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2. Strukturen und Modelle der F&E-Finanzierung

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Discussion Paper on International Management and Innovation

Alexander Gerybadze1

Finanzierung von Innovationen und neue Ressourcenallokations- Modelle für F&E

Discussion-Paper 99-01 Stuttgart, Februar 1999

ISSN: 1433-531X

1 Prof. Dr. Alexander Gerybadze, Lehrstuhl für Internationales Management und Direktor der Forschungsstelle Internationales Management und Innovation, Universität Hohenheim. Anschrift: Lehrstuhl für Internationales Management (510K), Universität Hohenheim, D-70593 Stuttgart, Tel: ++49-711-459- 3249, Fax: ++49-711-459-3446, E-mail: agerybad@uni-hohenheim.de

(2)

Inhaltsverzeichnis

1. Finanzierung von Innovationen und neue

Ressourcenallokations-Modelle für F&E

3

1.1 Unternehmensinterne Finanzierung und Ressourcenallokation 4 1.1.1 Vorteile unternehmensinterner Ressourcenallokation 4 1.1.2. Grenzen unternehmensinterner Ressourcenallokation 5

2. Strukturen und Modelle der F&E-Finanzierung

9

2.1 Die grundsätzliche Problematik der F&E-Finanzierung 10 2.2 In der Praxis verbreitete Verfahren der Konzernfinanzierung von F&E 13 2.3 Das Kaskadenmodell der F&E-Finanzierung 15 2.4 Das Wechselverhältnis zwischen zentraler und dezentraler F&E 18

3. Ein Modell der „F&E-Finanzierung der 3. Generation“

23

3.1 Prinzipien und wichtigste Finanzierungselemente 23 3.2 Ein Finanzierungs-Tableau für F&E im Konzern 25 3.3 Unterschiede zur bisherigen Form der F&E-Finanzierung 28

4. Einige Ausführungen zu den neuen

Finanzierungsbausteinen

30

4.1 Neue Formen der Finanzierung zentraler Konzernforschung 30 4.2 Finanzierung und Führung von Querschnittsprojekten 32 4.3 Venture-Finanzierung und Überleitung von Konzernprojekten in die

Anwendung 35 4.4. Die künftige Rolle der Konzernzentrale bei der F&E-Finanzierung 37

Literaturverzeichnis

40

(3)

1. Finanzierung von Innovationen und neue Ressourcenallokations-Modelle für F&E

Im folgenden wird der zentralen Frage der Finanzierung von Innovationen nachgegangen.

Diese wird in den meisten Büchern zum Technologie- und Innovationsmanagement nur unzureichend thematisiert; dies ist darauf zurückzuführen, daß man fälschlicherweise meint, Technologie und Innovation sei primär etwas für technische Spezialisten. Die sach- und zeitgerechte Versorgung von Innovationsprojekten mit Finanzmitteln ist allerdings eine zentrale Erfolgsvoraussetzung. Technische Spezialisten und Finanzierungsfachleute sollten deshalb viel enger als in der Vergangenheit zusammenarbeiten.

Bei der Analyse geeigneter Finanzierungsverfahren und -instrumente muß zum einen unterschieden werden zwischen Eigenkapital und Fremdkapital und zum anderen zwischen unternehmensexternen sowie unternehmensinternen Finanzierungsformen. Für Innovations- projekte scheiden aufgrund des Risikoprofils und stark asymetrisch verteilter Information die meisten Formen der Fremdkapitalfinanzierung aus und es kommt überwiegend nur die Eigenkapital- bzw. Beteiligungskapitalfinanzierung in Frage. Für letztere haben sich bestimmte Segmente des Kapitalmarktes herausgebildet, auf denen Anleger und Finanz- intermediäre spezielle Fähigkeiten der Auswahl, Finanzierung und Begleitung von Innovationsprojekten herausgebildet haben.2

Allerdings lassen sich bestimmte Klassen von Innovationen nicht mehr über externe Kapitalmärkte finanzieren, auch wenn diese noch so hoch entwickelt sind. Für diese

„schwierigen“ und aufwendigen Innovationen kommen nur unternehmensinterne Kapitalmärkte bzw. Finanzierungsquellen in Frage. Insbesondere große, technologieintensive Unternehmen haben hochentwickelte organisatorische Kompetenzen entwickelt, eine große Vielfalt von z.T. sehr riskanten Innovationsprojekten intern durchzusetzen und zu finanzieren.

Wir sprechen in diesem Zusammenhang von internen Kapitalmärkten für Innovationen bzw.

von unternehmensinternen Ressourcenallokationsprozessen. Auf diese internen Mechanismen und Instrumente der Finanzierung von F&E und Innovationsprojekten konzentriert sich das folgende Kapitel.

2 Eine aktuelle Übersicht über verschiedene Formen der F&E-Finanzierung und eine detaillierte Darstellung der verschiedenen Kapitalmarktsegmente findet sich in dem Sammelwerk „Das innovative Unternehmen“ in Kapitel 15.

(4)

1.1 Unternehmensinterne Finanzierung und Ressourcenallokation

F&E und Innovation ist aufgrund einer Reihe von Gründen durch ein erhebliches Marktversagen im Bereich externer Kapitalmärkte geprägt.3 Hochentwickelte Industriestaaten können ihre Organisationskompetenz weiterentwickeln und ausgefeilte Instrumente und Institutionen entwickeln (z.B. Venture-Capital-Finanzierung und neue, innovations- unterstützende Börsensegmente). Entscheidungen für Innovationsprojekte und die dafür erforderlichen Prozesse der Ressourcenallokation können jedoch auch stärker internalisiert werden; im letztgenannten Fall wird die Organisationskompetenz vorwiegend unternehmensintern aufgebaut. Im folgenden konzentrieren wir uns auf diesen zweiten, eher betriebswirtschaftlich geprägten Prozeß der unternehmensinternen Finanzierung und Ressourcenallokation.

1.1.1 Vorteile unternehmensinterner Ressourcenallokation

Ressourcenallokation für Innovationen wird definiert als Prozeß der Informationsgewinnung, Priorisierung, Auswahl und Durchsetzung von Projekten (neue Technologien, Produkte und Verfahren), durch die ein Unternehmen Wettbewerbsvorteile erlangt. Aus Sicht der volkswirtschaftlich geprägten Allokationstheorie liegt das Ziel jeglicher ökonomischer Aktivität darin, menschliche Bedürfnisse durch die Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen in einer Weise zu befriedigen, daß die zur Verfügung stehenden knappen Ressourcen möglichst effizient eingesetzt werden. Es müssen Entscheidungen und Priorisierungen zwischen einer Vielfalt von Bedürfnissen, Produkten und insbesondere zwischen heute verfügbaren und künftig bereitgestellten Ressourcen vorgenommen werden.

Unternehmensinterne Ressourcenallokation erfordert entsprechend, aus einer Vielzahl von Ideen und Projekten diejenigen auszuwählen und mit den erforderlichen Ressourcen auszustatten, daß eine effiziente Relation zwischen Technologiepotentialen und (künftigen) Bedarfsfeldern sowie ein möglichst hoher Unternehmenswert realisiert wird.

3 Zur klassischen ökonomischen Argumentation zum Kapitalmarktversagen im Zusammenhang mit F&E und Innovation siehe Arrow (1962), Nelson (1957, 1962) und Gerybadze (1982).

(5)

Probleme der Allokation von Ressourcen (unternehmensintern ebenso wie in volkswirtschaftlicher Hinsicht) stellen sich insbesondere deshalb ein, weil das Wissen über Bedürfnisse, Ressourcen und Technologien auf viele Akteure verteilt ist. Durch Allokationsprozesse wird eine effiziente Konfiguration von Ressourcen, Technologien und Bedürfnissen angestrebt, die der Restriktion informationeller Dezentralisierung und begrenzter Informationsverarbeitungskapazität bei den beteiligten Akteuren bestmöglich Rechnung trägt.4 Dabei können unterschiedliche Allokationsmechanismen bzw.

Koordinierungsmechanismen gewählt werden (jeweils unterschiedliche Typen von Marktprozessen, Formen vertikal integrierter Organisation, aber auch verschiedene Kooperationsdesigns).

Wir wollen uns zunächst auf Ressourcenallokationsprozesse im Zusammenhang mit der Koordinierung von F&E-Pojekten und -Programmen und der Bildung entsprechender F&E- Projektportfolios konzentrieren. Für verschiedene Klassen von F&E-Projekten und Innovationstypen haben große, technologieintensive Unternehmen ganz spezifische Instrumente der Finanzierung und neue organisatorische Formen entwickelt. Wir werden uns die verschiedenen Finanzierungs- und Organisationsmodelle im einzelnen anschauen und die damit gemachten Erfahrungen kritisch beleuchten. Die Mehrzahl der dargestellten Organisationsformen und Beispiele beziehen sich auf große multidivisionalen Unternehmen, die ein sehr umfangreiches Projektportfolio aufweisen. Die für diese Unternehmen dargestellten Organisations- und Finanzierungsformen sind aber auch auf mittelgroße Firmen übertragbar, die über mehrere Produktsparten bzw. Geschäftsbereiche verfügen und F&E in verschiedenen Organisationseinheiten durchführen.

