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Archiv "Zystische Fibrose beim Jugendlichen und Erwachsenen" (22.11.1984)

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Durch frühe Diagnose und intensi- ve, lebenslang notwendige Thera- pie ist es in den letzten Jahrzehn- ten gelungen, die Mukoviszidose (zystische Fibrose) so weit zu be- herrschen, daß sie sich von einer reinen Kinderkrankheit zu einem chronischen Leiden entwickelt hat, das zunehmend häufiger auch beim Jugendlichen und Er- wachsenen vorkommt. In der Bun- desrepublik Deutschland werden in speziellen Behandlungsstellen für zystische Fibrose, die vorwie- gend an größeren Universitätskli- niken bestehen, z. Z. etwa 1600 Patienten betreut. Etwa ein Sieb- tel von ihnen sind Erwachsene, d. h. älter als 18 Jahre (7)"). In eini- gen Ländern sind diese Zahlen in- zwischen noch größer geworden:

In Kanada sind 25 Prozent aller Patienten 18 Jahre und älter. Es ist mit Sicherheit zu erwarten, daß auch in Europa der Trend weiter dahin geht, daß mehr und mehr Patienten mit einer zystischen Fibrose das Erwachsenenalter er- reichen werden.

1. Definition

Die zystische Fibrose ist ein auto- somal-rezessiv übertragenes Erb- leiden. Die ersten klinischen Sym- ptome treten in der Regel im Säuglings- oder frühen Kleinkin- desalter auf. Sie betreffen beson- ders die Drüsen äußerer Sekre- tion. Es kommt im Verlauf der Er- krankung praktisch immer zu se- kundären Komplikationen im Be- reich der Luftwege, der Lunge so- wie des Gastrointestinaltraktes.

Mehr als 15 Prozent der in Behandlungszentren be- treuten Patienten mit Muko- viszidose in der Bundesre- publik Deutschland sind Er- wachsene. Die Patienten und die behandelnden Päd- iater halten es für wichtig, daß der Internist sich die Kenntnisse verschafft, die zur Behandlung dieser chro- nisch kranken Patienten notwendig sind. Die wichtig- sten Komplikationen von seiten der Lungen und Luft- wege sind Pneumothorax und Hämoptoe. Bei schwer- kranken Patienten droht so- gar ein Cor pulmonale. Von seiten der Verdauungsorga- ne sind besonders die biliäre Zirrhose mit der möglichen portalen Hypertonie sowie der Diabetes mellitus zu fürchten. Männliche Patien- ten sind meist infertil, bei Frauen stellt eine Gravidität ein erhebliches Risiko dar.

Ein pathognomonisches Charak- teristikum der zystischen Fibrose ist der hohe Kochsalzgehalt des Schweißes.

2. Genetik

Bei dem autosomal-rezessiven Erbgang kann man bei einer Ehe zwischen zwei heterozygoten, kli- nisch gesunden Merkmalsträgern damit rechnen, daß jedes 4. Kind die zystische Fibrose in der homo-

zygoten Form hat. Wir nehmen in Europa einen Erkrankungsfall auf ca. 2000 Neugeborene an. Daraus errechnet sich eine Heterozygo- tenfrequenz von etwa 5 Prozent.

Wenn in der Bundesrepublik Deutschland etwa jeder 20. Bür- ger ein Merkmalsträger ist, muß man in jeder 400. Ehe damit rech- nen, daß beide Ehepartner Merk- malsträger sind und das Kind er- kranken kann.

Es gibt bis heute keinen zuverläs- sigen, routinemäßig anwendbaren Heterozygotentest, auch keine zu- verlässige pränatale Diagnose. Es sind jedoch vielversprechende Ansätze in dieser Richtung in den letzten Jahren gemacht worden, so daß man begründet die Hoff- nung haben kann, daß es in den nächsten Jahren auch hier einen Durchbruch gibt (5, 2).

3. Pathophysiologie

Die Erkrankung manifestiert sich primär an den mukösen und sero- mukösen Drüsen. Ihr Sekret ist ei- weißreich, seine Viskosität erhöht.

