Arcana Imperii: Anmerkungen zum Problem des Hermetismus in der rudolfinischen Hofkunst am Beispiel Hans von Aachens
J ürgen M ü l l e r
"Verabredete Zeichen"
Im Prager Kunstkammerinventar von 1607-1611 findet sich unter der N u m m e r 2658 folgender Eintrag: " S y m b o l a Achillis Bocchii", Hierbei handelt es sich um die Symboli- carum Quaestionum, De universo genere, quas serio lu
debat, Libri Quinque des Bologneser Humanisten Achille Bocchi aus dem Jahre 1555, das zu den anspruchvollsten Entwürfen der frühneuzeitlichen Emblematik gehört.
1Im ersten, sozusagen programmatischen Emblem liefert der italienische Autor eine kurze Skizze der impliziten Her
meneutik seines Buches und verweist auf die antike Her- metik, wenn es heißt, daß die Embleme verabredete Zei
chen i m Sinne militärischer L o s u n g e n seien. B o c c h i gebraucht das Bild des entzweigebrochenen Geldstücks, das den Wachen im Krieg anzeigen soll, daß man es mit einem Freund zu tun habe.
2Bekanntlich bedarf jedes Verstehen des Vorwissens, aber im Hermetismus wird dieses zur konstitutiven Vorausset
zung.
3Die hermetische Äußerung beginnt sozusagen mit dem zweiten Satz, der erste hingegen wird verschwiegen und ist doch gleichzeitig Voraussetzung für das Verständ
nis des Gesagten.
4Der Eingeweihte kann nur mehr von denjenigen verstanden werden, die ihm ähnlich sind.
Für die manieristische Kunst im allgemeinen und die rudolfinische Hofkunst im besonderen ist immer wieder ein hermetischer Charakter geltend gemacht worden.
5Wenn im folgenden zwei Werke von Hans von A a c h e n interpretiert werden, so geht es nicht ein weiteres M a l darum, deren geheimnisvollen Charakter zu beschreiben, sondern im Gegenteil die politische Funktion hermeti
schen Sprechens zu betonen.
Die Stuttgarter Allegorie Hans von Aachens
Hans von Aachens kleinformatige Allegorie in der Stutt
garter Staatsgalerie gehört zu den rätselhaftesten Werken der rudolfinischen Hofkunst [Abb.l].
6So ist es nur ver
ständlich, daß es schon mehrfach den Ehrgeiz der Interpreten geweckt hat. Der bühnenhafte Aufbau des Bildes zeigt eine wahrhaft phantastische Szenerie, und die Ruinenlandschaft
im Hintergrund bildet die Kulisse eines merkwürdigen Ereignisses. Der Mittel- und Hintergrund wirkt mit seiner grisailleartig gestalteten Architektur, den Skulpturen und der in gleicher Weise dargestellten Figurengruppe rechts wie eine Kulissenmalerei. Die Farbpalette ist weitgehend auf Brauntöne reduziert. Das helle Inkarnat der Figuren im Vordergrund wird durch intensives Schlaglicht drama
tisiert. Den braunen Farbschattierungen des Vordergrunds, die vom hellen Inkarnat über Gold- und Bronzetöne bis zu einem dunklen Braun reichen, wird mit dem roten U m hang der Figur in der Bildmitte nur ein einziger farbiger Akzent entgegengesetzt.
Eine vergleichbar künstliche Wirkung besitzen auch die anderen formalen Gestaltungsmittel der Kupfertafel. Kal
kuliert bringt von Aachen starke Hell-Dunkel-Kontraste zum Einsatz, die den Kontur der Figuren besonders her
vorheben. Man achte etwa auf den K o p f der Ceres auf der rechten Seite, der sich markant von der musizierenden Gruppe dahinter abhebt oder den konturierten Arm der Figur links. D e m leichten Hochformat ist durch die Anordnung der Figuren eine Raute eingeschrieben.
Bisher wurde die Tafel als "Allegorie auf die Vergäng
lichkeit des Reichtums" oder als "Triumph der fliehenden Zeit" gedeutet. Thomas DaCosta Kaufmann hat den Zu
sammenhang dieses Bildes mit einer anderen Arbeit von Hans von Aachen, die sich in der Alten Pinakothek M ü n chen befindet [Abb.2], gesehen.
7Beide Arbeiten haben fast identische Bildformate und sind jeweils in Öl auf Kupfer gemalt. Allerdings ist nur die Tafel in München " H A N S V.
A C H F E C . " signiert und 1598 datiert, womit auch für die Stuttgarter Arbeit das Entstehungsdatum benannt sein dürfte.
8Kaufmann hat die Münchener und Stuttgarter Alle
gorie als Gegenstücke erachtet. Die ikonographischen Pro
gramme beider Bilder dienen seiner Ansicht nach der po
litischen Legitimation und stellen einerseits den "Triumph of the Imperial Cause in T i m e " bzw. den "Triumph of the Truth of the Imperial Cause" dar. Allerdings machen schon diese sehr unspezifischen Titel deutlich, daß die eigentli
che Ikonographie der Bilder weiterer Erklärung bedarf. Für die Stuttgarter Allegorie identifiziert Kaufmann, neben dem fliegenden Saturn-Chronos, die linke Figurengruppe als Venus und Anteros, die Figur rechts als Ceres. Für den Originalveröffentlichung in: Konecny, Lubomir: Rudolf II, Prague and the world : papers from the international conference, Prague,
2 - 4 September, 1997, Prag 1998, S. 184-191
Mittelgrund kann er die thronende R o m a und rechts ein Konzert der Musen bestimmen. Die überwundene Figur unmittelbar am vorderen Bildrand deutet er als Gegner des Reiches, der durch die vielen beigefügten Gegenstände und orientalischen Waffen als Türke kenntlich wird. Im Katalog
1. H a n s v o n A a c h e n , Allegorie, Stuttgart, S t a a t s g a l e r i e
Um Glauben und Reich hat Rüdiger A n der Heiden vermu
tet, daß die Münchener Allegorie ein Geschenk Rudolfs II.
an Maximilian I. gewesen sein könnte, um seinem Wunsch nach Friede, Wohlstand und Fruchtbarkeit unter einer ge
rechten Herrschaft Ausdruck zu verleihen.
