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Klimawandel: Fakt oder Fiktion?

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Academic year: 2022

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S C H W E I Z E R Z E I T S C H R I F T F Ü R O B S T- U N D W E I N B A U 1 6 / 1 3

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Hans Jüstrich, Fachstelle Obst- und Weinbau, Plantahof, Landquart

hans.juestrich@plantahof.gr.ch

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts werden am Plantahof in Landquart Klimadaten wie Temperatur, Niederschlag und Sonnenscheindauer aufgezeichnet. Derart lange Messreihen sind sehr wertvoll, da sie – über das subjekti- ve Empfinden hinaus – belegen, wie sich die Parameter im Laufe der Zeit verändern. Abbildung 1 zeigt, dass die jährliche Durchschnittstemperatur im Mittel der Jahre 1900/1909 bei 7 °C lag, während sie zwischen 2000 und 2009 ganze 10.5 °C erreichte. Zudem wird ersichtlich, dass das zehnjährige Temperaturmittel in den beiden letzten Dekaden (seit 1990) deutlich höher lag als der Schnitt im letzten Jahrhundert. Dabei dürfte der eine oder andere Obst- und Weinbauer sich an die Sommer- hitze und Trockenheit im Jahr 2003 erinnern.

Klimawandel: Fakt oder Fiktion?

Am Plantahof in Landquart werden seit mehr als 110 Jahren Wetterdaten erfasst. Dabei zeigt sich, dass Durchschnittstemperatur und Sonnenscheindauer – im Gegensatz zur Niederschlagsmenge – in diesem Zeitraum klar zunahmen. Seit 1977 existieren zudem Aufzeichnungen über die

wichtigsten Entwicklungsstadien beim Blauburgunder und ab 1984 wurden auch die

phänologischen Daten von Golden Delicious aufgezeichnet. Reben wie Apfelbäume erreichen die Eckpunkte ihrer Jahresentwicklung 10 bis 20 Tage früher als zu Beginn der Messungen.

Tab. 1: Extreme Wetterwerte in Landquart seit 1898.

Parameter Minimum Maximum

Jahr Wert Jahr Wert

Durchschnittstemperatur 1917 5.7 °C 2011 11.3 °C

Sonnenscheindauer 1987 1421 h 2003 2131 h

Niederschlag 1989 690 mm 1999 1517 mm

Ähnlich präsentiert sich die Situation bei den Sonnen- scheinstunden, wobei die Sonne schon in den 1920er- und 40er-Jahren länger schien als im Durchschnitt des letzten Jahrhunderts. Ebenfalls überdurchschnittlich präsentie- ren sich auch wieder die Zehnjahreswerte seit 1990. Hin- gegen zeigt sich bei den Niederschlägen nicht dieselbe Tendenz: Die Regenmenge nahm nicht zu, sie schwankte seit 1960 lediglich um 50 mm pro Jahrzehnt.

Fünf von sechs Extremwerten in letzter Zeit!

Aus Tabelle 1 geht hervor, dass die tiefste Durchschnitts- temperatur im Jahr 1917 mit 5.7 °C, die höchste 2011 mit 11.3 °C erreicht wurde. Im denkwürdigen trockenen und überaus warmen 2003 lag sie bei 10.9 °C. Am wenigstens lang schien die Sonne nicht etwa zu Beginn der Messrei- he, sondern 1987, während sie 2003 mit einem Rekord von 2131 Stunden aufwartete.

Die Niederschlagsmenge schwankte zwischen 690 mm (1989) und 1517 mm (1999). Daraus folgt, dass fünf der sechs Rekordwerte in den letzten 25 Jahren auftraten.

Die Ausnahme bildet einzig der Minimalwert bei der Durchschnittstemperatur, der 1917 gemessen wurde.