Diese erhöhte Viskosität bewirkt eine Obstruktion der Ausfüh- rungsgänge der Drüsen, die sich pathologisch-anatomisch zu- nächst durch eine zystische Aus- weitung im Bereich der entspre- chenden Drüsen, später durch narbige Schrumpfungen bemerk- bar macht. Im Bereich der Luftwe- ge stellt sich eine sekretbedingte Obstruktion der kleinen Bron- chien ein, sie kann schon in den ersten Lebensmonaten zur Erwei- terung im Bereich der Alveolen und der Alveolargänge führen.

Gesetzmäßig kommt es zu einer Infektion des Bronchialsekrets mit Bronchitis, Peribronchitis. Später stellen sich in fast allen Fällen in unterschiedlicher Ausprägung Bronchopneumonien, Atelekta- sen und Bronchiektasen ein, die zusammen mit einer Überblähung der Lunge ein sehr unterschied- liches Bild bei der Röntgenunter-

") Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

Zystische Fibrose beim

Jugendlichen und Erwachsenen

Ulrich Stephan und Heinz Georg Wiesemann Aus der Universitäts-Kinderklinik

(Geschäftsführender Direktor:

Professor Dr. med. Ulrich Stephan) der Universität Gesamthochschule Essen

3504 (60) Heft 47 vom 22. November 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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Zystische Fibrose

suchung machen können. In der frühen Phase der Erkrankung feh-

len häufig typische radiologische Veränderungen.

Bei Untersuchungen des Sputums findet man in der Regel Staphylo- coccus aureus, Klebsiellen, Hä- mophilus influenzae, Escherichia coli; im späteren Verlauf der Er- krankung fast regelmäßig Pseudo- monas aeruginosa.

Im Pankreas führt die Obstruktion der Drüsenausführungsgänge ebenfalls zum Sekretstau und zur nachfolgenden fibrösen Umwand- lung des Organs. Dabei bleibt die Funktion der Langerhans'schen Inseln lange Zeit weitgehend er- halten, beim Adoleszenten oder beim Erwachsenen kommt es je- doch deutlich häufiger als bei der Gesamtpopulation auch zum ma- nifesten Diabetes mellitus. Der Ausfall des Pankreas bewirkt eine Maldigestion und Malabsorption.

Durch die abnorme Zusammen- setzung des Gallensekrets kann es zu einer Galleretention in den kleinen Gallenwegen mit nachfol- gender biliärer Zirrhose und de- ren typischen Komplikationen kommen.

Im Bereich des Genitale liegt beim weiblichen Geschlecht in der Regel eine deutlich erhöhte Viskosität des Zervixschleims vor.

Eine Frau mit einer zystischen Fibrose ist jedoch durchaus in der Lage, Kinder zu gebären, wenn- gleich die Erfahrung gezeigt hat, daß für sie eine Schwangerschaft ein deutlich gesteigertes Risiko im Sinne einer Verschlechterung der Grundkrankheit darstellt.

Männer dagegen sind praktisch immer infertil, da es bei der Muko- viszidose zu einer Fibrose und Atrophie im Bereich des Neben- hodens kommt.

Die morphologisch nicht verän- derten Schweißdrüsen sezernie- ren ein natrium-, chlorid- und kali- umreiches Sekret.

Die klinischen Veränderungen beim Kind treten meist schon im

Säuglingsalter ein. Es besteht die zunächst uncharakteristische Symptomentrias Gedeihstörung, rezidivierender Durchfall, chroni- scher Husten. Oft tritt in diesem Alter vor der Stellung der Diagno- se ein Rektumprolaps auf. Bei fehlender oder unzureichender Behandlung kommt es schon in diesem frühen Kindesalter häufig zu rezidivierenden Pneumonien und im Gefolge davon zu irrepa- rablen Schädigungen im Bereich des Lungenparenchyms. Bei allen Patienten besteht eine chroni- sche Sekretretention im Bereich der paranasalen Sinus, die sich auch röntgenologisch bei einer Aufnahme der Nasen-Nebenhöh- len mit einer Verschattung mani- festiert.

4. Mukoviszidose beim Adoleszenten und Erwachsenen

In der Bundesrepublik Deutsch- land ebenso wie in den meisten europäischen Ländern wird das Gros der erwachsenen Patienten mit zystischer Fibrose auch heute noch vom Pädiater betreut. Der Grund dafür ist historisch zu ver- stehen: Da die Kinder früher dem Leiden meist schon im jungen Al- ter erlegen sind, hatte der Inter- nist, besonders der Pulmologe und der Gastroenterologe nur sel- ten Gelegenheit, einen Patienten mit zystischer Fibrose zu sehen.

