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Digitale Medien in der Organisation Schule und die Rolle der Lehrperson / eingereicht von Karoline Prinz, BEd BSc

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Academic year: 2021

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JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich

Eingereicht von

Karoline Prinz, BEd BSc

Angefertigt am Institut für Soziologie Abteilung Wirtschafts- und Organisations- soziologie Beurteiler / Beurteilerin

Mag.a Dr.in Ursula Rami

November 2020

DIGITALE MEDIEN IN

DER ORGANISATION

SCHULE UND DIE ROLLE

DER LEHRPERSON

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

Master of Social Sciences

im Masterstudium

Soziologie

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EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Masterarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Masterarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.

Leonding, 11.11.2020

Ort, Datum

D

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KURZFASSUNG

Das Schulsystem ist ständigen Veränderungen ausgesetzt, auch der Fortschritt der Digitalisierung fließt allmählich in die Organisation Schule über. Der Einsatz von digitalen Medien prägt vermehrt die Kommunikationsstruktur der schulischen Akteur*innen.

Die vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich mit der Thematik der Rolle der Lehrenden in der Organisation Schule und dem Einfluss digitaler Medien im Schulunterricht. Das Ziel der Arbeit ist aufzuzeigen, inwieweit der Einsatz von digitalen Medien im Schulunterricht die Rolle der Lehrer*innen beeinflusst.

Dafür werden fünf wichtige Bereiche – Organisation, Schule, rollentheoretische Perspektive, Digitalisierung und Rolle der Lehrperson – theoretisch analysiert und miteinander verknüpft. Um die Forschungsfrage zu beantworten, wurde basierend auf den theoretischen Erkenntnissen eine qualitative Erhebung mittels Leitfadeninterviews mit 14 Lehrpersonen aus der Sekundarstufe 1 (Mittelschule) durchgeführt. Die Befragten verwendeten zum Untersuchungszeitpunkt die Lernwelt des Unternehmens chabaDoo. ChabaDoo hat eine Lernwelt entwickelt, in der sich Schüler*innen selbstständig und individuell bewegen können, ohne dabei die Hilfe von Lehrenden in Anspruch nehmen zu müssen.

Den Ergebnissen zufolge ermöglicht der Einsatz von digitalen Medien im Schulunterricht den Pädagog*innen ein schüler*innenzentriertes Arbeiten. Das Handeln sowie die Kommunikation zwischen den beiden Akteur*innen der Organisation Schule erfolgt auf einer Ebene, wobei die Schüler*innen durch die Nutzung digitaler Medien individuell gefördert und unterstützt werden können. Die „klassische“ Rolle der Lehrkräfte als Wissensvermittler*in und Erzieher*in bleibt nach wie vor bestehen, verändert sich jedoch zusätzlich in Richtung Lernbegleiter*in, Lernunterstützer*in sowie Mentor*in. Für eine Intensivierung und erfolgreiche Verwendung von digitalen Medien im Schulunterricht sind Medienkompetenzen notwendig, die noch nicht etabliert sind.

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ABSTRACT

The school system is subject to constant change as the progress of digitalization gradually flows into school organization. The use of digital media is increasingly shaping the communication structure of school stakeholders.

This master’s thesis deals with the role of the teacher in school organization and the influence of digital media in school lessons. The aim of the thesis is to show to what extent the use of digital media in school lessons influences the role of the teacher.

For this purpose, five important areas – organization, school, role-theoretical perspective, digitalization and the role of the teacher – are theoretically analyzed and connected with each other.

In order to answer the research question, a qualitative survey based on theoretical findings was conducted by using guideline interviews with 14 teachers from secondary level 1 (Mittelschule). At the time of the investigation, the respondents were using the learning world software (Lernwelt) from the company chabaDoo. ChabaDoo developed a learning world software in which students can move independently and individually without teacher assistance.

According to the results, the use of digital media in school lessons enables the teacher to work in a student-centered way. The interaction as well as the communication between both stakeholders of the organization school takes place on one level, whereby the students can be individually promoted and supported by using digital media. The “traditional” role of the teacher as knowledge transmitter and educator still remains, but it is taking on a new dimension in the direction of supporter, facilitator and mentor. In order to increase the successful use of digital media in school lessons, it will be necessary to improve media competences which have not been yet established.

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ... 7 1.1. Ausgangslage ... 7 1.2. Zielsetzung ... 9 1.3. Forschungsfragen ... 10 1.4. Methodische Vorgehensweise ... 11 2. Organisationssoziologische Perspektive ... 12

2.1. Definition des Organisationsbegriffes ... 13

2.2. Organisationstypen... 15

2.3. Die wichtigsten Grundelemente einer Organisation (W. Richard Scott) ... 16

3. Schule als Organisation ... 19

3.1. Organisation Schule ... 19

3.1.1. Strukturelle Merkmale der Organisation Schule ... 20

3.1.2. Dimensionen des schulischen Organisationssystems ... 23

3.1.3. Abgrenzung zu anderen Organisationen ... 26

3.2. Spezifika der Schule als Organisation ... 28

3.3. Organisation Schule in Anlehnung an W. Richard Scotts Modell ... 30

3.4. Schule als rationales System ... 33

3.5. Schule als lernende Organisation ... 34

4. Rollentheoretische Perspektive ... 36

4.1. Rollentheorie nach Goffman ... 38

4.2. Rollentheorie nach Parsons ... 40

4.3. Rolle der schulischen Organisationsmitglieder aus rollen-theoretischer Sicht ... 41

5. Schule und Digitalisierung ... 45

5.1. Digitale Grundbildung im Schulunterricht ... 46

5.2. Historische Entwicklung der Lehrer*innenausbildung und des Lehrberufes ... 46

5.3. Unterrichten in der digitalen Welt ... 48

6. Schule, Digitalisierung und die Rolle der Lehrperson ... 58

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6.2. Aufgabenbereiche von Lehrpersonen in der Organisation Schule ... 61

7. Methodik ... 68

7.1. Untersuchungsdesign und Begründung ... 69

7.2. Struktur des Leitfadens ... 71

7.3. Sampling und Auswahlkriterien ... 72

7.4. Auswertung ... 72

8. Ergebnisse und Erkenntnisse ... 74

8.1. Fallbeschreibung ... 75

8.2. Aktueller Einsatz der Lernwelt im Schulunterricht ... 76

8.3. Unterrichtsformen und Unterrichtsvorbereitung mit und ohne Lernwelt ... 78

8.4. Rolle der Lehrperson ... 80

8.5. Veränderung(en) durch die Arbeit mit der Lernwelt... 81

8.6. Mehrwert durch die Lernwelt ... 84

9. Diskussion ... 85 10. Fazit ... 88 11. Literaturverzeichnis ... 90 12. Abbildungsverzeichnis ... 103 13. Tabellenverzeichnis ... 103 Anhang ... 105

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1. Einleitung

Um die der Arbeit zugrundeliegende Thematik umfassend zu thematisieren, wird zunächst die Ausgangslage (1.1.) näher erläutert. Die daraus abgeleiteten Forschungsfragen (1.2.) und Zielsetzung (1.3.) sowie die methodische Vorgehensweise (1.4.) werden anschließend charakterisiert.

1.1. Ausgangslage

Digitale Medien sowie die Digitalisierung generell etablieren sich immer stärker in der heutigen Gesellschaft „auf den verschiedenen gesellschaftlichen Systemebenen“ (Krotz 2001, 2007 zitiert in Breiter/Welling/Schulz 2012: 113). Davon ist auch die Organisation Schule betroffen (Breiter/Welling/Schulz 2012: 113).

Im gesellschaftlichen Leben hat die Digitalisierung bereits stark Fuß gefasst und ist nicht mehr wegzudenken. Dieser Tatsache sind sich auch die politischen Entscheidungsträger*innen bewusst, so auch in Österreich. In den letzten Jahren wurde von Seiten des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung verstärkt eine Intensivierung von digitaler Bildung im Schulunterricht gefordert. Im österreichischen Bildungssystem gehört digitale Grundbildung erneuert, entwickelt, verbessert und adaptiert. Es wird als notwendig erachtet, digitale Medien im Schulunterricht einzusetzen, wobei nicht das Erlernen von einzelnen Anwendungen im Mittelpunkt, sondern viel mehr „das Verständnis für große Strukturen, Zusammenhänge, Kritikfähigkeit und Interpretation“ (Bundesministerium Bildung, Wissenschaft und Forschung 2019a) im Fokus der Debatte steht. Um den größten Nutzen zu erzielen und um das Bestmögliche für die Schüler*innen in Österreich zu erreichen, müssen strategische Vorgaben für das gesamte System entwickelt werden. Eine Notwendigkeit dazu ist die intensive Modifizierung des Bildungswesens. Mit dieser Thematik setzt sich das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung bereits auseinander und arbeitet derzeit an einem „Masterplan für Digitalisierung in der Bildung“ mit der Absicht, digitale Bildung stufenweise und flächendeckend ins österreichische Bildungssystem zu implementieren. Die Ziele und Umsetzungsmöglichkeiten, gegliedert in die drei Handlungsfelder „‚Software‘ – Pädagogik, Lehr- und Lerninhalte“ (1), „‚Hardware‘ – Infrastruktur, modernes IT-Management, moderne Schulverwaltung“ (2) und „‚Lehrende‘ – Aus-, Fort-, und Weiterbildung“ (3) werden kritisch hinterfragt. Im Vordergrund steht die Überarbeitung des bestehenden Lehrplans und die Integration von Digitalisierung in den Lehr-Lernbereich, die Erweiterung und Veränderung didaktischer und methodischer Konzepte, das Grundverständnis für die Handhabung, die infrastrukturelle Ausstattung und Verfügbarkeit (ausreichend mobile Geräte) sowie die Förderung in der Aus-, Fort-, sowie Weiterbildung der Lehrpersonen. Seit Sommer 2018 wird am Masterplan gearbeitet, wobei dessen Umsetzung bis

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2023 geplant ist (Bundesministerium Bildung, Wissenschaft und Forschung 2019a). Außerdem verkündigte das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (2020b) im Juni 2020 einen „8-Punkte-Plan für den digitalen Unterricht“, der ab Herbst 2020 schrittweise realisiert werden soll.

