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Archiv "Telemammographieprojekt: Vorteile regionaler Netzwerke" (30.01.2004)

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aligne Erkrankungen der weib- lichen Brust und deren Vorstufen sind nicht nur angesichts einer Neuerkrankungsrate von etwa 50 000 jährlich in Deutschland (1) ein gesund- heitspolitisches Problem ersten Ranges, sie sind darüber hinaus zu einem Pa- radigma der Effizienz des medizini- schen Versorgungssystems

geworden. Bemühungen, die Früherkennung durch Screeninguntersuchungen zu verbessern, wissen- schaftlich begründete Be- handlungspfade in zentra- len Einrichtungen mit ho- hem Spezialisierungsgrad zu etablieren und Quali- tätssicherungsprogramme zu implementieren, ver- deutlichen, dass sowohl bei den Ärzten als auch in der Politik ein hohes Problembewusstsein vor- handen ist. Mit der im Sommer 2002 von der Bundesregierung gestarte- ten Gesetzesinitiative zur Mammadiagnostik sind erste strategische Wei-

chenstellungen erfolgt, die die Rahmen- bedingungen verbessern können.

Bereits vorhandene und künftige Mammaprojekte (interdisziplinäre Ab- teilungen zur Diagnostik und Behand- lung von Brusterkrankungen, Refe- renz- und Kompetenzzentren) werden nur dann Erfolg haben, wenn für den Diagnose- und Therapieprozess geeig- nete Maßnahmen zur Qualitätssiche- rung getroffen werden. Der Einsatz aufwendiger Untersuchungs- und Thera- pietechniken erfordert eine gründliche Analyse. Umfangreiche Vorschriften für die Zertifizierung von Personal und

Technik, wie sie der Qualitätsring Ra- diologie mit Recht einfordert, sind zwar dringend notwendig, aber nicht aus- reichend. Der enorme Datenanfall eines qualitätsgerechten Diagnose- und Behandlungsprozesses lässt sich nur unterstützt durch integrierte technische Konzepte bewältigen.

Das Problem der Regionalisierung stellt sich vor allem unter den Ver- sorgungsbedingungen eines Flächen- staates mit so unterschiedlichen Regio- nen, wie beispielsweise in Bayern die Regionen München, Nürnberg, Bayeri- scher Wald und Schwaben. Organisa- tionsformen müssen den geographischen Faktor ebenso berücksichtigen wie die bereitgestellte Expertise und techni- sche Ausstattung. Unter finanzieller

Förderung des Bayerischen Sozialmini- steriums ist daher für die Region des Bayerischen Untermains ein Projekt entwickelt worden, das sowohl den Er- fordernissen der Zentrumsbildung als auch der Einrichtung von Netzwerken zwischen den beteiligten ambulanten und stationären Versorgungseinheiten Rechnung trägt. Grund- lage hierfür sind neue technologische Entwick- lungen, die nicht nur die Datenkommunikation, sondern auch bei der mammographischen Dia- gnostik eine vertiefte Auswertung vorhande- ner Information ermög- lichen.

Grundidee ist die Zu- sammenführung sämt- licher die Diagnostik, Therapie und Nachsorge betreffenden Befunde in einem zentralen Ar- chiv, das den Netzwerk- teilnehmern jeweils für die ihnen zugeordneten Patientinnen frei über ISDN-Leitung zugäng- lich ist. Dieses Archiv wird in der zentralen klinischen Institution – hier dem Klinikum Aschaffenburg – vor- gehalten. Die Netzwerkteilnehmer, kleinere Krankenhausabteilungen, ra- diologische und gynäkologische Pra- xen, die Mammographien durchführen, und kooperierende Frauenarztpraxen, haben nicht nur Zugriff auf ihre in einem Zentralarchiv elektronisch ge- speicherten Daten, sondern können auch untereinander kommunizieren und Daten mit Aufgabenstellung etwa zur Zweitbefundung übermitteln (2).

Die Übertragung von Textdateien und T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 530. Januar 2004 AA247

Telemammographieprojekt

Vorteile regionaler Netzwerke

Qualitätsgerechte Früherkennung, Behandlung und Nachsorge des Mammakarzinoms erfordern integrierte technische Konzepte.

Michael Freund1, Wilfried Schneider2, Peter Heinlein2, Alexander Teichmann3

1Institut für Radiologie und Neuroradiologie, Klinikum Aschaffenburg

2Firma ImageDiagnost, Neufahrn

3Frauenklinik, Klinikum Aschaffenburg

Abbildung 1: Links: Digitalisierte Filmaufnahme. Mitte: Das CAD-Verfahren markiert automatisiert Mikroverkalkungen. Rechts: Integriert ist die Mög- lichkeit, Mikrokalk kontrastverstärkt darzustellen.