Inzwischen hat sich diese Situa- tion jedoch entscheidend geän- dert, dennoch fällt es vielen Pa- tienten mit dieser Krankheit schwer, einen in der Therapie der Mukoviszidose erfahrenen Interni- sten zu finden.

Beim Jugendlichen und beim Er- wachsenen ist in der übergroßen Mehrzahl aller Fälle die Haupt- komplikation von seiten der pro- gredienten bronchopulmonalen Komplikationen zu erwarten. In den meisten Fällen haben Patien- ten in diesem Lebensalter eine deutliche, auch durch Lungen- funktionsuntersuchung nachweis- bare Einschränkung ihrer respira-

torischen Leistungsfähigkeit. Die- se Veränderungen sind global mit denen zu vergleichen, die bei der chronisch obstruktiven Lungener- krankung (COPD) vorkommen.

Bei der Inspektion der Patienten ist als Hinweis auf die praktisch immer bestehende Lungenüber- blähung ein Faßthorax mit Kypho- se im Bereich der Brustwirbelsäu- le und vermehrter sternaler Vor- wölbung zu erwarten. Häufig ha- ben die Patienten in diesem Alter zumindest bei Belastung eine Akrozyanose, sie haben Uhrglas- nägel und Trommelschlegelfin- ger. Bei der Auskultation hört man meistens grobblasige Rasselge- räusche. Dieser Befund ist jedoch nicht obligat, zumal im späteren Stadium der Erkrankung häufig die Sekretproduktion im Bron- chialbereich abnimmt.

Der Zustand der Patienten läßt sich durch die klinische Untersu- chung, die Röntgenuntersuchung der Thoraxorgane, durch Lungen- funktionsprüfungen und Blutgas- analyse ausreichend exakt doku- mentieren. Derartige Untersu- chungen sind in stabilen Phasen der Erkrankung mindestens alle 6 Monate durchzuführen.

Die Patienten im Erwachsenenal- ter haben häufig ein deutliches Untergewicht, Heranwachsende sind oft noch nach dem normalen Pubertätsalter kleiner als ver- gleichbare Altersgenossen. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Pubertät in aller Regel bei Pa- tienten mit zystischer Fibrose et- wa 2 bis 3 Jahre später einsetzt.

Aus diesem Grunde kann man vor der Pubertät dem Patienten auch sagen, daß er im Vergleich zu sei- nen Altersgenossen länger in der Wachstumsphase sein wird und ein eventuell bestehendes Wachs- tumsdefizit noch aufholen kann (8). Die Größen- und Gewichtskur- ven bei Patienten mit zystischer Fibrose sind sehr empfindliche Parameter, um den Allgemeinzu- stand zu erfassen.

Beim Jugendlichen und erwach- senen Patienten werden in fast al- Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 47 vom 22. November 1984 (65) 3505

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len Fällen Luftwegsinfektionen bestehen. Meistens wird es sich dabei um irreversible Infektionen mit Pseudomonas aeruginosa handeln. Diese Pseudomonasin- fektion ist trotz aller bisher be- kannten medikamentösen Be- handlungsversuche niemals lang- fristig zu überwinden. Selbst bei kombinierter parenteraler Be- handlung mit pseudomonaswirk- samen Antibiotika kommt es nach kürzerer oder längerer Zeit erneut bei bakteriologischen Kontrollen zum Nachweis von Pseudomonas aeruginosa.

5. Komplikationen

Typisch für das Jugendalter und für den erwachsenen Patienten mit zystischer Fibrose sind folgen- de Komplikationen der Grund- krankheit: 1. Pneumothorax, 2.

Hämoptoe, 3. Cor pulmonale, 4.

Diabetes mellitus, 5. biliäre Zirrho- se und ihre Folgen.

