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Academic year: 2022

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Schwelle sinkt

Von Konrad Freiberg

Für den Journalisten, der die Kolleginnen und Kollegen der Düsseldorfer Altstadtwache mehrere Tage und Nächte begleitetet hatte, war die Welt nicht mehr in Ordnung: Auf den Fahrten durch das

nächtliche Kneipenviertel schockierte ihn die Respektlosigkeit bis hin zur offenen Aggression, die den Beamtinnen und Beamten von angetrunkenen Otto-Normal-Bürgern entgegenschlug - so weit, dass versucht wurde, gegen den Streifenwagen zu urinieren.

Im Verhältnis Bürger und Polizei hat sich viel verändert. Von obrigkeitsstaatlichem Verhalten sind beide Lichtjahre entfernt und das ist gut so. Ist das Ziel des verständnisvollen, selbstbewussten, kurz

"mündigen" Umgangs miteinander, in dem jeder die Rolle, Aufgaben und Interessen des anderen akzeptiert, irgendwo auf der Strecke geblieben? Die tägliche Begegnung mit dem Bürger ist, so wissen die Kolleginnen und Kollegen aus eigenem Erleben, schwieriger geworden und mitunter sogar lebensgefährlich. Nach der ungewöhnlichen Häufung von tödlichen Angriffen auf Polizistinnen und Polizisten im Sommer 2000 initiierte die Gewerkschaft der Polizei ein gemeinsames

Forschungsprojekt mit der Innenministerkonferenz, das vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) durchgeführt wurde. 4000 Fälle von Angriffen auf Polizeibeamtinnen und Beamte von 1985 bis 2000 sind inzwischen ausgewertet, so dass eine Zwischenbilanz gezogen werden kann (siehe Bericht an anderer Stelle dieser Ausgabe). Die Gewerkschaft der Polizei sieht sich in ihren Einschätzungen bestätigt: Der Polizeiberuf ist schwieriger und gefährlicher geworden!

Erste Konsequenz aus dem Forschungsbericht muss daher sein, dass die seit Jahren von der GdP erhobenen Forderungen zu Verbesserungen der einschlägigen Aus- und Weiterbildung, zur

Ausstattung mit geeigneten Schutzwesten und zur Einführung der neuen Polizeimunition, aber auch nach mehr psychologischer Schulung und anschließender Betreuung nach schweren

Konfliktsituationen endlich erfüllt werden. Dass die Polizei sich besser schützen muss, ist eine bittere Wahrheit.

Aber sie ist nur eine Seite der Medaille.Wahr ist auch, dass unsere Gesellschaft mehr und mehr unter ihren eigenen Gewalteskalationen leidet. Die Polizeiliche Kriminalstatistik bestätigt für das Jahr 2000, dass sich die Gewaltkriminalität auf einem erschreckend hohen Niveau etabliert hat. Mit 187.900 registrierten Delikten ist sie gegenüber 1999 noch einmal gestiegen. Abgesehen davon, dass nicht alles entdeckt oder angezeigt wird, sind die statistischen Aussagen über die Gewalt in unserer Gesellschaft wohl noch Lichtjahre von der Realität entfernt. Da sind die Schulen, an denen immer noch nicht offen über das Gewaltpotential in ihren Mauern geredet wird. Da sind des Weiteren die Schulwege, Spielplätze, Diskotheken, Parks, Freibäder, Gaststätten, Haltestellen, Bahnhöfe und ...

Vieles passiert dort nur deshalb nicht, weil viele sich nicht mehr hintrauen, vor allem zu bestimmten Zeiten nicht. Die Gewalt, die sich dann nicht gegen Menschen richten kann, richtet sich - sichtbar für alle - gegen Sachen: Vandalismus. Es ist ein Skandal, wenn Kinder in Angst zur Schule gehen müssen und Freizeiteinrichtungen meiden, ältere Mitbürger auf Besuche in den Abendstunden verzichten. Nicht nur für normale Bürger existieren immer mehr solcher "Angsträume". Entgegen der offiziellen Senatslinie gaben Berliner Kolleginnen und Kollegen in einem spektakulären Fernsehbeitrag unumwunden zu, dass es in ihrer Stadt Orte gibt, an die sie sich selbst im Dienst nicht mehr hintrauen, geschweige denn es schaffen, Bürger dort zu schützen. Der Rückzug des Staates durch den Abbau des Personals staatlicher Institutionen ist in vollem Gange.

Die nordrhein-westfälische Polizei hat heute 2000 Beschäftigte weniger als vor fünf Jahren, um nur ein

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Beispiel zu nennen. Nicht nur, dass die Polizei in einer sich verändernden Gesellschaft mit ihren kriminellen und gewalttätigen Potentialen nicht mitgewachsen ist, sie wird allerorten abgebaut. Ein Umdenken in der Politik ist notwendig. Das Leben in dieser Gesellschaft darf für den rechtstreuen Bürger nicht unerträglich und für den Polizeibeamten nicht lebensgefährlich werden.

(aus DEUTSCHE POLIZEI 6/2001)

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