• Keine Ergebnisse gefunden

Forstschutz-Überblick 1999 A

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Forstschutz-Überblick 1999 A"

Copied!
17
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Herausgeber

Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft Birmensdorf, 2000

A

Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft

Swiss Federal Institute for Forest, Snow and

Landscape Research Institut fédéral de

recherches sur la forêt, la neige et le paysage

Istituto federale di ricerca per la foresta, la neve e il paesaggio

Forstschutz-Überblick 1999

Franz Meier, Roland Engesser, Beat Forster, Oswald Odermatt

(2)

Inhalt

1 1999, ein Jahr der Witterungsextreme – Schnee, Regen, Sturm 2

2 Sturm «Lothar» 3

3 Buchdrucker im Schlaraffenland 4

4 Wickler, Spinner – lausige Zeiten 6

5 Starke Nadelverrötungen an Föhren im Wallis 7

6 Eichensterben nimmt zu 9

7 Tintenkrankheit an Edelkastanien im Tessin 10

8 Verregnetes Frühjahr förderte Blatt- und Nadelpilze 10

9 Baumarten reagieren unterschiedlich auf stehendes Hochwasser 11

10 Rothirsche im Vormarsch 12

11 Annäherung von Waldbau und Wildtiermanagement 13

12 Über 1000 Kontrollzäune im Schweizer Wald 13

13 Quellenverzeichnis 15

14 Gemeldete Organismen und ihre Bedeutung im Forstschutz 17

Bezugsadresse Bibliothek WSL Zürcherstrasse 111 CH-8903 Birmensdorf Fax 01/739 22 15 E-Mail: bibliothek@wsl.ch

© Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft

Birmensdorf 2000

Der Phytosanitäre Beobachtungs- und Meldedienst (PBMD) ist die Beratungsstelle an der WSL für Forstschutzfragen. Er informiert über aktuelle Forstschutzprobleme in der Schweiz.

Mit den Rückmeldungen der kantonalen Forstdienste erstellt der PBMD den jährlichen Forstschutzüberblick.

(3)

Forstschutzsituation 1999

Der Orkan «Lothar» vom 26.12.1999 stellt das herausragende Forstschutzereignis des vergan- genen Jahres dar. In der Schweiz fielen dem Sturm 12 Mio. m3 Laub- und Nadelholz zum Opfer. Die Borkenkäferpopulationen, welche sich vor dem Sturm auf einem relativ niedrigen Ni- veau eingependelt hatten, werden in den Jahren nach «Lothar» wieder zunehmen. Auffällige Blatt- und Nadelverfärbungen, das lokal bedeutende Föhrensterben im Wallis, der Ausbruch der Tin- tenkrankheit der Edelkastanie im Tessin wie auch die Zunahme beim Eichensterben rücken da- durch in den Hintergrund. Im Wildbereich kann beim Rotwild eine Zunahme der Bestände und der Verbreitungsgebiete festgestellt werden. Im Rahmen kantonaler Konzepte und mit Kon- trollzäunen wird der Einfluss von Rothirsch, Reh und Gemse auf die Waldverjüngung untersucht.

1 1999, ein Jahr der Witterungs- extreme – Schnee, Regen, Sturm

1999 war die Witterung häufig tiefdruck-bestimmt und so wurde es in weiten Teilen des Landes ein sehr nasses Jahr. Trotzdem war es, wie schon 1998, im Vergleich mit dem langjährigen Mittel deutlich zu warm.

Verschiedene extreme Witterungsereignisse hinterlies- sen ihre Spuren auch im Wald (Abb. 1).

Zu Jahresbeginn war es überaus mild. Erst gegen Ende Januar wurde es winterlich. Es folgte ein etwas zu kalter Februar mit häufigen Schlechtwetterlagen und Rekordniederschlägen auf der Alpennordseite. Drei intensive, jeweils mehrtägige Schneefallperioden liessen seit Ende Januar die Schneedecke und damit auch die Lawinengefahr ansteigen und führten im Fe- bruar zu heftiger Lawinenaktivität. Vor allem im letzten Monatsdrittel waren zahlreiche Grossereignisse zu verzeichnen. In Anrissgebieten gelegene Schutzwäl- der haben ihre Aufgabe fast durchwegs erfüllt. Von Lawinen betroffen wurden 1’400 ha Wald mit einer geworfenen Holzmenge von 160’000 m3 (EIDG. INSTITUT FÜR SCHNEE- UND LAWINENFORSCHUNG 2000).

Der schneereiche Winter 1998/99 forderte hohe Verluste beim Wild, die sich 1999 zu den jagdlichen Abgängen addierten. Allein im Kanton Glarus wurden 140 Stück Rotwild tot aufgefunden. Im Calfeisental SG fielen dem Schnee 50 Stück Steinwild zum Opfer.

Auch die Verluste beim Reh und der Gemse waren gross.

Auf einen «normalen» März folgte ein warmer und auch fast im ganzen Land nasser April. Im Mai wurden die Abweichungen von der Norm noch deutlicher. Teils

Abb. 1. Lawinenschäden im Taminatal SG.

(4)

wurden fast Junitemperaturen registriert. Daneben führten häufige Stau- und Starkregen zu extremen Niederschlagsmengen, welche von den durchnäss- ten Böden nicht mehr aufgenommen werden konnten.

So kam es in einzelnen Regionen zu einer prekären Hochwasser-Situation, die teils bis in den Juni anhielt.

Infolge der warmen Witterung im Mai und anfangs Juni setzte der Austrieb bei den Bäumen bis in hohe Lagen früh ein. Hier führte die kalte Witterungsperiode vom 21. – 23. Juni denn auch vereinzelt zu Spätfrost- schädigungen. Betroffen waren meist Fichten und Lärchen in Aufforstungen im Kanton Graubünden (ZUBER 2000).

Die überaus nasse Witterung der Frühjahrsmonate hat verschiedenen Blatt- und Nadelkrankheiten ver- ursachenden Pilzen gute Infektionsbedingungen ge- boten (Abb. 2).

Die wechselhafte Witterung hielt auch in den eben- falls zu warmen Monaten Juli und August an. Bemer- kenswert ist die intensive Gewittertätigkeit in den Som- mermonaten 1999. Gewitterstürme, teilweise mit hef- tigen Hagelschlägen verbunden, richteten wiederholt Schäden in zweistelliger Millionenhöhe an und liessen auch den Wald nicht unverschont. Besonders betrof- fen wurden am 2. Juni das Gebiet vom Berner Aaretal bis zum Bodensee, die Kantone Basel und Schaffhau- sen, am 5. Juli das Seeland und der Kanton Freiburg.

Erstmals seit dem Februar fiel mit dem November wieder ein Monat etwas zu kühl aus. Nach dem ersten Wintereinbruch am 9./10. folgte nach Monatsmitte eine sehr kalte Periode. Am 24. und 25. November folgten erneut ergiebige Schneefälle. Sie führten vor allem in der Region St. Gallen zu Schneedruckschä- den.

