfasser

Dr. med. Hansgeorg Kohlmann Grottenstraße 9

22605 Hamburg

H’enrichment-Prinzip

Das Gefäßsystem der präeklampti- schen Schwangeren ist sicher so patho- logisch verändert wie es im Beitrag beschrieben wurde. Wie aber kommt es zu solchen Veränderungen bei jun- gen Frauen, die doch außerhalb der Schwangerschaft keine derartigen Ge- fäßläsionen zeigen?

Eine Theorie hierzu könnte das so genannte H’enrichment-Prinzip bilden.

Das H’enrichment-Prinzip besagt, dass es besonders in der Schwangerschaft (aber auch in sehr geringem Maße außer- halb) zu einer Aktivierung der Fibro- blasten durch die ansteigenden Östroge- ne kommt. Die Fibroblasten produzieren daraufhin nicht nur verstärkt kollagenes Bindegewebe, sondern auch mehr Pro- teoglykane um das Bindegewebe zu mas- M E D I Z I N

A

A472 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 8½½23. Februar 2001

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kieren. 1 g der Proteoglykane kann 1 kg bis zu 10 kg Wasser binden. Die Folge ist bei fast allen Schwangeren zu beobach- ten: mehr oder weniger Ausbildung von Ödemen im gesamten Körper. Diese Ödeme bilden nicht nur die Grundlage zur Auflockerung und Elastizität der Ge- webe für den Geburtsvorgang. Weit wichtiger bilden sie ein Notfalldepot für die körpereigene Autotransfusion nach der Geburt. Da es unter beziehungsweise nach der Geburt immer zu einem Blut- verlust von circa 200 bis 400 ml kommt, im Einzelfall (pathologische Plazentalö- sung, Risse et cetera) die Gebärende auch schnell ein bis zwei Liter Blut ver- lieren kann, und sich damit das Risiko für einen Blutverlustschock erhöht, hat die Natur Vorsorge getroffen. Unmittelbar nach Ausstoßung der Plazenta fallen die Östrogene steil ab, die Fibroblasten stel- len ihre Kollagen- und Proteoglykanpro- duktion wieder auf Normalwerte um und das bisher durch die Proteoglykane fest- gehaltene Wasser kann nun postpartal in das durch Blutverlust entleerte Gefäßsy- stem zurückfließen und so die Orthosta- sen aufrecht erhalten. Leider hat eine übermäßige Ödembildung in manchen Organen auch eine fatale Wirkung. In den Gefäßen kommt es zu obigen Verän- derungen, die zusammen mit Ödembil- dung in der Niere zur Hypertonie bezie- hungsweise Proteinurie führen und da- mit zum Circulus vitiosus des Verlustes des osmotischen Drucks im Gefäßsystem mit Verstärkung des Wasserausstroms ins interzelluläre Gewebe. In der Leber führt dies zu Leberzellschäden mit Tran- saminasenanstieg beziehungsweise Le- berdystrophie, im Bauchraum zur Aszi- tesbildung. Ödeme im Gehirn führen schließlich zu eklamptischen Anfällen.

Dr. med. Johann Henrich Johannesstraße 45 24143 Kiel

Schlusswort

Die bedeutende Rolle des Endothels in der Pathophysiologie der Präeklampsie ist unstrittig. Das maternale Endothel ist aber sicher nicht der Ausgangs- punkt, sondern lediglich ein sekundäres Zielorgan der Erkrankung („two-stage model“ der Präeklampsie). Der Aus-

