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Archiv "Mitteilungen: Stellenwert der minimalinvasiven Wirbelsäulenkathetertechnik nach Racz" (11.04.2003)

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B E K A N N T G A B E N D E R H E R A U S G E B E R

A

A1022 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1511. April 2003

Die minimalinvasive Wirbelsäulenkathe- tertechnik, von ihrem Begründer, dem Schmerztherapeuten Gabor Racz, Te- xas/USA, auch als „epidurale Neuropla- stie“ bezeichnet, hat in den letzten Jah- ren in Deutschland zunehmend Befür- worter gefunden, die ihr Verfahren als patientenfreundlich und kosteneinspa- rend, weil minimalinvasiv und operati- onsersetzend bewerben. Die Aufmerk- samkeit der Medien ist der Methode al- lein schon dadurch gesichert, weil sie sich der Volkskrankheit „Rückenschmerzen“

widmet. In der wissenschaftlichen Öf- fentlichkeit hat das Verfahren bislang je- doch wenig Resonanz gefunden, so wird zum Beispiel die epidurale Wirbelsäulen- kathetertechnik nach Racz in keiner in- ternationalen oder nationalen Leitlinie zur Behandlung von Rückenschmerzen erwähnt. Vor dem Hintergrund des un- klaren Stellenwertes der Methode wer- den bei der Kassenärztlichen Bundesver- einigung und der Bundesärztekammer zahlreiche Anfragen von Krankenversi- cherungen, Beihilfestellen, Gerichten, aber auch von einzelnen Patienten zu dieser Therapie eingereicht.

Arbeitsauftrag der HTA-Arbeitsgruppe von BÄK und KBV

Die Vorstände von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereini- gung erteilten deshalb am 26. 4. 2002 ih- rer gemeinsamen HTA-Arbeitsgruppe den Auftrag, ein evidenzbasiertes Assess- ment zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse über die medizinische Notwendigkeit und den therapeutischen Nutzen des Verfahrens zu erstellen.

Hierbei kamen die für die Erstellung ei- nes Health Technology Assessments ty- pischen methodischen Standards bei der Informationsgewinnung und -bewertung zur Anwendung, wie formale Studien- klassifikation nach Evidenzschema, kri- tische Beurteilung der internen Studien- qualität und Einschätzung der klini- schen Relevanz der Ergebnisse unter

Betonung patientenzentrierter Out- come-Parameter.

Die bevorstehende Überprüfung wur- de am 24. Mai 2002 im Deutschen Ärzte- blatt veröffentlicht. Mit der Veröffent- lichung wurde wissenschaftlichen Fach- gesellschaften, Einzelsachverständigen, aber auch Patientenorganisationen Gele- genheit gegeben, Stellungnahmen einzu- reichen. Die Stellungnahmen und darin benannte wissenschaftliche Literatur wur- den in die Bewertung der Methode einbe- zogen.

Indikationsspektrum und postuliertes Wirkprinzip

Nach Racz werden mit der Wirbel- säulenkathetertechnik therapieresisten- te Wurzelreizsyndrome unterschiedli- cher Ursache, durch Bandscheibenläsio- nen oder im Rahmen eines Postnukleo- tomie- oder Postdiskektomiesyndroms hervorgerufene Beschwerden behan- delt. In das weitere Indikationsspektrum werden daneben unter anderem auch durch degenerative knöcherne Verän- derungen (Spondylarthrose etc.) be- dingte Rückenschmerzen sowie Schmer- zen bei traumatischen, osteoporotischen oder metastatischen Wirbelkörperkom- pressionsfrakturen, bei Zustand nach Abszessen und Meningitis sowie bei weichteilbedingten Spinalstenosen ein- bezogen.

Als Wirkprinzip wird postuliert, dass durch ein spezielles Substanzgemisch (nach Racz: Bupivacain, Triamcinolon, Hyaluronidase und 10 % NaCl-Lösung) eine lokale neurolytische und adhäsioly- tische Dekompression der Nervenwurzel mit antientzündlichem und antiödematö- sem Begleiteffekt herbeigeführt werden kann. Hierzu wird ein epiduraler Spezial- katheter, der bis zu drei Tage zwecks wiederholter Medikamentengabe liegen bleibt, bis an die Stelle eines zuvor durch Kontrastmitteluntersuchung dargestell- ten Passagehindernisses im Epidural- raum vorgeschoben.

