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Archiv "Älter werden. Notizen" (04.05.2007)

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A1230 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 18⏐⏐4. Mai 2007

M E D I E N

MEDIZINGESCHICHTE

NS-Zusammenhänge nur angedeutet

Herzlichen Glückwünsch zum 200.

Geburtstag, werte Leipziger Univer- sitätspsychiatrie! Wann nun aber ist Ihr Geburtstag? Heinroth trat am 20. Mai 1806 im Keller der Leipzi- ger Pleißenburg vor die Studenten und hielt seine erste Vorlesung. Doch erst 1811 wird er in Leipzig zum ers- ten Professor für ein seelenheilkund- liches Fach bestellt – ob das aller- dings einem Beginn der Geschichte der akademischen Psychiatrie des Abendlandes gleichkommt, be- zweifle ich. Und auch schon für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts ist ein im weitesten Sinn nervenheil- kundliches Lehrangebot an der Uni- versität Leipzig auszumachen.

Aber: Seit Heinroth gibt es eine Tradition – über Paul Flechsig, Emil Kraepelin zu Paul Julius Möbius.

Hierüber berichtet der Leipziger Psychiatriehistoriker Holger Stein- berg in vier Kapiteln (in einem Bei- trag mit Ulrich Müller) auf 237 Seiten – kurzum eine kundige Geschichte der Leipziger Psychiatrie im 19. Jahrhundert. Das 20. Jahrhundert fällt da- gegen eher kurz aus.

Steinberg schreibt in sei- nem keine 20 Seiten um- fassenden Beitrag „Die Psychiatrische Klinik der Universität Leipzig von 1920 bis 1995“ von der Zeit während des Dritten Reiches, die noch als ein Desiderat der Forschung anzusehen ist. Für die Jahre seit 1995 enthält der Band wiederum ei- nen wichtigen historischen Quellen- bestand: die Reflexion von Matthias Angermeyer über seine Jahre als Or- dinarius in Leipzig.

Mich wundert es, dass sich bisher nicht mehr um die so folgenschwe- ren Ereignisse der NS-Zeit geküm- mert wurde. So war dort immerhin Paul Schröder, der in Leipzig die Kinder- und Jugendpsychiatrie vor- anbrachte und seinen Schüler Paul Heinze prägte. Steinberg schreibt selbst davon, dass Heinze 1938 in Brandenburg-Görden eine „Kinder-

fachabteilung“ einrichtete, die für weitere im Deutschen Reich Vor- bildcharakter hatte. Auch ist für die Universitätskinderklinik in Leipzig eine zentrale Verwicklung in die erste Tötung im Rahmen der „Kin- dereuthanasie“ nachgewiesen. Soweit das bisher bekannt ist, waren auch andere Schüler Schröders aktiv an der in den Dienst des Nationalsozia- lismus gestellten Medizin beteiligt.

Und auch Schröders Nachfolger im Amt, August Bostroem, und wieder- um dessen Nachfolger Werner Wag- ner sind kritisch zu bewerten.

In der Tat werden diese Zusam- menhänge in der Festschrift zum 200-Jährigen nur angedeutet, was bedauerlich ist. Im Vorwort wird an- gemerkt, dass in einem Folgeband die DDR-Geschichte der Leipziger Universitätspsychiatrie im Mittel- punkt stehen könnte; was die Psy- chosomatik und Psychotherapie an der Universität Leipzig betrifft, geht Michael Geyer hierauf schon ein wenig ein. Meines Erachtens wäre es aber wesentlich vordringlicher, die historische Forschung zur Leip- ziger Universitätspsychiatrie wäh- rend der nationalsozialistischen Diktatur zu intensivieren und dann auch darzustellen. Florian Steger

Matthias C. Angermeyer, Holger Steinberg (Hrsg.): 200 Jahre Psychiatrie an der Univer- sität Leipzig. Personen und Konzepte. Springer, Heidelberg, 2005, 298 Seiten, gebunden, 32 Euro

ALTERN UND STERBEN

Ohne verkrampfte Heiterkeit

„Altern ist nichts für Feiglinge“, sagt ein amerikanisches Sprichwort.

Silvia Bovenschen ist mutig. Mit ei- ner ganz eigenen, geistreichen Mi- schung aus Ernst, Ironie, Heiterkeit und Melancholie stellt die Literatur- wissenschaftlerin und Essayistin sich dem schweren Thema „Altern und Sterben“. Bereits beim Titel be- gannen die Schwierigkeiten. Zu- nächst sollte das Buch „Einst“

heißen, verrät die Autorin in einer kleinen Werkgeschichte. Zu betu- lich, befand eine Freundin. Doch wer kauft in unserer auf ewige Ju-

gend abonnierten Zeit ein Buch mit dem Titel „Älter werden“? Und ab wann ist man für dieses Thema zu- ständig? Die Autorin ist 60 Jahre alt und an multipler Sklerose erkrankt.

Wegen gesundheitlicher Einschrän-

kungen machte sie so schon früh Er- fahrungen, die sonst erst dem Alter vorbehalten sind.

Verkrampfte Heiterkeit ist Boven- schens Sache nicht. Die Auflehnung gegen den unfreiwilligen Tod impo- niert ihr trotz ihrer Vergeblichkeit.

Trauriges wird unverblümt beschrie- ben, etwa Krankheit und Tod des Va- ters. Irgendwann stellt die Autorin fest, dass sie ihr Älterwerden in zwei verschiedenen Versionen erzählen kann: als „gesundheitliche Katastro- phenabfolge“ und als „helle Erzäh- lung“ mit vielen Momenten von Lie- be und Glück. Beide haben „völlig unversöhnt“ Platz in ihrem Gemüt:

„Himmel und Hölle. Glück und Elend. Kaum was dazwischen.“

Was auch immer der medizini- sche Fortschritt Schädliches oder Nützliches hervorbringe, laut Bo- venschen wird es fürs Leid „immer genügend Schlupflöcher geben“. So ist sie überzeugt, dass alle Anstren- gungen bestenfalls dazu beitragen können, Leid zu mindern. Anläss- lich eines Films über die (alte) Schauspielerin Marianne Hoppe plädiert sie dafür, der Unheimlich- keit dieses Alterns nicht durch schnellen Rückzug auf eine medizi- nische Diagnose auszuweichen.

Christof Goddemeier

Silvia Bovenschen: Älter werden.Notizen. 6.

Auflage. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2006, 160 Seiten, gebunden, mit Schutzum- schlag, 17,90 Euro

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