9Eliska Fucikovä jedoch hat eingewendet, daß es hierfür keinen wirklichen Beweis gäbe und es wahrscheinlicher sei, daß sich beide Allegorien um 1600 noch in Prag befunden hätten.
10Hanna Peter-Raupp hat den bisherigen Deutungen wi
dersprochen und darauf hingewiesen, daß eine befriedi
gende Deutung berücksichtigen müßte, daß die Gestalt des Siegers über dem gestürzten Türken sich ebenfalls mit ab
wehrender Geste der Gestalt des Saturn zuwendet. Solan
ge die Bedeutung dieser Figur nicht geklärt sei, läßt sich ihres Erachtens der Sinn der Darstellung nicht vollständig klären." Auch bleibt ihrer Ansicht nach offen, wie die bei
den Gemälde aufeinander zu beziehen seien.
Fassen wir daraufhin zunächst die formalen Entspre
chungen beider Bilder ins Auge. Der absteigenden Diago
nale in der Stuttgarter Arbeit korrespondiert die ansteigende Diagonale des Münchener Bildes. Mehr noch, die vom Maler
gewählten Bildausschnitte ermöglichen dem Betrachter, einen größeren Tempelkomplex zu denken. Das hohe Postament mit dem abgebrochenen Säulenstumpf links ent
spricht der ebenfalls nur zur Hälfte sichtbaren Säule im Münchener Bild rechts. Weitere architektonische Versatz
stücke sind hier zu nennen, denn sowohl die Ruinen-land- schaft beider Gemälde, als auch der identisch getreppte Boden scheinen sich zu entsprechen. Diese Korresponden
zen in der Bildarchitektur weisen den Betrachter darauf hin, daß es sich um die Ruine eines zusammenhängenden Gebäudekomplexes handelt.
Das Goldene Zeitalter
Zuletzt hat Günter Irmscher einen Uberzeugenden Deu
tungsvorschlag geleistet.
12Folgt man seiner Deutung, so lassen sich beide Gemälde auf die IV. Ekloge Vergils bezie
hen, in welcher die Rückkehr des Goldenen Zeitalters be
schrieben wird. Wobei die Stuttgarter Allegorie die "Rück
kehr des Saturn", die Münchener Arbeit die "Rückkehr der
2. H a n s v o n A a c h e n . Allegorie.
M ü n c h e n . A l t e P i n a k o t h e k
Astraea" darstellt. Bekanntlich ist dieser antike Text eine Inkunabel der Herrschermetaphysik. Frances A . Yates hat gezeigt, wie in der Renaissance an diesen Themenkom
plex gleichermaßen die Idee einer christlichen Renovatio
M ü l l e r 185
wie auch einer Renovatio des Imperiums gebunden ist.
13Rätselhaft bleibt allerdings auch in der Interpretation Irmschers die einen großen Teil des vorderen Bildraums einnehmende Figur des Siegers, den der Autor nicht wei
ter interpretiert.
14Gemäß seiner Interpretation spielt auch der Altar mit Goldpokalen wörtlich auf das zu erwartende Goldene Zeitalter an. Zwar stimme ich mit Irmscher hin
sichtlich der literarischen Quelle überein, glaube allerdings, daß er sich in bezug auf die ikonographischen Elemente täuscht. Offensichtliches Zentrum der Stuttgarter Allegorie ist der Altar, der im Rahmen der Komposition die vordere und hintere Bildzone trennt. Von Aachens Komposition wird durch unvermittelte Kontraste bestimmt und die Farb
gestaltung ist eindeutig durch das tiefe Rot des Umhangs der Siegergestalt im Bildvordergrund gekennzeichnet. Wie durch eine farbige Markierung wird diese Bild-figur her
vorgehoben, deren Identifizierung als Victor in Wirklich
keit eine Notlösung darstellt. Das Haltungsmotiv dieser Figur folgt offensichtlich, worauf Hanna Peter-Raupp hin
gewiesen hat, Giovanni da Bolognas Merkur.
15Aachen nutzt also eine allgemein anerkannte ästhetische Formel, die in Variation auch für die Darstellung des Saturn ge
nutzt wird. Diese formale Entlehnung hat jedoch keine in
haltlichen Konsequenzen, denn Merkur kann hier nicht gemeint sein, da die nötigen Attribute fehlen. Schwierig zu beurteilen ist außerdem die Bedeutung der Handgeste des Victor, wie auch des genauen szenischen Zusammen
hangs. Meines Erachtens steht dieser "Sieger" räumlich gesehen vor Saturn. Entsprechend kann er mit seiner Geste auch nicht Saturn herbeiwinken. Aber welche Bedeutung könnte dann seiner ausgestreckten rechten Hand zukom
men, auf die er so intensiv zu blicken scheint? Erinnern wir uns zunächst des Textes von Vergil:
Schon kam das Ziel der Zeit, von dem die Sybille einst raunte, wiedergeboren beginnt ein neuer Kreis derÄone.
Schon kehrt die Jungfrau zurück, Saturns Regierung kehrt wieder, schon wird ein neuer Sproß entsandt aus himmlischen Höhen. [...]. Er macht ein Ende der eisernen Zeit; eine goldene Menschheit wird die Erde dann füllen:
schon jetzt regiert Apollo.
1 6D e m Ende des Zitats läßt sich der Hinweis auf diejeni
ge Gottheit entnehmen, die im Vordergrund des Bildes dargestellt ist: "iam regnat A p o l l o " . Saturns Herrschaft, die den Beginn des Goldenen Zeitalters anzeigt, ist effekt
voll, ja dramatisch in Szene gesetzt. Der Altar schien im Rahmen der bisherigen ikonographischen Deutungen le
diglich die irdischen Reichtümer zu repräsentieren.
17Doch die vier Gefäße enthalten einen wichtigen Hinweis für die Identifikation der Figur im Vordergrund. Bei dieser [Abb.3]
handelt es sich nämlich um Phöbus-Apoll, den Cartari in den Imagini als "Verursacher aller Zeiten und Jahreszeiten"
und "aller Dinge des Lebens und des Todes" bezeichnet.