5.1 Pneumothorax

Der Pneumothorax bei Patienten mit zystischer Fibrose tritt relativ selten vor dem 2. Lebensjahr- zehnt auf. Das Durchschnittsalter bei der Erstmanifestation beträgt etwa 15 Jahre. Er kann sich rechts und links etwa gleich häufig ein- stellen, manchmal ist er auch dop- pelseitig. Beim Auftreten eines Pneumothorax sind die Lungen- veränderungen der Grundkrank- heit meist schon deutlich fortge- schritten. Das klinische Sympto- menbild beim Auftreten eines Pneumothorax kann sehr stark va- riieren. Häufig ist es charakteri- siert durch plötzliche Dyspnoe, durch Schmerz, manchmal durch Hämoptoe. Aus eigener Erfahrung kennen wir jedoch einige Patien- ten, bei denen es praktisch ohne wesentliche klinische Zeichen zum Auftreten eines Pneumotho-

rax kam, der bei einer Routineun- tersuchung entdeckt wurde. Ist einmal im Verlauf einer zystischen Fibrose ein Pneumothorax aufge- treten, so ist die Rezidivneigung

hoch, sie liegt bei konservativ be- handelten Patienten um 40 Pro- zent. Das Auftreten eines Pneu- mothorax bedeutet heute immer noch ein ungünstiges Zeichen für die weitere Prognose, die durch- schnittliche Lebenserwartung nach dem ersten Pneumothorax liegt bei etwa 16 Monaten.

5.2 Hämoptoe

Eine Hämoptoe kommt häufig in geringer Ausprägung vor: Die Pa- tienten berichten, daß kleine Blut- fäserchen auf dem Sputum aufge- lagert sind. Derartige Befunde sind in der Regel harmlos. Dage- gen ist eine massive Hämoptoe immer ein sehr bedrohliches Zei- chen, das den Patienten und sei- ne Familie auch psychisch stark belastet. Bei der Suche nach der Lokalisation der Blutung hilft die Röntgenuntersuchung meist nicht weiter. Auch die genaue Lokalisa- tion mit Hilfe der Bronchoskopie gelingt nur in einem Teil der Fälle.

Therapeutisch wird man zunächst den meist außerordentlich geäng- stigten Patienten ruhig stellen.

Die aktive Physiotherapie muß un- terbrochen werden, um nicht durch mechanische Reizung den Verschluß der Blutungsquelle ne- gativ zu beeinflussen. Wir geben prinzipiell bei Patienten mit einer Hämoptoe Vitamin K in therapeu- tischer Dosis. Bei den Patienten, die wir im Verlauf der vergange- nen Jahre mit einer Hämoptoe be- treut haben, ist es immer zu ei- nem spontanen Sistieren der Blu- tung gekommen. Im Notfall muß man an einer sehr erfahrenen pul- mologischen Klinik den Versuch machen, mit der Fiberoptik die Blutung zu finden und lokal zu stillen oder aber angiographisch das Gefäß zu blockieren.

5.3 Cor pulmonale

In einer 1976 veröffentlichten Ar- beit schätzt Liebmann und Mitar- beiter (10), daß etwa 70 Prozent der Patienten, die an einer zysti-

schen Fibrose sterben, ein Cor pulmonale haben. Voraussetzung für die Entstehung dieses Cor pul- monale ist die pulmonale Hyper- tension, die wiederum als Folge einer alveolären Hypoventilation auftritt. Die klinische Diagnose des Cor pulmonale kann bei der zystischen Fibrose sehr schwierig sein. Der zuverlässigste klinische Hinweis sind die rasche Vergröße- rung der Leber, das Auftreten von Ödemen sowie die starke Ein- schränkung der körperlichen Lei- stungsfähigkeit. Das Röntgenbild und das EKG müssen nicht in al- len Fällen typisch verändert sein.

5.4 Diabetes mellitus

Ein Diabetes mellitus wurde von Batten bei 10 Prozent seiner er- wachsenen Patienten gefunden.

Eine Glukoseintoleranz dagegen kann man bei etwa 30 Prozent al- ler Patienten mit zystischer Fibro- se nachweisen.

5.5 Leberzhirrose und ihre Folgen

Die Leberzirrhose wird klinisch häufig ebenfalls erst im 2. Lebens- jahrzehnt manifest. Teilweise hat sie dann jedoch bereits zu Folgen im Sinne einer portalen Hyperten- sion mit der Ausbildung von Öso- phagus- oder Fundusvarizen ge- führt. Die Laborparameter werden bei der Leberzirrhose bei zysti- scher Fibrose in der Regel erst bei weit fortgeschrittenen Verände- rungen positiv. In den letzten Jah- ren wurde eine frühere Diagnose möglich gemacht durch häufige Anwendung der Sonographie. Mit Hilfe dieser Methode gelang es auch, bei Patienten mit zystischer Fibrose übermäßig häufig das Auftreten von Gallensteinen nach- zuweisen. Diese machen klinisch oftmals keinerlei Beschwerden.