1.1.2. Grenzen unternehmensinterner Ressourcenallokation

Große, vertikal integrierte Unternehmen weisen für bestimmte Klassen von Allokations- prozessen, bei denen besonders kritische Ressourcen und Leistungsbeziehungen koordiniert werden müssen, Effizienzvorteile auf. Bestimmte Typen von kapitalintensiven, riskanten Innovationen lassen sich nur innerhalb sehr großer Unternehmen finanzieren und

4 Auf derartige Allokationsprozesse mit informationeller Dezentralisierung, die ursprünglich von Hayek (1945) thematisiert wurden, ist insbesondere Hurwicz (1960) mit seinen Modelldarstellungen eingegangen.

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durchführen. Nicht umsonst entfällt auf die großen, technologieintensiven multinationalen Unternehmen ein sehr großer Teil der F&E-Aufwendungen in den OECD-Staaten.5 Diese zeichnen sich aber nicht allein durch ihre Finanzierungskraft, sondern vor allem durch ihre Organisationskompetenz aus. Organisatorische Innovationen und Restrukturierung haben im Verlauf der letzten Jahrzehnte immer neue Formen der firmeninternen Ressourcenallokation entstehen lassen, die sich - so wird im folgenden argumentiert - durch einen immer höheren Grad organisatorischer Komplexität und Effizienz auszeichnen.6

Wachsende Organisationskomplexität geht aber auch einher mit Bürokratisierung und Überspezialisierung. Der Versuch, einem Marktversagen auf externen Kapitalmärkten entgegenzutreten, wird z.T. konterkariert durch organisationsbedingte Defizite und einseitige Strukturbildungen in großen Firmen. Die neu entstandenen Organisations- und Finanzierungsformen sind daher für bestimmte Typen von Innovationen durchaus nützlich, behindern aber zugleich auch andere, durchaus sehr bedeutsame Typen von Innovationen. Zu differenzieren ist in diesem Zusammenhang insbesondere im Hinblick auf Allokationsentscheidungen

zwischen verschiedenen Risikoklassen und Typen von Innovationsprojekten;

zwischen kurzfristig angelegten Projekten und eher langfristig orientierten Innovationen und Geschäftstypen; sowie

zwischen den vorhandenen Stammgeschäften einer Unternehmung einerseits und den von ihr angestrebten Diversifikationsgeschäften andererseits (vgl. dazu die Übersicht in Abb.

1)

Große, vertikal integrierte Unternehmen betreiben ein umfangreiches Portfolio von Projekten, von denen einzelne das Stammgeschäft unterstützen, während andere Projekte auf Innovationen ausgerichtet sind und die Erschließung von Diversifikationsfeldern ermöglichen. Einzelne dieser Projekte sind weit in die Zukunft gerichtet, andere hingegen sind eher kurzfristiger Natur. Unternehmen sind Konflikthandhabungs- und - lösungsmechanismen, in denen zahlreiche Akteure um die Durchsetzung von Projekten streiten und sich auf ein ganz bestimmtes Portfolio von Projekten einigen müssen. Dabei

5 Vgl. Gerybadze, Meyer-Krahmer und Reger (1997, Kap. 2) und die Ausführungen in Gerybadze (1999), Kapitel 7.

6 Vgl. insbesondere die Arbeiten von Chandler (1962, 1977 und 1990), der auf die historische Entwicklung von Konzernstrukturen ausführlich eingegangen ist.

(7)

setzen sich tendenziell diejenigen Akteure durch, die spezifische, schwer transferierbare Ressourcen (insbesondere Know-how) in den laufenden Aktivitäten und Stammgeschäften gebunden haben. Vorhandene Mechanismen der Budgetallokation, der Ressourcenbewirtschaftung und des Controllings unterstützen diesen Bias.

Abbildung: 1: Ressourcenallokationsprozesse im Konzern begünstigen kurzfristige Projekte in Stammgeschäften

Diversi- fikations- Geschäft

Interner Kapitelmarkt und Ressourcenallokations- mechanismus begünstigt

kurzfristig orientierte

Stammgeschäfte Vorhande-

nes Stamm- Geschäft

Kurzfristige Geschäfte

Langfristige Geschäfte Breakthrough- Innovationen (durch Resourcen- allokationsprozeß tendenziell ver- nachlässigt)

Hypothese 1.1: Konzerninterne Mechanismen der Projektauswahl, Strategiefindungsprozesse und verbreitete Formen der Konflikthandhabung begünstigen kurzfristige gegenüber langfristigen Projekten und Stammgeschäfte gegenüber Innovationsvorhaben. Durch routinisierte Verfahren der Budget- und Ressourcenallokation und des Controllings wird dieser Bias noch weiter verstärkt.

Trotz dieses „Bias“ wird aber immer stärker erkannt, daß Wettbewerbsvorteile und Steigerun- gen des Unternehmenswertes nicht so sehr durch die Beherrschung der Stammgeschäfte er- zielt werden können, als vielmehr durch „Ressourcenallokation nach vorn“, d.h. durch die

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effiziente Erschließung langfristig ertragreicher Geschäftsfelder.7 Dies erfordert jedoch, rou- tinisierte Administrationsprozesse und Berichtswege zu überbrücken und laterale Koordina- tionsprozesse im Konzern zu mobilisieren. Um die bekannten Probleme interner Koordinie- rung von Innovationsprozessen auszugleichen, experimentieren nahezu alle großen, techno- logieintensiven Unternehmen mit Sekundär- bzw. Overlaystrukturen; diese umfassen sog.

Synergie-Ausschüsse (Daimler-Benz), Kerntechnologien (Siemens) oder Technologiekommittees (Hoechst bzw. Sandoz). Einzelne dieser Regelungsmechanismen erweisen sich als besonders aufwendig und als nicht sehr effektiv. In vereinzelten Fällen haben Unternehmen aber dennoch recht effiziente Mechanismen bzw. Plattformen der Koordinierung von Innovationsaktivitäten aufgebaut.

Hypothese 1.2: Besonders innovative, veränderungsorientierte Unternehmen haben in den letzten Jahren effiziente Innovationsplattformen aufgebaut. Diese bilden eine Overlay-Struktur zum etablierten Mechanismus der Budgetallokation und des Controllings und kompensieren z.T. die in den Hypothesen 1.1 beschriebenen Defizite interner Ressourcenallokation.

Um die genauen Mechanismen konzerninterner Ressourcenallokationsprozesse im Zusam- menhang mit F&E und Innovation näher zu verstehen, zugleich aber das Zusammenwirken zwischen routinisierten Allokationsmechanismen und „neuen“ Innovationsplattformen zu analysieren, soll im folgenden unterschieden werden zwischen

• der Finanzierungsstruktur und der Budgetierung von F&E;

• der dominanten Berichtsstruktur und Aufbauorganisation der Unternehmung, sowie

• den verschiedenen Formen von Ressourcenallokationsprozessen, die auf Innovation aus- gerichtet sind und die in der Regel „quer“ zur bestehenden Berichtsstruktur und Aufbauor- ganisation ablaufen.

7 Diese müssen nicht notwendig außerhalb der Stammgeschäfte liegen und durch Diversifikation in entfernt gelegene Geschäftsfelder geprägt sein. Entscheidend ist aber die beständige, auf Differenzierungsvorteile bedachte Rekonfigurierung der Wertschöpfungskette. Vgl. insbesondere Porter (1985).

(9)

2. Strukturen und Modelle der F&E-Finanzierung

Ressourcenallokationsprozesse im Unternehmen beinhalten Entscheidungen über die Auswahl, Durchführung und Finanzierung von F&E-Aktivitäten, zu denen nur beschränkte Informationen und subjektive Bewertungen vorliegen. Informationen zu den einzelnen Projekten und Abschätzungen zu ihrer Vorteilhaftigkeit sind auf viele verschiedene Stellen und Individuen im Unternehmen verteilt. Ziel ist es, die im Unternehmen verteilten Informationen und Bewertungen so zu strukturieren und zu bündeln, daß Entscheidungen getroffen und knappe Ressourcen sach- und termingerecht auf die jeweils ergiebigsten Projekte gelenkt werden. Hierbei kommt dem Finanzierungssystem eine wichtige Steuerungsfunktion zu. Das F&E-Finanzierungssystem sollte entsprechend so gestaltet sein, daß es nicht zu Stockungen im Allokationsprozeß, zu Fehlleitungen von Ressourcen und zu zusätzlichen Risiken kommt, die durch inadäquate Regelungen von Verantwortung und Haf- tung hervorgerufen werden. Gerade die letztgenannte Regelung von Verantwortung und von Haftungsfragen ist bei einer so inhärent riskanten Aktivität, wie es Forschung und Entwick- lung darstellt, von essentieller Bedeutung.