Im Bundesland Oberösterreich wurden diesbezüglich bereits einige Schritte eingeleitet. So stand das Schuljahr 2017/2018 unter dem Motto „Jahr der digitalen Bildung“ (Education Group 2017), eine Initiative des Landesschulrates1 für Oberösterreich in Zusammenarbeit mit dem Regional Educational Competence Center (RECC) für Informatik und Digitalen Medien sowie in Kooperation mit dem Land Oberösterreich (Regional Educational Competence Center 2017a). Im Zentrum der Debatte war der Gedanke, dass sich nicht nur vereinzelte Schulen mit digitaler Bildung auseinandersetzen, sondern digitale Bildung flächendeckend im Schulunterricht implementiert wird. Ebenso wurde die allgemeine Notwendigkeit erörtert, in allen Schulen und Schultypen digitale Medien in den Schulunterricht zu integrieren (Education Group 2017).

Hierfür wurden alle oberösterreichischen Schulen und Schultypen mobilisiert sowie Ziele zur Digitalisierung auf mehreren Ebenen formuliert. Die Maßnahmen wurden in den Bereichen „Schul- und Unterrichtsorganisation“, „Infrastruktur“ und „Schule und Gesellschaft“ (Regional Educational Competence Center 2017b) verschriftlicht. Im Vordergrund stand dabei einerseits Digitalstrategien an Schulen zu entwickeln und das Fortbildungsangebot für Pädagog*innen zu erweitern. Andererseits wurde der Ausbau des WLAN-Zuganges in den Schulen bzw. die digitale Ausstattung der Schulen durch Inanspruchnahme von Mitteln aus dem Förderpaket des Landes Oberösterreichs unterstützt (Regional Educational Competence Center 2017b).

Des Weiteren startete im Schuljahr 2017/2018 an 178 Schulen ((Neuen) Mittelschule und AHS-Unterstufe) eine verbindliche Übung mit dem Namen „Digitale Grundbildung“. Das Konzept dahinter ist, dass Schüler*innen in vier Jahren Kompetenzen aus Bereichen wie „Gesellschaftliche Aspekte von Medienwandel und Digitalisierung“, „Informations-, Daten- und Medienkompetenz“, „Sicherheit“ uvm. erlernen (Bundesministerium Bildung, Wissenschaft und Forschung 2019b). Seit dem Schuljahr 2018/2019 ist digitale Grundbildung im österreichischen Lehrplan gesetzlich verankert und im Bundesgesetzblatt für die Republik Österreichs verordnet (Rechtsinformationssystem des Bundes: 2018). Damit begann die vollständige Realisierung in allen Schulen der Sekundarstufe 1 (Neuen Mittelschule (NMS2) und der Allgemein bildenden

1 Der Landesschulrat wurde durch das Bildungsreformgesetz 2017 in die Bildungsdirektion eingegliedert, die für

den gesamten Schulsektor zuständig ist und den Bund sowie die Länder miteinander verbindet. Die Integration trat zu Beginn des Jahres 2019 in Kraft (Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich 2017: 3-5).

2 Seit dem Schuljahr 2020/2021 wurde die „Neue Mittelschule“ (NMS) zu „Mittelschule“ (MS) umbenannt, wobei

es zu keinen grundlegenden Erneuerungen kam (Bundesministerium Bildung, Wissenschaft und Forschung 2020a).

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höheren Schulen (AHS)). Jede dieser Schulen entscheidet für sich selbst, ob die verbindliche Übung „Digitale Grundbildung“ in eigens dafür verwendeten Stunden oder in anderen Fächern integriert gelehrt wird. Im Bereich der Volksschule sind digitale Kompetenzen (Medienbildung, Umgang mit Internet etc.) im Lehrplan festgelegt (Bundesministerium Bildung, Wissenschaft und Forschung 2019b).

Ein oberösterreichisches Unternehmen, das sich bereits intensiv für den Einsatz von digitaler Bildung in der Schule bemüht, heißt ‚chabaDoo GmbH‘. Das Unternehmen wurde Mitte 2018 gegründet. ChabaDoo verfolgt einen integrativen ganzheitlichen Ansatz und hat für die Schulen neben Hardware und Software ein einzigartiges Lern-Ökosystem entwickelt. Neben einer Online-Lernwelt, die Schüler*innen ein individuelles und selbstständiges Arbeiten ermöglicht, wurde von chabaDoo explizit auch ein Convertible3 entwickelt (C1-Gerät). In der Entwicklung, Zusammenarbeit und Betreuung werden die Lehrpersonen der kooperierenden Schulen sowie die Schüler*innen aktiv miteinbezogen und anhand ihrer Anregungen und Feedbacks wird die Hard- und Software adaptiert und weiterentwickelt (chabaDoo o.J.a; chabaDoo o.J.b). Mit den Inhalten (Lernwelt und C1-Gerät) des chabaDoo-Unternehmens setzt sich diese Arbeit im empirischen Teil auseinander. Lehrpersonen, die bereits intensiv mit der Lernwelt von chabaDoo arbeiten, wurden in die empirische Erhebung involviert. Da die Autorin der vorliegenden Arbeit bereits in diesem Projekt wissenschaftlich arbeitet, besteht eine gute Vernetzung mit chabaDoo sowie den Lehrenden.

1.2. Zielsetzung

Die Schule zählt zu den formalen Organisationen (Argyris/Schön 2018: 26), die von vielen Akteur*innen gestaltet werden, wobei die Regeln zum Teil bestimmt und im gesellschaftlichen Rechtswesen implementiert sind (Barnard 1938: 4 zitiert in Scott 1986: 43). Eine formale Regel im Schulbetrieb ist zum Beispiel der Unterrichtsbeginn (Sturm 2016: 34). Zu den Akteur*innen zählen Schüler*innen, Eltern, Lehrkräfte, Direktor*innen, Bildungsdirektionen, Ministerien, externe Akteur*innen, verschiedene schulnahe Organisationen etc., wobei sich diese in unterschiedlichen sozialen Rollen befinden (Blömeke/Herzig/Tulodziecki 2007: 29; Langenohl 2008: 817) und diese die Organisation Schule prägen (Blömeke/Herzig/Tulodziecki 2007: 22). Der nun im Bildungssystem festgelegte neue Schwerpunkt zum Einsatz von digitalen Medien im Schulunterricht bringt eine Veränderung in der Organisation Schule mit sich und führt dazu, dass organisationales Lernen stattfindet, indem die Veränderung in Hinblick auf künftige Erfolge sowie die Umstrukturierung und die Durchführung überdacht werden (Argyris/Schön 2018: 31-32).

3 Dabei handelt es sich um einen Laptop, der gleichzeitig im Tabletmodus verwendet werden kann und eine

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Es wird angenommen, dass gerade in Bezug auf den Lehr- und Lerneinsatz eine Umgestaltung festzustellen ist, denn zum einen müssen neue infrastrukturelle Rahmenbedingungen (WLAN, Schulungen, Arbeitsgeräte etc.) geschaffen werden. Zum anderen beeinflusst die Neuregelung verschiedene schulische Teilbereiche und didaktische Gestaltungsformen (Herzig 2014: 14, 17). Der Fokus dieser Masterarbeit richtet sich daher auf die Ebene der Lehrer*innen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass sich das Lehrverhalten der Lehrkräfte durch den Einsatz von digitalen Medien verändert. Dies basiert auf der Annahme, dass sich die Lehr- und Lernkompetenzen vom Frontalunterricht wegbewegen (Rummler/Maurer 2018: 717), das selbständige Arbeiten der Schüler*innen durch digitale Lernaktivitäten in den Mittelpunkt rückt und die Kontrolle und Leistungsüberprüfung durch mediengestützte Selbstkontrolle durchgeführt werden (Rummler/Maurer 2018: 707-708; Albers/Magenheim/Meister 2011: 11). Andererseits müssen die Lehrenden ihr Wissen im Bereich der digitalen Medien erweitern und laufend aktualisieren (Albers/Magenheim/Meister 2011: 10). Für die Erstellung von digitalen Lehr- und Lernmitteln wird darüber hinaus auch der Einsatz von Zeit und Know-how der Lehrperson benötigt (Rummler/Maurer 2018: 712).

Das Ziel dieser Arbeit ist es aufzuzeigen, inwieweit die oben genannten Veränderungen die Rolle der Lehrenden verändert. Dabei steht folgende Hauptforschungsfrage „Inwieweit beeinflusst der

Einsatz von digitalen Medien im Schulunterricht die Rolle der Lehrer*innen?“ im Zentrum der

Debatte.

Die bisherige Aufgabe der Lehrperson war die Rolle der Wissensvermittlung von Fachinhalten, Fachexpertise, Haltung von Nähe und Distanz in der Schüler*innen und Lehrer*innenbeziehung (Keller-Schneider 2010: 110-111) sowie Leiter*in als auch „Wegweiser“ und „direkt Instruierender“ (Reusser 2000: 86) zu sein.

1.3. Forschungsfragen

Die Lehrpersonen nehmen in der Organisation Schule eine Rolle ein, die aufgrund der Anforderungen und Erwartungen (Wissensvermittlung, Beaufsichtigung…) an sie durch bestimmte Verhaltensweisen und Muster geprägt ist (Böhnisch 2019: 29). Diese Rolle unterliegt infolge der permanenten menschlichen und gesellschaftlichen Weiterentwicklung einem ständigen Wandel. Auf das Thema der Masterarbeit bezogen und anhand der State of the Art Recherche ergeben sich daraus folgende Fragestellungen:

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 Inwieweit beeinflusst der Einsatz von digitalen Medien im Schulunterricht die Rolle der Lehrer*innen?