Was der Herbst an Westwindstürmen ausliess, holte der Dezember gründlich nach. Verschiedene Sturm- tiefs bescherten Nordwest- und Mitteleuropa heftige Weststürme. Ihren Höhepunkt fand die rege Sturmtä-

tigkeit am Stefanstag, als über Frankreich, den Süden Deutschlands und die Schweiz der Orkan «Lothar»

mit seinen verheerenden Folgen hinwegfegte (Quelle:

SMA 1999).

2 Sturm «Lothar»

Nach dem Sturm liegen drei reguläre schweizerische Jahresnutzungen Holz am Boden. Gemessen an der geworfenen Holzmenge übertrifft «Lothar» den Sturm

«Vivian» von 1990 um das 2,5-fache. Volumenmässig am stärksten betroffen wurden die Wälder der Kantone Bern mit 4,5 Mio. m3, Aargau mit 1,3 Mio. m3 und Freiburg mit 1,2 Mio. m3 Holz. In stark vom Sturm

Fette Jahre kommen auf die Wildtiere zu

Auf den Sturmflächen verbessert sich das Nahrungsangebot für freilebende Wiederkäuer.

Erfahrungsgemäss werden dadurch die verbiss- bedingten Verjüngungsprobleme insgesamt ab- geschwächt. Auf Schadenflächen unter 20 ha hat es sich jedoch gezeigt, dass ein Ungleich- gewicht zwischen Wildtierdichte und Äsungs- angebot entsteht, was zu Schäden an der Ver- jüngung führen kann. Wo schon vor dem Sturm ein verbissbedingter Verjüngungsmangel be- stand, verzögert sich die Wiederbewaldung der Schadenflächen entsprechend (Abb. 3). Für eine differenzierte Einschätzung der Zusammenhän- ge und die angemessene Behandlung des Einzelfalls besteht noch ein beträchtlicher Forschungsbedarf.

Abb. 2. Von den günstigen Infektionsbedingungen im Früh- ling profitierte auch der harmlose Pilz Taphrina amentorum, welcher die leuchtend roten, zungenartigen Auswüchse an den weiblichen Kätzchen der Erlen (Kätzchenkrankheit) indu- ziert.

Abb. 3. Bereits vorhandene Verjüngung beschleunigt die Wiederbewaldung.

(5)

Erfahrungsgemäss führen grosse Sturmscha- denereignisse in Nadelholzwäldern zu Borken- käfer-Massenvermehrungen. Wegen den gros- sen Mengen an attraktivem Sturmholz kann nicht überall rechtzeitig und im gewünschten Mass aufgeräumt werden. Je nach Waldfunktionen müssen deshalb Prioritäten gesetzt werden. Die- se Prioritäten müssen grossflächig und gelände- kammerweise bestimmt werden. Um einer über- mässigen Ausbreitung der Käfer entgegenzu- wirken, wird empfohlen, zuerst die als Streu- schäden geworfenen Stämme zu räumen oder zu entrinden, welche noch länger fängisch blei- ben als jene auf Totalschadenflächen (FORSTER et al. 2000). In grossen Schadengebieten muss eine erste Vermehrung der Käfer gezwungener- massen in Kauf genommen werden, mindestens bis das vom Sturm geworfene Nadelholz ausge- trocknet oder geräumt sein wird (Abb. 4).

Auf den Einsatz von Lockstoffallen sollte in den Hauptschadengebieten im Jahr 2000 ver- zichtet werden. Zuviel fängisches Holz konkur- renziert die Fallen. Erst nach dem Austrocknen oder Räumen des Sturmholzes wird ein Lock- stoffeinsatz wieder sinnvoll (FORSTER 1999). Dies heisst aber nicht, dass Waldschutzmassnah- men ab einer gewissen Sturmschadenmenge generell nichts nützen! Auch wenn das vorbeu- gende Entfernen von Sturmholz nicht überall rechtzeitig realisiert werden wird, hat man spä- ter die Möglichkeit, bei konzentriert auftreten- dem Liegend- oder Stehendbefall wirksam ein- zugreifen.

Ab 2001 oder 2002 wird ein Grossteil des Sturmholzes ausgetrocknet oder geräumt sein.

Die Käfer werden zum Stehendbefall überge- hen. In kritischen Nadelholzbeständen muss eine Überwachung organisiert werden, damit der Befall frühzeitig, noch vor dem Verfärben der Kronen entdeckt werden kann. Durch rechtzeiti- ges Aufrüsten und Entrinden der Stämme, noch vor dem Ausflug der Käfer, kann das Risiko einer weiteren Vermehrung und Befallsausweitung deutlich gesenkt werden.

«Lothar» und die Borkenkäfer

betroffenen Forstrevieren machen die Sturmholzmen- gen mehr als 10 Jahresnutzungen aus. Obwohl die Aufräumarbeiten sofort an die Hand genommen wur- den, ist absehbar, dass ein erheblicher Anteil des geworfenen Holzes im Wald liegenbleiben wird. Dies betrifft auch Nadelholz, weshalb dem Borkenkäfer mit einem Schlag ein riesiges Angebot an bruttauglichem Material zur Verfügung steht. Je nach Witterungsver- lauf wird dadurch die Borkenkäferentwicklung in den kommenden Jahren mehr oder weniger massiv geför- dert werden.

3 Buchdrucker im Schlaraffenland

Mit 60’000 Kubikmeter zwangsgenutztem Fichtenholz bleibt der Buchdrucker (Ips typographus) die gesamt- schweizerisch wichtigste Borkenkäferart. 1999 liegt die angefallene Käferholzmenge im Vergleich zu frühe- ren Jahren aber relativ tief; die Situation hat sich vieler- orts beruhigt. In tieferen Lagen konnte aber trotz teil- weise regnerischer Sommerwitterung die Ausbildung von zwei Käfergenerationen beobachtet werden.

Interessant war die Entwicklung in den im Februar 1999 durch Lawinen heimgesuchten Regionen der Alpen. Obschon die meisten Lawinen nur durch schwach oder mit Pionierbaumarten bestockte Run- sen zu Tale donnerten, wurden durch Schnee- und Luftdruck lokal auch ältere Fichtenbestände zerstört.

In vielen Gebirgstälern war in der Folge das Brutange- bot so gross, dass zahlreiche attraktive Fichtenstäm- me im Frühling und Sommer gar nicht besiedelt wur- den. Die vorhandene Käferdichte war dazu (noch) zu klein. Auch grösserer Stehendbefall blieb demzufolge weitgehend aus. Wie stark sich die Käferpopulationen aber aufbauen konnten, wird die Befallsentwicklung der nächsten Jahre zeigen.