Entscheidungen über die Finanzierung und Durchführung von F&E, durch die auf Fragen der Verantwortung und Haftung, insbesondere aber auch auf die Effizienz von F&E-Aktivitäten ganz erheblich Einfluß genommen wird, können modelltheoretisch zwar simultan behandelt werden, sollen aber im folgenden bewußt analytisch getrennt werden. Wir behandeln im vor- liegenden Kapitel zunächst schwerpunktmäßig die Frage der Finanzierung von F&E. An spä- teren Stellen wird auf Fragen der Durchführung und Organisation von F&E eingegangen, die aber ihrerseits durch vorgelagerte Budgetentscheidungen beeinflußt werden.8

Zu unterscheiden ist auch zwischen einer rein deskriptiven Analyse von Entscheidungen zur Finanzierung bzw. Durchführung von F&E und einer eher präskriptiv ausgerichteten Untersuchung. Wir beginnen unsere Darstellung im folgenden zunächst mit einer

8 Diese Reihenfolge ist von uns bewußt gewählt worden, weil bei firmeninternen Allokationsprozessen Finan- zierungs- und Budgetentscheidungen oft vor realwirtschaftlichen F&E-Entscheidungen stehen und letztere sehr stark determinieren.

(10)

grundsätzlichen Charakterisierung von Anforderungen und Problemen der F&E- Finanzierung, in der auf das Spannungsverhältnis zwischen deskriptiver und präskriptiver Analyse ebenso wie zwischen theoretischen und empirischen Arbeiten hingewiesen wird (Abschnitt 2.1). Anschließend werden in Teil 2.2 bis 2.3 in rein deskriptiver Weise die in der Industrie vorherrschenden Konzepte der F&E-Finanzierung im Sinne einer „behavioristischen Analyse industrieller F&E“ porträtiert und kritisiert. In Abschnitt 3 bis 4 stellen wir anschließend in präskriptiver Weise vor, wie durch die Gestaltung adäquater Finanzierungsdesigns F&E-Projekte und Programme in großen, innovativen Unternehmen möglichst effizient geführt werden können.

2.1 Die grundsätzliche Problematik der F&E-Finanzierung

Entscheidungen über F&E-Projekte gehören zu einer besonders schwierigen Klasse von Investitionsentscheidungen, bei denen die relevanten Informationen typischerweise über viele Akteure im Unternehmen verteilt sind. Die Konsensfindung und die Bündelung der relevanten Informationen zu entscheidungsreifen Beschlüssen ist durch folgende Charakteristika des F&E-Prozesses erschwert:

Informationsasymmetrie: einzelne Entscheidungsträger verfügen über hochgradig spezi- fisches, „idiosynkratisches“ Wissen, das den Ablauf und die Ergebnisse von F&E-Projek- ten stark prägt. Dieses Wissen ist nur schwer übertragbar; Abläufe und Ergebnisse von F&E-Aktivitäten lassen sich nur schwer „messen“ bzw. evaluieren; das zur Evaluierung erforderliche Wissen wird von den fachlichen Spezialisten „vor Ort“ gehalten.

Zeitliches Profil von F&E-Investitionen: der Zeithorizont für viele F&E-Projekte beträgt in einzelnen Industrien und Technologiefeldern (z.B. Pharmaforschung, Werkstoffent- wicklung) mitunter 10-15 Jahre. Erst anschließend sind Rückflüsse zu erwarten, die sich dann nicht selten über einen entsprechend langen Zeitraum in der Zukunft verteilen.

Unsicherheit: F&E-Investitionen sind durch extrem hohe, finanzmathematisch nur schwer beherrschbare Unsicherheiten geprägt.9 Entscheidend ist für Finanzierungsfragen vor allem aber die Nicht-Berechenbarkeit von Risiken sowie der oft strategische Charakter der

9 Die Frage der Unsicherheit von F&E ist in der Literatur in extenso abgehandelt worden und muß hier nicht ausführlich dargelegt werden. Vgl. insbesondere Nelson (1962) und Arrow (1962) sowie Gerybadze (1999) Kapitel 1 und 2.

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Unsicherheit: F&E-Ausgaben und -Rückflüsse hängen in hohem Maße vom strategischen Verhalten zwischen verschiedenen Stellen im Unternehmen, aber auch von Interaktionen mit anderen Firmen ab.10

Optionscharakter von Investitionen: die Durchführung von F&E generiert Wissen und Handlungsalternativen, deren Wert erst zu späteren Zeitpunkten beurteilt werden kann.

Unternehmen tätigen F&E-Ausgaben daher vielfach, um eine Option auf künftige Erträge und Geschäftsmöglichkeiten zu erlangen. Der Wert der F&E-Investition kann nicht mit gängigen Instrumenten der Finanzanalyse (z.B. ROI) berechnet werden; entsprechende Investitionsanträge erscheinen den für die Finanzierung verantwortlichen Entscheidungs- trägern daher typischerweise als „suspekt“. Dennoch können Entscheidungen nicht aufgeschoben werden, weil sonst der Wert der Option verlorengeht.

• Problematisch ist ferner auch das typische Auszahlungsmuster von F&E-Investitionen.

Projekte starten in der Forschungs- und Screeningsphase oft mit vergleichsweise geringen Aufwendungen. Die eigentliche Entwicklung ist danach oft um Größenordnungen auf- wendiger. Der Investor ist gezwungen, dem bisher investierten Geld „mehr Geld nachzuwerfen“. Die Folgeinvestitionen für die Serienreife und Markteinführung (Post- R&D-expenditures) machen oft wiederum ein mehrfaches der ursprünglichen F&E- Aufwendungen aus. Dieser Schneeballeffekt der F&E-Finanzierung erzeugt vielfach Traumata bei Controllern und in der Geschäftsführung.

• Für die Finanzierung und Ressourcenallokation ist schließlich die bekannt hohe Externalität von F&E-Projekten problematisch. Auszahlungen und Einzahlungen lassen sich nicht eindeutig bestimmten Entitäten (Stellen, Geschäftsbereichen) zuordnen;11 daraus ergeben sich die typischen Probleme des Trittbrettfahrens, der Unter- bzw.

Überbeanspruchung von Ressourcen und der Verwässerung von Verantwortung, die auf Finanzierungsentscheidungen ganz erhebliche Rückwirkungen haben.

Angesichts dieser Probleme, die F&E-Investitionen aufwerfen, kann man fragen, warum Unternehmen überhaupt noch an solche Arten von Projekten herangehen, warum sie oft

10 Die Beurteilung von Projektabläufen und Ergebnissen ist somit nicht Sache der Ermittlung von Wahrschein- lichkeiten durch Finanzanalysten und Controller, sondern erfordert die Konsensfindung über Projektbeurteilungen in Gruppen. Solche Konsensfindungsprozesse sind gerade bei komplexen Projekten mit mehreren beteiligten Firmen besonders schwierig. Vgl. dazu Gerybadze (1999) Kapitel 8.

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enorme Summen für F&E ausgeben und warum manche Unternehmen dennoch Erfolge verbuchen. Innovative Großunternehmen sind gerade deshalb erfolgreich, weil sie den Finanzierungsprozeß für solche schwierigen Projekte beherrschen, bei denen die meisten anderen Firmen versagen. Entscheidend ist für eine hochentwickelte Finanzierungskompetenz die Steuerung der Anreize und Gewinnmöglichkeiten und die Fähigkeit, das im Unternehmen verteilte Wissen so zu mobilisieren und zu bündeln, daß Finanzmittel schnell zu den ergiebigsten Innovationsprojekten fließen.

Besonders innovative Unternehmen entwickeln Routinen zur Bewältigung riskanter Innovationen. Wichtiger Bestandteil solcher Routinen sind firmeninterne Finanzierungsmodalitäten, die die Güte von Entscheidungen, die Fähigkeit zur Risikoabschätzung und die Übernahme von Haftung durch einzelne Individuen adäquat berücksichtigen. Die wichtigsten Know-how-Träger müssen mit hinreichender Finanzautonomie ausgestattet werden und selbst in die Prozeß- und Ergebnisverantwortung für die von ihnen angestoßenen bzw. durchgeführten F&E-Projekte eingebunden werden.

Intelligente Finanzierungsschlüssel für F&E müssen sicherstellen, daß Finanzmittel möglichst schnell dorthin fließen, wo die besten Projektideen generiert und umgesetzt werden können. Sie müssen ferner der Maxime folgen, daß die Durchführungs- und Ergebnisverantwortung in sachlich-technischer Hinsicht möglichst weitgehend deckungsgleich ist mit der Ausgaben- und Einnahmenverantwortung. Intelligente F&E- Finanzierungssysteme gleichen damit einem sophistizierten Bewässerungssystem, bei dem

„liquide Mittel“ auf verschiedene Plateaus ertragreicher Terrassen fließen. Diese Konzeption ist grundsätzlich verschieden von vielen in der Industrie verbreiteten Finanzierungssystemen, bei denen die liquiden Mittel entweder gleichmäßig und auf vorgespurten Pfaden von oben nach unten rieseln, oder aber von vornherein auf niedrigen Plateaus und in zahlreichen unterirdischen Kanälen versickern.

11 Diese Problematik der sog. „Template externality“ ist ausführlich in der ökonomischen Innovationsliteratur (Arrow 1962, Demsetz 1969, Nelson 1993) behandelt worden; Interessanterweise ist dieses Problem nicht ausführlich im Zusammenhang mit der Leistungsverrechnung innerhalb von Konzernen behandelt worden.