Fotos:Klinikum Aschaffenburg/image diagnost

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Bildern ist technisch längst etabliert.

Um Mammographiebilder ohne dia- gnostisch relevanten Qualitätsverlust zu digitalisieren und in einer angemes- senen Zeit zu transferieren, bedurfte es technologischer Neuentwicklungen.

Dies ist durch Datenkompression auch über normale Telefonleitungen mög- lich, sodass ein kompletter Austausch der bildgebenden Diagnostik innerhalb des Netzwerks realisiert ist.

Weitere Elemente des Netzwerks sind die Monitorbefundung auch mam- mographischer Aufnahmen, die diffe- renzierte Bildbearbeitung am Monitor und die Nutzung einer computer- assistierten Diagnostik zur Mikrokalk- analyse. Das Pilotprojekt Telemammo- graphie wird in der Region Aschaffen- burg evaluiert.

Digitalisierung und Monitorbefundung

Neue Entwicklungen bei der Bildge- bung, wie Speicher-Folientechnik und Direkt-Digitale-Mammographie, ebne- ten der Monitorbefundung (Softcopy- reading) den Weg. Die digitale Archi- vierung der Bilddaten in einem PACS (Picture Archiving and Communication System) kann die Fixkosten erheblich verringern. Voraufnahmen sind geord- net und in gleich bleibender Qualität verfügbar und gehen nicht mehr ver- loren. Bilder werden durch die Work- station automatisiert sortiert angezeigt.

Manuelles Aufhängen am Lichtkasten entfällt. Studien haben gezeigt, dass die Befundungszeit einer Mammographie- untersuchung mit einer optimierten Befundungsstation unter derjenigen einer herkömmlichen Filmbefundung liegt (3). In den am Pilotprojekt teilneh- menden Einrichtungen ist der erste Schritt nach der konventionellen Mam- mographie die Digitalisierung in spezi- ell für derartige Anforderungen ent- wickelten Röntgenbildscannern. Der so erzielte Auflösungsgrad erfüllt mit 10 LP/mm (Linienpaare pro Millimeter) und mehr als 3,8 OD (Optische Dichte) die deutschen und europäischen Quali- tätskriterien für Mammographie (4) und liegt über der Auflösung der heute verfügbaren digitalen Mammographie- geräte (5 LP/mm). Über eine spezielle Bildkompression lassen sich die Bildda- ten schnell vom Digitalisierer auf die Arbeitsstation, in das PACS-Archiv und von dort an jeden beliebigen Standort übertragen. Das PACS-System hält rund 800 GB Bilddaten im schnellen Zugriff auf einem RAID-System (stän- dige Festplattenspiegelung) vor. Die Mammogramme werden komprimiert in Befundqualität gespeichert, sodass circa 125 000 Untersuchungen à je vier Aufnahmen online verfügbar sind. Die Filme werden vorerst weiterhin am Ort ihrer Entstehung langzeitarchiviert.

Das System ist für die zentrale Daten- erfassung in Tumorzentren geeignet.

Erst durch ein Kompressionsverfah- ren für medizinische Bilddaten stehen die Übertragungszeiten zur Verfügung, mit denen Routineanwendungen auf Basis vorhandener Infrastrukturen wie ISDN-Leitungen praktikabel sind. Um diese kurzen Übertragungszeiten zu erreichen und die Bilder dabei in Befundungsqualität bereitstellen zu können, wurde eine auf der Wavelet- Transformation basierende Bildkom- pression entwickelt und an die Beson- derheiten radiologischer Bilder an- gepasst (5) (Abbildung 2). Die Tabelle

enthält Vergleichszahlen. Die Evalu- ierung soll unter anderem ermitteln, ob Mammographiebilder komprimiert übertragen werden können, ohne dass diagnostisch relevante Details verloren gehen.