Ähnlich dürfte die Entwicklung in den Sturmscha- dengebieten von «Lothar» verlaufen. Wo grosse Men- gen Fichtenholz am Boden liegen, wird 2000 nicht alles attraktive Brutmaterial besiedelt werden. Die aktuelle

Abb. 4. Reich gedeckter Tisch für den Buchdrucker.

Käferdichte ist dazu noch zu gering. Ein Grossteil der Stämme wird demzufolge ohne Buchdruckerbefall austrocknen. Die Bedingungen sind aber für den Auf- bau einer Massenvermehrung ideal (WERMELINGER et al.

1999). Nebst dem Brutmaterial wird in den kommen- den Jahren auch die Witterung eine entscheidende Rolle spielen.

(6)

Anzahl der neu entstandenen Käfernester

Menge der Zwangsnutzungen (in m3)

7500

6000

4500

3000

1500

0

1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999

500000

400000

300000

200000

100000

0

1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999

Anzahl gefangener Käfer pro Falle 9000

7500

6000

4500

3000

1500

0

1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999

Zwangsnutzungen Sommerhalbjahr Zwangsnutzungen folgendes geschätzte Werte

Abb. 5. Revierumfrage «Buchdrucker 1999»: Resultate der Umfragen 1984–1999: ganze Schweiz.

Resultate der Buchdrucker-Umfrage:

In den Wintermonaten 1998/99 wurden 24’000 m3 Käferholz genutzt. Diese Menge fiel grösser aus als erwartet, da etlicher Befall durch die zweite Käfergene- ration erst spät im Jahr entdeckt und dann die befalle- nen Bäume aufgerüstet wurden. Für das Jahr 1998 ergibt sich somit eine gesamte Zwangsnutzungsmen- ge von 78’000 m3 Fichtenholz.

Die Käferholzmenge des Sommers 1999 (April – September 1999) ist gegenüber dem Vorjahr erneut zurückgegangen und beträgt noch 48’000 m3. Für das ganze Jahr 1999 (April 1999 – März 2000) ist mit einer Zwangsnutzungsmenge von 60’000 m3 zu rechnen (Abb. 5).

Die Anzahl der neu entstandenen Käfernester (Be- fallsherde mit mehr als 10 Fichten) beträgt 1999 noch 1’051 Stück.

(7)

Die Anzahl Lockstoffallen wurde weiter reduziert. So waren 1999 noch 5’500 Fallen in Betrieb. Pro Falle wurden durchschnittlich 6’500 Käfer gefangen, deut- lich weniger als im Vorjahr.

Die Käferpopulationen und Zwangsnutzungen dürften sich gesamtschweizerisch auf dem Niveau eines «nor- malen Bestandes» bewegen. In einzelnen Kantonen sind die Populationen nach wie vor oder erneut leicht erhöht. Zum grossen Teil handelt es sich dabei um Mittelland- und Voralpenkantone, die auch von «Lo- thar» stark betroffen wurden (Abb. 6).

4 Wickler, Spinner – lausige Zeiten

Erstmals seit 1982 wurde im Oberengadin wieder ein flächiger Befall durch den Grauen Lärchenwickler (Zeiraphera diniana) festgestellt. Vor allem im Val Bever führte der intensive Frass der Räupchen zu den bekannten, frühsommerlichen Kronenverfärbungen (Abb. 7). Für 2000 wird in einigen, bisher verschont gebliebenen Lärchenbeständen des Oberengadins nochmals ein sichtbarer Befall erwartet. Die nächste

in beiden Jahren weniger als 100 m3 Abnahme um mehr als 25%

gleichbleibend (+/– 25% ) Zunahme um mehr als 25%

Zwangsnutzungen pro Forstkreis

Abb. 6. Entwicklung der Sommerzwangsnutzungen an Buchdrucker-Käferholz 1998–99 nach Forstkreisen.

Gradation des Lärchenwicklers wird erst wieder in 7 bis 11 Jahren in Erscheinung treten.

Auf der Alpensüdseite hat sich in Föhrenbeständen tieferer Lagen der Pinienprozessionsspinner (Thau- metopoea pityocampa) wieder kräftig vermehrt. Im Winter 1999/2000 traten die weissen Überwinterungs- gespinste in den Baumkronen besonders auffällig und häufig in Erscheinung. Zum Teil konnten Föhren mit bis zu 30 dieser Raupennester beobachtet werden (Abb. 8). Vereinzelt wurden auch Zedern und Douglasi- en befallen. Insbesondere in Parkanlagen und Erho- lungswäldern führte der Befall zu Problemen. Durch die Brennhaare der Raupen kam es bei mehreren Personen zu Hautirritationen, und der ästhetische Wert markanter Einzelbäume wurde durch die deutliche Frasstätigkeit und die Gespinstnester herabgesetzt.

In einzelnen Edelkastanienbeständen des Tessins wiesen Pheromon-Fallenfänge im Sommer 1999 auch auf einen deutlichen Populationsanstieg des Schwammspinners (Lymantria dispar) hin. Eigelege- Zählungen im Frühjahr 2000 bestätigen eine deutliche Zunahme aber nur für einen von vier untersuchten Standorten. Möglicherweise wird es an einzelnen Or- ten der Alpensüdseite im laufenden Jahr wieder zu sichtbarem Raupenfrass kommen.

(8)

Die bereits 1998 auffällig in Erscheinung getretene Gefährliche Weisstannentrieblaus verursachte in Jungwüchsen und Dickungen erneut empfindliche Ausfälle (NIERHAUS-WUNDERWALD und FORSTER 1999). Nach dem Sturm «Lothar» dürfte sich die Situation weiter verschärfen, da zahlreiche Tannen-Jungbestände ih- res Schirms beraubt wurden und im Freistand den Läusen optimale Entwicklungsbedingungen bieten.

5 Starke Nadelverrötungen an Föhren im Wallis

Seit Jahrzehnten serbeln die Föhren im Wallis. Die Ursache dürfte in einem schwer durchschaubaren Zu- sammenwirken unterschiedlichster Schadeinflüsse begründet sein (RIGLING et al. 1999). Bei dieser Kom- plexkrankheit sind zumindest während der Absterbe- phase biotische Faktoren massgeblich beteiligt. In zu- nehmendem Ausmass konnten der Blaue Föhrenpracht- käfer (Melanophila cyanea) und diverse Föhrenborken- käferarten festgestellt werden. Nach dem Reifungsfrass durch den Grossen und Kleinen Waldgärtner (Tomicus

piniperda, T. minor) blieb die normalerweise zu beob- achtende Ersatztriebbildung und Kronenregeneration oft aus.

Ein weiteres Symptom des Föhrensterbens wurde anfangs Frühjahr zwischen Brig und Siders beobach- tet. Auf mehreren Dutzend Hektaren zeigten Waldföh- ren eine auffällige und sich flächig ausbreitende Nadel- verrötung (Abb. 9). Bestände auf der linken und weni- Abb. 7. Braune Lärchen im Juli: Der Lärchenwickler war im

Oberengadin aktiv.