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2.2 In der Praxis verbreitete Verfahren der Konzernfinanzierung von F&E

Es gibt bislang nur wenige verläßliche empirische Untersuchungen darüber, wie in Unterneh- men de facto F&E-Budgets festgelegt werden; immerhin gibt es immer wieder Hinweise dar- auf in verschiedenen Studien zur Innovationsforschung12 ebenso wie Praktikerberichte und Aufzeichnungen aus der Unternehmensberatungspraxis.13 Diejenigen Autoren, die empirisch verbreitete Verfahren der F&E-Finanzierung untersucht haben, werfen zumeist die Frage auf, ob Firmen ihre F&E-Budgets rational, unter Verwendung präziser Plandaten oder eher routi- negetrieben, d.h. unter Verwendung simpler Daumenregeln festlegen, die ihrerseits nicht mehr weiter hinterfragt werden können.

Brockhoff (1988) gibt eine Übersicht zur Literatur zu diesem Thema und stellt eigene empirische Ergebnisse zu Determinanten von F&E-Budgets in Unternehmen dar. Er vergleicht verschiedene präskriptive Ansätze der F&E-Budgetplanung und kontrastiert diese mit empirischen Auswertungen zum tatsächlichen Verhalten von Managern im F&E- Budgetentscheidungsprozeß.14 Er kommt bei der Auswertung vorliegender empirischer Untersuchungen zu dem Schluß, daß im wesentlichen der „Vergangenheitsumsatz die primäre Bestimmungsgröße für F&E-Budgets darstellt“15 und daß daneben vor allem auch Gewinne bzw. Gewinnerwartungen16 einen wichtigen, wenngleich nicht immer eindeutig nachweisbaren Einfluß ausüben. Die Schlußfolgerung Brockhoffs weist auf den erkennbaren Kontrast zwischen sophistizierter Modellbildung und eher "hausbackenen" Routineverfahren der Budgetbestimmung im F&E-Bereich hin. Er betont zudem auch die mangelnde Kopplung zwischen F&E-Budgetplanung und strategischer Planung.

12 Eine sehr interessante Analyse zum betrieblichen F&E-Finanzierungsverhalten bietet die Dissertation von Kay (1979). Weitere Untersuchungen zum F&E-Finanzierungsverhalten finden sich in Mansfield (1964, 1968), Grabowski (1966, 1968), Mueller (1967), Schanz (1972), Rubenstein (1989), Brockhoff (1988) und Budworth (1996).

13 Besonders aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang die Darstellung in Arthur D. Little (1991).

14 Für den interessierten Leser empfiehlt sich hierzu die Lektüre der Abschnitte 6.1 und 6.2 im Buch von Brockhoff (1988).

15 Brockhoff (1988, 127) unter Bezugnahme auf eine empirische Untersuchung der European Industrial Re- search Management Association (EIRMA 1983, 29).

16 Zur Rolle von Gewinnen bzw. Gewinnerwartungen bei der Festlegung von F&E-Budgets, vgl. insbesondere Mansfield (1964, 1968), Mueller (1967) und Brockhoff (1988, Teil 6.1.1).

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„Eine eigene Befragung bei 40 deutschen Unternehmen bestätigt, daß überwiegend die bottom-up akkumulierten Projektanforderungen von Finanzmitteln durch die Finanzierungsmöglichkeiten oder die bestehenden Kapazitäten begrenzt werden und darüber hinaus nur in seltenen Fällen Son- derzuweisungen zur Erfüllung neuer unternehmensstrategischer Ziele verfolgen; im übrigen herrscht die Orientierung an Vergangenheitswerten, insbesondere dem Forschungs- und Entwick- lungsbudget und dem Umsatz der Vergangenheit, vor.“ Brockhoff (1988, 127).

Ob sich eher rational geprägte Finanzierungsalgorithmen oder behavioristische Daumenregeln in der Praxis durchsetzen, ist vor allem eine Frage der Verfügbarkeit der erforderlichen Informationen bei den beteiligten Akteuren. Selbst wenn sich Unternehmen aus Mangel an Informationen oder auch infolge eingeschränkter Konsensfähigkeit bei der Bewertung zu sehr einfachen Daumenregeln durchringen, bedeutet dies keineswegs, daß nicht zuvor ein sehr langwieriger Screening-Prozeß durchlaufen worden ist, an deren Ende eine solche, scheinbar simple Daumenregel akzeptiert wird.17

Im Vorfeld der Budgetfestlegung werden zumeist Plausibilitätsüberlegungen zu folgenden drei Fragen angestellt: (1) Was tun die Wettbewerber? (2) Was kosten die Projekte, die unsere eigenen Techniker empfehlen? (3) Was kann sich die Firma leisten? Diese Fragen müssen differenziert verfolgt und beantwortet werden, je nachdem, ob sie für die Unternehmung als Ganzes oder für einzelne Geschäftseinheiten gestellt werden. Auch erfordert die Frage der Finanzierung zentraler F&E bzw. von Querschnittsprojekten eine andere Herangehensweise als dies für die eher anwendungsnahen Entwicklungen der Fall ist.

Entscheidend ist daneben auch, welchen Entwicklungsstand Unternehmen im Rahmen ihres F&E-Managements erreicht haben. Die Untersuchung von Arthur D. Little (1991) unterschei- det hierbei zwischen dem F&E-Management der ersten, zweiten und dritten Generation, wobei davon auszugehen ist, daß die überwiegende Mehrzahl der großen Unternehmen noch immer der zweiten Generation zuzuordnen ist.18 Beginnen wir mit der „klassischen“ F&E- Finanzierung während der ersten Generation (vorherrschend bis ca. 1975): Unternehmen bauten wenige, zumeist zentral angesiedelte F&E-Labors auf bestimmten technisch- wissenschaftlichen Gebieten auf. Die Größe dieser Einrichtungen war eher durch technische Gegebenheiten (Mindestgrößen für bestimmte Labors) und durch den Ehrgeiz der

17 So hat beispielsweise Quinn (1980) gezeigt, daß „Logischer Inkrementalismus“, der sich in solchen Daumen- regeln niederschlägt, zu durchaus respektablen Entscheidungen und Veränderungen führen kann.

18 Dies bestätigen insbesondere auch neuere Untersuchungen in Gerybadze, Meyer-Krahmer und Reger (1997) und Reger (1997) sowie in Roberts (1995 a und b).

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verantwortlichen Entwickler geprägt, als durch finanzwirtschaftliche Berechnungen und durch Einflußnahme von Controllern. Ging es dem Unternehmen gut, wurden sog. „Slack- Investitionen“ getätigt und Forschungszentren wurden entsprechend großzügig ausgestattet.

Ging es dem Unternehmen zwischenzeitlich schlecht, so blieben die F&E-Einheiten von Kürzungen häufig verschont. „Lean research“ gehörte noch nicht zum Management- Repertoire während dieser ersten Generation des F&E-Managements.19

Während der zweiten Generation des F&E-Managements, überwiegend in der Periode 1975 bis Anfang der 90er Jahre, als die Mehrzahl der großen Unternehmungen sukzessive zur multidivisionalen Organisationsform überging, wurde auch die F&E-Finanzierung entsprechend dezentralisiert. Die oben genannten Fragen (Was machen unsere Wettbewerber?

Was empfehlen die F&E-Spezialisten? Was können wir uns leisten?) konnten entsprechend sinnvoll nur auf der Ebene der strategischen Geschäftseinheit (SGE) oder der Sparte gestellt werden. Den Unternehmensbereichen mit Gewinn-Verlust-Verantwortung wurde demzufolge auch eine größere Autonomie bei der Festlegung von F&E-Budgets und bei der Durchführung ihrer eigenen F&E-Programme eingeräumt. Zentral finanzierte und durchgeführte F&E wurde demgegenüber häufig „abgespeckt“.

2.3 Das Kaskadenmodell der F&E-Finanzierung

Obwohl es große Unterschiede zwischen Unternehmen gibt, was das Ausmaß der Dezentralisierung, den Ablauf des Budgetierungsprozesses und die Wahl der Koordinierungs- mechanismen im F&E-Bereich anbetrifft, hat sich dennoch in vielen Unternehmen ein verbreiteter Prototyp der F&E-Finanzierung der 2. Generation durchgesetzt: Grundprinzip ist, daß die Macht und Finanzierungsautonomie bei der Sparte, dem Unternehmensbereich bzw. der Division liegt.20

19 Auch hier mag es deutliche Unterschiede in der strategischen Ausrichtung und Unternehmenskultur verschiedener Firmen geben. Während forschungsorientierte Unternehmen ihre zentralen Forschungszentren lange Zeit großzügig agieren ließen, gab es auch früher schon andere Firmen, in denen Forschungsbudgets je nach Konjunkturflaute „hoch und runter“ gefahren wurden.

20 Im folgenden sprechen wir einheitlich von der „Sparte“. Gemeint ist in diesem Zusammenhang die hierarchisch höchste Einheit unterhalb der Konzernleitung, die eine eigene Strategie verfolgt, die Gewinn- und Verlust-Verantwortung innehat und die ein eigenes Investitions- und F&E-Budget aufstellt. Die Benennung dieser Entität mag von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sein (z.B. Sparte, Division, Unternehmensbereich etc.).