 Welche Aspekte tragen zu einer veränderten Rolle bei?

 Inwieweit ändert sich das Rollenverständnis/Selbstverständnis durch den „Bruch/Wandel“ mit digitalen Medien?

1.4. Methodische Vorgehensweise

Das Ziel dieser Arbeit ist zu zeigen, ob sich die Rolle von österreichischen Lehrer*innen durch die neue in Kraft getretene Bildungsreform in Bezug auf die verstärkte Verwendung von digitalen Medien im Schulunterricht verändert hat. Die inhaltlichen Ausführungen basieren auf einer State of the Art Recherche, die durch die Erkenntnisse des empirischen Teils der Arbeit und Schlussfolgerungen daraus erweitert und adaptiert werden.

Fünf wichtige Sektoren – Organisation, Schule, Rollentheorie, Digitalisierung (digitale Medien) und die Rolle der Lehrpersonen – müssen dabei zunächst einzeln, wie auch zusammenhängend betrachtet werden. Das erfordert, dass zunächst die Thematik von Organisationen mit soziologischer Perspektive diskutiert wird (Kapitel 2). Neben der Definition des Organisationsbegriffes werden unterschiedliche Organisationstypen und die Grundelemente von Organisationen (Scott 1986: 35-42) dargestellt. In weiterer Folge (Kapitel 3) wird die Thematik von Organisationen in Verbindung mit der Schule als Organisation betrachtet (Drepper/Tacke 2012: 205-237). Es wird hinterfragt, ob die Schule als Organisation definierbar ist und inwiefern sich die Schule in das Modell von Scott (1986) übertragen lässt. Außerdem werden ebenso die Spezifika der Schule als Organisation (u.a. in Wenzel 2008: 31-34 oder Rolff 2012: 1001-1016) im Kapitel 3 diskutiert. Des Weiteren wird die Schule als rationales System und als lernende Organisation charakterisiert. Da die Rolle von Lehrer*innen im Fokus der Debatte steht, wird diese Thematik (Kapitel 4) verknüpfend mit der Rollentheorie von Goffman (1997) und Parsons (1976) erläutert, denn die Lehrpersonen üben eine bestimmte Funktion in der Organisation Schule aus (Langenohl 2008: 818). In Folge (Kapitel 5) wird die Digitalisierung und der Einsatz von digitalen Medien im Schulunterricht durchleuchtet und die verbindliche Übung „Digitale Grundbildung“ näher erläutert (Rechtsinformationssystem des Bundes 2018). Ebenso findet die historische Entwicklung der Lehrer*innenausbildung und des Lehrberufs sowie das Unterrichten in der digitalen Welt Behandlung. Auf dieser Basis können die drei Sektoren Schule, Digitalisierung und die Rolle der Lehrperson theoretisch miteinander diskutiert und auch die heutige (veränderte) Rolle der Lehrer*innen in der Organisation Schule und die Aufgabenbereiche von Pädagog*innen anschaulich dargestellt werden (Kapitel 6).

Neben dem theoretischen Input ist auch eine empirische Untersuchung Teil dieser Arbeit. Teilnehmende Lehrer*innen des chabaDoo Projektes wurden persönlich in Form von

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teil-strukturierten Interviews zu ihrer Rolle als Lehrperson befragt (Helfferich 2014: 560, 565- 568, 571-572; Denscombe 2010: 175; Mayring 2016: 66-72). Die Auswertung erfolgt in Anlehnung an der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2000, 2016), wobei die wichtigsten Ergebnisse analysiert werden (Kapitel 7).

Die wesentlichsten Ergebnisse und Erkenntnisse werden im abschließenden Diskussions- und Fazitkapitel (Kapitel 8 und 9) diskutiert und mit den Ausführungen des theoretischen Teiles der Arbeit verknüpfend dargestellt wie auch interpretiert.

2. Organisationssoziologische Perspektive

Organisationen sind omnipräsent, von großer Bedeutung und prägen in der heutigen Zeit das gesellschaftliche Leben (Scott 1986: 21). Die Organisationsforschung beschäftigt sich bereits seit mehreren Jahrzehnten mit dieser Thematik. In der Soziologie ist dabei die Entstehung des Wissenschaftsschwerpunkts auf die Übersetzung von Weber in den 1940er Jahren rückführbar (Scott 1986: 29-32) und nach Apelt und Tacke (2012: 9) hat sich das Interesse an dieser Materie zunehmend in den 1960erJahren etabliert. Max Weber erkannte, dass sich Gesellschaften weg von traditionellen (feudale und religiöse Gemeinschaften) und hin zu rationalen Strukturen (kapitalistischen Industriegesellschaften) bewegten (Scott 1986: 60-61; Müller-Jentsch 2003: 13). Früher richtete sich das Leben und die Arbeit auf eine übergreifende Gemeinschaft, in die das Individuum hineingeboren wurde („Totalinklusion“ (Müller-Jentsch 2003: 13)). Diese ältere Organisationsform lässt sich auch heute noch in Gefängnissen oder Klöstern wiederfinden und wird, da alle Lebensbereiche umfasst werden, als „totale Organisation“ bezeichnet. Gleichzeitig hat sich eine neue moderne Organisationsform etabliert, in der Menschen freiwillig mehreren unterschiedlichen Organisationen beitreten können („Partialinklusion“ (Müller-Jentsch 2003: 14)) und dadurch auch unterschiedliche Rollen einnehmen (Müller-Jentsch 2003: 13-14).

Die Organisationssoziologie ist eine Teildisziplin in der Soziologie und hat die Aufgabe die Organisationsgesellschaft, insbesondere den Zusammenhang zwischen Gesellschaft und Organisation, zu analysieren. Der Ausgangspunkt für die organisationsbezogene Forschung ist, dass Organisationen eine bestimmte Eigenständigkeit gegenüber der Gesellschaft aufweisen (Tacke/Drepper 2018: 14). Generell wird die Gesellschaft einerseits durch Bereiche wie beispielsweise Politik, Erziehung oder Wirtschaft und andererseits durch Organisationen beeinflusst und geformt (Schimank 2005, 2009 zitiert in Tacke/Drepper 2018: 13).

Schulen werden auch als Organisationen deklariert (nähere Ausführung siehe Kapitel 2.1. und Kapitel 3). Jedes Kind, das sich dauerhaft in Österreich aufhält, ist aufgrund der allgemeinen Schulpflicht verpflichtet, am Schulunterricht teilzunehmen (Bundesministerium für Bildung,

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Wissenschaft und Forschung 2020c). Schüler*innen treten dadurch bereits in Kontakt mit einer Organisation, in der sie mitwirken und partizipieren.

Bevor die Schule als Organisation im nächsten größeren Kapitel 3 definiert und analysiert wird, muss zunächst ein allgemeiner Einblick in Organisationen allgemein geschaffen werden. Aus diesem Grund bezieht sich dieser Abschnitt näher auf die allgemeine Definition des Organisationsbegriffes (2.1.). In weiterer Folge wird Bezug auf Organisationstypen (2.2.) und die wichtigsten Grundelemente einer Organisation (Scott 1986) (2.3.) genommen.

2.1. Definition des Organisationsbegriffes

Organisationen werden laut dem Gabler Wirtschaftslexikon (2018) „als soziale Gebilde“ definiert, in denen (soziale) Prozesse stattfinden. Jedes Individuum befindet sich im Laufe seines Lebens fortwährend in einer Organisation, da diese in allen gesellschaftlichen Bereichen existieren. Zu Organisationen zählen Einrichtungen wie Betriebe, Unternehmen, Krankenhäuser, Haftanstalten, Parteien, Verbände, Vereine aber auch Universitäten und Schulen (Gabler Wirtschaftslexikon 2018; Tacke/Drepper 2018: 7). Laut Mayntz sind alle Organisationen „als Produkte ein und desselben Prinzips der sozialen Systembildung aufzufassen“ (Apelt/Tacke 2012: 9). Mayntz (2018: 8) und auch Jost (2000: 11) verweisen darauf, dass die Menschen ihr ganzes Leben in Organisationen verbringen, sowohl im Zuge der Erwerbstätigkeit, als auch in der Freizeit. Sie partizipieren nicht nur in den Organisationen, sondern stehen häufig als Empfänger*innen bzw. Verbraucher*innen mit diesen in Kontakt, wie z.B. als Kund*in oder Patient*in.

Klaiber (2018) zufolge sind Organisationen Gebilde, Systeme bzw. Gruppierungen von Menschen, die „auf die Erreichung von Zielen und Zwecken ausgerichtet“ (2018: 25) sind. Eine kongruente Definition des Organisationsbegriffes legt auch Etzioni (1964) fest. Jost (2000: 12) zufolge dient eine Organisation „als System von Regeln“.

Eine ähnliche Definition liefern auch Kieser und Kubicek (1992), wenn sie Organisationen als „soziale Gebilde, die dauerhaft ein Ziel verfolgen und eine formale Struktur aufweisen, mit deren Hilfe Aktivitäten der Mitglieder auf das verfolgte Ziel ausgerichtet werden sollen“ (1992: 4) beschreiben.

Scott (1986) beschäftigt sich ebenfalls intensiver mit dem Begriff der Organisation. Dabei kommt er zu ähnlichen Erkenntnissen wie Klaiber (2018) oder Kieser und Kubicek (1992). Er analysiert den Organisationsbegriff verschiedener Forscher*innen und leitet davon ab, dass „Organisationen als soziale Strukturen, geschaffen von einzelnen in der Absicht, gemeinsam mit anderen bestimmte Ziele zu verfolgen“ (Scott 1986: 31) sind. Er argumentiert in weiterer Folge in seiner Analyse: „Sie sind lebenswichtige Mechanismen zur Verfolgung kollektiver Ziele in modernen

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Gesellschaften. Sie sind keine neutralen Instrumente, weil sie das, was sie produzieren, prägen und beeinflussen“ (1986: 51). Außerdem äußert Scott, dass Organisationen auch bestimmte Rechte und Berechtigung haben, Macht auszuüben.