Abb. 8. Gespinstnester des Pinienprozessionsspinners: Auf der Alpensüdseite wieder vermehrt zu beobachten.

Abb. 9. Der Rindenpilz Cenangium ferruginosum führte zu flächig auftretenden Nadelverrötungen an Föhren im Wallis.

(9)

ger besonnten Rhonetalseite waren häufiger betroffen.

Unter der Rinde von erkrankten Föhren konnten an der Stammbasis die Frassgänge vom Blauen Föhren- prachtkäfer entdeckt werden sowie schwarze Verfär- bungen, welche durch Bläuepilze (Ophiostoma sp.) hervorgerufen wurden. Bläuepilze werden häufig von in Rinde und Holz lebenden Käfern übertragen, sodass die festgestellten Bläuepilze möglicherweise durch diesen Prachtkäfer ins Föhrenholz eingebracht wur- den. Die Rinde der Zweige und Aeste mit braunverfärb- ten Nadeln waren übersät mit Fruchtkörpern von Cenangium ferruginosum (Abb. 10). Dieser Pilz ist für das akute Absterben und die Rotverfärbungen der Föhrenkronen verantwortlich. Die Krankheit dürfte sich im Sommer 1998, eventuell auch bereits ein Jahr zu- vor, aufgebaut haben. Der Rindenpilz befällt aber nur Föhren, welche vorgängig durch ungünstige Einflüsse wie Trockenheit, Frost oder andere Einwirkungen er- heblich geschwächt wurden. SINCLAIR et al. (1987) ver- muten, dass die Infektion durch Cenangium ferrugi- nosum im Sommer bis Herbst erfolgt. Anschliessend kann die Wirtspflanze den Infektionsherd so lange in Schach halten, bis die Krankheitsabwehr durch un- günstige Einflüsse wie z.B. starke Trockenheit zusam- menbricht. Darauf kann der Pilz ausgedehntere Rin- denpartien besiedeln und abtöten. Das Ausmass der Schädigung wird dann im Laufe des Spätwinters/Früh- lings in Form von Nadelverrötungen sichtbar, wie dies auch im letzten Jahr im Wallis der Fall war.

Gemäss unserer Erfahrung mit dieser Krankheit, welche auf dem ausgedehnten Cenangium-Befall an

Arven (Pinus cembra) 1992 im Engadin beruhen, und Angaben aus der Literatur (SINCLAIR et al. 1987) ist bei dieser Rindenerkrankung selten mit einem mehrere Jahre andauernden starken Krankheitsvorkommen zu rechnen. Diese positive Aussicht scheint sich auch im Wallis zu bestätigen, wo bis zum Frühjahr 2000 keine weiteren Cenangium-Krankheitsherde gemeldet wur- den.

Obwohl damit eines der Krankheitssymptome des Föhrensterbens wieder in den Hintergrund rücken dürfte, werden die zum Teil unbekannten Ursachen dieser Komplexkrankheit weiterhin wirksam bleiben, Abb. 10. Beim Cenangium-Triebsterben der Föhre sind Äste und Zweige mit den schwarzen Pilzfruchtkörpern übersät, welche sich nur bei Regenwetter oder hoher Luftfeuchte öffnen.

Jahr 1999 1998

Abb. 11. Absterbeerscheinungen an Eichen 1999 gemäss den Meldungen der Forstkreise.

(10)

sodass in wenigen Jahren etliche Föhrenbestände ver- schwunden sein werden. In tieferen Lagen stellt sich in den absterbenden Föhrenbeständen erfreulicherweise oft Laubholz-Naturverjüngung ein. Kritisch bleibt die Situation hingegen in höher gelegenen Schutzwäldern mit mangelhafter Verjüngung und unzureichendem Folgebestand.

Ähnliche Fälle von «Föhrensterben» wurden in den letzten Jahren auch in Österreich und Italien (Tirol, Niederösterreich, Südtirol) beschrieben (TOMICZEK

1998, MINERBI 1993). Wie im Wallis sind auch an diesen Absterbeprozessen verschiedenste, teilweise die glei- chen Faktoren beteiligt.

Ein zusätzliches Gefährdungspotential geht von ei- ner Föhrennematode aus. Dieser ursprünglich aus den USA stammende Fadenwurm (Bursaphelenchus xylo- philus) wurde 1999 in Europa erstmals in Portugal an den Wurzeln von absterbenden Seestrandkiefern (Pinus pinaster) nachgewiesen. Er verursacht eine häu- fig tödlich verlaufende Welkekrankheit an diversen Föhrenarten, wobei auch die Waldföhre (Pinus sylve- stris) befallen wird. Da diese Nematodenart in Zentral- europa bis heute nicht nachgewiesen werden konnte, dürfte sie im Wallis kaum als Krankheitsursache in Frage kommen. Eine diesbezügliche Abklärung steht aber bis heute noch aus.

6 Eichensterben nimmt zu

Die bereits in den vergangenen Jahren beobachteten Absterbeerscheinungen der Eiche haben weiter zuge- nommen. Wurde das Phänomen 1998 aus 62 Forstkrei- sen gemeldet, so waren 1999 bereits 70 Forstkreise betroffen (Abb. 11). Allein im Kanton Jura waren im vergangenen Sommer über 1000 herrschende Eichen von dieser Schädigung betroffen. Der Absterbepro- zess geht vermutlich von den Wurzeln aus, wobei der

Hallimasch (Armillaria sp.) und der Spindelige Rübling (Collybia fusipes) in den Krankheitsablauf verwickelt sind (Abb. 12). In ersten Bodenuntersuchungen konnte keine Beteiligung von Phytophthora-Arten nachge- wiesen werden, obwohl diese Erregergruppe gemäss deutschen und französischen Untersuchungen oft an diesem Krankheitsbild beteiligt ist. An weiteren abster- benden Eichen im St. Galler Rheintal und in der Waadt konnte erstmals der Eichenprachtkäfer (Agrilus bigut- tatus) festgestellt werden. Es zeigt sich, dass an den Absterbeerscheinungen der Eiche je nach Standort unterschiedliche Schadorganismen beteiligt sein kön- nen. Nach wie vor ist es jedoch unklar, wodurch dieser Krankheitsprozess ausgelöst wird.

Die Amerikanische Eichenwelke, eine mit der Ul- menwelke vergleichbare Gefässkrankheit der Eichen, ist in Europa glücklicherweise bis heute noch nicht vorhanden. Wie aber in den USA durchgeführte Infek- tionsversuche mit dem Erregerpilz Ceratocystis faga- cearum belegen, sind potentiell auch die europäischen Eichenarten von dieser gefürchteten Pilzkrankheit be- droht.