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Diese Sparte ist verantwortlich für die Steuerung, Durchführung, Finanzierung und das Review der F&E-Projekte. F&E-Projekte werden weitgehend aus dem Cash-flow dieser Sparte finanziert; der überwältigende Teil der F&E-Projekte wird innerhalb dieser finanzierenden Organisationseinheit durchgeführt und „bedient“ vorzugsweise Produkte und Märkte dieser Sparte. Auf Auswahl, Durchführung und Reviews von F&E-Projekten haben weder die Konzernleitung noch Sparten nennenswerten Einfluß. Aufgabe der Konzernführung ist es allein, das Generalbudget für F&E und die von der Sparte verfolgte F&E-Strategie

„abzusegnen“.

Durch den beschriebenen Finanzallokationsmechanismus wird auch die Bedeutung der ein- gangs erwähnten Daumenregeln verständlich: Die Zentrale beschränkt sich auf die Überprüfung, ob die Finanzpläne auf Konzernebene arithmetisch aufgehen, sowie auf bestimmte Plausibilitätsbetrachtungen der folgenden Art: „wieviel % vom Umsatz investieren die fünf führenden Pharmaunternehmen der Welt und wie hoch ist dieser Wert bei unserer Sparte Pharma“? Die Zentrale ist allerdings nur unzureichend über die in dieser Sparte verfolgten F&E-Projekte informiert und sie kann hierzu weder vernünftige Berechnungen anstellen, noch kann sie sich auf die von der Sparte bereitgestellten Informationen verlassen.

Jede Sparte erhält auf diese Weise für die nächste Planungsperiode, d.h. zumeist für das nächste Jahr, in einzelnen Fällen auch für eine Periode von 3 bis 5 Jahren Vorgaben in Bezug auf Umsatz, Cash-flow, Investitionen und F&E-Aufwendungen (typischerweise durch Vorgaben als %-Anteil am Umsatz). Die Leitung der Sparte schreibt daraufhin ein bestimmtes F&E-Budget auf Jahresbasis fest und macht dies zur Grundlage ihrer F&E-Strategie und ihres Projektportfolios. Ausgangsbasis dafür sind erwartete Umsätze und Cash-flows für das laufende Jahr. Im Verlauf des Jahres vollzieht die Spartenleitung ein entsprechendes Fine- tuning: entwickeln sich Umsätze und Cash-flows nicht ganz in der erwarteten Weise, kommen bestimmte F&E-Projekte bzw. bestimmte Teile des F&E-Portfolios etwas „in die Zange“: Unruhe entsteht unter den beteiligten F&E-Mitarbeitern. Verdient die Sparte umgekehrt im Verlaufe eines „guten Jahres“ mehr als erwartet, so kann auch im F&E-Bereich mehr „gewuchert“ werden und manche dubiosen Projekte erhalten wieder Auftrieb.

(17)

Abbildung 2: F&E-Budgetbestimmung in der 2. Generation des F&E-Managements

-Konzernumsatz -Konzerngewinn -Investitionsbudget

-Umsatz Sparte -Cash-flow Sparte -Gewinn/Verlust -Investitionen

-Umsatz SGE -Cash-flow SGE -Gewinn/Verlust -Investitionen Finanzplanung und Controlling allgemein

-F&E-Anteil am Umsatz der Sparte -F&E-Budget/Sparte -F&E-Portfolio der Sparte

-F&E-Budgets der SGE/Sparte -F&E-Portfolio der SGE/Sparte

F&E-Finanzplanung und-Budgetierung

Investitionsprojekte der SGE bzw. Produktbereiche

F&E-Projekte der SGE bzw. Produktbereiche SGE/Produkt-

bereich Sparte/Unter- nehmensbereich

Konzern- leitung

Der gleiche Budgetverteilungsschlüssel findet häufig auch in den unterhalb der Sparte ange- siedelten Organisationseinheiten Anwendung. Die Spartenleitung genehmigt den einzelnen strategischen Geschäftseinheiten (SGE) bzw. den Produktbereichen, einen bestimmten Anteil des Umsatzes für Entwicklungen zum Ausbau der eigenen Markt- und Produktbasis zu ver- wenden. Auch die SGE bzw. die Produktbereiche stellen somit ein eigenes F&E-Portfolio auf und versuchen, im Laufe des Jahres die gewünschten Projekte in der erwarteten Weise durch- zuführen; sie müssen aber ebenfalls auf ihrer Ebene finanzielle Schwankungen genauso wie Planungsänderungen bei den F&E-Projekten im Verlauf des Jahres ins Lot bringen.

(18)

Dieser Mechanismus der F&E-Finanzierung der 2. Generation, der in Abb. 2 dargestellt wird, ähnelt stark dem eingangs beschriebenen Bewässerungssystem, bei dem das Wasser von oben nach unten fließt und letztlich auf viele kleine Felder auf unterster Ebene verteilt wird. Vorteil ist bei einem solchen Prozedere zwar, daß möglichst unverzerrte Koppelungen von Marktanforderungen, Produktspezifikationen und F&E-Projekten auf der durchführenden Ebene hergestellt werden. Produktanpassungen und -optimierungen und die Erfüllung von Kundennutzen entlang vorgegebener Trajektorien werden damit in besonders vorteilhafter Weise sichergestellt. Dieses Prozedere führt jedoch zumeist zu Inkrementalismus, zu Kurzsichtigkeit und zu einer Überparzellierung. Die beschriebene „konjunkturelle Zange“

erzeugt Unruhe bei den F&E-Projekten auf SGE- und Spartenebene. Jede kleinste Einheit versucht, die ihr genehmigten F&E-Budgets auch unbedingt auszugeben und möglichst wenig Budget zu „exportieren“. Ein bereichsübergreifender Cash-flow-Transfer unterbleibt weitgehend und dies beeinträchtigt auch die Zusammenarbeit über Sparten- und SGE- Grenzen hinweg. Strategisch wichtige, oft notwendigerweise groß anzulegende Projekte kommen nicht zustande; zudem ist die Vielzahl der F&E-Aktivitäten auf unterer Ebene durch viele Doppelspurigkeiten geprägt.

2.4 Das Wechselverhältnis zwischen zentraler und dezentraler F&E

Auch in der 2. Generation des F&E-Managements wurde die Sparten- und SGE-übergreifende Vorfeld- bzw. Grundlagenforschung nicht ganz abgebaut. Manche Unternehmen haben sich als sog. „strategische Kriegskasse“ ein zentrales Budget für Forschung erhalten. Dieses ist jedoch häufig dem konzernüblichen Controlling und Ressourcenallokationsmechanismus entzogen. In der Regel wird ein kleiner Prozentsatz des F&E-Budgets des Konzerns (zumeist unter 5%, sehr selten über 10%) für die Konzernforschung „zur Seite gelegt“. Die damit finanzierten Aktivitäten werden zumeist innerhalb zentraler Laboratorien durchgeführt. Die Finanzierung erfolgt aus einer Konzernumlage; die einzelnen Sparten werden dafür pauschal

„besteuert“ und haben dann nur wenig Einfluß auf Finanzierung, Auswahl von Forschungsprojekten und auf die Portfolio-Bildung. Entsprechend gering ausgeprägt ist die Interaktion und das Ausmaß der Zusammenarbeit mit der zentralen Forschung und deren Wertschätzung durch die Sparten. Im Zuge dieser Entwicklung haben die Zentralbereiche der

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Konzernforschung im Verlauf der 2. Generation des F&E-Managements eine zunehmende Auszehrung erfahren.21

In Abb. 3 wird auf das Wechselverhältnis zwischen zentraler Forschung und bereichsnaher F&E näher eingegangen. Unterschieden wird entlang der horizontalen Achse zwischen einer zentralen Finanzierung von F&E-Projekten und -Budgets durch den Konzern (rechte Hälfte) und einer dezentralen Finanzierung aus dem Cash-flow der Sparten bzw. SGE (linke Hälfte).

Entlang der vertikalen Achse wird zwischen zentraler und dezentraler Führung von F&E unterschieden. Bei dezentraler Führung (untere Hälfte in Abb. 3) verfügt die Sparte (bzw.

SGE) über die wesentlichen Kontroll- und Verfügungsrechte. Sie kann autonom über Auswahl, Überwachung, Restrukturierung und Beendigung von F&E-Projekten entscheiden;

sie legt selbstständig ihr F&E-Portfolio im Rahmen ihres Budgets fest. Dies ist anders bei der eher zentralen Führung (obere Hälfte in Abb. 3) von F&E: hier nehmen die Konzernleitung bzw. die von ihr beauftragten Konzernstäbe bzw. -gremien Einfluß auf F&E-Projekte und -Programme; in einzelnen Fällen wird durch die Zentrale ein konzernweites F&E-Portfolio erstellt und überwacht.

Die erste Generation des F&E-Managements war durch eine vergleichsweise hohe Bedeutung zentraler F&E-Finanzierung geprägt. Allerdings fand keine konsequente Wahrnehmung von Steuerungsaufgaben und Verfügungsrechten durch den Konzern statt. Ein vergleichsweise hoher Anteil der F&E-Budgets floß den damit speziell betrauten Einheiten zu und wurde von diesen weitgehend autonom koordiniert und verwaltet (vgl. den schraffierten Bereich in Abb.

3). Parallel dazu wurden in den Geschäftseinheiten auf vergleichsweise niedrigem Niveau Vorhaben der marktnahen Anpassungsentwicklung verfolgt.

