Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 111|
Heft 42|
17. Oktober 2014 721M E D I Z I N
DISKUSSION
„Walker“ anlegen
Der Operationszeitpunkt ist sicher vom Zustand der Weichteile abhängig. Dieser ist immer in den ersten 6 Stunden nach dem Trauma am besten. Bei uns werden B-Frakturen wenn möglich sofort definitiv versorgt. Stark dislozierte und vor allem Luxationsfrakturen werden nicht nur sofort reponiert, sondern notfallmäßig zu jeder Tages- und Nachtzeit versorgt, Je früher, desto besser das Ergeb- nis auch bei B-Frakturen. Schlecht reponierte und retinier- te Frakturen schwellen kaum adäquat ab. Bei schlechten Weichteilverhältnissen legen wir bis zum Abschwellen ei- nen Fixateur externe an. Die Ergebnisse sind aber immer eher bescheiden.
„Eine perioperative Antibiose ist der Standard“ heißt es in dem Artikel. Die Autoren beziehen sich dabei auf die AWMF-Leitlinie Nr. 029–022. Dies ist aber eine S1-Leit- linie von Januar 2012, nicht 10. Mai 2014, wie im Litera- turverzeichnis angegeben. Die perioprative Antibiotika- prophylaxe (PAP) ist lediglich eine „Kann-“ und keine
„Sollempfehlung“. Eine unkritische PAP fördert genauso Resistenzentwicklungen wie jede andere unkritische An- wendung von Antibiotika.
Wir legen die Drittelrohrplatte immer dorsolateral an.
Die nicht vorgebogene Platte wirkt, wenn sie sukzessive von kranial nach kaudal mit den Schrauben besetzt wird, durch das konkave Profil der Fibula in diesem Bereich, wie eine Blattfeder, die die Fraktur unter Kompression setzt und retiniert. Die Osteosynthese ist stabiler als mit der Neutralisationsplatte.
Wir legen auch nach der operativen Versorgung einen sogenannten „Walker“ (VACO-ped) an. Dies ermöglicht zumindest bei den den Typ-B-Frakturen (bei den Typ- A-Frakturen sowieso) eine frühzeitige Belastung. Wir las- sen die Patienten nach einer Woche im VACO-Ped voll belasten. Zur Krankengymnastik und zur Hautpflege wird der Stiefel abgenommen. Die Kosten dafür werden durch die Senkung des Thromboserisikos, der Atrophieprophy- laxe und der Mobilisierbarkeit gerade der älteren Men- schen mehr als wettgemacht. Uneinigkeit herrscht bei uns nur bei der Belastung der Typ-C-Frakturen im Stiefel.
DOI: 10.3238/arztebl.2014.0721a
LITERATUR
1. Goost H, Wimmer MD, Barg A, Kabir K, Valderrabano V, Burger C:
Fractures of the ankle joint—investigation and treatment options.
Rainer Wolf Grünstadt
rainer.wolf@krankenhausgruenstadt.de
Belastungsempfehlungen widersprüchlich
Ob alle Patienten, bei denen ein konservatives Ver- fahren gewählt wird, unter Vollbelastung im Walker mobilisiert werden sollen, ist zu mindestens zu dis- kutieren. Dies sollte von der Art der Fraktur, der Knochenqualität und der Fähigkeit des Patienten zur Umsetzung der Nachbehandlung abhängig gemacht werden.
Hier kann eine Teilbelastung oder sogar Entlas- tung für einige Wochen erwogen werden. Unabhän- gig davon soll laut S3-Leitlinie der „Prophylaxe der venösen Thromboembolie Stand 6/2010“ (1) bis zur Abnahme des immobilisierenden Verbandes (= Un- terschenkelwalker) eine medikamentöse Thrombose- prophylaxe mit einem niedermolekularen Heparin durchgeführt werden.
Ein medikamentöse Thromboseprophylaxe nur bei verzögerter Vollbelastung aufgrund von Schmerzen oder aufgrund des Frakturmusters entspricht nicht der Leitlinie. Zur Belastung widersprechen sich die Autoren hier innerhalb eines Absatzes. Zunächst wird die schmerzadaptierte Vollbelastung empfoh- len. Im folgenden Satz wird diese Empfehlung aber wieder eingeschränkt. Hier sollte noch eine Klarstel- lung erfolgen.
Im letzten Absatz der „Nachbehandlung und Re- habilitation“ empfehlen die Autoren die Fortsetzung der Thromboseprophylaxe bis zum Erreichen der Vollbelastung und Vollmobilisation. Im Frageteil (Frage Nr. 6) wird hier noch eine Spezifizierung auf eine gewichtsadaptierte Gabe eines niedermolekula- ren Heparins empfohlen.
Auch dies widerspricht der zuvor zitierten Leitli- nie: Auf S. 65 der Leitlinie wird die Thrombosepro- phylaxe bis zur Entfernung des fixierenden Verban- des („Walker“), beziehungsweise bis zum Erreichen einer Teilbelastung von 20 kg und einer Beweglich- keit von 20° im oberen Sprunggelenk empfohlen.
Gegebenenfalls ist die Gabe bei „dispositionellen Ri- sikofaktoren“ zu verlängern. Auch richtet sich die Dosierung mehr nach dem operativen Thromboseri- siko beziehungsweise der postoperativen Ruhigstel- lung und weniger nach dem Körpergewicht des Pa- tienten.
DOI: 10.3238/arztebl.2014.0721b LITERATUR
1. AWMF S3-Leitlinie zur Prophylaxe der venösen
Thromboembolie (VTE) Stand 6/2010 www.awmf.org/uploads/
tx_szleitlinien/003–001l_S3_Thromboembolie-Prophylaxe_
2010_01.pdf. Last accessed on 21 August 2014.
2. Goost H, Wimmer MD, Barg A, Kabir K, Valderrabano V, Burger C:
Fractures of the ankle joint—investigation and treatment options.
Dr. med. Bernd Kottenhahn Klinikum Landsberg am Lech Landsberg
bernd.kottenhahn@klinikum-landsberg.de
zu dem Beitrag
Frakturen des oberen Sprunggelenkes:
Diagnostik und Therapieoptionen
von Dr. med. Hans Goost, Dr. med. Matthias D. Wimmer, Dr. med. Alexej Barg, Dr. med. Kabir Kouroush, Prof. Dr. med. Dr. phil. Victor Valderrabano, Prof. Dr. med. Christof Burger in Heft 21/2014