6. Diagnostik

Pathognomonisch ist die Erhö- hung der Schweißelektrolyte. Ihre 3506 (66) Heft 47 vom 22. November 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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Zystische Fibrose

Bestimmung erlaubt eine sichere Diagnose. Eine Natrium- bzw.

Chloridkonzentration von mehr als 70 mval/l Schweiß beweisen das Vorliegen einer zystischen Fibrose, wenn die Patienten die entsprechenden klinischen Sym- ptome haben. Die Methode steht gewöhnlich in größeren Kinderkli- niken zur Verfügung. Gewarnt werden muß in diesem Zusam- menhang vor der Anwendung von sogenannten „einfachen und schnell auswertbaren" Untersu- chungsmethoden. Die Benutzung von sogenannten direkt abzule- senden Hautelektroden oder von Geräten zur Bestimmung des Überleitungswiderstandes des Schweißes ist mit einem hohen Fehlergrad behaftet.

6.1 Röntgenuntersuchung der Thoraxorgane

Als früheste Veränderung tritt in der Regel eine verstärkte Gerüst- zeichnung vor allem im Bereich des Hilus und in der perihilären Region auf. Chrispin und Norman (3) haben ein Bewertungsschema der Röntgenveränderungen der Lunge angegeben, das sich auf die Ausprägung der Überblähung, der peribronchialen Reaktionen, der peripheren Fleckschatten, der peripheren Ringschatten und der ausgedehnten Konsolidierung stützt. Im Erwachsenenalter sind in der ganz überwiegenden Mehr- zahl der Erkrankungsfälle diese ausgeprägten Veränderungen un- terschiedlich stark vorhanden.

6.2 Lungenfunktions- untersuchungen und Blutgasanalysen

Als erstes Zeichen pulmonaler Veränderungen gilt der Abfall des arteriellen P0 2 (Lamarre u. Mitar- beiter, Featherby u. Mitarbeiter [4]). Bei der Lungenfunktionsprü- fung zeigt sich der Beginn der Er- krankung zunächst in einer Erhö- hung des Residualvolumens bzw.

des Quotienten aus dem Residual- volumen und der totalen Lungen-

kapazität. Als Routine-Untersu- chungsmethode in der Praxis hat sich die einfache Spirometrie mit Messung der statischen und dyna- mischen Volumina bewährt. Vital- kapazität, Ein-Sekunden-Kapazi- tät und Atemwegswiderstand kor- relieren ebenfalls eng mit dem kli- nischen Stadium, wobei aller- dings zu berücksichtigen ist, daß die Einzelwerte vor allem des Atemwegswiderstandes erheb- liche Variabilität zeigen können.

Mit einer Bronchographie läßt sich zwar das Ausmaß der Bron- chiektasenbildung nachweisen, für die eigentliche Diagnose der zystischen Fibrose hat die Metho- de der Bronchographie oder Bronchoskopie aber keine Bedeu- tung.

7. Therapie der

pulmonalen Komplikationen 7.1 Antibiotikabehandlung

Ist die Erkrankung bereits weit fortgeschritten, so wird eine stän- dige Antibiotikagabe oftmals un- bedingt notwendig sein. Bei klini- schen Untersuchungen der Pa- tienten sollten immer eine bakte- riologische Kontrolle aus dem Sputum mit Resistenzbestim- mung durchgeführt werden, damit eine gezielte antibiotische Be- handlung möglich ist. Bei den üb- licherweise vorkommenden Erre- gern hat sich für uns das Co-Tri- moxazol (z. B. Bactrim® ) bewährt.

Bei Pseudomonasinfektionen ist eine parenterale Behandlung heute noch nicht zu umgehen. In den meisten erfahrenen Zentren wird heute so vorgegangen, daß Patienten mit einem Nachweis von Pseudomonas aeruginosa im Sputum nur dann gezielt behan- delt werden, wenn tatsächlich Hinweise darauf bestehen, daß diese Infektion auch für die klini- schen Symptome verantwortlich gemacht werden kann. Besteht erst einmal eine Pseudomonasin- fektion, so ist sie mit den bisher zur Verfügung stehenden Mitteln auch bei wiederholter Anwen- dung nicht auf Dauer wieder rück-

gängig zu machen. Dagegen ist eine wesentliche Besserung der klinischen Symptome durch eine intensive Therapie durchaus zu erreichen.

