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gültig entschieden haben, ob noch Aussichten auf eine friedliche Lösung des Irak-Konflikts bestehen.

Vielleicht aber haben uns auch schon die ersten Terrorbilder eines Krieges erreicht, der auf die Un- heil stiftende Kollusion zwischen den Machterhal- tungsinteressen eines verbrecherischen Regimes im Irak und den hegemonialen Machtinteressen der Führung der USA unter Missachtung des Völker- rechts zurückgeht. Weder in unserer alltäglichen Arbeit, die sich in vielfältiger Weise mit den Ängs- ten und Hoffnungen sich ohnmächtig erlebender Menschen auseinandersetzt, aber auch mit deren destruktivem Selbsthass und ihren auf Unterwer- fung oder Vernichtung angelegten aggressiven Im- pulsen, noch in unserer Bürgerverantwortung für eine solidarische Zivilgesellschaft werden wir von dem Irak-Konflikt unberührt bleiben können. Den VertreterInnen der Landeskammern war es deshalb ein selbstverständliches Anliegen, sich im Namen der Arbeitsgemeinschaft der Psychotherapeuten- kammern öffentlich gegen einen Krieg im Irak aus- zusprechen. Die Stellungnahme finden Sie im Do- kumentationsteil dieser Ausgabe.

Das Jahr 2003 hat nicht nur auf der internationa- len Ebene mit einer ernsten Krise begonnen. Die weiter stagnierende wirtschaftliche Entwicklung un- seres Landes und die damit einhergehende Mas- senarbeitslosigkeit lässt den öffentlichen Haushal- ten kaum mehr Spielräume für Zukunftsinvesti- tionen, zumal die selbst verordnete Sparverpflich- tung der EURO-Staaten der EU anders als in den USA antizyklisches Deficitspending verbietet. Gleich- zeitig erzeugt der neoliberale Zeitgeist, der sich vom Abbau des Sozialstaats und von der Privatisierung sozial bedingter Armuts- und Krankheitsrisiken die allumfassende Lösung verspricht und aufgrund sei- ner Komplexitätsreduktion die Köpfe der Meinungs- macher in den Massenmedien erobert hat, ein ge- sellschaftliches Klima, das bei vielen Menschen kei- neswegs unbegründet Zukunftsängste nährt. Eben- falls nimmt der Handlungsdruck auf die politischen Akteure vor diesem Hintergrund enorm zu. Eine

„große“ Reform der Kranken- und Sozialversiche- rungssysteme, von der die Politik eine Senkung der Lohnnebenkosten im Interesse des Industriestan- dorts Deutschland erwartet, steht deshalb ganz oben auf der Agenda dieses Jahres.

chotherapeuten? Sie bedeutet zunächst eine his- torische Chance, die Position der Psychothera- peuten im Gesundheitssystem zu verbessern: Ca.

80% der Ausgaben für die ambulante Versorgung entfallen auf chronische Erkrankungen wie Diabe- tes, Herz-Kreislauferkrankungen, obstruktive Atem- wegserkrankungen (Asthma), depressive Störungen oder Schlaganfallleiden. Wie internationale For- schungsergebnisse belegen, spielen psychosoziale Bedingungsfaktoren bei der Entstehung und Auf- rechterhaltung solcher Erkrankungen eine wichti- ge Rolle. Ohne Einbeziehung von psychotherapeu- tischen Fachkompetenzen ist eine wesentliche Re- duktion der gesellschaftlichen Krankheitskostenlast nicht zu erwarten. Wie dies auszusehen hätte, wur- de exemplarisch von der Psychotherapeutenkam- mer NRW in Bezug auf ein Disease-Management- Programm „Mammakarzinom“ ausgearbeitet, wie Sie auf den Dokumentationsseiten dieser Ausgabe nachlesen können. Wenn die Fachkompetenzen der Psychotherapeuten zu einer Qualitätsverbesserung der Gesundheitsversorgung und zu einer gesund- heitsökonomischen Entlastung genutzt werden sol- len, dann müssen aber gleichzeitig auch die Ein- flussmöglichkeiten der Psychotherapeuten im Ge- sundheitssystem verbessert werden. Nötig ist eine Stärkung der Partizipationsrechte im Gesundheits- system, um die Wirkpotentiale der Psychotherapie nicht nur auf der individuellen, sondern auch sys- tembezogen auf der Ebene der stationären und ambulanten Versorgung zur Geltung bringen zu können.

Nutzen können wir die historische Chance einer

„großen Gesundheitsreform“ allerdings nur dann, wenn die Sachkompetenzen der verschiedenen Quartiere der Psychotherapeuten in der Praxis und in der Forschung, an den Universitäten und an den Ausbildungseinrichtungen vernetzt, gebündelt und politisch wirkungsvoll zum Einsatz gebracht wer- den und nicht – wie noch in der jüngsten Vergan- genheit – im Schulenstreit und im Interesse der Privilegiensicherung auf der Strecke bleiben.

