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Die globale Flüchtlingskrise: Die zentrale Rolle der Städte

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Die globale Flüchtlingskrise:

Die zentrale Rolle der Städte

Von Eva Dick & Benjamin Schraven, Deutsches Institut für

Entwicklungspolitik (DIE)

vom 02.05.2016

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Die globale Flüchtlingskrise: Die zentrale Rolle der Städte

Bonn, 02.05.2016. Im Jahr 2015 waren laut Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) über 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht – so viele wie seit 1945 nicht mehr. Obwohl man in Deutschland und Europa oft davon ausgeht, dass für einen Großteil dieser Menschen das eigentliche Ziel Europa heißt, halten sich über 80 % der Fliehenden in Entwicklungs- und Schwellenländern auf, die meis- ten innerhalb ihrer Landesgrenzen. Vor allem Syrien und seine Nachbarländer, aber auch Kolumbien, Nige- ria und der Sudan sind davon betroffen. Entgegen einer landläufigen Vermutung sind nicht Flüchtlingslager die Hauptaufnahmestätten, sondern Städte. Deshalb muss bei der Unterstützung von Flüchtlingen und der sie aufnehmenden Kommunen diese urbane Dimension der Flüchtlingskrise stärker berücksichtigt werden.

Laut Weltmigrationsreport 2015 der Internationalen Organisation für Migration (IOM) halten sich weltweit zwei Drittel aller Fliehenden in urbanen Gebieten auf.

Der Anteil der Flüchtlinge in Flüchtlingslagern ist hin- gegen in den meisten Ländern vergleichsweise gering.

So wohnen etwa in Jordanien nur 20 % der Flüchtlinge in Camps. Im Libanon liegt dieser Anteil sogar nur bei 10 %. In vielen Fällen bilden Städte auch Durchgangs- stationen auf dem Weg in regionale oder internationa- le Zielorte. Ob Ziel- oder Transitorte, Städte werden in der Hoffnung auf Sicherheit, Grundversorgung und Gelegenheiten zum Einkommenserwerb aufgesucht und sind daher strategische Anlaufstationen. Innerhalb der Städte wohnt der IOM zufolge der größte Teil der Flüchtlinge in bestehenden Wohngebieten – entweder zur Miete oder umsonst bei Verwandten und Bekann- ten. Oftmals kommen die Flüchtlinge in informellen städtischen Siedlungen unter, in Jordanien beispiels- weise etwa 200.000 Flüchtlinge.

Zwar ist im Gegensatz zu Flüchtlingscamps in gewach- senen Stadtstrukturen das Problem der räumlichen Ausgrenzung nicht ganz so stark ausgeprägt. Trotzdem stehen Städte in Entwicklungs- und Schwellenländern, die eine große Anzahl von Flüchtlingen aufnehmen, vor großen Herausforderungen. Dazu zählen die Basis- versorgung der Flüchtlinge in den Bereichen Bildung, Ausbildung, Gesundheit, Wohnen, technische Infra- struktur, der Zugang zu Beschäftigung, der aus rechtli- chen oder sozialen Gründen oftmals erschwert ist, so- wie die Sicherstellung des sozialen Friedens zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Verschärft werden diese Probleme durch die meist sehr begrenz- ten technischen und finanziellen Kapazitäten von Lo- kalregierungen und Verwaltungen und ihrer mangeln- den Einbindung in migrationspolitische Entscheidun- gen. Zudem bestehen für Flüchtlinge in der Regel kaum Möglichkeiten zu politischer Partizipation.

Organisationen der deutschen und internationalen Entwicklungszusammenarbeit unterstützen heute bereits Projekte und Initiativen in Städten, Gemeinden und zu „Quasi-Städten“ gewordenen Flüchtlingslagern in den Hauptaufnahme- und Durchgangsländern. Dazu gehören der (Wieder-)Aufbau von Schulen, Kindergär- ten und Krankenhäusern, die Verbesserung der Strom- und Wasserversorgung, die Förderung von Schul- und Ausbildungssystemen für Kinder und Jugendliche mit flankierender psychosozialer Betreuung oder die Ver- besserung des Zugangs zu Finanzdienstleistungen. Um langfristig den Nutzen sowohl für die Flüchtlinge als auch für die ansässige Bevölkerung zu erhöhen, müs- sen wir die Herausforderungen und Folgen für die Städte stärker in den Blick nehmen.

Lokale Ebene: Lokale Regierungen, Stadtregierungen und Verwaltungen sollten von Anfang an in Maßnah- men zur Unterstützung von Flüchtlingen und Vertrie- benen eingebunden werden. Hierfür ist es dringend notwendig, dass diese Stellen auch mit den notwendi- gen Finanzmitteln von den nationalen Regierungen ausgestattet werden. Des Weiteren ist der Ausbau technischen Know-hows erforderlich, z.B. für die lokale Infrastrukturplanung. Schließlich sollten neben staatli- chen Partnern auch zivilgesellschaftliche Organisatio- nen oder Netzwerke, u.a. zwischen Flüchtlingen und der ansässigen Bevölkerung, in Partnerschaften einge- bunden werden.

Soziale Kohäsion: Zwischen den nach Flucht und Ver- treibung aufgenommenen und den alteingesessenen Bevölkerungsgruppen gibt es häufig Konfliktpotential.

Deshalb sollten Investitionen, etwa in die lokale Infra- struktur, von Anfang an auch der ansässigen Bevölke- rung zugutekommen. Ebenso sind Konfliktmanage- ment und Maßnahmen zur urbanen Gewaltprävention beispielsweise bei Jugendlichen in vielen Fällen not- wendig.

Vom Verwalten zum Gestalten: Flüchtlingslager ent- stehen in der Absicht, kurzfristige Übergangslösungen für die betroffenen Gruppen zu schaffen. Jedoch wer- den sie in vielen Fällen zu Dauereinrichtungen – gewis- sermaßen zu Städten ohne wirkliche städtische Struk- turen. Daher sollten Flüchtlingslager mit dem Ziel ge- baut oder umgestaltet werden, ein menschenwürdiges und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Flücht- linge brauchen Beschäftigungsperspektiven und Teil- habe an der aktiven Gestaltung des Lagers.

Eine stärkere Beachtung dieser urbanen Herausforde- rungen würde einen entscheidenden Beitrag leisten zu mehr Sicherheit, Demokratie und verbesserten Lebens- bedingungen in den von der weltweiten Flüchtlingskri- se betroffenen Ländern.

© Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne, 02.05.2016

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