Bei Patienten mit einer zystischen Fibrose sind die mit den normalen Antibiotikadosen zu erreichenden Blutspiegel durch eine erhöhte Clearance häufig niedriger als bei einem Vergleichskollektiv. Diese Tatsache ist bei der Dosierung der Antibiotika zu berücksichtigen.

Wenn Patienten mit einer zysti- schen Fibrose ohne ständige kli- nisch manifeste Infektion im Be- reich der Luftwege und der Lun- gen behandelt werden, kann auch im Erwachsenenalter eine inter- mittierende Therapie ausreichend sein. Sie sollte immer eingeleitet werden beim Auftreten von klini- schen Zeichen einer akuten Ver- schlechterung. Die einmal einge- leitete antibiotische Behandlung sollte mindestens 2 bis 3 Wochen konstant fortgesetzt werden, auch wenn die klinischen Symptome der akuten Exazerbation schon früher abklingen.

In einigen erfahrenen Behand- lungszentren wird eine Dauer- therapie, besonders mit staphylo- kokkenwirksamen Antibiotika, schon vom Zeitpunkt der Diagno- sestellung und unabhängig von der Schwere der klinischen Sym- ptome empfohlen.

7.2 Physiotherapeutische Methoden

Sehr unterschiedliche Methoden werden bei der zystischen Fibrose empfohlen und angewandt. Im wesentlichen kennt man die einfa- che Vibrationsbehandlung, bei der in unterschiedlichen Positio- nen versucht wird, das zähe Se- kret in den Luftwegen durch Klop- fen und Vibrieren zu mobilisieren, damit es leichter ausgehustet werden kann.

Durch gezieltes Atemtraining wird ebenfalls versucht, die Patienten 3508 (68) Heft 47 vom 22. November 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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in die Lage zu versetzen, das an- gesammelte Sekret leichter aus den Luftwegen zu entfernen. ln den letzten Jahren wurde in die- sem Zusammenhang besonders die Methode des "huffing", auch forced exspiration technique (FET) sowie die sogenannte auto- gene Drainage empfohlen. Ein- mütigkeit besteht bei fast allen er- fahrenen Therapeuten darüber, daß diese Techniken für sich al- lein nur Teil der gesamten Be- handlung sein können. Körper- liches Training spielt ebenfalls ei- ne große Rolle in der Behandlung der Sekretanschoppung in den Luftwegen.

7.3 Aerosoltherapie

Mit ihrer Anwendung werden zwei verschiedene Ziele verfolgt:

1. Es wird versucht, durch Inhala- tion von Flüssigkeiten, z. B. von 3prozentiger Kochsalzlösung oder durch Anwendung eines Mu- kolytikums (z. B. Fluimucil® 10 Prozent) eine Verflüssigung des Sekrets zu erreichen.

2. Es wird ein lokal wirkendes An- tibiotikum (z. B. Gentamicin) inha- liert, um bei gleichzeitiger syste- mischer Antibiotikagabe zusätz- lich noch einen lokalen Antibioti- kaeffekt zu erreichen.

Die Anwendung beider Methoden ist unter Fachleuten nicht unum- stritten. Bei jeder Inhalation, die die Patienten täglich zu Hause durchführen, ist streng darauf zu achten, daß am Abend eines jeden Tages nach der letzten Inhalation die Flüssigkeitsgefäße und die mit dem Aerosol in Kontakt gekom- menen Teile des Gerätes desinfi- ziert werden müssen, da es sonst nach ganz kurzer Zeit zu einer Be- siedlung besonders mit Pseudo- monas aeruginosa kommt.

7.4 Bronchodilatatoren

Ihre Anwendung wird in den letz- ten Jahren vermehrt empfohlen

unter der Vorstellung, daß die Obstruktion bei der zystischen Fibrose nicht nur Folge einer Se- kretverlegung, sondern zusätzlich auch eine Bronchokonstriktion bei einer Entzündung des Bron- chialsystems ist. Wir halten die routinemäßige Anwendung von Bronchodilatatoren nicht für indi- ziert, sondern wenden diese Be- handlungsmethode nur an, wenn bei der Prüfung der Lungenfunk- tionsparameter in sogenannten Broncholysetests tatsächlich ihre Wirkung nachgewiesen werden kann.