Abb. 12. Die büschelig wachsenden Fruchtkörper des Spindeligen Rüblings (Collybia fusipes) am Wurzelanlauf von geschädigten Eichen weisen auf eine Wurzelfäule hin.

Abb. 13. Von der Tintenkrankheit betroffene Edelkastanien leiden unter einer Blattwelke und weisen im Sommer eine schüttere Belaubung auf.

(11)

7 Tintenkrankheit an Edel- kastanien im Tessin

In mehreren Forstkreisen im Tessin wurde die äusserst gefährliche Tintenkrankheit nachgewiesen. Diese Wur- zelerkrankung der Edelkastanie wurde im Tessin erst- mals um 1940 verbreitet festgestellt. Bei Dardagny (GE) wurden 1984 15’000 Edelkastanien von der Krankheit befallen. Sie wird durch bodenbürtige Pilze aus der Gattung Phytophthora verursacht. In den 1999 im Tes- sin untersuchten Fällen wurde stets Phytophthora cin- namomi nachgewiesen. Kennzeichen dieser Krankheit sind Kleinblättrigkeit, Blattwelke mitten im Sommer und das Fehlen von Stockausschlägen (Abb. 13). An der Stammbasis unter der Rinde finden sich schwarz- violette Verfärbungen, welche sich flammenartig bis zu einem Meter hoch am Stamm erstrecken (Abb. 14).

Betroffene Edelkastanien sterben häufig innerhalb von 1 bis 2 Jahren ab. Zu dem im Tessin bereits weit verbreiteten Kastanienrindenkrebs (Cryphonectria pa- rasitica) ist mit der Tintenkrankheit eine weitere potente Kastanienkrankheit hinzu gekommen, womit sich die Gefährdung der Edelkastanie merklich erhöht.

8 Verregnetes Frühjahr förderte Blatt- und Nadelpilze

Auffällig waren im Juni durch diverse Pilze (Monilia laxa, Stigmina carpophila) verursachte Blattschäden und ein Zweigsterben an Kirsche. An Lärchen wurden in der zweiten Jahreshälfte in weiten Teilen der Schweiz vor- zeitige starke Nadelverfärbungen und Nadelverluste durch die Meria-Nadelschütte (Meria laricis) festge- stellt. Gelegentlich war gleichzeitig auch der Erreger der Braunfleckigkeit der Lärche (Mycosphaerella larici- na) beteiligt. War die Braunfleckigkeit allein für die auffälligen Nadelschädigungen verantwortlich, konnte die typische, sich von unten nach oben ausbreitende Entnadelung festgestellt werden (Abb. 15). Bei Lang- nau i.E. vernichtete im Juni das Pollaccia-Triebsterben (Pollaccia elegans) die Blätter von Schwarzpappeln, welche entlang einer Allee die Strasse säumten. Die Pappeln reagierten auf die Folgen dieser Pilzinfektion mit einem zweiten Blattaustrieb. Sorbus-Arten litten unter Schorf (Venturia inaequalis) und an Mehlbeeere konnte erstmals der Erreger einer auffälligen Blattflek- kenkrankheit, der Entomosporiose (Entomosporium mespili), nachgewiesen werden.

Abb. 14. Die dunkelbraunen Verfärbungen an der Stamm- basis unter der Rinde sind ein Erkennungsmerkmal der Tintenkrankheit.

Abb. 16. Die Sprühfleckenkrankheit der Edelkastanie verur- sacht auffällige, vorzeitige Blattverfärbungen mit anschlies- sendem Blattfall.

(12)

Verursacher:

Meria laricis Mycosphaerella laricina Meria oder Mycosphaerella

Abb. 15. Durch Pilzbefall verursachte Vorkommen von Nadelverfärbungen an Lärche 1999.

In den Bündner Südtälern sowie in weiten Teilen des Tessins litten die Edelkastanien in Selven und Waldbe- ständen unter der Sprühfleckenkrankheit (Phloeospo- ra castanicola). In den vergangenen 10 Jahren ist diese Pilzkrankheit nie in so starkem Ausmass beobachtet worden. Ganze Kastanienbestände verfärbten sich bereits im August braun und verloren vorzeitig die Blätter (Abb. 16). Da auch die Schalen der Kastanien- früchte vom Pilz befallen wurden, lieferten erkrankte Kastanien nur noch kleine Früchte. Dadurch wurde der Fruchtertrag drastisch reduziert.

Im Spätsommer wurden in höheren Lagen wieder- um vermehrt vom Fichtennadelrost (Chrysomyxa rho- dodendri) befallene, gelbverfärbte Fichtenbestände beobachtet. Diese im Verbreitungsgebiet der Alpenro- sen vorkommende, auffällige Nadelkrankheit der Fich- te wurde 1998 aus 57% und im vergangenen Jahr aus 64% der angefragten Forstkreise gemeldet.

9 Baumarten reagieren unter- schiedlich auf stehendes Hochwasser

Die starken Niederschläge in der ersten Jahreshälfte 1999 führten im Schweizer Mittelland zu massiven Überschwemmungen. Bei Andelfingen im Überflutungs- bereich der Thur erwies sich die Esche als besonders empfindlich gegenüber einem mehrere Wochen an- dauernden Hochwasser. Die frisch ausgetriebenen Blät-

Abb. 17. Nach einer länger andauernden Überflutung der Wurzeln im Frühjahr starben Eschen ab. Stieleichen, Schwarzpappeln, Fichten und Föhren wiesen im Juni (noch) keine Symptome auf.

(13)

ter präsentierten sich im Juni braun und das Kambium am Stammfuss war abgestorben (Abb. 17). Die be- nachbarten Schwarzpappeln, Stieleichen, Waldföhren und Fichten zeigten keine Schadsymptome. Diese Beobachtung deckt sich mit Literaturangaben, wonach stehendes Hochwasser während der Vegetationsperi- ode von Esche, aber auch von Kirsche, Buche, Linde und Douglasie schlecht ertragen wird. Ursache für die Schädigung der Pflanzen ist in erster Linie ungenügen- de Sauerstoffversorgung der Wurzeln. Die ausgepräg- te Hochwasserempfindlichkeit der Esche wurde auch 1999 in vom Rhein überfluteten Beständen in Süd- deutschland bei Weisweil beobachtet.

10 Rothirsche im Vormarsch

In der Schweiz wächst das Verbreitungsgebiet der Rothirsche weiter an, etwa im Tessin, im Berner Ober- land oder in den Kantonen Waadt und Luzern. Im Unterwallis oder im Kanton Schwyz sind wachsende Bestandeszahlen zu verzeichnen. Hier nehmen die verbissbedingten Verjüngungsschwierigkeiten zu. In Gebieten, wo Rothirsche dagegen schon länger hei-

misch sind, wie in den Kantonen Graubünden und St.