Im mythographischen Handbuch folgt sodann der Hinweis auf die Namen der vier Vasen, "da quali proviene il tutto",
18welche Apoll, der eine umfassende Erneuerung repräsen
tiert, als Attribute beigegeben sind, wobei die Vierzahl deutlich auf die Elemente verweist.
193. Phöbus-Apoll
( a u s V. C a r t a r i . Imagini delli dei de gli antichi, V e n e d i g 1 6 4 7 )
Das inszenierte Geheimnis
Aber auch für einen weiteren Gegenstand läßt sich den Imagini eine Hinweis entnehmen. Deutlich ist am Altar die Figur einer Sphinx angebracht, von der Cartari schreibt:
Donde fu forse, che in certa parte dello Egitto posero innanzi al tempio di Minerva, che fu adorata qu(i)vi,e creduta Iside, a Sfinge, benche si legge anco, che e ö fu fatto per mostrare, che le cose della religone hanno da star nascoste sotto sa[c]ri mist[e]rij in modo, che non siano intese dal volgo, piü che fossero intesi gli enemmi della [S]finge.
20Die Darstellung der Sphinx unterstreicht also den her
metischen Gehalt. Sie stellt eine Art Markierung dar, eine
Aufforderung, das Rätsel der dargestellten Ikonographie
als solches zu begreifen.
21Das Gemälde zeigt den Wendepunkt v o m Ehernen zum Goldenen Zeitalter und liefert hierfür anschauliche Bild
metaphern. Der Altar dient in diesem Zusammenhang als optische Grenze zwischen beiden Zeitaltern. Der Pfeil des Anteros, den ihm Venus genommen hat, wiederholt Bogen und Pfeile des geschlagenen Türken. Der Tod und die irdi
sche Liebe, so könnte man sagen, sind dem Raum dies
seits des Altars zugeordnet. A l l e Waffen, die den am B o den Liegenden als besiegten Türken ausweisen, gehören in das kriegerische, eherne Zeitalter. Wird das eherne Zeit
alter durch Krieg und Besitz bestimmt, so das goldene durch die Harmonie der musizierenden Musen rechts im Hinter
grund. Überdies ist aufschlußreich, wie sich Ceres nach dem Konzert der Musen umschaut. Wichtig ist die zeitliche Dimension, denn die Szene vor dem Altar beschreibt das z u - E n d e - G e h e n des ehernen Zeitalters, welches zwar aktuell noch andauert, dessen Überwindung jedoch unmit
telbar bevorsteht.
B AdGbaldxonußigicurnonmai^mnuuoidigiGoruin^ tuppuadooclaceom.
modabimus,eanun volis altera alterius c rcgione pafsis, vt vniötes cilcittiHS»
dcca4es miUenariiSjad rupehorumhieroglyphioanimiDftar^ppooaarur.
4. Handgeste für die Zahl
( a u s I. P. V a l e r i a n , Commentaires HieroglypHiques, L y o n 1 5 7 6 )
Die markant in Szene gesetzte R o m a ist ein Hinweis auf das Imperium Romanum.
22Die Wiederkehr des Golde
nen Zeitalters ist also nicht zu trennen von der Renovatio des Imperium. Obwohl mit Vergils IV. Ekloge die wich
tigste literarische Quelle benannt ist, finden sich verschie
dene Bilddetails, die durch diesen Text nicht zu erklären sind, wie etwa die dargestellte Architektur, die formal die Aufgabe hat, die Gegenstücke als Ausdruck eines größe
ren Zusammenhangs deutlich werden zu lassen.
Dementsprechend entsteht die Frage, ob sich nicht auch für die Architektur literarische Quellen finden lassen, die den Ort des Bildgeschehens näherhin bezeichnen. Die signifikanten Zeichen hierbei sind die in der Nische sicht
bare lupiterstatue und die stark verschattete Skulptur der Roma. Sueton berichtet, daß ein Blitz Augustus den Ort für den Bau des Apollo-Heiligtums bezeichnete, was die
Figur Jupiters erklären könnte. Meines Erachtens würde es sich dann u m den Palatin handeln: den Ort, an dem Augustus geboren wurde. Der Altar des Vordergrundes könnte sich dann ebenfalls auf das von Augustus gestiftete Apollo-Heiligtum beziehen.
23Die Ikonographie von Apolls weisender Hand
Bisher ist nicht gefragt worden, ob es sich bei der Hand
stellung Apolls um eine bedeutsame Geste handelt und wahrscheinlich zu Recht, denn man könnte sicherlich un
zählige Beispiele manieristischer Kunst anführen, deren Darstellungen menschlicher Körper und Gesten noch viel extremere Posen aufweisen, ohne daß damit eine andere Bedeutung als der Vorschein virtuoser Meisterschaft in der Behandlung des menschlichen Körpers gegeben ist.
24Doch widmen sowohl Agrippa von Nettesheim in der Okkulten Philosophie als auch Petrus Valerianus in den Hieroglyphica den signifikanten Handstellungen eigene Erörterungen. So schreibt der deutsche Philosoph im sech
zehnten Kapitel des genannten Textes,
daß die Alten durch verschiedene Hin- und Herbiegun
gen der Hände und Finger bestimmte Zahlen bezeich
nen. Durch solche Bewegungen drücken die Magier Worte von unaussprechlichen Kräften, wofür sich kein Laut findet, und die verschiedene Zahlen haben, still schweigend und bloß vermittelst der Vereinigung und Trennung der Finger aus und verehren mit heiligem Schweigen die Götter, welche die Welt beherrschen.