Scherer (1999) vertieft sich noch intensiver und bezeichnet „Organisationen als Systeme von impliziten und expliziten Regeln, die auf einen [...] Zweck gerichtet sind und Erwartungen [...] kommunizieren, sich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten. [...] Oftmals können allerdings die Individuen an der Zwecksetzung [...] gar nicht teilhaben, sondern finden diese schlicht vor“ (Scherer 1999: 1), da die Partizipationsmöglichkeiten ungleich verteilt sind.

Schreyögg und Geiger (2016) sprechen davon, dass es zwei Begriffsdefinitionen für Organisationen gibt und unterscheiden zwischen institutioneller und instrumenteller Organisation. Institutionell bedeutet, dass der Fokus auf dem gesamten System liegt, zweckorientiert ist und eine Organisationsstruktur (geregelte Arbeitsteilung, Einhaltung der Regeln, gewisses Maß an Stabilität) vorherrschend ist (2016: 9-11). In instrumentellen Organisationen liegt der Fokus auf einem besonderen Merkmal und auf den Regeln, die das Handeln in Organisationen festlegen (2016: 5-9). Die Autoren merken an, dass die Organisationen heutzutage vermehrt nach dem institutionellen Prinzip handeln (Schreyögg/ Geiger 2016: 11).

Gablers Wirtschaftslexikon (2018) zufolge ist die Schule eine Organisation. Häußling (2018: 191) bezeichnet die Schule jedoch als eine gesellschaftliche Institution. Er definiert, dass Institutionen „soziale Einrichtung[en]“ (2018: 191) während Organisationen formal und strukturell bestimmte „Instrumente menschlichen Zweckhandelns“ (2018:191) sind. Douglass C. North setzte sich näher mit dem Unterschied beider Begrifflichkeiten (Organisation und Institution) auseinander und kommt zu der Erkenntnis, dass Organisationen auch Institutionen sind „since they provide a structure for human interaction” (Faundez 2016: 390). Zwar begründet North (1990, 2005), dass es Unterscheidungsmerkmale gibt, diese werden hier jedoch nicht weiter ausgeführt, da diese unbedeutend und für das Thema der Arbeit nicht von Relevanz sind.

In der Organisationssoziologie wird seit längerer Zeit versucht einen Begriffsrahmen für den Organisationsbegriff zu entwickeln (Scott 1986: 32). Organisationen sind allgemein betrachtet nicht einheitlich definierbar (Schewe: 2018), vielmehr weisen sie divergente Bedeutungsvarianten auf (Muslic 2017: 34). Aus diesem Grund bietet das folgende Kapitel einen Einblick zu den verschiedenen Organisationstypen.

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2.2. Organisationstypen

Wissenschaftler*innen versuchen seit mehr als einem halben Jahrhundert Typologien von Organisationen zu entwickeln, wobei unterschiedliche theoretische Zugänge (sozialpsychologisch, strukturell oder ökologisch) angewandt werden (Scott 1986: 32-33). Tacke und Drepper (2018: 7) sind der Ansicht, dass sich die Organisationsforschung nicht anhand der Forschungsgegenstände typologisieren lasse, sondern vielmehr aufgrund der wissenschaftlichen Problemstellung.

Laut Apelt und Tacke (2012: 8) ist es schwierig Organisationen aus organisationssoziologischer Sicht zu typologisieren. Die Begründung der Autorinnen erfolgt auf ihrer Erkenntnis, dass Organisationen vielfältig sind. Sie unterscheiden Organisationen als Strukturmuster (2012: 11-15) und Organisationstypen bedingt durch die „Produkte der Beobachtung“ (2012: 11, 15-17). Die Typologie von Organisationen als Strukturmuster entwickelt sich aus spezifischen Strukturbedingungen von Organisationen und der gesellschaftlichen Umwelt heraus. Es entstehen erst dann Muster, wenn sich dieselben gesellschaftlichen Bedingungen mehrmals wiederholen. Erfolgt das, kann von generalisierten Strukturen gesprochen werden (Apelt/Tacke 2012: 14).

„Typen werden von Beobachtern gemacht“ (Apelt/Tacke 2012: 16): Beobachter*innen tragen dazu bei, Typologien zu entwickeln, indem sie Organisationen beobachten und miteinander vergleichen um Unterschiede festzustellen. Die beiden Autor*innen erörtern, dass es dadurch zu sehr vielen unterschiedlichen Bezeichnungen von Typen kommt. Die Beobachtung und Vergleichbarkeit von Organisationen ist jedoch erst möglich, seitdem ein allgemeiner Begriff für Organisationen definiert wurde (Apelt/Tacke 2012: 15-17).

Sowohl Scott (1986: 43-48) als auch Scott und Davis (2007: 27-32) beschäftigen sich mit der Typologie von Organisationen und unterteilen diese in rationale (rational), natürliche (natural) und offene (open) Systeme.

Organisationen als rationale Systeme sind Kollektive, die eine relativ stark formalisierte soziale Struktur aufweisen und darauf ausgerichtet sind, spezifische Ziele zu erreichen. Webers Bürokratietheorie und Simons Theorie administrativen Verhaltens zählen zu der Perspektive des rationalen Systems (Scott 1986: 43-45, 93-98, 105-115; Scott/Davis 2007: 28-29, 36-40, 46-56).

Natürliche Systeme unterscheiden sich von rationalen Systemen, da sie informell agieren und das

gemeinsame Interesse an der Beständigkeit der Organisation im Vordergrund steht, auch wenn es eine Vielfalt an unterschiedlichen Interessen gibt. Parsons AGIL-Schema kann zur Perspektive der natürlichen Systeme positioniert werden (Scott 1986: 45-47, 119-127, 139-144; Scott/Davis 2007: 29-31, 60-64, 76-80). Die Gemeinsamkeit beider genannten Systeme ist, dass sie geschlossene Systeme sind (Scott/Davis 2007: 31; Scott: 1986: 47).

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Offene Systeme hingegen zeichnen sich dadurch aus, dass sie aus temporären wechselnden

Interessensgemeinschaften bestehen und stark von deren Umwelt geprägt werden. Die Kontingenztheorie und Umwelttheorien können dieser Perspektive zugeordnet werden (Scott 1986: 47, 157-160, 163-167; Scott/Davis 2007: 31-32, 95-97, 103-104).

Die Organisation Schule lässt sich den rationalen Systemen zuordnen, einige Indizien hinsichtlich der Formalisierung (Rollenerwartung, Ersetzbarkeit) und Zielspezifizität deuten darauf hin. Die nähere Erläuterung diesbezüglich folgt in Kapitel 3.4.

2.3. Die wichtigsten Grundelemente einer Organisation (W. Richard

Scott)

Organisationen sind vielfältig, da sie in unterschiedlichen Bereichen vertreten sind (siehe Kapitel 2.1.). Leavitt (1965), auf den sich Scott (1986: 35-42) bezieht, entwickelte ein simplifizierendes Modell, das die wichtigsten Grundelemente von Organisationen hervorhebt. Insgesamt werden fünf Elemente – Sozialstruktur, Beteiligte, Ziele, Technologie (innere Elemente) und die Umwelt, die alles umschließt – in einer Organisation benötigt. Abbildung 1 veranschaulicht die Abhängigkeiten der einzelnen Grundelemente, wobei die Doppelpfeile den wechselseitigen Zusammenhang der inneren Elemente (Sozialstruktur, Beteiligte, Ziele und Technologie) darstellen. Obwohl die Umwelt ein äußeres Element ist, steht sie Scott (1986: 35) zufolge in Abhängigkeit mit der Organisation.

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Organisationen sind nach dieser Abbildung 1 und auch nach Leavitt (1965) ein Konstrukt aus vier inneren Bestandteilen: Sozialstruktur, Beteiligte, Ziele und Technologie und einem äußeren Bestandteil: Umwelt. So zählen Sozialstruktur, Beteiligte, Ziele und Technologie zu den inneren Elementen einer Organisation und stehen in wechselseitiger Beziehung zueinander (siehe Doppelpfeile). Gleichzeitig werden die einzelnen Elemente laut Scott (1986: 36, 40-42) zusätzlich von der Umwelt (von außen) beeinflusst: „Keine Organisation ist autark, d.h. aus sich heraus lebensfähig: allesamt sind sie in ihrem Überleben von den Beziehungen abhängig, die sie zu den größeren Systemen deren Teil sie sind, herstellen“ (Scott 1986: 41). Alle fünf genannten Elemente sind für eine Organisation bedeutend (Scott 1986: 42).

Die einzelnen Grundelemente werden in Folge näher ausgeführt.

Die Sozialstruktur besteht aus zwei Komponenten, der normativen Struktur und der Verhaltensstruktur. Werte (zur Verhaltenszielsetzung), Normen (generalisierte Verhaltens-steuerung) und Rollen (Verhaltenserwartung spezifischer sozialer Position) zählen zur normativen Struktur, da Vorschriften zum Verhalten der Individuen vorgegeben werden. Die Verhaltensstruktur bezieht sich auf das tatsächliche Verhalten hinsichtlich Aktivitäten, Interaktionen und Gefühle eines Individuums. Dadurch kann die Machtstruktur innerhalb einer Gruppe sowie die soziometrische Struktur wahrgenommen werden. Beide Komponenten sind kohärent und prägen einander, wobei sie stetig im „Zustand dynamischer Spannung“ (Scott 1986: 37) stehen. Die Normen- und Verhaltensstruktur gilt für alle Beteiligten, da sie sich gemeinsam in einem Netzwerk befinden. Außerdem können Konflikte auftreten, die größtenteils formal und standardisiert sind, da sie in der Struktur verankert sind. Die Sozialstruktur ist nur durch die Formalisierung veränderbar (Scott 1986: 38).