Für diese beklagenswerte Tendenz zur Selbstbehin- derung finden Sie in dieser Ausgabe anschauliche Belege: Die in den Dokumentationsseiten abge- druckte Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der Psychotherapeutenkammern zur Lage der Neuro-

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– Krankenkassen im Jahr 2000 die indikations- bezogene Aufnahme dieses Verfahrens in die Richt- linien aus fachlich nicht nachvollziehbaren Grün- den verweigert hat. Dies, obwohl der Wissenschaft- liche Beirat sowohl den Bedarf als auch die Wirk- samkeit dieses Verfahrens für den Indikationsbe- reich organisch bedingter Hirnleistungsstörungen ausdrücklich bestätigt hat. Auch aus der lesenswer- ten Studie zur Einschätzung des beruflichen Status nach Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes gehen zahlreiche Hinweise hervor, welcher Verlust an Qualität bei der beruflichen Tätigkeit erlebt wird, wenn aus der Sicht der Betroffenen ohne fachlich überzeugende Begründungen frühere Verfahrens- identifikationen im Berufsalltag nicht mehr einge- bracht werden dürfen.

Umso erfreulicher, wenn durch die Konstituierung der Psychotherapeutenkammern sich eine Zeiten- wende abzuzeichnen scheint und die Zusammen- arbeit in den Kammern dazu beiträgt, die der Profes- sion inhärente Methodenvielfalt als Innovations- potential schätzen zu lernen. Dies belegen die zahl- reichen fachlich fundierten Stellungnahmen der einzelnen Länderkammern wie auch der Arbeits- gemeinschaft der Psychotherapeutenkammern.

Dass es darüber hinaus auch gelingen kann, die wirtschaftliche Lage der Berufsangehörigen im Al- ter aus autonomer Gestaltungskraft zu verbessern, dokumentiert in dieser Ausgabe der einschlägige

Wie Sie der neuen Ausgabe des Psychotherapeu- tenjournal entnehmen können, ist die konzeptio- nelle Gestaltung der Kammerzeitschrift noch nicht abgeschlossen. Die neu hinzugekommene Rubrik

„Aktuelles aus der Forschung“ soll den Informations- gehalt für die Leser weiter vertiefen. Die Rubrik „Le- serbriefe“ soll dazu beitragen, zur Diskussion ein- zelner Beiträge oder einer ganzen Ausgabe anzure- gen. Noch in der Planung befindet sich eine Rubrik

„Rezensionen“. Anders als in Fach- und Verbands- zeitschriften üblich, sollen unter dieser Rubrik in Zukunft nicht Neuerscheinungen aus der Fachlite- ratur der Psychotherapie besprochen werden, son- dern bei angestellten und niedergelassenen Psy- chotherapeutInnen oft zu wenig beachtete Publi- kationen aus dem Bereich der Gesundheitsöko- nomie, der Versorgungsforschung und der psycho- therapierelevanten Rechtsliteratur. Aus der Leser- schaft stammende Autoren sind herzlich willkom- men!

Wir hoffen, dass die neue Ausgabe des Psycho- therapeutenjournals auf Ihr Interesse stößt und wür- den uns über entsprechende Rückmeldungen freu- en.

Ihr

Redaktionsbeirat

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Editorial . . . Heisig, U. & Littek, W.

Der schwierige Weg zur Profession. Zur Lage der niedergelassenen

Psychologischen Psychotherapeuten im Jahr 2 der neuen Zeit . . . 7

Köthke, W. Psychotherapeutenversorgungswerk (PVW) gegründet Gute Gründe, sich mit der eigenen Altersversorgung zu beschäftigen . . . 20

Gerlach, H. Recht: Aktuell . . . 28

Ripper, B. Aktuelles aus der Forschung . . . 31

Dokumentationen Arbeitsgemeinschaft der Psychotherapeutenkammern der Länder Stellungnahme zum drohenden Irak-Krieg . . . 35

Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen Psychosoziale Betreuung und psychotherapeutische Interventionen bei Mammakarzinom . . . 35

Arbeitsgemeinschaft der Psychotherapeutenkammern der Länder Neuropsychologie vor dem Aus . . . 41

Mitteilungen der Psychotherapeutenkammern Baden-Württemberg . . . 43

Bayern . . . 48

Bremen . . . 52

Hamburg . . . 56

Hessen . . . 60

Niedersachsen . . . 64

Nordrhein-Westfalen . . . 71

Rheinland-Pfalz . . . 75

Leserbriefe . . . 81

Impressum . . . 82

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Zusammenfassung: Das Psychotherapeutenge- setz von 1999 brachte den Psychologischen Psy- chotherapeuten zum ersten Mal die volle be- rufliche Anerkennung. Sie wurden zu einer voll- wertigen, selbständigen „Profession“. Erstmalig auch wurden sie knapp 1½ Jahre danach in ei- ner größeren sozialwissenschaftlichen Untersu- chung durchleuchtet, in der es um „Die Zukunft professioneller Arbeit“ geht – im Vergleich mit etablierten (wie Apothekern und Rechtsanwäl- ten) wie nicht etablierten Professionen (wie Un- ternehmensberatern). Die Ergebnisse unserer schriftlichen bundesweiten Befragung zeigen die Psychologischen Psychotherapeutinnen und - therapeuten in neuem Selbstbewusstsein, aber auch im Zwiespalt zwischen positiven Entwick- lungen und herben Negativerfahrungen.