255. Sternkreiszeichen der Jungfrau
( a u s I. P. V a l e r i a n . Commentaires Hieroglyphiques, L y o n 1 5 7 6 )
Meines Erachtens läßt sich die Handgeste Apolls mit einer konkreten Zahl in Verbindung bringen. In den be
reits genannten Hieroglyphica findet sich folgende Tabelle [ Abb.4]. Ausgestreckter Daumen, Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand könnte demnach ein Zeichen für die Zahl
M ü l l e r 187
achthundert sein. Die Finger der Linken bedeuten Einer und Zehner, die der Rechten Hunderter und Tausender, schreibt Valerian, der die Handgeste für die Zahl achthun
dert mit folgenden Worten beschreibt:
Le doigt donc du milieu avec le doigt auriculaire en facon que tous deux soyent contre le bout de la paulme, sera l'hieroglyphe ou enseigne du nombre de huict, en la main gauche: & en la droicte de huict cens.
26In der Renaissance war es eine geradezu populäre Theorie, daß sich die Welt in Zyklen von achthundert Jah
ren erneuert. Daraus folgt, daß dem Zyklus, der von Christi Geburt bis zum Jahr achthundert Jahre dauert und damit die Translatio Imperii auf Karl den Großen besonders her
vorhebt, nun für das Jahr 1600 erneut besondere Ereignis
se bevorstehen. Ich zitiere wahllos eine der vielen prophe
tischen Schriften, die auf dieses Datum Bezug nehmen:
"Im 1600 Wirdt in der Welt nicht mehr als ein her/ein Glaube/ein hyrte/und ein Schafstall sein",
27schreibt Gre- gorius Jordanus in seiner Propheceyimg unnd Weissagung/
von erschröcklichen und grewlichen widerWertigkeiten/so dem gantzen Erdenkreis überkom(m)en und anstehen und spielt damit auf Joachim von Fiore an, auf den er schon in der Dedikation verwiesen hat und dessen Deutungssche
ma der Dreizeiten-Lehre er übernimmt. Und in einer kleinen prophetischen Schrift, die unter dem Pseudonym Monte - novo veröffentlicht wurde, heißt es:
Wer ist Astraea?
Es bleibt die A u f g a b e , auch das bildliche Pendant ge
nauer zu interpretieren. Grundsätzlich wiederholt die Münchener Allegorie seitenverkehrt das K o m p o s i t i o n s - schema des Stuttgarter Gegenstücks. So findet sich eine ebenso kontrastreiche Inszenierung von Vorder- und Hintergrundszene des Gemäldes, auch hier ist die K o m position sehr dynamisch. Die stürzende Gestalt ist so sehr an den vorderen Bildrand gerückt, daß ihre B e w e gung nun über die Bildgrenzen hinauszureichen scheint.
D i e Ikonographie des Münchener Gemäldes beschreibt Irmscher mit folgenden Worten:
Zusammen mit Saturn kehrt auch "Astraea", in der römischen Antike gleichgesetzt mit "Iustitia", auf die Erde zurück. Unter ihren Schutz begibt sich die nackte Wahrheit. Mit Hilfe des Löwen, Symbol der Herrschertums, besiegen sie einen durch die entglittene Maske (Falschheit), den entfallenen Geldbeutel (Betrug) und eine Angel in der Hand (Betrug) hinreichend gekennzeichneten Feind.
Dokument, Brille und aufgeschlagenes Buch spielen wahrscheinlich auf den Irrglauben an, den es zu über
winden gilt. Im Hintergrund links erscheinen Ceres (Füllhorn und Sichel, Pax (Olivenzweig) und Concordia als die Garanten des Wohlstandes und des Friedens. Die Überwindung von Türkengefahr und Glaubensspaltung führt das neue Goldene Zeitalter herauf.
31Gunstiger lieber leser: Es ist ex historiis & Doctorum observationibus genugsam bekandt/was allweg bey den grossen achthundert jährigen haupt conjunctio nibus [...] verenderungen in Regimenten/ weltlichem und geistlichem Stande zugetragen [...].
28Die Gattung der Prophetica jedenfalls erlebt um und für das Jahr 1600 eine wahrhafte Konjunktur.
29Immer neue, immer andere Szenarien für das Ende der Welt werden ent
worfen, hier wird Rudolf II. zum Friedenskaiser des tau
sendjährigen Reiches erhoben, dort die Geburt des Anti
christen vermutet, den man in Frankreich gesehen haben will, der aber auch mit dem Papst zu identifizieren sein könnte. Dieses vielstimmige Konzert ist natürlich auch den Autoren solcher Prophetica selbst nicht verborgen geblieben und so läßt sich schon an den Dedikationen der Standort dieser selbsternannten Propheten erkennen.
10Nur der Be
trachter, der imstande ist, das Gemälde mit dem Gedanken der Zeitenwende um 1600 in Verbindung zu bringen, wird sich orientieren können. Ohne diesen Hintergrund kann man gar nicht anders, als die Handgesten formalästhetisch zu verstehen - als typisch manieristische Attitüde.
Meines Erachtens irrt Irmscher, wenn er Astraea direkt mit Iustitia identifizieren will, welche neben der nackten Wahrheit stehen soll.
32D e n n Nuda Veritas ist - in Ermanglung einer wirklichen Quelle - eine reine Erfindung. In Wahrheit handelt es sich nämlich bei die
ser nackten weiblichen Figur um Astraea, die mit dem Sternkreiszeichen der Jungfrau zu identifzieren ist. O v i d berichtet, daß Astraea nach ihrer Flucht im ehernen Zeitalter als Sternbild der Jungfrau den Menschen sicht
bar bleibt. So schreibt Natale Conti in seinem myfhogra- phischen Handbuch aus dem Jahre 1586:
[Astraea, J.M.] qui fut fille d'Astraeus Prince si juste que pour sa grande equite la fille fut nomme Iustice:
mais depuis comme eile vid tant de vices gagner le monde, eile s'envola aux cieux, & fut placee en certe partie de Zodiaque qu'on apelle le signe de Virgo.
33Dieses Sternkreiszeichen nun steht in astrologischer
Hinsicht zwischen zwischen denen des L ö w e n und der
W a a g e . E i n e m ö g l i c h e Q u e l l e für die D a r s t e l l u n g
v o n A a c h e n s k ö n n t e die f r a n z ö s i s c h e A u s g a b e der
Hieroglyphica des Petrus Valerianus von 1586 sein. Hier findet sich zu Astraea folgender Hinweis:
Elle [Astraea, J. M.] est mise entre le Lion & la Balance pourautant que le juge doit estre d'un vertueux courage,
& ne flechir pour quelque chose que ce soit du bien &
raison, auquel convient peser ä la balance les crimes &
merites d'un chascun.