Menschen, die sich in einer Organisation befinden, sind Beteiligte. Individuen können jedoch in mehreren Organisationen partizipieren, wobei das Ausmaß und der Umfang des Engagements variieren und von der eigenen Rolle, Funktion und den Fähigkeiten und Fertigkeiten innerhalb der spezifischen Organisation(en) abhängen (Scott 1986: 39). Beispielsweise ist ein Individuum Patient*in in einem Krankenhaus, gleichzeitig Kund*in in einem Supermarkt, geht regelmäßig in die Kirche und arbeitet in einem Unternehmen. Daher ist bedeutend, dass die Struktur der Organisationen so konzipiert ist, dass die Differenzen in Balance gehalten werden.

Ziele werden von Scott (1986: 40) als „Zweck-Nutzen-Konzeption“ definiert, da sie vor allem so

ausgelegt sind, dass sie dazu beitragen, die Pflichten und Aufgaben zu erreichen.

Die Technologie ist ein sehr weit gefasster Begriff des Modells. Jede Organisation verfügt in ihrer eigenen Art und Weise darüber, wie Arbeit geleistet und welche Art an Technologie für den Arbeitsprozess verwendet wird. Einerseits nützen Unternehmen Technologien um materiellen Input wie beispielsweise Werkzeuge zu erstellen. Andererseits werden Techniken angewandt, die

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sich auf der immateriellen Ebene befinden, wobei sich diese „Produkte [...] aus kenntnisreicheren Individuen – im Falle von effektiven Schulsystemen“ (Scott 1986: 40) zusammensetzen. Technologien können aus diesem Grund Maschinen, Herstellungsweisen, aber auch Medien, Informationen, Kenntnisse oder Fertigkeiten sein, mit dem Bestreben, ehestmöglich das zuvor definierte Ziel und Ergebnis zu erreichen (Scott 1986: 40). In Bezug auf die Schule als Organisation bedeutet das, dass dafür vor allem die Aspekte Informationen, Kenntnisse und Fertigkeiten benötigt werden.

Das fünfte Grundelement ist die Umwelt. Scott (1986: 41-42) hebt in seinem Werk „Grundlagen

der Organisationstheorie“ die vier inneren Bestandteile und ihren Zusammenhang mit der Umwelt

hervor. Die Umwelt beeinflusst die Sozialstruktur. Individuen erklären sich freiwillig dazu bereit, sich dementsprechend anzupassen oder sie werden von der Organisation aufgefordert sich einzugliedern. Die Beteiligten wirken in mehr als einer Organisation mit, wobei sie jedoch immer nur partiell und bedingt an einer Organisation interessiert sind. Beim Eintritt führen sie ihr eigenes „kulturelle[s] und soziale[s] Gepäck“ (Scott 1986: 41) mit sich. Ziele können – Scott zufolge – nur mithilfe der Organisation erreicht werden, wobei die einzelnen Organisationen individuelle Ziele verfolgen. Die Gewichtung des Ziels hängt vom gesellschaftlichen Interesse ab. Die Schule als Organisation wird nur dann unterstützt, wenn Bildung in der Gesellschaft als wichtig erachtet wird. Die Technologie(n) einer Organisation kommt/kommen hauptsächlich aus der Umwelt. Bestehende Strukturen der Umwelt werden beispielsweise für den Erwerbstätigkeitssektor übernommen, diese Übernahme ermöglicht eine schnellere Herstellung von materiellen und immateriellen Produkten (Scott 1986: 41-42).

Die Schule zählt – wie bereits mehrfach in diesem Kapitel angesprochen – zu den Organisationen. Zugleich kann der Schule als Organisation das fünf Grundelemente-Modell nach Scott (1986) zugeordnet werden. Das Modell des Soziologen richtet sich nicht explizit an die Organisation Schule, Ausschnitte weisen jedoch darauf hin, dass sie sich ebenso aus den beschriebenen fünf Grundelementen (Sozialstruktur, Beteiligte, Ziele, Technologie und Umwelt) zusammensetzt (siehe Kapitel 3.3.). Was macht die Schule jedoch als Organisation aus? Das folgende Kapitel 3 setzt sich mit dieser Frage und weiteren Aspekten auseinander.

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3. Schule als Organisation

Die unterschiedliche Positionierung der Schule als Organisation wird in diesem Kapitel durchleuchtet. Zunächst wird die Organisation Schule allgemein (Kapitel 3.1.) sowie in Bezug auf die Besonderheiten (Kapitel 3.2.) näher erläutert, bevor das fünf Grundelemente-Modell nach Scott (1986) analysiert wird (Kapitel 3.3.). In der Organisationssoziologie und –theorie wird die Schule auch als rationale, soziale und lernende Organisation beschrieben (Muslic 2017: 40). Kapitel 3.4. und 3.5. setzen sich daher mit der Schule als rationales und lernendes System auseinander.

3.1. Organisation Schule

Den Definitionen von Organisation – siehe Kapitel 2.1. – folgend, zählt die Schule als Organisation, da sie anhand von bestimmten Strukturen ziel- und zweckorientiert agiert (Von Rosenstiel 2003: 226). Tacke und Drepper (2018: 8-9) thematisieren, dass die Schule „als „Ort des Lernens“, als „Erziehungsstätte“ oder als „pädagogische Handlungseinheit““ (Fend 1986 zitiert in Tacke/ Drepper 2018: 9) fungiert. Erziehung nimmt einen wesentlichen Bestandteil im Schulunterricht ein. Luhmann zählt die Schule zu den „Anstalten des Erziehungssystems“ (2002: 123). Heitmann (2013:103) definiert – ähnlich wie Luhmann und auch Herzog – „Schule als Organisation eines gesellschaftlichen Teilsystems, nämlich des Erziehungssystems, dem eine spezifische Funktion innerhalb der Gesellschaft zukommt“ (Heitmann 2013: 103). Außerdem besteht das Organisationssystem Schule aus Einzelschulen, die im Bildungssystem individuell handeln (Heitmann 2013: 99-100). In Anlehnung an Luhmann erklärt Heitmann, dass das Erziehungssystem mit dem Bildungssystem gleichzusetzen ist, das für eine einheitliche (Aus-)Bildung und der Unterstützung im sozialen Kompetenzerwerb verantwortlich zeichnet. Das Schulsystem wird dabei in seiner Gesamtheit, in Hinblick auf einzelne Schulen und Interaktionen im Unterricht betrachtet (interne Differenzierung) (Heitmann 2013: 103). Rolff (2012: 1001) vertritt ebenso die Auffassung, dass das Bildungswesen nicht als Gesamtheit charakterisiert werden kann, sondern viel mehr der Fokus auf die einzelnen Schulen zu legen ist. Das bedeutet, dass Einzelschulen ein Bestandteil des Schulsystems sind (Rolff 2019: 33). Auch in Herzogs (2011) Ansatz finden sich Parallelen. Er sieht die Schule als Element des Erziehungs- und Bildungssystems, das neben weiteren gesellschaftlichen Subsystemen wie Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Sport etc. bestimmte Funktionen übernimmt und im Dialog mit diesen steht. Herzog vertritt dabei die Auffassung, dass die Grenzen des Bildungssystems im Vergleich zu anderen Organisationen nicht klar verlaufen, da sich die Schule hauptsächlich auf ihre Aufgabe konzentriert (Herzog 2011: 163-164). Auch Warnken (1997: 23) und Wenzel (2008: 29) beschäftigen sich näher mit dieser Thematik und stellen fest, dass es in der Schule viele weitere Subsysteme gibt, die wiederum eigene Kulturen, Rahmenbedingungen etc. aufweisen.

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Drepper und Tacke unterteilen die Organisation Schule in eine äußere Organisation, die vor allem Bereiche wie schulische System, Ordnung, Administration und Management erfasst, und eine innere Organisation, wozu neben dem Schulunterricht auch die Beeinflussung der Schüler*innen zählt (2012: 209). Im Vordergrund des schulischen Bildungsprozesses steht der Schulunterricht und die Vermittlung von wesentlichen Normen und Werten in Interaktion zwischen den Lehrer*innen und schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen (Herzog 2011: 164; Drepper/Tacke 2012: 224).

Ähnlich wie Scherer (1999) – siehe Kapitel 2.1. – verweisen Welling, Breiter und Schulz (2015: 17) daraufhin, dass die Organisation Schule aus sowohl impliziten als auch expliziten Normen und Regeln besteht, teilweise zweckgerichtet ist und Erwartungshaltungen verbreitet.

3.1.1. Strukturelle Merkmale der Organisation Schule

Muslic (2017: 37) erörtert, dass sich keine einheitlichen allgemeinen Charakteristika von Merkmalen zur Schule als Organisation in der Literatur wiederfinden. Die klassischen Eigenschaften von Organisationen lassen sich jedoch auch auf die Schule projizieren, wobei strukturell gesehen noch weitere Aspekte enthalten sind (Muslic 2017: 41).