7.5 Orale Mukolyse

ln den letzten 10 Jahren ist eine Vielzahl von sogenannten Mukoly- tika empfohlen worden. Wir selbst haben die größten und besten Er- fahrungen mit dem N-Acetylcy- stein als Granulat (Fiuimucil® ). Es soll eine Verflüssigung der einge- dickten Sekrete nicht nur im Be- reich der Luftwege, sondern da- neben auch im Bereich der Galle- kapillaren und der abführenden Gallenwege bewirken.

~ Antimykotische Therapie Bei etwa einem Drittel der Patien- ten kann man Präzipitine gegen Aspergillus fumigatus nachwei- sen. Ganz vereinzelt wurde auch das Syndrom der allergischen As- pergillose beim Patienten mit zy- stischer Fibrose beschrieben. Als Antimykotika kommen Amphoteri- cin oder Ancotil in Frage, wobei mögliche Nebenwirkungen be- rücksichtigt werden müssen.

7.6 Bronchialspülung

Hier sind verschiedene Techniken beschrieben worden. Es besteht unter den Experten keine Über- einstimmung, ob ihre Anwendung gerechtfertigt ist. Sie dürfen nur dann durchgeführt werden, wenn eine Intensivobservation in einem erfahrenen Behandlungszentrum gewährleistet ist.

~ Therapie der Hämoptoe Eine Behandlung ist nur notwen- dig, wenn es sich um massive Blu- tungen aus den Luftwegen han- delt; einzelne auf das Sputum ausgelagerte Blutfäserchen be- dürfen keiner speziellen Thera- pie. Aktive therapeutische Maß- nahmen wurden bereits erwähnt.

~ Therapie des Pneumothorax Es ist notwendig, eine schnelle Reexpansion der Lunge zu errei-

chen, dabei müssen der schlechte

Allgemeinzustand der Patienten und die hohe Rezidivneigung be- rücksichtigt werden.

Neben einer Drainagebehandlung mit leichtem Sog, die in einigen Tagen etwa bei 60 Prozent der Pa- tienten zu einer Reexpansion führt, hat sich die Instillation eines verödenden Mittels bewährt (z. B.

NADH, Terramycin, Quinacrine).

Bei einem ausgedehnten Pneu- mothorax wird von den meisten Fachleuten die offene Thorakoto- mie eventuell mit Pleurektomie, empfohlen, da ihre Rezidivquote niedrig und die akute Letalität ebenfalls gering ist.

7.7 Therapie

einer "Mucoid impaction"

Es handelt sich bei einer Mucoid impaction um eine Verlegung des Bronchiallumens durch Verklum- pungen des sehr zähen Bronchial- sekrets. Hier ist eine Bronchosko- pie indiziert, um die eingedickten Sekretmassen lokal zu verdünnen und abzusaugen und eventuelle Atelektasen wieder zu öffnen.

7.8 Therapie des Cor pulmonale

Die Prophylaxe des Cor pulmona- le kann bei einer zystischen Fibro- se nur in dem Ve~such bestehen, möglichst langfristig eine chroni- sche Hypoxie zu verhindern und damit der sonst drohenden pul- Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 47 vom 22. November 1984 (69) 3509

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Zystische Fibrose

monalen Hypertonie vorzubeu- gen. Sind einmal klinische Zei- chen des Cor pulmonale vorhan- den, so ist die Prognose in sehr vielen Fällen schlecht. Während man bis vor einigen Jahren emp- fohlen hat, in dieser Situation Di- uretika und Digitalis einzusetzen, wird neuerdings vorwiegend die Anwendung von Diuretika (z. B.

Furosemid und Aldactone) emp- fohlen. Wegen der möglichen Ne- benwirkungen bei einer chroni- schen Hypoxie wird dagegen die Anwendung des Digitalis heute nur noch mit größter Zurückhal- tung beurteilt.

8. Therapie

der gastrointestinalen Komplikationen

8.1 Diätetische Behandlung Während bis vor wenigen Jahren eine starke Einschränkung der Fettzufuhr empfohlen wurde, ist man neuerdings davon abgekom- men. Der Grund ist in der Tatsa- che zu suchen, daß es bei Fettre- duktion zu einem unzureichenden Kalorienangebot kommt. In den letzten Jahren hat man mit einer hochkalorischen Ernährung die besten Erfahrungen gemacht.