In Tabelle 2 sind alle Jahre seit 1950 aufgeführt, in de- nen das Thermometer unter -20 °C fiel. Aus den Jahres- berichten des Rebbaukommissariats (heute Fachstelle

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R E B B A U

Weinbau) geht hervor, dass in den Jahren 1956, 1962 und 1985 Frostschäden an den Reben entstanden. Es macht den Anschein, als ob der Klimawandel zu weniger extre- men Tiefsttemperaturen führen würde. Allerdings zeigte das Thermometer am 6. Februar 2012 in Landquart ebenfalls -18.9 °C an, ein Wert, der nahe an der kritischen Grenze für Frostschäden liegt.

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Entwicklung des Blauburgunders in Malans

Seit 1977 existieren am Plantahof Aufzeichnungen über Entwicklungsstadien des Blauburgunderklons 10/5 in der Reblage «Markstaller» von Malans.

Ein Blick auf Tabelle 3 zeigt, dass die Reben im Mittel der Jahre 2000 bis 2009 das Grünpunktstadium vier Tage früher erreichten als in den 1980er-Jahren. Grösser wa- ren die Unterschiede bei den übrigen Rebstadien wie Blühbeginn (14 Tage früher), Ende Blüte (11 Tage früher) oder Farbumschlag (13 Tage früher). Dies wirkt sich auf die Weinlese aus. Sie geht heutzutage zwei Wochen früher über die Bühne. Hingegen haben sich die Intervalle vom Ende der Blüte bis zur Lese und vom Farbumschlag bis zur Lese nicht verkürzt; sie blieben konstant. In Tabelle 3 gilt es zu beachten, dass es sich um Durchschnittswerte dreier Dekaden handelt. Aus den Abbildungen 2 und 3 geht hervor, dass heute die einzelnen Rebstadien noch zeitiger erreicht werden als 1977.

Untypisch späte Blüte 2013

Wo steht die Rebblüte 2013 im Vergleich zu den Vorjahren?

Sie setzte heuer am 19. Juni ein. Im Mittel der 1980er Jah- re begann sie am 21. Juni, in den 1990er-Jahren am 14. Ju- ni und im Durchschnitt der Jahre 2000/09 am 7. Juni. Dies bedeutet, dass die Reben dieses Jahr etwa zur selben Zeit wie in den 80er-Jahren zu blühen begannen, aber fünf res- pektive zwölf Tage später als in den folgenden zwei Jahr- zehnten. 2013 war zudem die Blüte (im Markstaller!) ex- trem kurz. Sie dauerte infolge der warmen Witterung nur vier Tage. Eine derart kurze Blühdauer gab es in dieser La- ge seit Messbeginn noch nie. Offensichtlich waren alle Pa- rameter für die Blüte optimal. Damit haben die Reben ei- nen Teil des Rückstands, den sie sich im Frühling und Vor- sommer eingehandelt hatten, aufgeholt.

Ein Blick in die Annalen zeigt die grossen Unterschie- de von Jahr zu Jahr: 2007 und 2011 begannen die Reben bereits im Mai zu blühen, während sie 1980, 1984, 1987 und 1991 die ersten Käppchen erst im Juli abstiessen. In diesem Zusammenhang fällt das Jahr 1980 auf, in dem die Blüte erst am 28. Juli zu Ende war.

Früher, nicht nur dank Klimawandel

Abbildung 3 zeigt die Entwicklung der phänologischen Daten beim Blauburgunder in Malans in den letzten 35 Jahren. Dabei ist eindeutig die Tendenz zu erkennen, dass die Reben heute alle Stadien (Austrieb, Blüte, Farb- umschlag und Weinlese) früher erreichen als 1977. Beim

Tab. 3: Blauburgunder-Rebstadien in Malans nach Dekaden.

Stadium 1980/89 1990/99 2000/09

Grünpunktstadium 25.04. 22.4. 21.04.

Beginn Blüte 21.06. 14.6. 07.06.

Ende Blüte 06.07. 29.6. 17.06.

Blühdauer (Tage) 14.8. 14.3. 10.6.

Erste verfärbte Beeren 26.08. 18.08. 13.08.

Weinlese 26.10. 22.10. 12.10.