Gleichzeitig mit der Archivierung im PACS-System werden die Mammo- graphien computerassistiert auf Mikro- kalk gescreent (CAD). Mikroverkal- kungen der Mamma sind ein frühes Warnzeichen für Brustkrebs, sodass deren sichere Erkennung besonders wichtig ist (6). Eine ebenfalls auf Basis der Wavelet-Transformationen ent- wickelte algorithmische Detektion führt zur Kenntlichmachung von Mikrokalzifikationen auf dem Befun-

dungsmonitor. Zusätzlich ermöglicht ein weiterer Algorithmus die Kontrast- verstärkung von Mikrokalk, sodass die Entdeckungswahrscheinlichkeit, vor al- lem im Rahmen von Screeningunter- suchungen, deutlich erhöht und somit die Befundung effizienter wird (7) (Ab- bildung 1). Die Beurteilung der Wertig- keit von Mikroverkalkungen und an- deren Strukturen bleibt beim befun- denden Arzt. Inwieweit die CAD von Mikrokalk hilfreich ist und ob sie durch die Datenkompression beeinflusst wird, soll im interdisziplinären Projekt eben- falls evaluiert werden.

Ein weiterer Teil der Monitorbefun- dung ist die sekundäre Bildbearbei- tung. So ist nicht nur eine bis zum 27- fachen wählbare Vergrößerung verdäch- tiger Areale, sondern auch eine Nach- T H E M E N D E R Z E I T

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A248 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 530. Januar 2004

´ Tabelle ´

Übertragungszeiten radiologischer Bilder über einen ISDN-Kanal

Untersuchung Anzahl der Bilder Datenvolumen Transfer Transfer mit ITW-2000-

(typ.) per T-ISDN Bildkompression

CT-Serie 32 Bilder, 512 x 512, 16 Bit 16 MB 40 Minuten 5 Minuten Mammographie 4 Bilder, 5 600 x 4 132, 16 Bit 184 MB 370 Minuten 9 Minuten Abbildung 2: Etwa 1 cm2 großer Ausschnitt

aus einer Originalaufnahme sowie mit Bild- kompression auf ein Vierzigstel komprimierte Bilddaten

Abbildung 3: Durch Kontrastinversion werden speziell Strukturen in dichtem Drüsenge- webe in einem für das Auge leichter fass- baren Kontrastverhältnis dargestellt.

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bearbeitung mammographischer Auf- nahmen durch Veränderung des Kon- trasts möglich, durch die sich insbeson- dere die Struktur von mammographi- schen Opazitäten besser erkennen lässt. Durch Kontrastinversion (Abbil- dung 3) kann der Betrachter bei Bedarf sinnesphysiologischen Problemen bei der Bildbetrachtung durch Gewöh- nung und Ermüdung Rechnung tragen.

Elektronische Patientenakte

Das zentrale Instrument der Archivie- rung ist die Patientenakte. Hier finden sich – ausgehend von Personalien, Vor- geschichte und klinischem Untersu- chungsbefund – sämtliche Daten zur Diagnostik und weiteren Therapie sowie zur Nachsorge. Ultraschallbilder, die mit einem digitalisierbaren Gerät gewonnen werden, lassen sich direkt in das System einspeisen. Ebenso werden die Ergebnisse anderer bildgebender Verfahren wie der Kernspintomo- graphie bis hin zur bildhaften Archivie- rung des histo-pathologischen Befundes in die Patientenakte eingegeben. Die für die Mammadiagnostik immer noch zentrale mammographische Befundung erfolgt sowohl durch freien Text als auch durch ein bewährtes Lokalisa- tionsschema, dem die BIRAD-Klassi- fikation zugrunde liegt und das so die handlungsrelevanten Kriterien über- sichtlich abbildet. Wichtige Behand- lungsdaten und Ergebnisse von Kon- trolluntersuchungen im Rahmen der Nachsorge sind ebenfalls Bestandteil der Primärdokumentation.

Betreuungsebenen

Grundlage des Netzwerks sind ver- schiedene Betreuungsebenen, die auch die Forderung nach Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung berücksichtigen (Abbildung 4). Bei nie- dergelassenen Ärzten, vor allem Gynä- kologen, findet die primäre Patienten- führung statt (Betreuungsebene I). Im Rahmen der Krebsvorsorgeuntersu- chung erhobene Befunde gibt der Arzt in die neu anzulegende oder bestehen- de elektronische Patientenakte ein.

Hierzu ist es notwendig, dass in der Pra-

xis eine ISDN-Leitung, eine einfache Arbeitsstation und die notwendige Software installiert sind. Neben der schriftlichen Befundeingabe können auch sonographische Befunde doku- mentiert und gegebenenfalls zur Mitbe- urteilung an andere Teilnehmer ver- sandt werden.