34Der kleine Holzschnitt [Abb.5], der die zitierte Passa
ge bei Valerianus illustriert, kann dies zusätzlich belegen.
15So gesehen gehören alle drei Figuren zusammen, sind Ausdruck eines Zusammenhangs: nämlich der göttlichen Gerechtigkeit, die sich durch maßvolles Abwägen und ent
schiedenes Strafen auszeichnet.
Politischer Hermetismus
Natürlich muß die Kunstkammer nicht per se Ort politi
scher Propaganda sein, aber die beiden Werke von Aachens, die wir uns gemeinsam angeschaut haben, äußern vor allem das politische Selbstverständnis Rudolfs.
36Sie fragen, was wäre, wenn ich, Rudolf, wirklich der Friedenskaiser bin, von dem in der prophetischen Überlieferung die Rede ist, und zeigen als mechanische Folge die Ankunft des Golde
nen Zeitalters. Wenn die Werke 1598 entstanden sind, stel
len sie - mit Bezug auf das Jahr 1600 - gleichsam eine Aufforderung an den Betrachter dar, den Habsburger Herrscher als endzeitlichen Friedenskaiser zu erkennen, dessen Herrschaft zu Christi Rückkehr führt und das tau
sendjährige Reich der Johannesapokalypse beginnen läßt.
37Bezogen auf die rudolfinische Ikonographie besteht mein Fazit darin, daß dieser Hermetismus wesentlich einen höfischen Jargon darstellt, eine Stillage, die den jeweiligen Inhalt nobilitieren soll.
38Keines der Werke ist wirklich unverständlich, gar geheimnisvoll. Wohl gemerkt, ich rede nicht über alchemistische Manuskripte, sondern Gemälde.
39Kurz über Objekte, deren Bestimmungsort die Kunstkam
mer war. Der Hermetismus, mit dem wir es zu tun haben, gehört zu den "arcana imperii - den Techniken politischer Machterhaltung", ist ein Hermetismus im Dienste der Politik.
40A u s diesem Grund sei an das vierzehnte Kapitel aus den Discorsi des Machiavelli erinnert, in dem der italieni
sche Theoretiker die Technik der alten Römer beschreibt, ihre politischen und militärischen Aktionen mit den Auspizien - den Vorhersagen der Priester - in Übereinstimmung zu bringen. D e m Feldherren muß es gelingen, den Soldaten dadurch Mut zu machen, daß sie ihren Kampf als gerechte Sache begreifen können, die auch von den Göttern unter
stützt wird. So beschreibt Machiavelli abschließend den
politisch-pragmatischen Nutzen: "Die ganze Einrichtung der Haruspizes hatte ja auch keinen anderen Zweck, als die Soldaten zuversichtlich in den K a m p f ziehen zu lassen;
denn von dieser Zuversicht hängt fast immer der Sieg ab."
41Der florentinische Theoretiker rät ausdrücklich dazu, sich solcher Täuschungen zu bedienen, was allerdings nichts daran ändert, daß er Prophezeiungen und gottge
sandte Zeichen grundsätzlich für möglich hält: große histo
rische Ereignisse kündigen sich für ihn notwendig an. So heißt es im 56. Kapitel:
Woher es kommt, weiß ich nicht, aber man sieht aus alten und neuen Beispielen, daß sich in einem Land niemals ein schwerwiegender Vorfall ereignete, der nicht durch Wahrsager, Prophezeiungen, Wunder oder andere überirdische Zeichen vorhergesagt worden wäre.
42Mit diesen beiden Zitaten aus den Discorsi ist zugleich der Spielraum kunsthistorischer Interpretation benannt.
Wenn wir also exemplarisch die Ästhetik der rudolfinischen Bildsprache, ihre spezifische Dunkelheit genauer bestim
men wollen, so muß man feststellen, daß das Geheimnis der vorherigen Inszenierung bedarf.
43Dem pragmatischen Politiker bedeutet das göttliche Zeichen an sich gar nichts, sondern nur die Möglichkeit, es in seinem Sinne interpre
tieren zu können. Er nutzt schlicht die Autorität solcher Zeichen.
441. L u b o m i r K o n e c n y , in Prag um 1600, Kat. Nr. 431. In der Truhe Nr. 58 befanden sich weitere E m b l e m b ü c h e r "in gross quarto". w i e i m Inventar zu lesen ist.
2. Vgl. mit weiterführender Literatur: Elisabeth See Watson. Achille Bocchi and the Emblem Book a.s Symbolic Form, C a m b r i d g e 1993. 9 6 - 1 0 0 .
3. V g l . i m m e r noch: D o n C a m e r o n A l l e n . Mysteriously Meant: The Rediscovery of Pagan Symbolism and Allegorical Interpretation in the Renaissance, B a l t i m o r e - L o n d o n 1970.
4. U m hier ein prominentes Beispiel zu geben, sei auf das Ende der Okkulten Philosophie des Heinrich C o r n e l i u s A g r i p p a v o n Nettesheim aus d e m J a h r e 1510 (Die magischen Werke, W i e n 1982, 5 5 6 ) v e r w i e sen: " E s m ö g e mir aber n i e m a n d zürnen, w e n n ich die Wahrheit dieser W i s s e n s c h a f t in Rätsel gehüllt und an vielen Orten zerstreut vorgetra
gen habe, denn nicht für die W e i s e n , sondern für die G o t t l o s e n habe ich dieselbe verborgen und in eine solche R e d e w e i s e eingekleidet, daß sie z w a r den Unverständigen verborgen bleiben soll, den W e i s e n dagegen leicht z u g ä n g l i c h g e m a c h t ist."