Farbumschlag bis Weinlese (Tage) 61 65 61

Ende Blüte bis Weinlese (Tage) 112 116 117

Tab. 2: Tiefsttemperaturen unter -20 °C in Landquart.

Datum °C

11.02.1956 -29.5

09.02.1962 -24.0

17.01.1966 -22.0

09.01.1967 -22.0

17.01.1968 -22.0

06./07.01.1985 -23.0

500 600 700 800 900 1000 1100

1200 Niederschläge (mm)/Jahr/Dekade 0

2 4 6 8 10 12

1900/09 1910/19

1920/29 1930/39 1940/49 1950/59 1960/69 1970/79 1980/89 1990/99 2000/09

Jahresdurchschnittstemperatur (°C)/Dekade

1000 1100 1200 1300 1400 1500 1600 1700 1800

1900 Sonnenscheinstunden/Jahr/Dekade

1900/09 1910/19 1920/29 1930/39 1940/49 1950/59 1960/69 1970/79 1980/89 1990/99 2000/09 1900/09 1910/19 1920/29 1930/39 1940/49 1950/59 1960/69 1970/79 1980/89 1990/99 2000/09 1900/09 1910/19

a

b

c

Abb. 1: Jahresdurchschnittstemperatur, Sonnenschein- stunden und Niederschläge nach Dekaden in Land- quart.

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im Jahr 1993 die Mengenbegrenzung im Rebbau einge- führt wurde. In der Folge richteten die Winzer ihre Arbei- ten darauf aus: kürzerer Anschnitt der Ruten, strenges Er- lesen und Ertragsreduktion beim Farbumschlag. Diese Massnahmen führen nicht nur zu tieferen Erträgen, son- dern auch zu einem früheren Erreichen der genannten Schlüsselstadien.

Kein Trend bei der Entwicklungsdauer

In Abbildung 4 ist die Dauer vom Ende der Blüte bis zur Weinlese wiedergegeben. Sie beträgt beim Blauburgun- der im Durchschnitt der Jahre 1977/2012 116 Tage, wobei sie von 99 Tagen im Jahr 2006 bis 129 anno 1996 reicht.

Kurz war sie in den Jahren 1980, 1985 und 2006, lang 1996, 2007 und 2008. Zudem verdeutlicht die Grafik, dass von Jahr zu Jahr deutliche Schwankungen vorhanden sind. Es ist kein Trend zu erkennen, dass die Entwick- lungsdauer kürzer würde.

Trotzdem ist es Tradition, dass in Graubünden Hoch- rechnungen zum Wimmlertermin angestellt werden, so- bald die Reben verblüht haben. Dies war im Markstaller heuer am 23. Juni der Fall. Zählt man 116 Tage hinzu, so müssten die Blauburgunder-Trauben theoretisch am 17.

Oktober gelesen werden, ein paar Tage später als im Mit- tel der 2000er-Jahre.

Grünpunktstadium beträgt der Vorsprung rund zehn Ta- ge, bei der Blüte 25, beim Farbumschlag 20 und bei der Lese schliesslich wieder 20 Tage, wie Abbildung 2 zusam- menfassend verdeutlicht.

Es wäre jedoch falsch, diese Änderungen nur dem Kli- mawandel zuzuschreiben. Ebenso zu beachten ist, dass

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Abb. 2: Trend bei der Phänologie von Blauburgunder in Malans 1977–2012.

ca. 10 Tage früher

ca. 20 Tage früher

ca. 25 Tage früher

ca. 20 Tage früher

80 100 120 140 160 180 200 220 240 260 280 300 320

1977 1980 1983 1986 1989 1992 1995 1998 2001 2004 2007 2010

Tage seit Jahresbeginn

Tage bis Grünpunktstadium Ende Blüte Erste verfärbte Beeren Weinlese Abb. 3: Phänologie Blauburgunder in Malans 1977–2012.

