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Archiv "Kinder- und Jugendgesundheit: Sprachförderung fürs Leben" (31.05.2013)

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A 1080 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 22

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31. Mai 2013

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ie Gesundheit von deutschen Kindern und Jugendlichen ist im weltweiten Vergleich auf einem hohen Niveau“, befand die SPD- Bundestagsfraktion in ihrem Antrag

„Kinder- und Jugendgesundheit: Un- gleichheiten beseitigen – Versorgungs- lücken schließen“ schon vor mehr als einem Jahr. Dennoch zeige sich ein uneinheitliches Bild: „So entstehen durch die bereits im Kindesalter auf- tretende deutliche Verschiebung des Krankheitsspektrums von akuten zu chronischen und von physischen zu psychischen Erkrankungen ernst- hafte Versorgungslücken.“

Über den SPD-Antrag wurde Mitte Mai im Deutschen Bundestag mitberaten, als der Koalitionsent- wurf zum Präventionsgesetz Thema einer Anhörung im Gesundheits- ausschuss war (DÄ, Heft 21/2013).

Um die angesprochenen Versor- gungslücken zu beheben, hat die SPD eine Vielzahl von Forderungen

zusammengestellt. So will sie die Position der Kinderärzte durch ihre Integration in Hausarztverträge stärken. Denn bislang ist die An- zahl der Hausarztverträge, in die auch Kinderärzte eingebunden sind, gering. Zudem sollten Disease- Management-Programme auf Ent- wicklungs- und Verhaltensstörun- gen ausgeweitet werden, um eine bereichsübergreifende Behandlung sicherzustellen.

Krisenintervention ausbauen Für den ambulanten Bereich müss- ten zudem „Maßnahmen getroffen werden, um eine ausreichende Ver- sorgung mit Kinder- und Jugend- psychotherapeuten sicherzustellen“, heißt es in dem Antrag. Möglich- keiten zur frühzeitigen psychothera- peutischen Behandlung durch eine Krisenintervention müsse man aus- bauen. Denn „in den vergangenen Jahren ist die Zahl der psychisch

erkrankten Kinder und Jugendli- chen schneller angestiegen als die erkrankter Erwachsener“.

Die SPD will auch die Versor- gungsforschung im Bereich der Kinder- und Jugendgesundheit aus- weiten sowie Risikomanagement und Dokumentation beim Einsatz von „Off-label“-Medikamenten bei Kindern verpflichtend einführen.

Die Arzneimittelsicherheit bedürfe höchster staatlicher Aufmerksam- keit, bestätigte der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (bvkj) in seiner Stellungnahme. „Es kann nicht angehen, dass wir insbesonde- re bei der Altersgruppe unter zwei Jahren mehr als 80 Prozent aller Arz neimittel im Grunde ‚off label‘

anwenden müssen, weil keine ent- sprechende Zulassung besteht.“

Auch die geforderte Ausweitung der Versorgungsforschung unter- stützt der bvkj, denn „hier haben wir gegenüber anderen Ländern in Europa erhebliche Defizite“. Der Verband biete in diesem Zusam- menhang an, auf der Grundlage neu gestalteter Vorsorgeuntersuchun- gen in regelmäßigen Abständen flä- chendeckend aussagekräftige Daten zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu erheben. Die wis- senschaftliche Auswertung müsse nur finanziert werden.

Ungleichheit bei Kindern und Ju- gendlichen war auch Gegenstand ei- nes Forums des bvkj Mitte Mai in Berlin. „Von der Sprache zum Ver- ständnis“ lautete dessen Thema.

Zu viele Kinder hinken nach Mei- nung des bvkj den Gleichaltrigen hinterher, was ihre Sprach- und Le- sekompetenzen anbelangt, und zwar nicht allein solche aus Familien mit einem Migrationshintergrund. Pro- bleme in der Schule und schlechte berufliche Chancen sind die Folgen.

Das Gesundheitswesen ist jedoch KINDER- UND JUGENDGESUNDHEIT

Sprachförderung fürs Leben

Versorgen und fördern wir alle Kinder und Jugendlichen gut genug? Darüber wurde angesichts des jüngsten Vorstoßes zu einem Präventionsgesetz erneut diskutiert.

Auch beim Umgang mit Sprachdefiziten kann noch vieles besser werden.

Spielen mit Spra- che: Sprachförde- rung in einer Kita in

Osnabrück, die an einem Modellprojekt teilgenommen hat.

Foto: epd

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31. Mai 2013 A 1081 überfordert damit, die Lücken aus-

zugleichen. Darauf hatte bvkj-Präsi- dent Dr. med. Wolfram Hartmann bereits im vergangenen Jahr hinge- wiesen, als den Kinder- und Jugend- ärzten zum wiederholten Mal vorge- halten wurde, sie verordneten zu vie- le Sprachheilbehandlungen.

Nicht nur Komm-Angebote Betroffen seien Kinder aus bildungs- fernen Familien, in denen nicht viel geredet werde, oder aus Familien mit Migrationshintergrund, in denen man nur wenig Deutsch spreche.