Besteht die Indikation zur mammo- graphischen Diagnostik, muss der mam- mographierende Teilnehmer am Netz- werk, Gynäkologe oder Radiologe, zusätzlich zum Mammographiegerät über einen Digitalisierer und eine Befundungsstation verfügen (Betreu- ungsebene II). Diese erfordert einen hochauflösenden Monitor > = 2 Mega- pixel sowie je nach quantitativem Auf- kommen einen Zwischenspeicher. Die eingescannten Mammographien laufen über das zentrale PACS-Archiv, werden dort computerassistiert ausgewertet und stehen dem Arzt zusammen mit früheren Aufnahmen zur Diagnostik und Bildbearbeitung zur Verfügung. Im Rahmen der Monitorbefundung wird an einen weiteren Mammographeur die Folgeaufgabe der Zweitbefundung ge- stellt. Dies kann sich im Rahmen eines Screening-Projekts auf jede erstellte Mammographie beziehen oder lediglich

auf solche, in denen es um fragliche oder pathologische Befunde geht. Befund und Aufnahmen sind für den überwei- senden Arzt jederzeit abrufbar und wer- den automatisiert im zentralen Archiv der Klinik abgelegt, sodass bei Überwei- sung oder Einweisung der Patientin mit verdächtigem Befund sämtliche Infor- mationen bereits vor deren Erscheinen in der weiter diagnostizierenden und behandelnden Einrichtung verfügbar sind. Gleiches gilt für die Anfertigung von computer- beziehungsweise kern- spintomographischen Bildern.

In der dritten Betreuungsebene, dem Krankenhaus, findet die weitere invasive Diagnostik beziehungsweise definitive Therapie statt. Hier sind alle relevanten Disziplinen vorhanden und bilden den klinischen Teil des Brustzentrums. Über dessen Ausstattung und die zur Quali- tätsbewahrung notwendigen Behand- lungsfrequenzen diskutieren die Fach- gesellschaften rege; ein Konsens über die anzulegenden Maßstäbe scheint sich abzuzeichnen. Die dritte Behandlungs- ebene kann sowohl aus einem zentralen Klinikum höherer Versorgungsstufe be- stehen als auch kleinere Krankenhäuser niedriger Versorgungsstufe über tele- medizinische Kommunikationstechni- T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 530. Januar 2004 AA249

Abbildung 4: In der Region Aschaffenburg haben sich das Klinikum Aschaffenburg, das Kran- kenhaus Alzenau-Wasserlos und mehrere niedergelassene Ärzte zu einem Telemammographie- Netzwerk mit computerassistierter Mammadiagnostik zusammengeschlossen.

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ken in den Diagnose- und Behandlungs- verbund einbeziehen.

Mit der Telemedizin lassen sich die ambulante und stationäre Versorgung durch übergreifende Verbundsysteme verzahnen und bei der Früherkennung, Therapie und Nachsorge bösartiger Erkrankungen der weiblichen Brust regional standardisieren und optimie- ren. Durch Elemente wie die elektro- nische Patientenakte, eine einheitliche Dokumentation und die Implementie- rung von Qualitätssicherungsprogram- men sind solche Netzwerke eine wichtige Ergänzung zu so genannten Brustzen- tren. Ebenso unterstützen sie im Rah- men des Screenings und der Zweit- befundung vor allem von mammo- graphischen Aufnahmen wesentlich den Arbeitsfluss. Die Harmonisierung und Beschleunigung von Abläufen, die Ver- meidung von Mehrfachuntersuchungen und die Förderung einer engen Koope- ration zwischen allen Beteiligten zum Nutzen der Patientin bieten die Chance, dem Ziel einer patientengerechten und auf mittlere Sicht auch kosteneffektiven Medizin näher zu kommen.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2004; 101: A 247–250 [Heft 5]

Literatur

1. Konsensusbericht, Deutsche Gesellschaft für Senologie, Februar 2000.

2. Schneider W, Heinlein P, Drexl J, Gössler A: Anwendung der computerassistierten Diagnostik (CAD) und Tele- Mammographie bei Brustkrebs-Vorsorgeuntersuchun- gen. Röntgenpraxis 2002; 54: 192–198.

3. Bick U: Digitale Vollfeldmammographie. Fortschr Röntgenstr 2000; 173: 957–964.

4. Perry N, Broeders M, de Wolf C, Törngerb S (Hrsg.):

European Guidelines for quality assurance in mammo- graphy screening. European Commission, Third Edition, 2001.

5. Schneider W, Gössler A: Qualitätssicherung und Kostensenkung mit Teleradiologie – Erfahrungen mit dem IT-ASSIS. Telemedizinführer Deutschland, Aus- gabe 2001. Ober-Mörlen 2000, 259–261.