21 Vgl. dazu die empirischen Untersuchungen in Gerybadze, Meyer-Krahmer, Reger (1997, Kap. 2 und 3).

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Abbildung 3: Wechselverhältnis zwischen zentraler und dezentraler F&E während der 1. Generation des F&E-Managements

Art der Führung/

Verteilung der Verfügungs- rechte

Konzern/

Sparten- über- greifend

Sparten/

SGE

Quelle der Finanzierung

Konzern Sparten

Vergleichsweise unbedeu- tende, anwendungs- und bereichsnahe Projekte

Vergleichs- weise starke, zentrale

Konzernforschung

In der zweiten Generation des F&E-Managements findet die bereits beschriebene Bedeutungsverlagerung hin zur dezentralen Finanzierung und Führung von F&E-Projekten und

-Programmen statt. Dies wird in Abb. 4 durch die Größe des links unten dargestellten, schraffierten Kreises veranschaulicht. 80-90% der F&E-Aufwendungen werden nunmehr nicht mehr über Konzernumlagen finanziert, sondern aus dem Cash-flow der Sparten bzw.

SGE. Infolgedessen beanspruchen diese finanzierenden Geschäftseinheiten auch die Auto- nomie bei der Führung von F&E-Projekten und -Programmen. Indem sich die dezentralen Bereiche einer Einflußnahme durch die Zentrale entziehen, die über die reine „Absegnung“

von F&E-Budgets hinausgeht, bleibt die obere linke Box in Abb. 4 unbesetzt. Umgekehrt folgt auch für die Zentrale: Durchführung, Kontrolle, Finanzierung und Nutzung von F&E- Projekten ist Sache der Sparten bzw. der SGE; folglich gibt es keinen Grund diese Einheiten bei ihren F&E-Vorhaben zu subventionieren. Entsprechend bleibt auch die rechte, untere Box in Abb. 4 unbesetzt.

(21)

Ein kleiner Prozentsatz des Konzern-F&E-Budgets wird nach einer Daumenregel für Lang- fristvorhaben und strategische Themen „zur Seite gelegt“ (vgl. rechte obere Box in Abb. 4).

Diese werden von der Zentrale finanziert und für sie beansprucht die Zentrale, ganz im Gegensatz zur „Politik der langen Leine“ während der 1. Generation des F&E-Managements, wesentliche Kontroll- und Verfügungsrechte. Von zentraler Seite wird Einfluß ausgeübt auf die Forschungsstrategie ebenso wie auf Auswahl, Evaluation und ggf. Abbruch wichtiger Projekte. Letzteres liegt, oft geradezu zum Entsetzen der beteiligten Forscher, in der Kompetenz der dafür verantwortlichen Konzernstäbe bzw. Forschungskommissionen.22 Charakteristisch für die zweite Generation der F&E-Finanzierung bleibt aber die weitgehende Entkoppelung von Konzernforschung und dezentraler F&E in den Sparten. Als notwendige Folge stellen sich die vielfältigen Schnittstellen- und Transferprobleme ein, über die in der Literatur zum F&E-Management eingehend berichtet wird.23

22 Vgl. hierzu die Darstellung der Arbeitsweise von Forschungskommissionen bzw. „Research Councils“ in Gerybadze (1999) Kap. 5.

23 Vgl. Brockhoff (1989, 1994), Arthur D. Little (1991), Rubenstein (1989), Clark, Wheelwright (1992) und Schrader (1994).

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Abbildung 4: Wechselverhältnis zwischen zentraler und dezentraler F&E während der 2. Generation des F&E-Managements

Art der Führung/

Verteilung der Verfügungs- rechte

Konzern/

Sparten- über- greifend

Sparten/

SGE

Quelle der Finanzierung

Konzern Sparten

Dominierender Anteil der F&E-Projekte wird in den Sparten durchge-

führt und finanziert

Zentrale Konzernfor- schung mit stark

reduziertem Budget

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3. Ein Modell der „F&E-Finanzierung der 3. Gene- ration“

Nachdem im Teil 2 die deskriptive Analyse der in vielen Unternehmen verbreiteten Formen der Finanzierung und Durchführung von F&E behandelt wurde, sollen im folgenden eher präskriptive Betrachtungen und Ansätze zur Verbesserung im Vordergrund stehen. Die beschriebene schematische Zweiteilung in zentrale (Grundlagen-)Forschung und dezentrale (Sparten-)Entwicklung wird der Vielfalt und Komplexität des F&E-Prozesses in vielen Unternehmen nicht mehr ganz gerecht. Wichtige Arten von F&E-Projekten werden bei einer solchen Zweiteilung „ausgeblendet“, nicht angemessen gesteuert oder unzureichend mit Finanzmitteln versorgt. Die folgenden Betrachtungen differenzieren stärker zwischen fünf verschiedenen Formen der Finanzierung und Steuerung. Die vorgestellten Finanzierungsbausteine eröffnen interessante Kombinationsmöglichkeiten und ein „Financial Engineering“, das bewußt den unterschiedlichen Finanzierungs- und Steuerungs- anforderungen von Innovationsprojekten Rechnung trägt.

3.1 Prinzipien und wichtigste Finanzierungselemente

Die F&E-Finanzierung der dritten Generation, die im Verlauf der 90er Jahre bereits von wenigen Konzernen erprobt wurde, sich bislang aber keineswegs durchgesetzt hat, sollte durch folgende Prinzipien geprägt sein:

1. Durch das Dekompositionsprinzip;

2. das Subsidiaritätsprinzip;

3. das Kompatibilitätsprinzip sowie durch 4. das Integrationsprinzip.

Das Dekompositionsprinzip24 der F&E-Finanzierung trägt der Tatsache Rechnung, daß Informationen über Ablauf, Ergebnis und Nutzung von einzelnen F&E-Projekten oft „lokal“

von wenigen Stellen gehalten und von diesen nur mit hohem Aufwand und nicht

24 Vgl. dazu u.a. Williamson (1990) und de Pay (1992).

(24)

verzerrungsfrei auf andere Stellen übertragen werden können. Entscheidungen über die Auswahl von Projekten, die Ressourcenzuteilung und die Budgetbereitstellung sollten möglichst dort erfolgen, wo die jeweils besten und verläßlichsten Informationen vorliegen.

Dies spricht tendenziell für eine dezentrale Verteilung von Finanzmitteln und Verfügungsrechten.

Eng verwandt damit ist das Subsidiaritätsprinzip, das die Entscheidungsfindung auf der jeweils untersten Ebene vorsieht, die dafür gerade noch alle Voraussetzungen (Informationen, Ressourcenausstattung, Kontrolle der Wirkungen nach außen) sicherstellen kann. Nur wenn eine Einheit diese Voraussetzungen nicht erfüllt, beispielsweise wenn wichtige Informationen von anderen gehalten werden, oder wenn Spill-overs zu anderen Bereichen zu erwarten sind, sollte die nächsthöhere Instanz eingeschaltet werden.25 Auch dieses Prinzip spricht für eine möglichst weitgehende Dezentralisierung von F&E-Entscheidungen, legt aber für bestimmte Projekte auch die Notwendigkeit zentraler Konflikthandhabung und -lösung, Koordinierung sowie ein gewisses Ausmaß zentraler Budgetierung nahe.

Das Kompatibilitätsprinzip der F&E-Finanzierung zielt darauf ab, Allokations- und Budget- entscheidungen möglichst weitgehend miteinander in Deckung zu bringen. Diejenigen, die die Verantwortung für Durchführung und Ergebnis von F&E haben, sollten zugleich auch die Verantwortung für Ausgaben und Einnahmen tragen. Durch weitgehende Entkopplung von Budgetentscheidungsprozessen und strategischen Ressourcenallokationsprozessen ist dieses Prinzip gerade bei F&E häufig außer Kraft gesetzt.26

Während diese drei ersten Prinzipien latent zu einem Auseinanderdriften von Entscheidungen führen, wird durch Berücksichtigung des Integrationsprinzips eine Zusammenführung im Sinne von Konzernsynergien angestrebt. Das Integrationsprinzip betont, daß es Aufgaben und

25 Das Subsidiaritätsprinzip wird zur Zeit heftig im Rahmen des EU-Integrationsprozesses diskutiert. Von zen- tralem Stellenwert ist insbesondere die Frage der Subsidiarität zwischen nationaler und europäischer For- schungspolitik. Ähnliche Überlegungen gelten für die hierarchische Projekt- und Programmplanung in großen Unternehmen.

26 Mintzberg (1994, Kap. 2) weist darauf hin, daß durch das Auseinanderfallen von Budgetierungs- und Strate- giefindungsprozessen ein Großteil des Dilemmas der strategischen Planung in Industrieunternehmen zu erklären ist.

(25)

Entscheidungsbefugnisse gibt, die die Kompetenz einzelner Einheiten notwendig übersteigen.

Gerade im Bereich von F&E gibt es wesentliche Aufgaben, die nicht durch Dekomposition und Entscheidungsdezentralisierung allein bewerkstelligt werden können. Die Bewältigung solcher Querschnittsaufgaben ist ein wesentliches Element der Legitimation für den Konzern insgesamt. Integrationsleistungen werden dadurch erbracht, daß die Zusammenarbeit zwischen Einheiten erleichtert, daß die Kommunikation gefördert wird und nicht zuletzt auch dadurch, daß geeignete konzernübergreifende Finanztransfers institutionalisiert werden.