5. Z u w e l c h e n Ergebnissen die Begeisterung für die Dunkelheit des Manierismus, die Labyrinthe eines Gustav R e n e H o c k e führen kann, wird
Müller 189
i m Kapitel " R u d o l f und die schönen K ü n s t e " in R o b e r t E v a n s B i o g r a phie des habsburgischen Kaisers deutlich: " D i e r u d o l f i n i s c h e K u n s t war eine O f f e n b a r u n g s k u n s t , in der G e h e i m n i s s e enthüllt w e r d e n sollten [...]. A l l e n diesen M a n i f e s t a t i o n e n lag der geistige A n s p r u c h z u g r u n d e , L ö s u n g e n jenseits v o n rationaler und alltaglicher Erfahrung zu f i n d e n . "
R o b e r t J . W . E v a n s , Rudolf IL, übers, v o n U t a S z y s z k o w i t z , W i e n 1 9 8 0 , 1 1 3 .
6. Stuttgart, Staatsgalerie, Inv.-Nr. 2 1 3 0 , Ö l auf K u p f e r , 5 6 x 4 7 c m .
7. T h o m a s D a C o s t a K a u f m a n n . The School ofPlague: Painting at the Court of Rudolf II, C h i c a g o - L o n d o n 1988. 138-39. Hier auch die A n g a b e n zu allen früheren Interpretationsversuchen.
8. M ü n c h e n , A l t e P i n a k o t h e k , Inv.-Nr. 1611.
9. Um Glauben und Reick: Kurfürst Maximilian /., A u s s t . - K a t . , M ü n chen 1980, 512. D i e s e r V e r m u t u n g schließen sich auch K a u f m a n n und Irmscher an.
10. D i e s e r H i n w e i s erfolgte m ü n d l i c h i m A n s c h l u u ß an m e i n Referat.
11. H a n n a Peter-Raupp, " Z u m T h e m a v o n ' K u n s t und K ü n s t l e r ' in deut
schen Zeichnungen 1540-1640", in Zeichnung in Deutschland: Deutsche Zeichner 1540-1640, A u s s t . - K a t . , Stuttgart 1 9 7 9 - 8 0 , II, 62. K a u f m a n n ( w i e A n m . 7 ) , 139, weist diese Kritik mit d e m H i n w e i s z u r ü c k , daß
"[...] the figure in the foreground she describes as a victor is rather, as suggested here, m o s t likely a T ü r k . "
12. G ü n t e r Irmscher, " D i e R ü c k k e h r der G o l d e n e n Zeit: Z w e i G e m ä l d e des H a n s v o n A a c h e n in neuer D e u t u n g " , Kunst und Antiquitäten, V,
1988, 4 3 - 4 7 .
13. Franc.es A . Y a t e s . Astraea: The Imperial Theme in the Sixteenth Century. L o n d o n 1 9 7 5 , 3 4 : " T h e r e is, o f c o u r s e , a n o t h e r s i d e to the f a m e o f the F o u r t h E c l o g u e . T h i s p e a n to the g o l d e n a g e o f e m p i r e w a s a d a p t e d b y the Christians as a M e s s i a n i c p r o p h e c y . T h e c h i l d w h o s e a d v e n t it f o r e t e l l s b e c o m e s C h r i s t , b o r n d u r i n g the r e i g n o f A u g u s t u s , b e n e a t h w h o s e spiritual reign the iron b r o o d o f sin s h o u l d first b e g i n to f a i l a n d the g o l d e n a g e o f C h r i s t i a n p i e t y a n d j u s t i c e s h o u l d a r i s e . "
14. Irmscher ( w i e A n m . 1 2 ) , 43: " I n der Mitte des Vordergrundes trium
phiert ein V i c t o r Uber einen a m B o d e n liegenden Feind, durch seine entfallenen W a f f e n als T ü r k e a u s g e w i e s e n , und w i n k t Saturn, den Herr
scher des G o l d e n e n Zeitalters, herbei."
15. P e t e r - R a u p p ( w i e A n m . I I ) , 62.
16. P u b l i u s Vergilius M a r o . Hirtengedichte, in Vergil. Werke in einem Band, hrsg. u n d übers, v o n Dietrich Ebener, Berlin 1987. IV, 6 - 1 0 . V g l . hierzu H a r o l d M a t t i n g l y , " V i r g i l ' s Fourth E c l o g u e " , Journal ofthe War
burg and Courtauld Institutes, X , 1947. 14-19. A u ß e r d e m E d u a r d N o r den, Die Geburt des Kindes, Berlin, 1924.
17. V g l . Irmscher ( w i e A n m . 12). 46.
18. V i n c e n z o Cartari, Imagini delli dei de gli antichi ( V e n e z i a 1647), h r s g . v o n W a l t e r K o s c h a t z k y , G r a z 1963, 4 3 : " I m a g i n e d e l S o l e v a r i a t o r e & p r o d u t t o r e di tutti Ii l e m p i , e s t a g i o n i , & d e tutte le c o s e , d e l l a v i t a & m o r t e , & d e q u a t t r o v a s i o v e stä la v a r i e t ä de b e n i & m a l i [ . . . ] . "
19. Ü b r i g e n s k a n n m a n an d i e s e r S t e l l e d a r a u f h i n w e i s e n , d a ß i m n a h e n d e n g o l d e n e n Z e i t a l t e r V e r g i l s s i c h d i e l e u c h t e n d e n F a r b e n v o n n u n an d e n M e n s c h e n s c h e n k e n Hirtengedichte, I V , 1 7 - 2 0 :
" N i c h t m e h r l ü g n e r i s c h f ä r b e n z u l a s s e n b r a u c h t s i c h d i e W o l l e , s o n d e r n der S c h a f b o c k trägt a u f der W i e s e b e r e i t s in v e r s c h i e d n e n Farben das F e l l , tiefrot bald v o r Purpur, bald leuchtend w i e K r o k u s . S c h a r l a c h b e k l e i d e t aus e i g e n e m A n t r i e b d i e w e i d e n d e n L ä m m e r . "
2 0 . C a r t a r i ( w i e A n m . 18), 190.