Ergebnisse der Informations- gewinnung: Wenige Studien und große Behandlungsvielfalt

Im Rahmen der durch die HTA-Arbeits- gruppe durchgeführten umfassenden Recherche der wissenschaftlichen Lite- ratur in den einschlägigen Literatur- datenbanken wie Medline, Embase, Cochrane Library, AWMF, ECRI Healthcare Standards u. a. konnten nur wenige wissenschaftliche Studien zur Wirbelsäulenkathetertechnik nach Racz identifiziert werden. Mit Ausnahme ei- ner einzigen prospektiven Studie han- delt es sich hierbei um retrospektive Fallserien, teilweise mit gravierenden Studienmängeln, die in den ausführli- chen Einzelauswertungen der Primär- studien jeweils im Einzelnen dargestellt werden. Es zeigte sich auch, dass die Me- thode bisher nicht annähernd in ihrer Anwendung standardisiert ist. Vielmehr wird sie in unterschiedlichen Varianten, mit unterschiedlichen Substanz-Kom- binationen, aber auch zu völlig unter- schiedlichen Zeitpunkten des Krank- heitsverlaufs eingesetzt. Die mit dem Ziel einer enzymatischen Narbenauflö- sung eingesetzte Substanz Hyaluronida- se ist überdies in Deutschland nicht zur periduralen oder spinalen Anwendung zugelassen. Viele Fragen bleiben offen, so zum Beispiel, ob die systemische Ga- be eines Glucocorticoids nicht zu ei- nem vergleichbaren antiinflammatori- schen Effekt geführt hätte wie die topi- sche Applikation von Triamcinolon via Epiduralkatheter.

Unter den Befürwortern der Methode ist strittig, wann die Methode zum Einsatz kommen soll. Während Racz die Anwen- dung seiner Methode den im klassischen Sinne „austherapierten“ Fällen („Failed Back Surgery“) vorbehält, befürworten manche deutsche Anwender der Metho- de einen Früheinsatz vor Ablauf von sechs Wochen konservativer Behand- lungsversuche, um einer Chronifizierung der Schmerzen zuvorzukommen. Andere Anwender halten jedoch dieses sechs- B U N D E S Ä R Z T E K A M M E R

K A S S E N Ä R Z T L I C H E B U N D E S V E R E I N I G U N G

Mitteilungen

HTA-Bericht der Bundesärztekammer und Kassenärztlichen Bundesvereinigung

Stellenwert der

minimalinvasiven Wirbelsäulenkathetertechnik nach Racz

(2)

wöchige Intervall im Vergleich zu dem durchschnittlichen Zeitraum, in dem ent- weder eine Spontanheilung auftreten oder ein Behandlungserfolg mithilfe kon- servativer Therapie erzielt werden kann, für zu kurz.

Schmerzreduzierung: Belastbare Aussagen kaum möglich

Zur Schmerzmessung wurden in den meisten Studien die international eta- blierten Schmerzfragebögen wie der SFM (Short-Form McGill Pain Ques- tionnaire) oder der VAS (Visual Assess- ment Score) eingesetzt, einige Studien beschränken sich jedoch auf unstruktu- rierte Patientenangaben. Objektiv mess- bare Outcome-Parameter, wie zum Bei- spiel die Wiederaufnahme der Arbeit, wurden in der überwiegenden Anzahl der vorliegenden Studien nicht berück- sichtigt. Die Modifikationen und Brüche bei der Schmerzerfassung erschweren eine Vergleichbarkeit der Studien im Hinblick auf die an der dauerhaften Schmerzreduzierung zu messende Er- gebnisqualität der Wirbelsäulenkathe- tertechnik nach Racz. Die Aussagefähig- keit zur Schmerzreduzierung ist überdies bei vielen Studien durch die Inhomoge- nität des jeweiligen Studienkollektivs, mit Vermischung schwerer und leichter Fälle, stark eingeschränkt.

Die einzige Studie, die sich gezielt mit der als Wirkprinzip unterstellten Korrela- tion zwischen lokaler Adhäsiolyse und Neurolyse und Schmerzreduktion beim Patienten befasste, konnte keinen stati- stisch signifikanten Zusammenhang zwi- schen der durch Kontrastmitteluntersu- chung belegbaren Beseitigung epiduraler Fibrosen und etwaigem Nachlassen der Rückenschmerzen beim Patienten nach- weisen.

Das von den Anwendern der Metho- de postulierte Wirkprinzip der Wirbel- säulenkathetertechnik nach Racz muss aus Sicht der HTA-Arbeitsgruppe als stark vereinfachend relativiert werden.