Zum einen befinden sich in der Schule – wie auch in anderen Organisationen – „professionell Handelnde“ (Muslic 2017: 41), beispielsweise Lehrpersonen. Der Unterschied zu den klassischen Eigenschaften von Organisationen liegt im Falle der Bildungseinrichtungen darin begründet, dass die Beteiligten in ihrer Tätigkeit stark autonom handeln können. Zum Beispiel haben die Lehrenden die Möglichkeit über ihren eigenen Schulunterricht zu entscheiden und zu interagieren (Meier/Schimank 2010 & Mintzberg 1979 zitiert in Muslic 2017: 41; Heitmann 2013: 121; Herzog 2011: 169; Drepper/Tacke 2012: 223; Rolff 2019: 37). Obwohl sie in ihrem Schaffen an unterschiedliche Vorschriften, Regeln und Disziplinierungsmöglichkeiten gebunden sind, ist ihr Handeln intransparent. Die Bildungsbeauftragten können vornehmlich ohne äußere Einflüsse operativ frei und individuell handeln, ohne sich dabei abzustimmen, da ein Kontrollsystem fehlt. Des Weiteren sind sie aufgrund ihrer Autorität kaum beobachtbar bzw. beurteilbar, weder von den anderen Kolleg*innen noch von der Schulaufsicht (Muslic 2017: 43; Heitmann 2013: 122; Herzog 2011: 169; Drepper/Tacke 2012: 224; Feldhoff 2011: 23). Vielmehr findet der Unterricht eigenverantwortlich und hinter verschlossenen Türen statt, wobei die Lehrer*innen selbst zu eigener Rechenschaftslegung verpflichtet sind (Heitmann 2013: 122, 127; Rolff 2019: 387). Die Hauptaufgabe der Lehrenden ist die Wissensvermittlung und Interaktion mit den Schüler*innen. Die Leistungsbeurteilung erfolgt über die Vergabe von Noten, wobei diese von den einzelnen Lehrpersonen mit Ausnahme des Team-Teachings und anderwärtiger kollegialer Überprüfungs-modi vergeben werden. Diese müssen nicht unbedingt schriftlich notiert werden (Drepper/Tacke 2012: 225-226). Herzog (2009) begründet diese Erkenntnisse damit, dass der Unterricht begrenzt

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bürokratisch steuerbar ist, da die Arbeit der Pädagog*innen kaum vereinheitlicht werden kann, obwohl die Schule durch die Kontrolle, Leistungserwartungen etc. wie eine vermeintliche bürokratische Organisation wirkt (2009: 159-160; 2011: 167-168). Noten und Zeugnisse dienen beispielsweise im Erziehungssystem zur Organisierbarkeit (Brosziewski 2012: 382). Entgegen dieser Wahrnehmung vertritt Herzog (2011: 164) jedoch auch die Auffassung, dass die Organisation Schule eine geringe Eigenständigkeit verglichen mit anderen Organisationen wie beispielsweise im wirtschaftlichen oder rechtlichen Bereich aufweist und einer öffentlichen Kontrolle durch den Staat unterliegt. Die wesentlichen Eigenschaften der Schule sind nach Welling, Breiter und Schulz (2015: 19) die starke Selbstständigkeit und Flexibilität sowie die minimale Kontrollierbarkeit und Schätzbarkeit.

Schulen werden des Weiteren im neo-institutionalistischen Organisationsverständnis als „lose gekoppelte Systeme“ (Weick 1976 zitiert in Muslic 2017: 43) definiert, da das Handeln einerseits auf der Autonomie der Lehrenden bzw. einzelnen Schulen beruht und andererseits von der staatlichen Bildungsadministration abhängt. Mittlerweile kommt es durch die Einführung der Lernstanderhebungen, dem Austausch zwischen der Schulleitung und Schulaufsicht und der Evaluation und Reflexion von Maßnahmen zu einer Modifizierung der Schulorganisation. In diesem Fall kann von einer eher festen Kopplung gesprochen werden, da eine engere Verbindung zwischen der Schule und externen Organisationen vorhanden ist (Muslic 2017: 43; 69-71; Terhart 2003: 196-197). Interagieren mehrere Kriterien miteinander, ist das System eher enger gekoppelt (Feldhoff 2011: 23). Wenzel (2008: 28-29) bezieht sich wiederum auf Terharts ursprünglichen Ansatz und spricht ebenso von losen gekoppelten Systemen, da die Schule einerseits als selbstständiges Einzelelement definiert werden kann und somit eine hohe Flexibilität und kaum Kontrollierbarkeit besitzt. Andererseits steht sie im selben Moment in Relation mit anderen Systemen. Rolff vertritt nicht Weicks Ansatz, dass die Organisation Schule lose gekoppelt ist. Ihm zufolge ist die Organisationsstruktur angesichts der Arbeitsteilung, fixen Aufteilung der Arbeitsaufgaben etc. „gefügeartig“ (Rolff 2019: 36). So müssen sich Lehrpersonen ebenso fügen, denn sie sind dazu verpflichtet sich an den Lehrplan und die Lehrinhalte zu jedem Fach und Jahrgang zu halten. Lose gekoppelt ist für ihn rein die Kooperation zwischen den Organisationsmitgliedern, insbesondere den Lehrenden, die sich gegenseitig unterstützen (Rolff 2019: 36-37; Rolff 2012: 1005-1006; Feldhoff 2011: 24).

Drepper und Tacke (2012) debattieren über die Autonomie von Schulen, wobei sie zu dem Entschluss kommen, dass die schulische Organisation noch immer strukturell vom staatlichen und der politischen Rahmenbedingungen abhängt. Staatliche Förderungen tragen dazu bei, dass Gebäude, Infrastruktur und Personal- und Betriebskosten bezahlt werden. Gesetzliche Rahmenbedingungen und verbindliche Vorschriften sind vorhanden, können jedoch nur bedingt die Organisation Schule entlasten wie beispielsweise der Lehrplan für die unterschiedlichen

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Schulstufen und Schultypen. Außerdem wird durch Vorschriften jeder/jedem Schüler*in der Zugang zur Schulbildung gewährleistet (Drepper und Tacke 2012: 207, 218-20 230-231).

Auch Heitmann (2013) setzt sich intensiver mit der Autonomiefrage auseinander. Aus systemtheoretischer Sicht handelt die Organisation Schule (Einzelschule) einerseits im Sinne von äußeren Rahmenvorgaben und staatlichen Behördenstrukturen und andererseits autonom. Ein selbstständiges individuelles Handeln von Schulen kann erst dann stattfinden, wenn die staatlichen bestimmten Verordnungen sowie organisatorische, finanzielle und personelle Rahmenbedingungen geschaffen werden (Heitmann 2013: 99-100). Luhmann (2000) zufolge charakterisieren „autopoietisch operierende Organisationssysteme“ (Heitmann 2013: 99), dass sie von „Entscheidungsprämissen“ (Heitmann 2013: 99) hinsichtlich Programm, Personal und Kommunikationswegen innerhalb der Organisation bestimmt sind (Luhmann 2000: 222ff. zitiert in Heitmann 2013: 99). Laut Heitmann werden diese Prämissen in der Schule von externen Akteur*innen entschieden (Heitmann 2013: 99, 111). In Österreich trifft das jedoch nur bedingt zu, denn obwohl beispielsweise das Bildungsangebot und inhaltliche Vorgaben (Lehrplan, Lehrbücher) vornehmlich flächendeckend – im Sinne von Rahmenbedingungen – angeboten werden, können die einzelnen Schulen selbstständig entscheiden, welche Lehrkräfte sie einstellen möchten (Bundesministerium Bildung, Wissenschaft und Forschung 2019c). Prinzipiell bereiten sich die Lehrenden selbstständig auf ihre Unterrichtssequenzen vor. Es gibt jedoch auch formal festgelegte schulinterne Fachkonferenzen, in denen gemeinsam mit anderen (Fach)Kolleg*innen Regeln hinsichtlich organisationsexternen Rahmenbedingungen wie Curriculum, rechtlichen Vorgaben etc. bestimmt werden (Drepper/Tacke 2012: 227) oder Abstimmungen stattfinden (Wellinger/Breiter/Schulz 2015: 19). Heitmann (2013) sowie Drepper und Tacke (2012) erwähnen auch, dass es einige Entscheidungsprämissen gibt, die innerhalb der einzelnen Schulen festgelegt werden. Diskussionen in Schulgremien zwischen Lehrer-, Schüler- und Elternvertreter*innen zählen dazu, wobei die Konferenzen einerseits in kollegialer Form und andererseits in professioneller, organisatorischer formaler Weise mit Einladung, Programm und Protokoll stattfinden können (Heitmann 2013: 100; Drepper/Tacke 2012: 227-228).

Zudem besitzt die Schulleitung wesentliche Rechte und Rollen, sie ist für die Schulfächerzuteilung, Personalentscheidungen sowie Bildung von Schulklassen zuständig (Heitmann 2013: 100).

In weiterer Folge charakterisieren Tacke und Drepper (2018: 105; Drepper/Tacke 2012: 208) Schulen hinsichtlich ihrer Mitglieder als „professionelle Monokulturen“. Die Autor*innen begründen dies damit, dass die Schulen strukturell betrachtet kaum multireferenziell agieren. Einerseits setzen sich die Teilnehmer*innen hauptsächlich aus Lehrkräften zusammen, andererseits ist die Organisation Schule darüberhinausgehend noch für weitere Bereiche zuständig (juristische Unterstützung, rechtliches Wissen, Kenntnisnahme über Lehrer*innenfortbildung, Repräsentation

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gegenüber Medien). Viele Funktionen der staatlichen Schulverwaltung oder anderen Trägerorganisation werden von den Schulen selbst übernommen. Folglich sind Schulen in ihrem Handeln „souveränitätsabhängig“ (Drepper/Tacke 2012: 207; Tacke/Drepper 2018: 105) und können nicht individuell über ihre Struktur bestimmen (Tacke/Drepper 2018: 105). Vielmehr sind sie an den Staat sowie Politik und Recht gebunden (Drepper/Tacke 2012: 207). So hat die Schule auch explizite Entscheidungen zu fällen, die Luhmann (2002) zufolge nicht innerhalb des Schulunterrichts getroffen werden können und aus diesem Grund auf externe Organisationen ausgelagert werden (Heitmann 2013: 108).

