Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 14|
8. April 2011 A 775K U L T U R
EMIL NOLDE
Schneeberge, Wolkenschönheit, Wettertannen
Bergbilder und Schweizer Landschaften im Kirchner-Museum in Davos
E
mil Nolde, als Emil Hansen am 7. August 1867 im Dorf Nolde im deutsch-dänischen Grenz- gebiet geboren, Sohn eines Bauern, zählt zu den bedeutendsten Malern des Expressionismus. Zugleich war er einer der großen Aquarellisten in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Be- rühmt wurde er noch zu Lebzeiten, und internationale Anerkennung er- fuhr der Maler mit seinen eindring - lichen farbintensiven Bildern von weiten Marschland schaften der Nord- und Ostsee, Südsee stränden , Blumenbildern und Porträts, durchweg Ölgemälde, Aquarelle und Zeichnungen. Weniger bekannt sind hingegen seine Werke, die er als Holzbildhauer und Möbelschnit- zer in München, Karlsruhe und ab 1889 in Berlin schuf.Wie kaum ein anderer versuchte Emil Nolde in seinen Werken, die Spannung und Intensität des Au- genblicks in Farbe zu übersetzen.
Eine große, noch nicht gezeigte Ausstellung im Kirchner-Museum in Davos, Schweiz, offenbart eine eher unbekannte Seite des Künst- lers: Mehr als 100 Werke, Zeich- nungen, Dokumente und eine klei-
ne Schwarz-Weiß-Postkartensamm- lung aus der Zeit von 1892 bis 1948 zeugen von einer anhaltenden Be- geisterung für die Natur und die Bergwelt der Schweiz, einem Land, in dem er als Zeichenlehrer zeitwei- se beruflich tätig war und wo er sich als Reisender, Bergtourist, Kletterer und Maler häufig aufhielt (1933, 1936, 1938, 1939 und 1941).
Die Ausstellung, die noch bis zum 25. April zu sehen ist, wurde mit der Nolde-Stiftung Seebüll reali- siert; sie stellt den eindrucksvollen Bergbildern und Landschaftsmale- reien Noldes die Schweizer Land-
schaftsbilder des Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner, der bis zu seinem Tod in Davos lebte, gegen- über.
In der gelungenen gemeinsamen Präsentation der Exponate von Nol- de und der Gemälde von Kirchner werden die kongenialen, aber auch gegensätzlichen Maltechniken und die sensiblen künstlerischen Im- pressionen beider Maler deutlich.
Die Vereinigung ausgewählter Ge- mälde von Kirchner und Nolde im Davoser Museum hat denn auch ih- ren Grund: Ab 1906 war Emil Nol- de ein Jahr lang Mitglied der von Kirchner mitbegründeten Künstler- gemeinschaft „Brücke“; ab 1907 war Nolde Mitstreiter der „Berliner Secession“. In dieser Zeit hatte Nolde immer wieder Kontakt zu Kirchner, wenngleich er ihn auf seinen Reisen in die Schweiz doch nie in Davos besuchte.
Beide Expressionisten hatten auch eine Art Schicksalsgemein- schaft: Kirchner und Nolde gehör- ten zu den Außenseitern und Ver- femten, von den Nationalsozialisten verfolgten Künstlern. 1937 wurden 1 052 Werke Noldes in deutschen Museen als „entartete Kunst“ be- schlagnahmt. Viele wurden zerstört oder sind verschollen. Kirchner musste sich in die Bergwelt nahe Davos zurückziehen. 1939 besuchte Nolde den befreundeten Maler Paul Klee in Bern. 1941 wird Nolde aus der „Reichskunstkammer“ ausge- schlossen und erhält Malverbot. Er zieht sich nach Seebüll zurück.
Heimlich entsteht die Folge der
„Ungemalten Bilder“, mehr als 1 300 Aquarelle.
Im Gegensatz zu Kirchners Wer- ken aus der Schweizer Bergwelt, die fast architektonisch strukturiert, sorgfältig entworfen und in grellen Farben überzeichnet sind, hält Nolde die Natur, die Bergwelt in weiß-blauen Aquarellen fest. Ob- wohl die Natur- und Winterland- schaften überwiegen, zeigen sie auch Menschen beim Wintersport und fast surrealistisch erscheinende
Motive. ■
Harald Clade