„Chronische Rückenschmerzen“ stellen ein eigenständiges, schwierig zu behan- delndes Krankheitsbild mit hoher Prä- valenz dar. Die zunehmenden Erkennt- nisse über die multifaktorielle Pathoge- nese und die sowohl auf neuronaler als auch auf psychosozialer Ebene ent- faltete Eigendynamik des Syndroms chronischer Rückenschmerzen haben unter anderem zu einer selbstkritischen Einschränkung und Differenzierung der Operationsindikationen bei Rük- kenschmerzen, insbesondere im Zu- sammenhang mit Bandscheibenläsio- nen, geführt.

Vergleichsinterventionen:

Nicht berücksichtigt

Obwohl insbesondere in Deutschland die Wirbelsäulenkathetertechnik nach Racz von ihren Befürwortern als Alternative zur Bandscheibenoperation gewertet wird, ließ sich keine Studie zur Wirbel- säulenkathetertechnik nach Racz im Vergleich zur Operation oder anderen Vergleichsinterventionen recherchieren.

Grundsätzlich ist für die Einführung einer neuen therapeutischen Intervention, wie zum Beispiel der Wirbelsäulenkatheter- technik nach Racz, in die klinische Routi- ne erforderlich, dass der behauptete Nut- zen, das heißt die für den jeweiligen Pati- enten letztendlich relevanten klinischen Verbesserungen in methodisch einwand- freien, prospektiven und vergleichenden Studien belegt werden. Sofern in den Studien zur Wirbelsäulenkathetertechnik nach Racz Behandlungsgruppen ver- glichen wurden, handelt es sich hier- bei durchweg um Subgruppen, die nach je- weils unterschiedlich modifiziertem Sche- ma nach Racz behandelt wurden. Eine zu- verlässige Aussage über die Gleichwertig- keit oder sogar mögliche Vorteile der minimalinvasiven Wirbelsäulenkatheter- technik nach Racz im jeweils indikations-

abhängigen Vergleich zur Bandscheiben- operation oder anderen therapeutischen Maßnahmen (wie physikalische Therapie, Verhaltenstherapie oder multidisziplinäre Behandlungsprogramme) ist nach derzei- tiger Studienlage nicht möglich.

Fazit

Das Fazit der HTA-Arbeitsgruppe, dass die Wirbelsäulenkathetertechnik nach Racz derzeit nicht als etabliertes Behand- lungsverfahren angesehen werden kann, sondern als experimentelle Methode ein- gestuft werden muss, zu deren Wirksam- keitsnachweis („Efficacy“) und Beleg des klinischen Nutzens („Effectiveness“) es weiterer, zielführender Studien bedarf, wurde im Peer Review, der durch Mit- glieder des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer wahrgenommen wurde, bestätigt. Der HTA-Bericht wird jetzt mit Zustimmung der Vorstände der Bundesärztekammer und der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung im Inter- net veröffentlicht.

Dr. med. Regina Klakow-Franck Bundesärztekammer

Dr. med. Paul Rheinberger Kassenärztliche Bundesvereinigung B E K A N N T G A B E N D E R H E R A U S G E B E R

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1511. April 2003 AA1023

Die Vorstände der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung hatten am 26. April 2002 einer gemeinsamen HTA-Arbeitsgruppe den Auftrag gegeben, ein evidenzbasiertes As- sessment zum gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Wir- belsäulenkathetertechnik nach Racz zu

erstellen. Dieser HTA-Bericht wurde in- zwischen abgeschlossen und von beiden Vorständen mit Datum vom 28. 3. 2003 zur Veröffentlichung freigegeben. Die Veröffentlichung erfolgt im Internet unter www.bundesaerztekammer.de/30/HTA/

index.html sowie unter

www.kbv.de/hta. )

Bekanntmachungen

Gemeinsamer HTA der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

zur minimalinvasiven

Wirbelsäulenkathetertechnik nach Racz

XIII. Interdisziplinärer Seminar- und Praktikum-Kongress in Verbindung mit 1. Kasseler Gesundheitstage

16. bis 24. August 2003 in Kassel

Deutsche Akademie für Medizinische Fortbildung und Umweltmedizin Deutsche Akademie für Ärztliche Fortbildung

Regionalmanagement Nordhessen GmbH

Information und Anmeldung: Deutsche Akademie für Medizinische Fortbildung und Um- weltmedizin e.V., Carl-Oelemann-Weg 7, 61231 Bad Nauheim, Telefon: 0 60 32/22 14, Fax:

0 60 32/22 16, E-Mail: Info@deutsche-akademie-fuer-aerztliche-fortbildung.de )

Referenzen

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