Intelligente F&E-Finanzierungsmechanismen der dritten Generation beinhalten eine bestimmte Art der Finanzverfassung27 im Konzern, durch die das Kräftespiel zwischen den Einheiten so gestaltet wird, daß diesen vier Prinzipien möglichst weitgehend Rechnung getragen wird. Dies wird durch eine gut abgestimmte Mischfinanzierung von F&E erreicht, die im wesentlichen folgende fünf Elemente umfaßt:

Finanzierungselement 1: Sparten-F&E mit Cash-flow-Finanzierung und weitgehender Finanzautonomie der dezentralen Einheiten.

Finanzierungselement 2: Zentrale Konzernfinanzierung für Vorlauf- und Grundlagenent- wicklungen.

Finanzierungselement 3: Projekte und Aufträge der Bereiche an die zentrale Konzern- F&E.

Finanzierungselement 4: Poolen von Finanzmitteln der Sparten und Bildung von Querschnittsprojekten und -programmen unter Führung bzw. Moderation durch den Konzern.

Finanzierungselement 5: Bereitstellung von Seed-Money des Konzerns für die Überleitung von Forschungsprojekten in die Trägerschaft der Anwendungsbereiche.

3.2 Ein Finanzierungs-Tableau für F&E im Konzern

Die genannten fünf Finanzierungselemente sind in Tab. 1 in einem Tableau zusammengefaßt.

Dieses bildet die Ausgangsbasis für die numerische Zusammenfassung und Konsolidierung aller F&E-Teilbudgets im Konzern, gegliedert nach Finanzierungsquelle und

27 Unter Finanzverfassung versteht man im politischen Bereich die Regelung der Finanzierungsströme und der Finanzautonomie zwischen Bund, Ländern und Kommunen.

(26)

Verantwortungsbereich. Das Tableau kann für Berechnungen von F&E-Teilbudgets mit jedem marktüblichen Spreadsheet-Programm (Excel, Lotus 1-2-3 etc.) weiterentwickelt werden.

Entlang der vertikalen Achse wird zunächst zwischen zwei Grundformen der Finanzierung unterschieden. Die linke Seite des Tableaus enthält alle diejenigen Teilbudgets, die vollständig aus dem Cash-flow der einzelnen Sparten finanziert werden. Auf der rechten Seite sind entsprechend alle F&E-Teilbudgets eingetragen, die der Konzern aus der zentralen Umlage finanziert.

Im linken Teil des Tableaus repräsentiert der untere Quadrant das wichtigste und größte Ele- ment der F&E-Finanzierung. Hier geht es um Forschung und Entwicklung, die die Sparten Si (i=1, ..., N) selbst finanzieren und unter eigener Regie betreiben und führen. Fij steht dabei für F&E-Aufwendungen aus Sparte i (Quelle), die in Sparte j verwendet werden. Es wird ange- nommen, nur die Diagonalelemente dieser Matrix seien besetzt, d.h. es gebe keine Quersub- ventionierung von F&E zwischen Sparten.28

Die Sparten setzen sich aber dennoch auch für das Gemeinwohl des Konzerns ein, indem sie sich an der Finanzierung der zentralen Forschung und an gemeinsam mit anderen Sparten ge- führten F&E-Projekten finanziell beteiligen. Im linken oberen Teil des Tableaus sind alle Zahlungen der Sparten Si an die zentrale Konzernforschung enthalten. Diese sind mit Fic (i=1, ..., N) notiert und entsprechen dem Finanzierungselement 3. Darin enthalten sind alle Aufträge und Projekte, die die Sparten der zentralen Konzernforschung erteilen. Nicht berücksichtigt sind in diesen Zahlen die allgemeinen Umlagen für die Konzernforschung, zu denen die Sparten ebenfalls herangezogen werden.29

Die Sparten finanzieren ferner in einzelnen Unternehmen auch Projekte, die nicht durch diese Sparte selbst geführt werden. Hierbei handelt es sich um Querschnittsprojekte, an denen mehrere Sparten interessiert sind und für die sie daher finanzielle Mittel in einen Pool

28 Dies entspricht weitgehend der Praxis, in der sich alle Sparten bei der anwendungsnahen F&E „egoistisch“

verhalten. Sie finanzieren zwar auch Forschung außerhalb der Sparte mit, dann aber eher die Konzernforschung oder für gepoolte Forschungsprojekte. Letztere sind links oben im Tableau abgetragen.

29 Diese Umlagen sollen hier ausgeklammert werden, weil sie im Konzern nur schwer zu einzelnen Sparten zuzurechnen sind und weil von ihnen außerdem keine klaren Allokationswirkungen ausgehen.

(27)

einzahlen. Diese Projekte sind oft nicht in der zentralen Konzernforschung angesiedelt und werden von einem Gremium geführt, das die Interessen des Konzerns wie auch der finanzierenden Sparten repräsentiert. Dieses vierte Finanzierungselement ist in der zweitobersten Spalte im Tableau in Tab. 1 dargestellt und enthält jeweils die von Sparte Si finanzierten Beiträge für gemeinsam geführte Verbundprojekte (Fip, i=1..., N). Diese Art der F&E-Projektfinanzierung ist ein wesentliches Element des F&E-Managements der dritten Generation, ermöglicht es doch die Finanzierung von Querschnittsprojekten und den Aufbau von Kernkompetenzen, die unter Bedingungen des F&E-Managements der zweiten Generation stark in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Tabelle 1: F&E-Finanzierungs-Tableau

Finanzierung durch Sparten Finanzierung durch Konzern Führung

von Projek- ten durch:

Konzern- forschung

Projekt- gemein- schaften der Sparten/Ge- meinsame Kommis- sionen

FCC

S1 S2 S3 SN

F1C F2C F3C FNC

. . .

S1

S2

S3

SN

. . .

Sparten

F11

F22

F33

FNN

. . . 1

2 3

4

5 FCP

FCS

5 F1P F2P F3P FNP

. . .

. . .

Der rechte Teil des Tableaus, der naturgemäß im Verlauf der zweiten und dritten Generation der F&E-Finanzierung entsprechend klein ausfällt, enthält alle diejenigen Teilbudgets, die aus der zentralen Konzernumlage finanziert werden. Zunächst einmal zählt hierzu der rechte

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obere Quadrant, d.h. die zentrale Konzernfinanzierung für die Konzernforschung (Fcc) entsprechend dem oben aufgeführten Finanzierungselement 2. Dieses hat während der zweiten Generation des F&E-Managements allerdings - wie bereits beschrieben - eine systematische Auszehrung erfahren. Die F&E-Finanzierung der dritten Generation sieht vor, daß dieses Element signifikant aufgewertet werden muß, allerdings in Verbindung mit dem Ausbau der Finanzierungselemente 3 bis 5.

Die Finanzierungselemente 3 und 4 im linken Teil des Tableaus wurden bereits dargestellt.

Eigentliches Novum der F&E-Finanzierung der dritten Generation ist das Finanzierungselement 5; dieses sieht die Bereitstellung von Seed-Money zur Überleitung von Forschungsprojekten in die Anwendung vor, letzteres geschieht entweder mittelbar über Querschnittsprojekte oder unmittelbar durch Übernahme der Trägerschaft seitens einer Sparte. Bei dieser Überleitung sind erfahrungsgemäß wichtige Transferleistungen zu erbringen, bei der zusätzliche Budgets als „Gleitmittel“ oder „Getriebeöl“ einzusetzen sind.

Auch diese zusätzlichen Transferzahlungen bilden ein Kernelement der F&E-Finanzierung der dritten Generation; dieses wird ausführlicher in Teil 4.3 dargestellt.

3.3 Unterschiede zur bisherigen Form der F&E-Finanzierung

Was ist nun so neu an dem vorgeschlagenen Modell der Finanzierung. Ist es signifikant ver- schieden von dem in der Industrie verbreiteten Konzept der F&E-Finanzierung der zweiten Generation oder handelt es sich nur um „alten Wein in neuen Schläuchen“? Unseres Erachtens leitet das vorgeschlagene Modell eine signifikante Umorientierung ein im Vergleich zum bislang verbreiteten F&E-Ressourcenallokationsprozeß. Diese Umorientierung in der Finanzierungsphilosophie ist durch folgende Kennzeichen geprägt:

1. eine möglichst weitgehende Entbürokratisierung des F&E-Budgetierungsprozesses und eine möglichst weitreichende Ausweitung dezentraler Autonomie und Kompetenz;

2. eine neue, intelligentere Form der Finanzierung und Verrechnung zentraler Konzernfor- schung, und schließlich

3. die Möglichkeit zum Aufbau neuer Transfermechanismen und Plattformen für konzern- bzw. spartenübergreifende Innovationsprojekte, die durch neue Finanzierungsinstrumente entsprechend gestärkt werden.