Der Grund für die vielen Sprachheil- behandlungen seien im Kern „fami- liäre Anregungsdefizite“. Hartmann forderte ausreichende und qualifi- zierte Plätze in Krippen und Kinder- tagesstätten (Kitas) und die Familien bei der Förderung der Kinder einzu- beziehen: „Das Medizinsystem kann mit seinem individualtherapeutischen Ansatz diese wichtige gesellschaft- lich-pädagogische Aufgabe nicht übernehmen.“

Das bestätigte beim Forum der in Berlin-Spandau niedergelassene Kinderarzt Dr. med. Ulrich Fegeler:

„Bei uns schlägt vieles auf, was ganz woanders verursacht wird. Wir erkennen es, aber wir haben nichts, worauf wir verweisen können.“ Da- von, Hilfe über Institutionen wie die Jugendämter anzubieten, hält Fegert nichts: zum einen, weil viele Eltern diese eher fürchteten, zum anderen, weil Komm-Angebote an dieser Stelle falsch seien. „Wir brauchen

eine entgegenkommende Gesell- schaft, die strukturierte und inte- grierte Angebote im Bereich der so- zialen Hilfen und der frühen Förde- rung bereithält und auf die Familien zugeht.“ Ähnlich sah es seine Kolle- gin Dr. med. Fatima Soad Weser, die im Norden Berlins niedergelas- sen ist. Sie wünschte sich zudem mehr Fortbildungsangebote in die- sem Bereich. Bereits die Diagnose von Sprachentwicklungsproblemen ist bei Kindern schwierig, deren Muttersprache nicht Deutsch ist:

Sprachtests im Rahmen der Vorsor- geuntersuchung gibt es nur auf Deutsch, lediglich ein Test auf Tür- kisch existiert.

Auf einen anderen Aspekt ver- wies die Integrationsbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Aydan Özoguz: Das Augenmerk liege häu- fig auf Defiziten, nicht auf Hilfen.

Özoguz nannte als Beispiel die Sprachuntersuchungen im Vorfeld der Einschulung. Deren Ergebnisse führten oft zu keinen Konsequen- zen, Eltern würden mit dem Ergeb- nis alleingelassen. Die Integrations- beauftragte ergänzte, dass sich die SPD für eine Lockerung des Ko- operationsverbots von Bund und Ländern in der Bildungspolitik ein- setze, bislang vergeblich. Özoguz hält es für falsch, dass jedes Bun- desland im Bereich der Sprachför- derung nach eigenen Wegen sucht und eine bundesweite Linie fehlt.

Eine übertriebene Vielfalt kriti- sierte auch Prof. Dr. Heidemarie

Keller vom Institut für Psychologie der Universität Osnabrück, die sich seit langem mit frühkindlicher Bil- dung und Entwicklung befasst. Sie sprach sich dafür aus, nur evaluierte Programme einzusetzen und nicht nur einzelne Erzieherinnen in Kitas zu schulen, sondern das ganze Team:

„Wenn wir etwas für die sprachliche Bildung von Kindern tun wollen, muss das durch entsprechende Fach- kräfte im Alltag geschehen. Wir müssen Sprache in den Alltag inte- grieren, denn Kinder haben die Moti- vation, andere zu verstehen und sich mit anderen zu unterhalten.“

Fördern gehört in den Alltag Dafür müsse man auch die Eltern einbeziehen, sei es durch Angebote wie der Kita angeschlossene Spiel- gruppen oder durch Verständnis für andere Wertvorstellungen als die der deutschen Mittelschichtsfamili- en: „Viele türkischstämmige Frauen möchten eben nicht, dass ihre Kinder unter drei Jahren schon den halben oder ganzen Tag in eine Kita gehen.“

Einig waren sich alle, dass profes- sionsübergreifende, alltagsnahe An- gebote ideal wären, um Sprachbil- dungsprobleme der Kinder zu lösen.

Bvkj-Präsident Hartmann erwähnte, mit Vertretern der Logopäden und Ergotherapeuten sei man sich einig, dass diese die Arbeit von Kita-Erzie- herinnen unterstützen könnten, aber:

„Bisher gibt es keinen Ansatz, wie dies zu finanzieren wäre.“

Falk Osterloh, Sabine Rieser

„Ein Kind türkischer Eltern, die einen niedrigen Bildungsstatus haben und nicht erwerbstätig sind, wächst anders auf als ein Kind aus einer polnischen Familie mit akademischer Ausbildung und besserer Arbeitsmarktintegration.

Genauso unterscheidet sich die Kindheit in einer bildungsfernen, von Armut be- troffenen deutschen Familie zumeist er- heblich von dem Aufwachsen in einem bildungsnahen, wohlhabenden deut- schen Elternhaus.“

Dieses Zitat stammt aus dem ers- ten Kinder-Migrationsreport, den das

Deutsche Jugendinstitut gerade ver- öffentlicht hat. Danach hat ein Drittel der Kinder unter 14 Jahren in Deutschland einen Migrationshinter- grund, also Großeltern oder Eltern, die eingewandert sind. Betont wird im Report aber auch, dass dieser nicht entscheidend für ungleiche Lebens- chancen ist, sondern die soziale La- ge. Bei Migrantenfamilien überlagert sich beides.

Auch mit der Sprachpraxis von Kindern mit Migrationshintergrund haben sich die Autoren des Reports

befasst. Jedes dritte Kind in West- deutschland/Berlin mit überwiegend nichtdeutscher Familiensprache trifft dort, wo es außerfamiliär betreut wird, auf Gruppen, in denen sich mehr als die Hälfte der Kinder zu Hause vorwiegend in ihrer Herkunfts- sprache unterhalten. Denn häufig sind Stadtteile mit überdurchschnitt- lich vielen Kindern mit Migrationshin- tergrund solche in sozial benachteilig- ten Wohnvierteln.

Weitere Infos: www.dji.de/bibs/Kin der-Migrationsreport.pdf

DIE SOZIALE LAGE IST ENTSCHEIDEND

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