6. Fischer U, Hermann K-P, Vosshenrich R: Bildgebende Mammadiagnostik. Radiologie up2date, 1/2001.

7. Diekmann F, Heinlein P, Drexl J, Grebe S, Gössler A, Schneider W, Hamm B: Visualization of microcacifica- tions by Full Field Digital Mammography using a wavelet algorithm. Computer Assisted Radiology and Surgery CARS 2001, Elsevier Science, 526–530.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Michael Freund

Institut für Radiologie und Neuroradiologie Klinikum Aschaffenburg

Am Hasenkopf 1 63739 Aschaffenburg

E-Mail: michael.freund@klinikum-aschaffenburg.de

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uss man – oder muss man nicht? Dies ist im jungen Jahr 2004 weniger die Sorge des Urologen um prostatageplagte Harnblasen, sondern die unter Ärzten heiß diskutierte Frage: Ob sie entrichtet werden muss – die Praxisgebühr. Pardon, ich meine die Beitragserhöhung mit kostenfreiem ärztlichen Inkasso. Ich habe den Spieß umgedreht und meinen Patienten die einfache Frage gestellt: Ob sie noch mal zehn Euro ärmer werden, wenn sie in diesem Quartal am Urlaubsort einen weiteren Kollegen wegen Fieber konsultieren? Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich musste voller Erschütterung feststellen, dass schiere Un- kenntnis über elementare Grundzüge des fünften Sozialgesetzbuches be- steht. Ich mag gar nicht von Wissenslücken sprechen, denn eine sol- che Lücke würde ja fragmentarisches Wissen voraussetzen. Aber da war nichts. Keiner konnte mir sagen, ob ein GKV-Versicherter zah- len muss, wenn im Rahmen einer präventiven Koloskopie eine psycho- somatische Störung auffällig wird, die durch den psychosomatisch qua- lifizierten Gastroenterologen behandelt wird. Wie ist das bei Primär- versicherten, die Zahnschmerzen, Neurosen und Kniegelenksprobleme haben? Orthopäde, Zahnarzt, Hausarzt, Psychiater, Psychologe, alle

auf einmal oder jeder für sich? Wer, wann, wie viel, mit oder ohne Überweisung? Keiner wusste Bescheid. Sehr, sehr, sehr bitter. Ich möchte eindringlich zu bedenken geben, dass es nicht mit der laxen, unver- antwortlichen Haltung: „Ich zahle halt, dann brauch’ ich mich damit nicht rumzuärgern!“ getan ist: Wir verletzen aufgrund der Bundesmantel- verträge unsere Pflichten, wenn wir dies nicht alles penibel umsetzen. Es ist auch nicht so, dass Patienten und Ärzte an diesen Notwendigkeiten zweifeln, oh nein. Aber es mangelt offensichtlich an einer breiten öffent- lichen Durchdringung des Themas; die Allgemeinheit hat all die Fragen, die sich um das SGB V ranken, einfach noch nicht wahrgenommen. Das muss sich ändern, morgens sollte man mit Ungeduld aus dem Bett springen, um nicht hitzig geführte Diskussionen in den Warteschlangen im Supermarkt oder in der S-Bahn zu verpassen: Muss man nun, wenn ja, wie viel, wie oft? Müssen Beamte gar nicht? Akute immer wieder, Chroni- ker die Hälfte? Und überhaupt, was ist denn eigentlich chronisch? Wir müssen diese brennenden Fragen unter Ausnutzung moderner Kommuni- kationsformen einem breiten Publikum nahe bringen: So sollte nicht ir- gendein Olympiarekord über eine Million Euro bei Günther Jauch ent- scheiden, sondern der 18-jährige Fußpilz in der Notfalldienstzentrale.

Keine Laudatio mehr ohne § 18 BMV-Ä; kein Trinkspruch ohne § 115 b SGB V! Wirklich angekommen bei der breiten Masse ist die Praxisgebühr erst, wenn die Hitparade Text- zeilen wie „. . . zahle zu, nur du, nur du . . .“ hono- riert und Deutschland seinen Superstar in die Ar- me schließt, weil der als Einziger die 30-Euro- Regel beherrscht. Auch ich büffele schon eifrig das SGB V. Weil – trotz aller sich anbahnenden Popu- larität – die ernste Frage im Vordergrund steht:

Muss ich – oder nicht? Dr. med. Thomas Böhmeke

Praxisgebühr

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