gangspunkt für die Entwicklung einer Präeklampsie ist noch nicht mit Sicher- heit nachgewiesen, aber vieles spricht für die Plazenta. Die Präeklampsie tritt nur auf, wenn eine Plazenta angelegt ist, während ein Fetus nicht notwen- digerweise vorhanden sein muss, wie sich bei Molenschwangerschaften im- mer wieder beobachten lässt. Auch in den seltenen Fällen von fortgeschritte- nen Extrauteringraviditäten mit Prä- eklampsie, bei denen nur der Fetus, aber nicht die Plazenta operativ ent- fernt werden konnte, wurde beschrie- ben, dass sich die Präeklampsie nach der Entbindung des Kindes nicht zurückbildete (3). Diese Beobachtun- gen sprechen dagegen, dass dem Kind eine impulsgebende Rolle bei der Prä- eklampsie zukommt, wie von Herrn Warkentin angenommen wird. Interes- sant ist sicherlich die von Herrn War- kentin angesprochene und in der Lite- ratur immer wieder bestätigte Beob- achtung, dass dem Rauchen eine pro- tektive Bedeutung in der Entwicklung einer Präeklampsie zukommt (4). Eine neue Untersuchung findet sogar, dass je mehr und je länger eine Frau vor und in der Schwangerschaft raucht, desto sel- tener Präeklampsien auftreten (5). Die- ser Befund ist umso erstaunlicher, als Frauen mit Gefäßerkrankungen im Rahmen von Diabetes mellitus, Kolla- genosen und arterieller Hypertonie so- wie bei Thrombophilien generell ein deutlich erhöhtes Risiko für die Ent- wicklung einer Präeklampsie aufwei- sen. Der Mechanismus der Präeklamp- sieprotektion durch das Rauchen ist vollkommen ungeklärt. Rückschlüsse auf die Pathogenese der Erkrankung lassen sich deshalb nicht ziehen; es muss auch nicht betont werden, dass die Risiken des Rauchens in der Schwan- gerschaft den möglichen Nutzen der Präeklampsieprotektion bei weitem überwiegen.

Auch eine übermäßige Ödembil- dung, wie von Herrn Henrich vermutet, kann die Pathogenese der Präeklamp- sie nicht in jedem Fall erklären: Gerade bei sehr schweren und früh auftreten- den Präeklampsien bleibt sie nicht sel- ten völlig aus. Zudem hat das Symptom

„Ödem“ in der Diagnose der Prä- eklampsie heute nur eine untergeord- nete Bedeutung.

Ein interessantes Konzept zur Ätio- logie der Präeklampsie wird von Herrn Kohlmann beschrieben: 1986 wurden zwei unterschiedliche und sich gegen- seitig hemmende Typen von T-Helfer- zellen (Th1 und Th2) entdeckt, die je- weils unterschiedliche Zytokine sezer- nieren (2). In der normalen Schwanger- schaft werden von Plazenta und Dezi- dua vermehrt für Th2 spezifische Zyto- kine (zum Beispiel IL-10) gebildet, de- nen eine wichtige Funktion in der Auf- rechterhaltung der Schwangerschaft zugesagt wird. Bei der Präeklampsie findet man erhöhte Serumspiegel an TNF-a, IL-6 und IL-2, die der Th1- Gruppe zuzuordnen sind und die ver- mutlich zu einem großen Teil in der Plazenta produziert werden. Diese Zy- tokine weisen eine oxidierende und endothelaktivierende Wirkung auf.

Hamai et al. zeigten 1997, dass erhöhte IL-2 und TNF-a-Serumspiegel bereits vor der Manifestation von klinischen Symptomen der Präeklampsie nach- weisbar sind (1). Somit könnte eine pa- thologisch veränderte Zytokinproduk- tion das Bindeglied zwischen der Pla- zenta als dem Ursprungsort der Er- krankung einerseits und der Endothel- aktivierung mit der Folge des mütterli- chen Syndroms „Präeklampsie“ ande- rerseits sein.

Literatur

1. Hamai Y, Fujii T, Yamashita T, Nishina H, Kozuma S, Mikami Y, Taketani Y: Evidence for an elevation in se- rum interleukin-2 and tumor necrosis factor-alevels before the clinical manifestations of preeclampsia.

Am J Reprod Biol 1997; 38: 89–93.

2. Mosmann TR, Cherwinski H, Bond MW: Two types of murine helper T cell clone. I. Definition according to profiles of lymphokine activities and secreted pro- teins. J Immunol 1986; 136: 2348–2357.

3. Piering WF, Garancis JG, Becker CG, Beres JA, Lemann J: Preeclampsia related to a functioning extrauterine placenta: report of a case and 25-year follow-up.

Am J Kidney Dis 1993; 21: 310–313.

4. Xiong X, Wang FL, Davidge ST, Demianczuk NN, Mayes DC, Olson DM, Saunders LD: Maternal smo- king and preeclampsia. J Reprod Med 2000; 45 (9):

727–732.

5. Zhang J, Klebanoff MA, Levine RJ, Puri M, Moyer P:

The puzzling association between smoking and hy- pertension during pregnancy. Am J Obstet Gynecol 1999; 181 (6): 1407–1413.

Priv.-Doz. Dr. med. Ernst Beinder Universitäts-Frauenklinik Erlangen Universitätsstraße 21–23 91054 Erlangen

E-Mail: Ernst.Beinder@Gyn.Med.Uni-Erlangen.de M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 8½½23. Februar 2001 A473

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