2 1 . Z u r S p h i n x , d i e d a s " r e g n u m A p o l l o n i s " p r o p h e z e i t G a i u s P l i n i u s S e c u n d u s , Naturkunde, h r s g . u n d ü b e r s , v o n R o d e r i c h K ö n i g in Z u s a m m e n a r b e i t m i t G e r h a r d W i n k l e r , M ü n c h e n 1 9 7 8 , X X X V I I , I, 10; u n d S u e t o n , d e r b e r i c h t e t , d a ß A u g u s t u s z u B e g i n n s e i n e r H e r r s c h a f t d i e S p h i n x a l s S i e g e l b e n u t z t e (Augustus, übers, u n d h r s g . v o n D i e t m a r S c h m i t z , Stuttgart 1 9 8 8 , II, 2 9 , 3 ) .
2 2 . D i e s e I d e n t i f i k a t i o n s c h o n b e i I r m s c h e r ( w i e A n m . 12), 4 3 : " I m l i n k e n M i t t e l g r u n d g a r a n t i e r t d i e u n v e r s e h r t e v e s t a m i t d e m P a l l a d i o n ( a l s R o m a ) d i e u n g e b r o c h e n e K o n t i n u i t ä t d e s R e i c h e s ( i m p e - r i u m S e m p e r e s t ) [ . . . ] . "
2 3 . S u e t e o n ( w i e A n m . 2 1 ) , I I , 2 8 , 3 - 2 9 , 4 . A u ß e r d e m A u g u s t u s , Meine Taten, h r s g . v o n E k k e h a r d W e b e r , M ü n c h e n , 1 9 8 9 , I V , 2 0 . Z u e i n e m a n d e r e n E r g e b n i s g e l a n g t I r m s c h e r ( w i e A n m . 12), 4 3 , der a l l e r d i n g s in d i e s e r H i n s i c h t s c h o n A l t a r u n d " V i c t o r " m i ß v e r steht. " D e r A l t a r m i t G o l d p o k a l e n u n d E d e l s t e i n k e t t e a l l u d i e r t nicht n u r w ö r t l i c h d i e z u e r w a r t e n d e Z e i t als g o l d e n e , s o n d e r n v e r w e i s t a u c h a u f S a t u r n a l s S c h a t z b e w a h r e r u n d R o m s S a t u r n t e m p e l , in d e m der S t a a t s s c h a t z g e h o r t e t w u r d e . "
2 4 . V g l . A r t . : " F i n g e r z a h l e n " , in R e a l l e x i k o n zur deutschen Kunst
geschichte, V I I I , 1 2 2 5 - 1 3 0 9 ( 1 2 8 1 - 1 2 8 2 ) . 25. A g r i p p a v o n N e t t e s h e i m ( w i e A n m . 4), 234.
26. Ian Pierius Valerian, Commentaires Hieroglyphiques Ou Images Des Choses, L y o n 1576, II, 131.
27. Gregorius J o r d a n u s , Propheceyung unnd Weissagung/von erschröck- lichen und greulichen widerwertigkeiten/so dem gantzen Erdenkreis überkomf m )en und anstehen. Durch arbeit undfleiß D. Gregorij lorda- ni Veneti zusammenbracht. Neben einer unerhörte Weissagung/so in der Statt Pariß in diesem 91. dar auch ist eifunden worden, A u g s b u r g v o r d e s J a r 1592, Fol. C 4 r .
2 8 . M o n t e n o v o . Kurtzer und gründlicher Bericht, H a l l in S a c h s e n , F o l . A i j r.
2 9 . V g l . d e n ü b e r z e u g e n d e n A u f s a t z z u R u d o l f II. als E n d z e i t k a i ser v o n G ü n t e r I r m s c h e r , " S i n e n o v u m Imperium i n s t i t u e s q u e R u d o l p h e s e c u n d e : Z u e i n e m S t i c h M a t t h ä u s G r e u t e r s n a c h N i k o l a u s R e i m e r s " , Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württenberg, X X X , 1 9 9 3 , 2 4 - 4 4 .
3 0 . H i e r w ä r e n n a t ü r l i c h v i e l e A u t o r e n zu n e n n e n . Es ist a l l e r d i n g s z u b e t o n e n , d a ß fast a l l e f r ü h n e u z e i t i i c h e n P r o p h e t e n s c h o n in d e n D e d i k a t i o n e n s o w o h l i h r e n p o l i t i s c h e n S t a n d o r t , a l s a u c h ihre V o r b i l d e r b e z ü g l i c h der k o n k r e t e n P r o p h e z e i u n g a n g e b e n , s o z u s a g e n d i e R a h m e n b e d i n g u n g e n ihrer P r o g n o s e o f f e n l e g e n . 31. Irmscher ( w i e A n m . 12), 44.
32. D a s konkrete Vorbild für die Gestalt mit W a a g e und Schwert ist T i z i a n s Justitia a m F o n d a c o D e i Tedeschi in V e n e d i g (heute: G a l l e r i e d e l l ' A c c a d e m i a ) . V g l . den Stich v o n A . M . Zanetti, der die ursprüngli
che K o m p o s i t i o n wiedergibt, bei Terisio Pignatti, Giorgione, V e n e d i g 1969, A b b . 244.
33. N o e l L e C o m t e , Mythologie c'est ä dire Explication des Fables, L y o n 1586. N u n folgt der H i n w e i s , daß die G e s e t z e als Testament der A s t r a e a zu betrachten sind.
34. Valerian ( w i e A n m . 26), II, 586. D i e s e D a r l e g u n g findet sich nicht in der lateinischen editio princeps.
35. A l l e r d i n g s ist A s t r a e a h i e r o h n e K o p f d a r g e s t e l l t , w a s d u r c h d e n U m s t a n d g r ö ß e r e r U n p a r t e i l i c h k e i t bei der R e c h t s s p r e c h u n g erklärt w i r d : " A l e x a n d r e A p h r o d i s e e escrit q u e la I u s t i c e se r e p r e - s e n t o i t sans c h e f , a y a n t la m a i n senestre o u v e r t e , p o u r a u t a n t q u ' e l l e est plus apte ä l'equite que la droicte. p o u r n'estre si habile & caute."
S i e h e V a l e r i a n ( w i e A n m . 2 6 ) , II, 5 8 6 .