8.2 Pankreas-Enzym-Substitution Da bei der zystischen Fibrose in fast allen Fällen ein völliger Aus- fall der exokrinen Pankreasfunk- tion besteht, müssen die entspre- chenden Enzyme zugeführt wer- den. Dabei sind häufig sehr hohe Dosen notwendig.

8.3 Vitamingabe

Wegen der beeinträchtigten Re- sorption der fettlöslichen Vitami- ne ist eine ständige zusätzliche Gabe eines Multivitaminpräpara- tes zu empfehlen.

9. Psychosoziale Probleme Die Aldoleszenz ist auch beim Ge- sunden eine Altersphase, in der

es gehäuft zu starken psychi- schen Reaktionen kommt. Bei Pa- tienten mit einer schweren, chro- nisch progredienten Erkrankung wie der zystischen Fibrose ohne eine Heilungschance sind psycho- reaktive Störungen überzufällig häufig.

Wir erleben immer wieder, daß jugendliche Patienten bei dem Versuch, aus dem lebenslangen Käfig der Therapie in die von ih- nen gewünschte schrankenlose Freiheit auszubrechen, die ge- samte Behandlung ablehnen und erst nach einigen Wochen zum Therapeuten zurückkehren, wenn sie sehen, daß für sie ein Leben ohne die Zwänge der Therapie nicht möglich ist.

Die wichtigsten Klagen unserer Patienten sind:

1. Abhängigkeit von Eltern oder anderen Personen durch Thera- piemaßnahmen.

2. Einengung der persönlichen Freiheit und der Freizeit durch den Zeitbedarf für diese Therapie- maßnahmen.

3. Schwierigkeiten bei der Ein- gliederung in die Gruppe von Gleichaltrigen. Sie sind häufig da- durch bedingt, daß die Patienten kleiner und körperlich weniger leistungsfähig sind, aber auch da- durch, daß der Eintritt in die Pu- bertät in der Regel um einige Jah- re verzögert ist.

4. Sorge vor der Zukunft in Kennt- nis der Prognose der eigenen Er- krankung.

5. Schwierigkeiten bei der Be- rufswahl und der Eingliederung in den Beruf.

6. Partnerschaftsprobleme beim erwachsenen Patienten aus Sorge vor der vitalen Bedrohung durch eine Schwangerschaft der an zy- stischer Fibrose leidenden Ehe- frau und Sorge vor der psychi- schen Belastung durch die Inferti- lität des kranken Ehemannes. Sor-

ge auch vor der genetischen Bela- stung im Hinblick auf eventuell zu erwartende Kinder.

7. Viele Patienten empfinden die Notwendigkeit, als Adoleszent oder Erwachsener immer noch den Kinderarzt um Hilfe bitten zu müssen, als eine schwere Bela- stung, mehr noch die Tatsache, daß sie häufig auch bei einer sta- tionären Behandlung in die Kin- derklinik aufgenommen werden müssen.

Es ist daher unbedingt notwendig, das Wissen um diese Erkrankung, die auch für den Arzt, der Erwach- sene behandelt, eine zunehmen- de Bedeutung erlangen wird, un- ter den Internisten, den Allge- meinpraktikern und den eventuell betroffenen Spezialdisziplinen zu verbreiten.

Die hervorragenden therapeuti- schen Erfolge, die sich in einer meßbaren Verbesserung der mitt- leren Lebenserwartung dieser Pa- tienten zeigen und die mit Sicher- heit in den nächsten Jahren dazu führen werden, daß es immer mehr erwachsene Patienten mit einer zystischen Fibrose gibt, zwingen den Kinderarzt, sein Wis- sen über diese Erkrankung seinen Kollegen mitzuteilen. Darüber hinaus sollten sie die anderen me- dizinischen Disziplinen verpflich- ten, sich diese Kenntnisse zum Wohle der erwachsenen Patien- ten anzueignen.

Literatur im Sonderdruck, zu beziehen über die Verfasser.

Anschrift für die Verfasser:

Professor Dr. med.

Ulrich Stephan Direktor der

Universitäts-Kinderklinik der Gesamthochschule Essen Hufelandstraße 55

4300 Essen 1 3510 (70) Heft 47 vom 22. November 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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