Gallen, wirken sich unterdessen die regional eingeleite- ten jagdlichen und lebensraumbezogenen Massnah- men positiv auf die Waldverjüngung aus.

Im Walliser Chablais zwischen Genfersee und Dents du Midi vom linken Rhoneufer bis zur französi- schen Grenze, kommen mehr Grosssäugerarten vor als in irgend einem andern Teil der Schweiz. Das Gebiet ist rund 250 km2 gross. Davon sind 108 km2 bewaldet. Neben Rothirsch, Reh, Gemse, Steinbock und Wildschwein findet sich hier auch die einzige Moufflonpopulation der Schweiz. Sie wurde 1998 auf 241 Tiere geschätzt. Ferner sind in der jüngsten Ver- gangenheit auch Luchs und Wolf wieder vereinzelt in der Region aufgetaucht.

1998 wurde im Chablais der Einfluss der freileben- den Wiederkäuer auf die Verjüngung des Waldes ge- nauer untersucht (BOCHATAY et al. 1999). Die vorhande- ne Verjüngung wird als ausreichend beurteilt.

Die Verbissintensität von 29,3 ± 9,7 % für die Tanne auf einem von drei Teilgebieten bedeutet jedoch, dass hier die Tanne auf die Dauer ausfallen wird (EIBERLE

1989). Nach Beurteilung der Gutachter kann aber der von der waldbaulichen Planung geforderte Mindestan- teil von «Tanne und Laubholz» zumindest in grösseren Bestandesöffnungen auch ohne Tanne mit Eschen, Buchen und anderen Laubhölzern erreicht werden. Bei Verjüngung unter Schirm kann die Tanne jedoch nicht ohne weiteres durch Laubholz ersetzt werden, da die- ses einen grösseren Lichtbedarf hat.

Derzeit reicht zwar die vorhandene Verjüngung noch aus. Die Entwicklung wird aber hinsichtlich des Wild- tiereinflusses als ungünstig beurteilt: Die Bestände von Rothirsch, Reh, Gemse und Moufflon haben in den vergangenen fünf Jahren zugenommen. Gleichzeitig wurden die Lebensräume durch Freizeitaktivitäten und Schafweide bis in die jüngste Vergangenheit weiter beschnitten.

Auch im Kanton Schwyz ist die Zahl der Rothirsche in der jüngsten Vergangenheit angestiegen. Die Rothir- sche haben zwischen 1976 und 1999 von 288 auf 600 Stück zugenommen.

Für das Gebiet Wisstannen am östlichen Ende des Sihlsees wurde 1999 ein Wildschadenverhütungskon- zept erstellt (RÜEGG, 2000a). Das Gebiet mit einer Flä- che von 1’200 ha liegt zwischen 900 und 1500 m ü.M.

und besteht aus 58% Wald und 42% Weide.

Nachdem die Frühjahreszählung der Wildhut von 1991 bis 1998 immer zwischen 16 und 26 Rothirsche festgestellt hatte, waren es 1999 deren 52. Dazu kom- men 40 Gemsen und 22 Rehe.

In den Tannen-Buchen- und Tannen-Fichtenwäl- dern soll der Fichtenanteil reduziert, der Anteil von Tanne und Laubholz erhöht werden. Bei Vogelbeere, Esche, Bergahorn und Tanne ist die zulässige Verbiss- intensität nach Eiberle überschritten; entsprechend nimmt der Mischungsanteil dieser Baumarten von den unteren Grössenklassen zu den oberen laufend ab. Ab Abb. 18. Geschälte Fichten (Chilchenberg Andermatt).

(14)

0,4 m sind praktisch keine Tannen mehr vorhanden, obwohl die Ansamung funktioniert und die Tanne auf einem Drittel der Probeflächen mit Bäumen über 10 cm Höhe vertreten ist.

Im Kanton Tessin sind die Wildtierbestände in der jüngsten Vergangenheit markant angewachsen.

Gemäss eidgenössischer Jagdstatistik (BUWAL, 1990–1998) stieg der Rothirschbestand zwischen 1989 und 1997 von 2’000 Tieren auf 3’500, der Rehbe- stand von 2’100 auf 4’000 und der Gemsbestand von 6’000 auf 12’000.

1994 wurden in der Leventina Verbissaufnahmen gemacht, von 1995–1997 dann auch im restlichen Kantonsgebiet (Riviera, Valle di Blenio, Locarnese e Valli und Sottoceneri) (MORETTI, PETRINI, 1999). Es wurden 6’183 ha Wald beurteilt mittels 1’006 Stichpro- beflächen von 4 m Radius. Dabei wurden 12’171 Pflan- zen taxiert.

Örtlich wird eine Baumartenentmischung und der Ausfall der Tanne konstatiert. Gebietsweise wird diese Entwicklung durch die mageren Standorte oder das geringe Äsungsangebot gefördert. Die höchsten Ver- bissintensitäten wurden in der Leventina und im Gebiet um Bellinzona gefunden. Generell nimmt der Verbiss von Norden nach Süden ab. Es gibt jedoch Anzeichen, dass die Ausbreitung der Wildtiere nach Süden und Westen fortschreitet.

Eine Ausbreitung des Rothirschareals in der Schweiz ist auch bezüglich der Wintereinstände zu beobachten. Seit dem Winter 1997/98 werden im Ur- serental, Kanton Uri, Rothirsche beobachtet, die hier überwintern. 1998 kam es zu Schälschäden im St.

Annawald in Hospental. Im Frühjahr 1999 war der Chilchenbergwald oberhalb dem Kasernenareal in An- dermatt betroffen (Abb. 18). Die Schäle ist deshalb besonders unangenehm, weil die betroffenen Fichten- bestände mit viel Aufwand aufgezogen worden waren und jetzt die Schutzfunktion der temporären Lawinen- verbauungen übernehmen sollten, die im Zerfall ste- hen.

11 Annäherung von Waldbau und Wildtiermanagement

Im Unterschied zum Unterwallis, zu Schwyz und zum Tessin, wo der Einfluss der Wildtiere auf die Waldver- jüngung im Ansteigen begriffen ist, gibt es inzwischen in der Ostschweiz viele Beispiele, wo die Massnahmen, die zur Verringerung des Wildtiereinflusses auf die Waldverjüngung in die Wege geleitet wurden, Wirkung zeigen.

Im Gebiet zwischen Arvenbüel, Leistchamm, Mit- tagsberg und Vorder Höhi in Amden (SG) wurde 1998 und 1999 die Waldverjüngung auf Stammzahl und Verbiss untersucht (RÜEGG 2000b). Das ganze Untersu- chungsgebiet liegt oberhalb 1000 m ü. M. Von den

insgesamt 1000 ha sind 550 ha bewaldet. Die Hänge sind überwiegend ostexponiert. Als Folge des intensi- ven Verbisses in der Vergangenheit sind über grosse Bereiche keine Tannen über 40 cm Höhe und keine Bergahorne über 70 cm Höhe vorhanden. Aber auch der aktuell festgestellte Verbiss liegt immer noch auf einem Niveau, bei dem auf die Dauer 40% von Vogel- beere, Esche und Tanne ausfallen würden. Die Ziele der waldbaulichen Planung lassen sich unter diesen Bedingungen nicht erreichen.