3 6 . In e i n e m a n d e r e n Z u s a m m e n h a n g schreibt Ernst G o m b r i c h : " I c h g l a u b e i m G e g e n t e i l , w i r v e r w e n d e n d i e s e n B e g r i f f [der P r o p a g a n d a , J . M . ] z u f r e i , w e n n w i r b e h a u p t e n , d a ß d i e G o n z a g a i r g e n d j e m a n d v o n ihrer f ü r s t l i c h e n M a c h t ü b e r z e u g e n w o l l t e n . K e i n T e i l n e h m e r a m d i p l o m a t i s c h e n S p i e l hätte s i c h s o l e i c h t b e e i n f l u ß e n l a s s e n . " Zauber der Medusa: Europäische Manierismen. A u s s t . - K a t . , W i e n 1 9 8 7 . 3 0 - 3 1 .
3 7 . D i e v i e l e n h ö c h s t u n t e r s c h i e d l i c h e n p r o p h e t i s c h e n T r a d i t i o n e n l a s s e n v e r s c h i e d e n e D r e h b ü c h e r f ü r das E n d e der W e l t z u . V g l . A r t . , " P e r i o d e " . Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, hrsg.
v o n H a n n s B ä c h t h o l d - S t ä u b l i , V I , B e r l i n - L e i p z i g 1 9 3 4 / 3 5 , 1 4 9 2 - 9 6 . V g l . M ü l l e r , " P e r A s p e r a ad A s t r a e a m : E i n e n e u e i k o n o g r a p h i - s c h e I n t e r p r e t a t i o n v o n B . S p r a n g e r s ' T r i u m p h der W e i s h e i t ' " , in Die Malerei Antwerpens - Gattungen, Meister, Wirkungen: Studi
en zur flamischen Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts: Internatio
nales Kolloquium Wien 1993, h r s g . v o n E k k e h a r d M a i et al., K ö l n 1 9 9 4 , 4 7 - 5 7 .
38. Z u r Verschlüsselung der Hofsprache und zur h ö f i s c h e n T e c h n i k v o n Dissimulaio und Simulatio, vgl. M a n f r e d H i n z , Rhetorische Strategien des Hofmannes: Studien zu den italienischen Hofmannstraktaten des 16. und 17. Jahrhunderts, Stuttgart 1992, 2 6 1 - 7 6 u n d 4 2 0 - 2 8 .
39. Z u m a l c h e m i s t i s c h e n A n t e i l der kaiserlichen B i b l i o t h e k , vgl. N i - coletta M o u t , " H e r m e s T r i s m e g i s t o s G e r m a n i a e : R u d o l f II en de arca- ne w e t e n s c h a p e n " . Leids Kunsthistorisch Jaarboek, I, 1982, 161-90.
4 0 . V g l . M i c h a e l S t o l l e i s , Arcana Imperii und Ratio Status: Be
merkung zur politischen Theorie des frühen 17. Jahrhunderts, G ö t t i n g e n 1 9 8 0 ( V e r ö f f e n t l i c h u n g e n der J o a c h i m J u n g i u s - G e s e l l s c h a f t der W i s s e n s c h a f t e n H a m b u r g N r . 3 9 ) . A u ß e r d e m das K a p i t e l z u m A r k a n i m u s bei H e r f r i e d M ü n c k l e r , Die Begründung der Staatsrai- son in der Frühen Neuzeit, F r a n k f u r t a. M . 1 9 8 7 , 2 8 0 - 8 9 .
41. Niccolo Machiavelli, Discorsi: Gedanken überPolitik und Staatsführung, übersetzt, eingeleitet und erläutert von Rudolf Zorn, Stuttgart, 1977.53-55.
42. Ibid., 145. M a c h i a v e l l i nennt eine g a n z e A n z a h l v o n Beispielen aus der florentinischen G e s c h i c h t e , und seine Einschätzung der P r o p h e z e i ungen bzw. Vorhersagen entspricht grundsätzlich seiner Haltung ge
genüber der R e l i g i o n , w e l c h e bekanntlich der Staatsräson untergeord
net wird. M e h r f a c h schildert M a c h i a v e l l i E p i s o d e n aus der römischen G e s c h i c h t e , in welcher falsche P r o p h e z e i u n g e n und alte Opferbräuche lediglich dazu dienen, die Entschlossenheit der Soldaten zu beeinflußen.
43. S o schreibt schon Aristoteles im fünften B u c h der Politik: " E r [der T y r a n n , d e m es um Machterhalt zu tun ist, J . M . ] gebe sich ferner alle
zeit als einen M a n n , der es mit der R e l i g i o n u n g e m e i n ernst n i m m t . D e n n v o n solchen versieht m a n sich w e n i g e r einer ungerechten B e handlung, w e n n man urteilt, der Herrscher sei gottesfürchtig und f r o m m , und man unternimmt auch nicht leicht etwas wider ihn, da er j a selbst die Götter zu B u n d e s g e n o s s e n h a b e . " Aristoteles. Politik, übersetzt und mit erklärenden A n m e r k u n g e n versehen v o n Eugen R o l f e s , Haniburg 1981,209. Entsprechend waren "politische Prophezeiungen" auch schon in der frühen Neuzeit durchschaubar. C a r l o G i n z b u r g hat den neuzeitli
chen P a r a d i g m e n w e c h s e l v o m paulinischen " n o l i altum sapere" z u m
"sapere a u d e " beschrieben und allgemein auf die d a m i t einhergehen
den politischen I m p l i k a t i o n e n hingewiesen. M a n begann "[...] to pene- trate into the secrets o f p o w e r - d i s c o v e r i n g the secret o f secrets, the political use o f r e l i g i o n . " G i n z b u r g . " H i g h and L o w : T h e T h e m e o f Forbidden K n o w l e d g e in the Sixteenth and Seventeenth C e n t i m e s " , Pasv andPresent, L X X V I : I I . 1976, 2 8 - 4 2 (36).
44. V g l . Ursula Geitner, Die Sprache der Verstellung: Studien zum rhe
torischen und anthropologischen Wissen im 17. und 18. Jahrhundert.
T ü b i n g e n 1992.
Müller 191