Schulen fungieren daher „zugleich als Erziehungs- und Bildungsadresse [...], als Rechtsadresse [...], als bildungspolitische und Verwaltungsadresse [...] sowie als Organisationsadresse [...], als Ausbildungsadresse [...] sowie als persönlichkeitsprägender Ort im individuellen Lebenslauf, ob positiv oder traumatisch.“ (Drepper/Tacke 2012: 232).

„Erziehung zur Selbsterziehung“ (Wenzel 2008: 33) ist in diesem Zusammenhang das Hauptbildungs- und Erziehungsziel in der Organisation Schule.

3.1.2. Dimensionen des schulischen Organisationssystems

Die Basis des schulischen Organisationssystems etabliert sich primär auf Basis der Lehr-Lern-Beziehungsdynamik zwischen den Schüler*innen und Lehrpersonen im Schulunterricht. Entscheidungen über die zeitliche Einteilung oder Unterrichtsthemen werden jedoch extern über die Organisation getroffen (Luhmann 1986: 97; Heitmann 2013: 108-109). Lehrkräfte nehmen dabei einerseits eine dienstrechtliche Position gegenüber den Staat und die Schulbehörde ein (extern) und agieren andererseits formal-organisatorisch gegenüber der Schulleitung (intern). Auch die Schulleitung handelt im Auftrag des Staates. Die Verpflichtung besteht daher primär nicht gegenüber der Organisation Schule, sondern vielmehr dem Staat (Heitmann 2013: 108-109). Die Organisation kümmert sich um die Beständigkeit des Unterrichtsbetriebs (Luhmann 2002: 121). Abbildung 2 veranschaulicht diese Relation, die von Heitmann Grenzdimension genannt wird.

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Abbildung 2: Organisationssystem Schule

(Eigendarstellung in Anlehnung an Heitmann 2013: 108-109)

Die Schule als Organisation lässt sich in weitere Dimensionen unterteilen, wie die der Ressourcen-, Struktur-, Prozess- und Reflexionsdimension:

 Ressourcendimension: Die Schule hat im Vergleich mit anderen Organisationen einen eigenen Zugang zu Ressourcen. Während beispielsweise Wirtschaftsorganisationen monetäre Mittel benötigen, ist die Organisation Schule vom Staat existenziell abgesichert. Permanente Personalkosten und Sachkosten (Gebäude und Equipment) sind Hauptbestandteile der Schule (Heitmann 2013: 115-116). Im Vordergrund, was die Ressourcen betrifft, steht Luhmann zufolge das didaktische und pädagogische Wissen, die die Professionalität des Lehrberufs auszeichnet (2002: 149; Heitmann 2013: 114-115). Tenorth (2007: 586-587) begründet das damit, dass die Schüler*innen durch die Vermittlung der Lehrenden auf das spätere Leben vorbereitet werden.

 Strukturdimension: Darunter werden die festgelegten Strukturen verstanden, auf denen Prozesse einer Organisation stattfinden. Dazu zählen beispielsweise die Arbeitsteilung, Rollenfestlegung, Regeln sowie Verantwortlichkeiten (Wilke 1999: 206). Im Vergleich zu anderen Wirtschaftsorganisationen gibt es zwischen den Lehrkräften in der Schule kaum hierarchische Verhältnisse, da sie gleiche Qualifikationen besitzen und dasselbe Bildungs- und Erziehungsziel verfolgen. Themen werden innerhalb des Kollegiums besprochen, wobei die Abstimmung vielfach in Pausen oder Konferenzen erfolgt. Sie unterscheiden sich lediglich in ihrer fachlichen Expertise. Konferenzen dienen vor allem zur Rekonstruktion von Unterrichtssituationen und Lernleistungsbeurteilung der Schüler*innen. Des Weiteren gibt es kaum Aufstiegs- und Karrierechancen. Die Schulleitung weist jedoch ein minimal hierarchisches Verhältnis auf, vergleichsweise mit

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Wirtschaftsunternehmen ist dieses jedoch gering. Die/Der Schulleiter*in hat bestimmte zusätzliche Aufgaben wie beispielsweise Kontrollpflicht über das Unterrichtsgeschehen (Heitmann 2013: 117-123; Terhart 2003: 213; Herzog 2011: 169; Drepper/Tacke 2012: 225).

 Prozessdimension: Dazu zählt einerseits das Vermitteln von Wissen und Können an die Lernenden und andererseits die Beurteilung des Erfolges um Bildungs- und Erziehungsziele zu erreichen. Im Fokus der Organisation Schule steht der Schulunterricht. Im Unterrichtsprozess werden Leistungen durch beispielsweise Zeugnisse oder Abschlüsse generiert, die einerseits relevant für weitere Bildungseinrichtungen oder Unternehmen sind und andererseits zur Positionsvergabe innerhalb der Gesellschaft beitragen (Luhmann 1996: 19; Sturm 2016: 43). Prozessregeln sind beispielsweise Lehrpläne, in denen Rahmenbedingungen für Arbeitsprozesse strukturiert werden, die Erarbeitung erfolgt jedoch durch die Interaktion zwischen der Lehrkraft und den Schüler*innen. Die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen den Lehrbeauftragten und Lernenden ist eine der zentralsten Funktionen in der Organisation Schule. Außerdem dienen Prozesse dazu, dass Homogenität, Gleichberechtigung und Vergleichbarkeit für die Bewertung gewährleistet werden (Heitmann 2013: 123-131; Brüsemeister 2020: 111).  Reflexionsdimension Diese dient dazu Ziele und Prioritäten zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen, wie zum Beispiel Lehrpläne oder Schulgesetze. Das erfolgt in komplementärer Abstimmung mit der inneren und äußeren Umwelt, da einige Bereiche die (bildungs-)politische und administrative Ebene betreffen (Heitmann 2013: 131-134). „Reflexion impliziert, dass ein System in Abstimmung mit seiner Umwelt seine eigene Qualität zur Debatte stellt, und [...] auf diesem Wege sein Überleben zu sichern und sein Verhältnis zur Umwelt zu optimieren“ (Heitmann 2013: 134). Diese Dimension ist vor allem für das Kapitel über die lernende Organisation (Kapitel 3.5.) relevant.

Auch Drepper und Tacke (2012: 206) haben Dimensionen (Sozial-, Sach-, Zeit- und Raum-dimension) für die Organisation Schule hinsichtlich des sozialen Kontexts entwickelt.

 Sozialdimension: Innerhalb der Schule werden schulpflichtige Kinder nach bestimmten Voraussetzungen in Gruppen (Klassen) eingeteilt und (zwangs-)sozialisiert. Aus der Diversität der einzelnen Lernenden entsteht eine soziale homogene Gruppe, unabhängig von familiären Hintergründen. Diese erleben und nehmen unterschiedliche Rollen wahr, in denen sie selbst agieren (Drepper/Tacke 2012: 206). Diese Ebene ist jener der Strukturdimension (Heitmann 2013: 117-123) ähnlich.

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 Sachdimension: In der Schule wird nach bestimmten Vorschriften, Gesetzen und Regeln gehandelt. Es wird erwartet, dass die Akteur*innen sich dementsprechend verhalten. Der Schulunterricht erfolgt anhand von passenden pädagogisch-didaktischen und fachlichen Aspekten (Drepper/Tacke 2012: 206). Diese Ebene kann auch der Strukturdimension nach Heitmann (2013: 117-123) zugeordnet werden.

 Zeitdimension: Die Mitglieder erleben eine Regelmäßigkeit in der Organisation Schule über einem längeren Zeitraum. Die Ereignisse, wie beispielsweise die Ferien, finden jährlich zur (meist) gleichen Zeit statt. Des Weiteren verkehren Lehrkräfte und Schüler*innen durch den gemeinsamen Stundenplan mehrmals pro Woche im Schulunterricht. Oftmals begegnen sie sich auch in den nächsten Schulstufen (Drepper/ Tacke 2012: 206; Herzog 2011: 181).

 Raumdimension: Die Schule stellt zusätzlich spezifische Räume im Schulhaus bereit, in dem die beteiligten Individuen agieren und sich in den meisten Fällen über mehrere Jahre aufhalten. Diese Erfahrung, der Weg zu den beispielsweise Turnsälen, wird mit anderen Mitgliedern geteilt (Drepper/Tacke 2012: 206). Diese Dimension sowie die Zeitdimension lassen keine Querverbindungen zu Heitmanns Dimensionen zu.

3.1.3. Abgrenzung zu anderen Organisationen

Die Organisation Schule muss von anderen Organisationen differenziert werden, da hier nicht – wie üblicherweise – Produkte und Kund*innen im Vordergrund stehen (Heitmann 2013: 111-113). Schüler*innen können nicht mit Kund*innen gleichgestellt werden, da sie unfreiwillig die Pflichtschule besuchen. Produkte können nur in Interaktion zwischen den Lehrenden und Lernenden entstehen, beispielsweise um eine vordefinierte Leistung zu erreichen. Hinsichtlich der Unterrichtsleistung kann jedoch weder die Lehrkraft noch die Schüler*innen haftbar gemacht werden (Terhart 2003: 212-213).

Tenhort als auch Blömeke sprechen davon, dass der Unterricht vielmehr das Hauptgeschäft der Organisation Schule ist, wobei die Lehrkörper dafür zuständig sind, Lernsequenzen zu planen und durchzuführen (Tenhort 2007: 585; Blömeke 2002: 42; Schratz/Wiesner/Rößler/ Schildkamp/George/Hofbauer/Pant 2019: 403). Pädagog*innen sind für die „inhaltliche Leistungsebene des Schulsystems verantwortlich“ (Brüsemeister 2020: 111). Schüler*innen interagieren im Schulunterricht mit ihren Lehrenden und nehmen dabei die Position der „Koproduzenten“ (Herzog 2011: 168) ein.