Im Rahmen des Schafbergprojektes Amden ist eine weitere Entlastung des Waldes von Wildtierverbiss vorgesehen, indem auf Schafalpung verzichtet und so den Wildtieren vermehrt Lebensraum oberhalb der Waldgrenze zugänglich gemacht wird. Die Zusamen- hänge werden in einer Dissertation im Rahmen des Forschungsprogramms «Wald, Wild, Kulturland- schaft» an der WSL untersucht.

Veranlasst durch die Waldgesetzgebung (BUWAL 1996) haben inzwischen die meisten Kantone für die Bewältigung des Nutzungskonfliktes Wald-Wildtier eine Strategie entwickelt. Mit diversen Verbiss- und Jungwaldinventuren werden die erforderlichen Grund- lagen beschafft. Ganz aktuell liegt eine flächendecken- de Übersicht zum Wildtiereinfluss auf den Wald aus dem Kanton Uri vor. Die angewandte Methode wurde dabei vom Kanton Glarus übernommen (RÜEGG 1995).

Die Abklärung ergab, dass der Wildtierverbiss auf 68% der Waldfläche keine Baumart gefährdet. Dage- gen sind auf 29% der Fläche Nebenbaumarten oder die Weisstanne bedroht. Auf 3% der Waldfläche ist jegliche Verjüngung verbissbedingt unmöglich (DU- WAPLAN 2000).

12 Über 1000 Kontrollzäune im Schweizer Wald

Mit Kontrollzäunen lässt sich zeigen, wie sich die Wald- verjüngung weiterentwickelt, wenn der Wildtiereinfluss auf die Waldverjüngung unvermittelt wegfällt. Zwei Abb. 19. Im Kontrollzaun wird die Verjüngung von der Gemse nicht beeinflusst.

(15)

kleine Flächen, meist Quadrate mit fünf bis zehn Meter Seitenlänge, werden ausgeschieden. Sie sollen mög- lichst identische Verjüngungsbedingungen (Standort, Licht, Besonnung, Konkurrenzvegetation, Nähe zu Samenbäumen) aufweisen. Eine der beiden Flächen wird eingezäunt. Dadurch wird der Einfluss der pflan- zenfressenden Huftiere ausgeschlossen (Abb. 19). Auf der andern Fläche bleibt dieser Einfluss bestehen. Der Zeitpunkt der Zaunerstellung ist dabei wesentlich. Das Kontrollzaunexperiment kann zu ganz unterschiedli- chen Ergebnissen führen, je nachdem wie lange ein Samenjahr oder eine Öffnung des Kronendaches zum Zeitpunkt des Zaunbaus zurückliegt oder wie stark die Konkurrenzvegetation ausgebildet ist.

Zaunexperimente sind vor allem aus dem Ausland bekannt. Allein in Oberösterreich stehen 4200 Kon- trollzäune. In Vorarlberg sind es deren 1500.

Wieviele Kontrollzäune in der Schweiz vorhanden sind, wurde im Rahmen der Forstschutzumfrage 1999 ermittelt (Tab. 1; Abb. 20).

Systematische Kontrollzaunprojekte werden derzeit in den Regionen Uri (65 Zäune), Obwalden (38), Ho- negg, BE (67), Leissigen, BE (34), Schwanden, GL (50), Herrschaft-Prättigau, GR (36), Vorderrheintal, GR (48) und Engadin/Münstertal, GR (51) realisiert.

Der Grossteil der Zäune ist jedoch nicht in ein Pro- jekt eingebunden.

Eine andauernd wildtierfreie Waldentwicklung ent- spricht keinem natürlichen Zustand. Die Verjüngung, die sich im Zaun einstellt, wird deshalb in der walbau- lichen Planung nicht als Verjüngungsziel gewählt. Viel- mehr wird ein Verjüngungsziel unabhängig vom Zaun- experiment festgelegt. Wird es ausserhalb des Zauns erreicht und innerhalb nicht, liegt ein positiver Wildtier- einfluss vor, im umgekehrten Fall ein negativer. Ist das

Ergebnis inner- und ausserhalb des Zauns das gleiche, hat der Wildtiereinfluss für die Erreichung des Verjün- gungszieles keine Bedeutung.

Kontrollzäune eignen sich für die Visualisierung von Wildtiereinfluss auf die Waldverjüngung und für die Abklärung von Handlungsbedarf. Für Erfolgskontrollen sind sie dagegen nur bedingt brauchbar. Werden auf- grund der Ergebnisse aus Kontrollzaunexperimenten Massnahmen ergriffen, lässt sich der Erfolg dieser Massnahmen nicht mit den gleichen Zäunen kontrol- lieren. Die Ausgangslage, insbesondere die Vegeta- tionskonkurrenz, ist inzwischen innerhalb und ausser- halb des Zauns nicht mehr dieselbe.

Die Zäune aus dem St. Galler Zaunprojekt von 1976 und die 161 Kontrollzäune aus der «Rehwildschaden- Beobachtung Bern» von 1982–1992 sind inzwischen wieder abgebrochen worden.

Für das Verständnis der langfristigen Walderneue- rung unter Wildtiereinfluss sind Kontrollzaunexperi- mente oft zu kurzfristig angelegt. Um in Wildtier- und Waldbewirtschaftung künftig zu einem Konsens zu gelangen, müssen auch alternative Formen einer nachhaltigen Waldverjüngung geprüft werden. Den bestehenden Nachhaltigkeitsmodellen, die von einer kontinuierlichen Waldverjüngung ausgehen, müssen solche mit einer grösseren zeitlichen Dynamik gegen- übergestellt werden. Damit Kontrollzäune neue Er- kenntnisse dazu liefern könnten, müssten sie über einige Jahrzehnte unterhalten werden. Forschungs- projekte, die den Wildtiereinfluss auf die Waldverjün- gung langfristig untersuchen, werden derzeit im Rah- men des Forschungsprogramms «Wald, Wild, Kultur- landschaft» der WSL in Angriff genommen. Sie sind auf Waldflächen angewiesen, die sich seit mindestens 20 Jahren ohne Wildtiereinfluss entwickelt haben.

Tab. 1. Anzahl Kontrollzäune im Schweizer Wald nach Regionen, Erstellungszeitpunkt und Dichte.

