Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 47|
25. November 2011 A 2557 GEORGE GROSZProvokant und satirisch
Aquarelle, Zeichnungen und Collagen des Berliner Dadaisten sind zurzeit im Max-Ernst-Museum in Brühl zu bewundern.
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s ist kein Zufall, dass das Max-Ernst-Museum in Brühl/Rheinland bis zum 18. Dezember in einer fulminanten Ausstellung aus- gewählte Zeichnungen, Aquarelle und Collagen des Berliner Dadais- ten George Grosz zusammengetra- gen hat. Die Werkschau des bedeu- tenden Künstlers der Neuen Sach- lichkeit und eines Avantgardisten des deutschen Dadaismus (1893 bis 1959) wurde aus dem Nachlass von Grosz und privater Leihgeber ge- staltet. Die Ausstellung der nahezu 100 Werke findet im Brühler Muse- um eine passende Präsentation, hat doch der nur zwei Jahre ältere Da- daist Max Ernst selbst seine Be- wunderung für den ätzenden Anti- poden 1920 in halb bewundernden, halb kritischen Anmerkungen aus- gedrückt: „Zurzeit ist Grosz das Maß aller Dinge in Deutschland.
Man isst à la Grosz, man kackt à la Grosz, man macht Liebe à la Grosz,
man kotzt à la Grosz, man trinkt Tee à la Grosz …“
Tatsächlich zeugt die Ausstel- lung mit jedem Blatt, jeder Collage und den vielen Zeichnungen von der Vielgestaltigkeit und der bei- ßenden Aggressivität des Malerge- nies. Anliegen des Gastkurators der Ausstellung, Ralph Jentsch, war es, Grosz als den bedeutenden Künstler und satirischen Zeichner der Wei- marer Zeit zu würdigen. Der Titel der Ausstellung – „Deutschland, ein Wintermärchen“ – zitiert nicht nur das berühmte, 1844 entstandene Gedicht von Heinrich Heine, son- dern nimmt auch Bezug auf ein ver- schollenes Grosz-Hauptwerk von 1918, über das es kurze Zeit später in einer ersten Grosz-Monografie von Willi Wolfradt heißt: „. . . jene futuristische Melange von Bordell, Fabrik, guter Stube, Kirche, Kaser- ne, patronisiert von einem biederen Reserveoffizier bei Bier, Braten
und Lokalanzeiger, und unten jene Heiligentypen der Zeit: Pfaffe mit Brevier, General mit Stern, Profes- sor mit schwarz-weiß-rot bebänder- tem Bakel . . .“
Die Retrospektive zeigt Arbeiten auf Papier aus den Jahren 1908 bis 1958, eine geglückte Auswahl, dar - unter bislang noch nie gezeigte Ar- beiten, die das Lebenswerk des Ber- liner Künstlers umspannen. Wie Heinrich Heine 74 Jahre zuvor (1844) geht es auch Grosz um die Entlarvung eines aus den Fugen ge- ratenen Gesellschaftssystems in Deutschland, um die Demaskierung einer kleinbürgerlichen und mit sich zufriedenen Welt. Die Expona- te belegen eindrucksvoll die Viel- falt der bearbeiteten Themen vom Beginn der künstlerischen Lauf- bahn bis in die späten Schaffensjah- re. Die Werke lassen erahnen, mit welcher Intuition, aber auch Gedan- kenschärfe und gewollter Über- zeichnung und karikierender Um- setzung George Grosz vehemente Kritik am Bürgertum, Kirche und Militär als den „Stützen der Gesell- schaft“ üben wollte. In seinen mehr als 2 000 Arbeiten auf Papier spie- gelt sich die Faszination für die Me- tropolen Berlin und New York (wo- hin er 1933 emigrierte) wider.
Die Schaffensperiode nach 1945 vereint einige markante Arbeiten, oftmals wild zusammengewürfelt erscheinende Collagen, die einen skurrilen Bildwitz prägen. Davon zeugt ein Spätwerk „Die Kochklas- se“ (1958): Aus Federzeichnungen und Schnipseln mit reichlich rohem Fleisch ist ein grotesk wirkendes Szenenbild entstanden.
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Harald Clade
Die Ausstellung „George Grosz: Ein Wintermärchen – Aquarelle, Zeichnungen, Collagen 1908 bis 1958“ ist im Max-Ernst-Museum, Comesstraße 42/Max-Ernst-Allee 1, 50321 Brühl, bis 18. Dezember täglich (außer montags), von 11 bis 18 Uhr zu sehen. Zweite Ausstellungsstation ist die Stiftung Ahlers Pro Arte/Kestner Pro Arte, Hannover (17. Februar bis 28. Mai 2012). Katalog/Kunstbildband als Museumsausgabe, 192 Seiten, Hatje Cantz Verlag, Ostfil- dern, gebunden, 29,90 Euro
INFORMATIONEN
Georg Grosz, Cookery Class, 1958 Collage, Nachlass Georg Grosz
Foto: © VG Bild-Kunst, Bonn 2011