Aus diesem Grund ist es schwierig die Schule als formale Organisation zu betrachten (Drepper/ Tacke 2012: 210). Wissenschaftler*innen positionieren sich dabei unterschiedlich. Sowohl Sturm

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(2016) als auch Welling, Breiter und Schulz (2015) sind der Ansicht, dass Schulen aufgrund von formal bestimmten Regeln als Organisationen gekennzeichnet werden können, die abhängig von der Rolle der Schulbeteiligten Gültigkeit haben. Die Rolle erschließt sich aus den Organisationszielen, wobei die Kriterien nicht für alle Akteur*innen einheitlich gültig sind (Sturm 2016: 33-35, 57; Welling/Breiter/Schulz 2015: 18). Eine Regel bezieht sich beispielsweise auf den zeitlich fixierten Unterrichtsbeginn oder die permanente Leistungsbewertung durch Noten (Sturm 2016: 33-35; 57) sowie die Pünktlichkeit (Langenohl 2008: 819). Auch die Arbeitsteilung erfolgt formal (Welling/Breiter/Schulz 2015: 19). Agyris und Schön (2018: 26) definieren die Schule ebenso als eine formale Organisation, da sich die Bildungseinrichtungen an explizite Regel des Rechtssystems orientieren müssen. Für Helsper (2008: 116-122) sind Schulen jedoch keine formal-strukturierten, sondern viel mehr sinnvermittelnde und sinnbestimmte Organisationen, die abhängig von der Interaktion aller beteiligten Mitglieder sind. Auch Wenzel (2008) teilt in Anlehnung an Türk (1989) mit, dass die Bildungseinrichtung nicht einheitlich als formale Organisation deklariert werden kann, sondern aus Handlungszusammenhängen in (Sub)Kulturen besteht und sich kontinuierlich weiterentwickelt (Wenzel 2008: 29; Feldhoff 2011: 19). Formale Regeln sind wiederum laut Welling, Breiter und Schulz (2015) als auch Langenohl (2008) ein fixer Faktor in der Organisation Schule, wobei diese mit den Verhaltenserwartungen der schulischen Teilnehmer*innen gekoppelt und zu tolerieren sind. Zum Beispiel wird von den Lehrpersonen angenommen, dass sie spezifische fachliche, pädagogische sowie didaktische Fähigkeiten und Fertigkeiten besitzen (Welling/Breiter/Schulz 2015: 37; Langenohl 2008: 819).

Fend (1986) ist jedoch der Ansicht, dass die Schule viel mehr einer „pädagogische[n] Handlungseinheit“ (Fend 1988: 538) der einzelnen Schulen entspricht und in keiner homogenen Gruppe positioniert werden kann (Fend 1988: 538; 541; 543). Er begründet es damit, dass die Schule nicht als gesamte normative Organisationsstruktur charakterisiert werden kann, sondern ebenso Interaktionen und Beziehungen auf der persönlichen Ebene zwischen den Lehrkörper und Schüler*innen betrachtet gehören. Leistungserfolg sowie erzieherische Auswirkungen spielen auf handlungstheoretischer Ebene dabei eine wesentliche Rolle und tragen zur Entwicklung sowohl der Schüler*innen als auch Lehrer*innenkollegium bei (Fend: 1988: 541-542). Technische Handlungen bzw. die Technologisierbarkeit sind in den Bildungseinrichtungen irrelevant, vielmehr stehen die sozialen pädagogischen Aktionen hinsichtlich der Erziehungs-, Lern- und Bildungsmöglichkeiten im Vordergrund (Rolff 2012: 1001).

Der bestmögliche Blickwinkel auf die Organisation Schule findet daher auf der Meso-Ebene statt. Langenohl (2008: 818) ist der Ansicht, dass „die Organisation in ihrer Eigenschaft als Bindeglied zwischen den konkreten Situationen in der Schule und den abstrakteren, gesellschaftlichen Strukturen“ fungiert.

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3.2. Spezifika der Schule als Organisation

Rolff (1993) hat sich bereits intensiver mit der schulischen Thematik auseinandergesetzt und dabei sechs Eigenschaften von der Organisation Schule identifiziert (Wenzel 2008: 31-34; Feldhoff 2011: 21-22).

1. Bildungsauftrag: Im Vordergrund steht der Bildungsauftrag mit der strukturellen Verfahrensweise sowie der Vermittlung von Inhalten (Wenzel 2008: 31; Feldhoff 2011: 22-25).

2. Pädagogische Bezug: Innerhalb der Schulen befinden sich verschiedene Organisations-mitglieder, deren Aufgabenbereich sich unterscheidet. Unter diesen herrscht eine Asymmetrie. Die Lehrenden sind dabei für ein pädagogisch-didaktisches Handeln verantwortlich. Der interaktive kollaborative Austausch erfolgt auf der persönlichen Ebene zwischen der Lehrperson und den Schüler*innen. Daher ist die Technologisierbarkeit von pädagogischen Handlungen nur bedingt möglich, denn nicht alle Erkenntnisse können dementsprechend im passenden Kontext verwendet werden (Wenzel 2008: 31-32; Feldhoff 2011: 22).

3. Schüler*innen im Fokus: (Wenzel 2008: 32). Das Bildungsziel sowie die Entwicklung der Schüler*innen haben die höchste Priorität in der Bildungseinrichtung. Wie bereits im vorherigen Punkt beschrieben, besteht jedoch eine Asymmetrie in der Organisation Schule. Obwohl sich die Schüler*innen im Zentrum befinden, nimmt auch der Lehrkörper eine wichtige Funktion ein, denn Lehrer*innen sind dazu verpflichtet, sowohl positive als auch negative Vorbilder, Symbolfiguren, individuelle Betreuer*innen zu sein (Wenzel 2008: 32; Feldhoff 2011: 22).

4. Lehrpersonen als unvollständige Professionelle: Viele der Entscheidungen können von den Lehrbeauftragten ohne jegliche administrative Kontrolle oder externe Evaluation fixiert werden. Zwar sind sie Beamt*innen, können aber aufgrund ihrer Flexibilität strukturell autonom agieren. Herausfordernd ist jedoch die Unsicherheit und Ungewissheit hinsichtlich des Erfolges (Wenzel 2008: 32-33; Feldhoff 2011: 22).

5. Arbeitsteilung: Prinzipiell kann die/der Pädagog*in aufgrund der Autonomie selbstständig über den Unterricht entscheiden. Außerdem tauschen sich die Lehrenden auch mit anderen Kolleg*innen aus (Wenzel 2008: 33; Feldhoff 2011: 23-24).

6. Erziehung als Selbsterziehung: Im Vordergrund des Bildungssystems stehen die Bildungs- und Erziehungsziele, wobei der Fokus auf der Selbsterziehung liegt (Wenzel 2008: 33-34; Rolff 2012: 1001; Feldhoff 2011: 24).

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Rolff (2012) vertritt zusätzlich die Einstellung, dass die Schule als soziales System generiert werden kann. Er manifestiert seine Ansicht durch seine dafür entwickelte „Duplexstruktur“ (Rolff 2012: 1002; Rolff 2019: 33). Unter der Duplexstruktur versteht der Wissenschaftler eine „doppelbödige Handlungsorientierung [...], die sich auf zwei Ebenen vollzieht“ und „in unterschiedlichen Beziehungen zueinander steht“ (Rolff 2019: 33), wobei sich diese einerseits modifizieren und andererseits widersprechen. Gesellschaftliche Einflüsse prägen die Interaktion in der Schule, wobei Rolff diese Struktur in drei Bereichen – Bildung versus Qualifikation, Allokation versus Selektion und Erziehung versus Sozialisation – identifiziert (2012: 1003-1104; 2019: 33-34). Diese drei Funktionen überschneiden sich teilweise mit den zuvor aufgelisteten sechs Spezifika der Schule als Organisation, eröffnen jedoch auch einen weiteren Blickwinkel auf Spannungsverhältnisse.

 Bildung versus Qualifikation: Im Vordergrund der Bildungseinrichtungen steht das Bildungs- und Erziehungsziel. Schüler*innen sollten bestmöglich individuell in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gefördert werden. Gleichzeitig sollte sich der Unterricht jedoch auch an den wirtschaftlichen Qualifikationsanforderungen orientieren (Rolff 2012: 1003; Rolff 2019: 33-34).

 Allokation versus Selektion: Anhand der Leistungen sollte die Qualifikation der Schüler*innen bestimmt werden, die zu einer gerechten Zuordnung zu weiteren Institutionen verhelfen soll. Im Widerspruch dazu steht die Selektion, denn oftmals zählt nicht nur die Leistung, sondern auch der sozioökonomische Status sowie die Herkunft (Rolff 2012: 1003; Rolff 2019: 34).

 Erziehung versus Sozialisation: Das Ziel der Pädagog*innen ist, die Schüler*innen systematisch auf Basis der bildungstheoretischen Vorgaben und der eigenen pädagogischen Reflexion zu erziehen. Die Kinder und Jugendlichen werden in ihrer Entwicklung jedoch auch noch von weiteren – zum Teil unbewussten – Einflüssen von nahestehenden Bezugspersonen bzw. der Gesellschaft sowie den Massenmedien geprägt und geformt (Rolff 2012: 1003-1004; Rolff 2019: 34).

Auch Welling, Breiter und Schulz (2015: 17-18) sprechen in Anlehnung an Rolff (1993) von den Besonderheiten der Schule als Organisation. Die Vermittlung von Inhalten sowie die Souveränität durch den staatlichen Bildungsauftrag zählen für sie dazu.

Herzog (2011) zählt in Anlehnung an Goffman (1983) die durch die „Interaktionsordnung“ (Herzog 2011: 178) hervortretenden wesentlichen Faktoren wie Zugehörigkeitsgefühl (das über die Rolle hinausgeht), Kommunikation, wechselseitige Wahrnehmung durch die Dauerhaftigkeit der Beziehung über einen längeren Zeitraum, Bezugsgruppen und Anwesenheit als wesentliche

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