Kantone Anzahl Kontrollzäune

eingerichtet eingerichtet total pro 100 km2

vor 1990 ab 1990 Waldfläche

Graubünden 135 305 450 24

Luzern, Nidwalden, Obwalden, Schwyz, Uri, Zug 5 181 186 15

Appenzell, Glarus, St. Gallen, Thurgau 18 94 112 11

Bern 2 112 114 7

Aargau, Basel, Schaffhausen, Solothurn, Zürich 8 58 66 4

Freiburg, Jura, Neuenburg 1 43 44 4

Wallis 0 36 36 3

Tessin 0 33 33 2

Genf, Waadt 1 21 22 2

Ganze Schweiz 170 883 1053 9

(16)

13 Quellenverzeichnis

BOCHATAY, J., MOULIN, P., PILLET, 1999: Concept forêt- gibier du Chablais Valaisan, Bericht zuh. Canton du Valais, Service des forêts et du paysage, 76 S.

BUWAL (Bundesamt für Umwelt, Wald und Land- schaft), 1990-1998: Eidgenössische Jagdstatistik/

Statistique fédérale de la chasse 1989–1993.

BUWAL (Bundesamt für Umwelt, Wald und Land- schaft), 1996: Erläuterungen zur Wildschaden- verhütung gemäss der neuen Waldgesetzgebung (Kreisschreiben 21). Wegleitung für Forstämter und Jagdverwaltungen, 57 Seiten, 7 Beilagen.

DUWAPLAN (Ingenieurbüro Duss und Walker), 2000:

Wildschadenverhütungskonzept Kanton Uri. Aus- wertungen zuhanden Amt für Forst und Jagd, Uri.

Übersichtsplan und Flächenauswertung.

EIBERLE, K., 1989: Über den Einfluss des Wildverbisses auf die Mortalität von jungen Waldbäumen in der oberen Montanstufe. Schweiz. Z. Forstwes. 140,12:

1031–1042

Eidg. Institut für Schnee- und Lawinenforschung (Hrsg.), 2000: Der Lawinenwinter 1999. Ereignis- analyse. Davos, Eidg. Institut für Schnee- und Lawinenforschung. 588 S.

FORSTER, B., 1999: Borkenkäferfallen – wie weiter? Er- fahrungen aus 15 Jahren Lockstoffeinsatz. Wald Holz 80 , 5: 8–10.

FORSTER, B.; WERMELINGER, B.; MEIER, F., 2000: Sturm- schäden und Borkenkäfer. Die Situation nach «Lo- thar». Wald Holz 81, 2: 40–42.

MINERBI, S., 1993: Wie gesund sind unsere Wälder? 11.

Bericht über den Zustand der Wälder in Südtirol. 40 Seiten.

NIERHAUS-WUNDERWALD, D.; FORSTER, B., 1999: Zuneh- mendes Auftreten der Gefährlichen Weisstannen- trieblaus. Wald Holz 80, 10: 50–53.

MORETTI, G.; PETRINI, N., 1999: Rilevamento dei danni della selvaggina alla rinnovazione boschiva. Rap- porto finale. Bericht zuhanden Dipartimento del Ter- ritorio Dicisione dell’Ambiente, Sezione forestale cantonale, Ufficio selvicoltura e protezione delle foreste. 57 Seiten.

Abb. 20. Verteilung der Kontrollzäune auf die Forstkreise.

Anzahl Kontrollzäune je Forstkreis 0

1–5 6–10

>10

Aufruf an alle Förster:

Alte Kontrollzäune nicht abreissen! Kontakt auf- nehmen mit der Eidgenössischen Forschungs- anstalt WSL:

O. Odermatt, PBMD, Tel. 01/739 23 98 oder W.

Suter, Programmleiter «Wald, Wild, Kulturland- schaft», Tel. 01/739 25 67

(17)

RIGLING, A.; FORSTER, B.; WERMELINGER, B.; CHERUBINI, P., 1999: Waldföhrenbestände im Umbruch. Wald Holz 80, 13: 8–12.

RÜEGG, D., 1995: Wildschadenverhütungskonzept des Kantons GL.

RÜEGG, D., 2000a: Wildschadenverhütungskonzept Wisstannen, Einsiedeln. Bericht für das Kreis- forstamt 4, Einsiedeln-Höfe. 41 Seiten.

RÜEGG, D., 2000b: Schafbergprojekt Amden.

Verjüngungskontrolle im Wald. Bericht zuh. des Kreisforstamts IV, See-Gaster. 38 Seiten.

SINCLAIR, W.A.; LYON, H.H.; JOHNSON, W.T., 1987: Disea- ses of Trees and Shrubs, p. 230–231. Cornel Univer- sity Press, Ithaca and London.

SMA (Schweizerische Meteorologische Anstalt), 1998:

Monatlicher Witterungsbericht der SMA Me- teoSchweiz. Zürich.

TOMICZEK, C., 1998: Kiefernsterben im Tirol. Forst- schutz-aktuell, Wien, 22:12–15.

WERMELINGER, B.; OBRIST, M.K.; DUELLI, P.; FORSTER, B., 1999: Development of the bark beetle (Scolytidae) fauna in windthrow areas in Switzerland. Mitt.

Schweiz. Entomol. Ges. 72, 3–4: 209–220.

ZUBER, R., 2000: Forstschutzsituation 1999 in Grau- bünden. Bündnerwald 53, 1: 72–78.

Dank

Für die tatkräftige Unterstützung und die erfreuliche Zusammenarbeit sei an dieser Stelle allen im Forst- dienst Beschäftigten recht herzlich gedankt.

Ihre aktuellen und genauen Angaben über Forst- schutzereignisse sind eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit des PBMD’s sowie für die Erstellung des jährlichen Forstschutz-Überblicks.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Einfuhr in Tsd.. Ausfuhr

➢ Übersicht nach

Wer sich dieses Jahr für Urlaub zu Hause entscheidet, sollte die Zeit nicht für die Abarbeitung von To-Do Listen der bekanntesten Reiseziele in Bayern nutzen, sondern seine

Wesentlich für die Krankenhäu- ser ist die Klarstellung, daß die Abrech- nungsbestimmungen auch für die Vor- auskalkulation der Entgelte im Rah- men der Leistungs- und

So ist im Einzelfall zu entscheiden, welcher Reformer einge- setzt wird, welche Verunreinigungen im Wasserstoff für die Brennstoffzelle akzeptabel sind oder in welcher Form

Wird im Anschluss ein Gottesdienst gefeiert, kann wie oben beschrieben verfahren werden, allerdings auf selbst gebastelten Schirmchen oder auf Karten (vgl. M5b).. antworten,

Wenn Einsprachen, Beschwerden oder andere Gründe den Projektablauf verzögern, können aktuell erst in nachgelagerter Priorität vorgesehene Projekte zeitlich vorgezogen und bei

Die treuesten Anhänger Großbritanniens finden sich bei den Wählern der Grünen: Ganze 85 Prozent wollen das Land in der EU halten.. Die Anhänger der CDU/CSU und der SPD liegen mit