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Analoge Entwicklung beim Golden Delicious

Abbildung 5 zeigt die Entwicklung der wichtigsten Sta- dien beim Golden Delicious in Landquart seit 1984, wobei das Erntedatum erst seit dem Jahr 2000 erfasst wird. Die Resultate zeigen, dass Apfelbäume wie Reben heutzutage die Schlüsselstadien früher erreichen: Der Austrieb er- folgt zirka 20 Tage früher, die Blüte 14 Tage und das T-Sta- dium 10 Tage früher. Im Gegensatz dazu steht der Ernte- termin, der keine Tendenz erkennen lässt, dass diese Ap- felsorte am Plantahof im Durchschnitt der Jahre früher gepflückt würde. Möglicherweise liegt der Grund darin, dass der Erntetermin erst seit dem Jahr 2000 erfasst wird und die Datenreihe somit über eine zu kurze Dauer reicht.

In Zahlen ausgedrückt schwankt die Zeitspanne vom T- Stadium bis zur Ernte zwischen 112 und 123 Tagen.

Ausblick

Die jährliche Durchschnittstemperatur in Landquart stieg in den letzten 110 Jahren von 7 °C im Mittel der Jahre 1900/09 auf 10.5 °C (2000/09). MeteoSchweiz zeigt in ih- rem Fachbericht auf, dass die regionalen Klimamodelle je nach Emmissionsszenario für die Schweiz mit einer Tem- peraturzunahme von 0.5 bis 3.6 °C bis 2060 rechnen. Da- bei dürfte die Erwärmung im Sommer etwas stärker aus- fallen als in den übrigen Jahreszeiten. Die Auswirkungen auf die Niederschlagsmengen hingegen sind unsicher.

Die Obst- und Weinbauern werden sich anzupassen wissen, indem sie zum Beispiel auf andere Sorten aus- weichen und nötigenfalls die Pflegemassnahmen ent- sprechend anpassen.

Dank

Ein Dankeschön gebührt den Rebmeistern und Obstbau- ern am Plantahof, die die Entwicklungsstadien aufzeich- neten und heute noch aufzeichnen. Im Rebbau betrifft dies Hugo Haas, Patrick Cantieni und Moritz Villinger, im Obstbau Franz Deck und Marco Frey.

Literatur

MeteoSchweiz, 2013, Klimaszenarien Schweiz – eine regionale Übersicht, Fachbericht MeteoSchweiz, 243, 36 pp.

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R E B B A U

R É S U M É

Le changement climatique: réalité ou chimère?

Des séries de données météorologiques recensées sur un certain nombre d‘années permettent de suivre les évolutions climatiques et de déterminer les années viticoles «normales», surtout lorsque celles-ci sont complétées d’informations au sujet du développe- ment de la vigne. Au Plantahof à Landquart (GR), l’évo- lution des conditions météorologiques est recensée depuis plus de 100 ans et depuis plus de 35 et 25 ans respectivement, les stades de développement phéno- logique du Pinot noir et des pommes Golden delicious y sont également documentés. Il en ressort que la tem-

pérature annuelle moyenne a augmenté de 3.5 °C durant la période sous observation et que le débourre- ment, la floraison et le changement de couleur se pro- duisent beaucoup plus tôt aujourd’hui. Pour la récolte, aucune tendance correspondante n‘a été constatée, mais c’est peut-être dû aux exigences de qualité plus élevées. La période entre la fin de la floraison et la ré- cole qui est souvent prise comme référence (116 jours pour le Pinot noir) révèle des fluctuations de +/- deux semaines, on ne peut donc pas en tirer de conclusions pertinentes de cas en cas.

60 70 80 90 100 110 120 130 140

1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012

0 50 100 150 200 250 300

1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012

Tage seit Jahresbeginn

Knospenaufbruch Vollblüte T-Stadium Ernte

Abb. 4: Dauer vom Ende der Blüte bis zur Weinlese beim Blauburgunder in Tagen.

Abb. 5: Phänologie Golden Delicious in Landquart 1984-2012.

Referenzen

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