(29)

Die erstgenannte Veränderung in Richtung Dezentralisierung und Entbürokratisierung wird dadurch erreicht, daß der größte Teil der Finanzierungs- und Führungsverantwortung an die Sparten delegiert wird. Die Zentrale zieht sich für dieses Segment des Tableaus möglichst weitgehend aus allen Allokations- und Butgetierungsentscheidungen zurück. Das traditionelle Kaskadenmodell der F&E-Finanzierung wird ersetzt. Die Sparten erhalten von der Zentrale nur bestimmte Vorgaben in bezug auf Cash-flow-Transfer und F&E-Budgetrahmen. Innerhalb dieses Butgetrahmens entscheiden sie vollständig und autonom über F&E-Projekte, Ressourcenallokation und F&E-Portfoliobildung.

Die intelligente neue Form der Finanzierung der Konzernforschung verhindert deren Aus- bluten durch Bereitstellung einer bestimmten Größenordnung zentral bereitgestellter Budgets, die aber in Verbindung mit anderen Finanzierungs- und Steuerungselementen zu sehen sind.

Die zentrale Konzernforschung versteht sich zugleich als Kompetenzzentrum und zentraler Serviceleister für F&E-Aktivitäten in anderen Bereichen. Die von ihr akquirierten Mittel dienen als Qualitätsmaßstab und Signal für eine komplementäre Aufstockung des Budgets durch die Konzernzentrale. Zugleich sind die zentralen Konzernforscher aber auch nicht nur darauf aus, sich kurzfristigen und marktnahen Aufträgen anzudienen, wie dies im Verlauf des F&E-Manangement der zweiten Generation häufig zu beobachten war.

Zusätzlich werden neue Transfermechanismen geschaffen, für die es eine jeweils darauf ab- gestimmte Finanzierungsform gibt. Projekte und Aufträge der Sparten (Finanzierungselement 3) sind wesentlich einfacher zu koordinieren und finanztechnisch abzuwickeln als Quer- schnittsprojekte mit gemeinsamem Finanzierungspool (Finanzierungselement 4). Schließlich wird eine weitgehend neue Finanzierungsform geschaffen, die den Besonderheiten von Ven- ture-Projekten angemessen Rechnung trägt (Finanzierungselement 5).

(30)

4. Einige Ausführungen zu den neuen Finanzierungs- bausteinen

4.1 Neue Formen der Finanzierung zentraler Konzernforschung

Wichtigstes Prinzip der Finanzierung der tendenziell langfristig und auf Querschnittsthemen ausgerichteten Konzernforschung muß es sein, den Forschern die „Luft zum Atmen auf hohem Plateau“ und eine solide Absicherung gerade ihrer längerfristigen Vorhaben zu bieten.

Dies verführt jedoch häufig auch zum Mißbrauch und von der Abkopplung von den Bedarfsträgern und Sparten (Elfenbeinturm-Syndrom). Sinnvoll ist deswegen eine gut ausbalancierte Mischfinanzierung. Eine mögliche Variante wird in Abb. 5 vorgestellt. Die Konzernforschung erhält entsprechend einen bestimmten Prozentsatz (z.B. 50%) ihres Budgets von der Konzernzentrale als solide Grundfinanzierung (illustriert durch den dunkel schraffierten Bereich in Abb. 4). Dieses Budget wird - wenn möglich - für eine Planungsperiode von 5 Jahren bereitgestellt und dient vorzugsweise der Finanzierung von Grundlagenarbeiten mit einer längerfristigen Perspektive.

Zusätzlich zu dieser Grundfinanzierung sind die einzelnen Forscher gehalten, sich einen be- stimmten Teil ihrer Zeit extern zu „verdingen“, um Bedürfnisse von Anwendern näher ken- nenzulernen und à-jour zu bleiben. Dabei handelt es sich zum einen um F&E-Aufträge für Kunden innerhalb des Konzerns; zugleich kann die zentrale Konzernforschung, unter Wahrung unternehmensstrategischer Überlegungen, auch Forschungsaufträge von anderen Unternehmen annehmen. Ergänzend dazu werden oft noch öffentliche Mittel (Bund, Länder, EU) zur Finanzierung herangezogen. So gliedert sich beispielsweise das Forschungsbudget der Daimler-Benz-Zentralforschung in (1) konzernfinanzierte langfristige Forschung (48%), (2) Auftragsforschung aus den Unternehmensbereichen (42%), (3) Auftragsforschung von externen Auftraggebern (5%) sowie (4) Förderprojekte von EU, Bund und Länder (5%) (siehe dazu die Übersicht in der Box).

(31)

Fallbeispiel: Finanzierung der Zentralforschung bei der Daimler-Benz AG

Die Daimler-Benz AG hat in den Jahren 1995 bis 1997 nachhaltig Restrukturierungen ihrer Konzernforschung vorgenommen. Ergebnis war eine Mischfinanzierung aus Konzernmitteln und Forschungsaufträgen. Ziel war die Entwicklung hin zum „Unternehmen Forschung“, für das Dienstleistungen und Verhandlungen über Forschungsprojekte eine zunehmende Rolle spielen sollten.

Das Forschungsbudget der Daimler-Benz-Zentralforschung von insgesamt 825 Mio DM (1995) wird zu 90% aus internen Quellen und zu 10% extern finanziert. Die interne Finanzierung verteilt sich zu annähernd gleichen Teilen auf Konzernfinanzierung und interne Forschungsaufträge. Im einzelnen gliedert sich das Forschungsbudget der Zentralforschung in:

• Konzernfinanzierte langfristige Forschung ca. 397 Mio DM (48,1%);

• Auftragsforschung aus den Unternehmensbereichen ca. 349 Mio DM (42,3%);

• Auftragsforschung von externen Auftraggebern (von denen allerdings ein nennenswerter Teil auf ehemalige DBAG-Bereiche entfällt) ca. 41 Mio DM (5%);

• Förderprojekte von EU, Bund bzw. Länder ca. 38 Mio DM (4,6%).

Parallel zu diesem Modell der Mischfinanzierung wurden mehrere Steuerungsmechanismen etabliert (Rahmenvereinbarungen, Verhandlungen über Forschungsprojekte, Forschungs- ausschüsse und -klausuren, sowie regelmäßige Forschungsaudits und Benchmarks). Insgesamt hat die Daimler-Benz AG ausgesprochen interessante Modelle konzernübergreifender Finanzierung und Steuerung entwickelt und erprobt. Der Prozeß der Umstrukturierung hin zu einem intensiv forschenden Unternehmen mit einem hochentwickelten „Unternehmen Forschung“ wird kontinuierlich weiterverfolgt.

Quelle: Forschungsbericht DBAG, Geschäftsberichte

Ergänzend zu den Elementen Grundfinanzierung und Auftragsfinanzierung kann ein weiterer

„Trigger“ empfohlen werden, der einen verstärkten Anreiz für die forschenden Einheiten schafft, bestimmte Aufträge zu akquirieren.

(32)

Die in einer Periode eingeworbenen Auftragsmittel in Höhe von Ft

EC sind Ausgangsbasis für die Festlegung einer variablen Zusatzfinanzierung durch den Konzern (in Ergänzung zu der Grundfinanzierung). Zu jeder DM, die extern verdient wird, legt der Konzern in der Folgeperiode eine DM hinzu. Ein Rechenbeispiel könnte so beispielsweise vorsehen, daß die Konzernforschung im Verhältnis von 2:1:1 durch Grundfinanzierung, Auftragsfinanzierung und variable Konzernzusatzfinanzierung abgesichert wird. Der Finanzierungsschlüssel kann nach Abteilungen, Forschergruppen und strategischen Forschungsfeldern differenziert festgelegt werden.

Etwa die Hälfte des Budgets wird somit auf jährlicher Basis unter Berücksichtigung verläßli- cher Qualitätssignale (Forschungsaufträge plus darauf gezahlter „Bonus“) von Seiten der Anspruchsgruppen und Bedarfsträger für Forschungsresultate festgelegt. Die andere Hälfte wird von vornherein durch Grundfinanzierung abgedeckt und diese stellt eine solide Finanzierung längerfristig angelegter Vorlaufthemen sicher. Auf eine genügend hohe Grundfinanzierung für die Zentrale Forschung (z.B. 50%) sollte auf keinen Fall verzichtet werden, auch wenn immer mehr große Unternehmen zu deutlich niedrigeren Quoten der Grundfinanzierung übergehen.30 Auch für die Grundfinanzierung sollte ein sorgsam angelegtes Qualitätsmanagement eingeplant werden. Beispielsweise sollten alle 5 Jahre geeignete Peer reviews und Evaluierungen stattfinden. Dabei kann durchaus auch daran gedacht werden, längerfristige Budgets mit Hilfe von Verfahren des Zero-base-Budgeting festzulegen. Es muß aber hinreichende Planungssicherheit über Zeiträume von 5-10 Jahren geben.

4.2 Finanzierung und Führung von Querschnittsprojekten

Während der 2. Generation des F&E-Managements wurde ein immer größerer Anteil der Finanzierung, Steuerung und Durchführung von F&E-Projekten auf die Sparten und SGE verlagert. Dies hat zu einer stärkeren Betonung von anwendungsnahen Entwicklungen mit spezifischem Nutzungsinteresse des jeweiligen Bereiches geführt. Projekte, die für mehrere Sparten gleichzeitig von Bedeutung waren, für die jede einzelne Sparte jedoch über hinreichende Ressourcen verfügte, führten zur Duplizierung an mehreren Standorten.

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