Der Schritt zur Profession

Die Psychologischen Psychotherapeuten reihen sich durch ihre gesetzliche „Anerkennung“ (1999) nunmehr in die besondere Gruppe von Berufen ein, die in international gebräuchlicher Diktion als

„Professionen“ (professions) bezeichnet werden.

In Deutschland gebräuchlich ist die Umschreibung als „freie Berufe“. Damit werden professionelle Berufe jedoch nur unzureichend erfasst; eine ein- deutige und treffende Bezeichnung existiert im deutschen Sprachgebrauch nicht so wie im angel- sächsischen.

Die Bezeichnung „Profession“ wird im Allgemeinen auf solche Berufe angewandt, deren Tätigkeit in spe- zifischer Weise auf (wissenschaftlichem) Wissen basiert, die selbst die Kontrolle von Qualitätsstan- dards ausüben (dies also nicht „Laien“ überlassen), die einen engen persönlichen Bezug zu Klienten

aufweisen und sich von einem hohen Berufsethos leiten lassen. Der Zugang zum Beruf wird durch formalisierte Kriterien geregelt und streng kontrol- liert. Professionen zeichnen sich also gegenüber allen anderen Berufen dadurch aus, dass ihre Mit- glieder über die Belange ihrer Tätigkeit selbst ent- scheiden und durch ein anerkanntes „Monopol“ vor dem Wettbewerb durch ähnliche Dienstleistungs- angebote von „Nicht-Berechtigten“ geschützt sind.

Es ist nicht in das Belieben von Berufsgruppen ge- stellt, sich selbst den Status einer „Profession“ zu verleihen, selbst dann nicht, wenn ihre Mitglieder beruflich durchaus in hohem Maße „professionell“

arbeiten mögen.

Die Psychologischen Psychotherapeuten befinden sich in einer besonderen Situation. Sie stellen eine der ganz wenigen Berufsgruppen dar, denen in Deutschland in jüngster Zeit diese offizielle Aner- kennung (gesetzlich) gewährt wurde – die zugleich auch eine entsprechende gesellschaftliche Aner- kennung bedeutet. Den Psychologen allgemein beispielsweise fehlt eine solche förmliche Anerken- nung als „Profession“. Das gilt auch für eine Reihe weiterer, durchaus auf komplexem Wissen basie- render Berufsgruppen wie z.B. Unternehmensbe- rater, IT-Experten, Medienspezialisten u.ä. Diese letztgenannten Berufe sind nicht „geregelt“. Die in Deutschland so genannten „freien Berufe“ sind dagegen eigentlich hochgradig geregelt (wie bei- spielsweise die Mediziner, die Rechtsanwälte, Apo- theker, Steuerberater, u.ä.).

Das Erreichen des Status einer „Profession“ ist je- doch durchaus zweischneidig. Der gesellschaftli- chen Etablierung und der möglichen Verbesserung beruflicher Beschäftigungssicherheit als Positivum können durchaus Einschränkungen der fachlichen wie beruflichen Handlungsfreiheiten, eine Zunah-

Zur Lage der niedergelassenen Psychologischen Psychotherapeuten im Jahr 2 der neuen Zeit

Ulrich Heisig

1

und Wolfgang Littek

2

1 Universität Bremen, Institut Arbeit und Wirtschaft 2 Universität Bremen, Institut Arbeit-Beruf-Bildung

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me an bürokratischem Verfahrensauf- wand oder Verfestigung von Konflikt- linien u.ä. als Negativum gegenüber stehen.

Von dieser zweischneidigen Wirkung sind die Psychologischen Psychothe- rapeuten durch ihre Etablierung als Profession voll getroffen. Die Wirkung der gesetzlichen Anerkennung spiegelt sich deutlich auch in den Rückmeldun- gen der Befragten in unserer Untersu- chung zur „Zukunft der Psychologi- schen Psychotherapeuten“.

Die empirische Basis

Die hier vorgestellten Befunde basie- ren vor allem auf einer schriftlichen Befragung von niedergelassenen Psy- chologischen Psychotherapeutinnen und -therapeuten, die im Zufallsver- fahren bundesweit unter Berücksich- tigung einer angemessenen regiona- len Verteilung ausgewählt wurden.

1000 umfangreiche Fragebögen mit geschlossenen und offenen Fragen wurden versandt. Diese Befragung war Teil einer groß angelegten wissen- schaftlichen Studie über „Die Zukunft professioneller Arbeit in Deutschland und Großbritannien“, bei der im inter- nationalen wie im interprofessionellen Vergleich je Land vier professionelle Berufsgruppen untersucht wurden.

Neben den Psychologischen Psycho- therapeuten waren das in Deutschland Apotheker, Rechtsanwälte und Unter- nehmensberater. Den Mitgliederbe- fragungen gingen jeweils Experten- gespräche mit den Berufsverbänden, Vereinigungen oder Kammern voraus.

Unter den deutschen Berufsgruppen haben die Psychologischen Psycho- therapeuten mit 302 von 1.000 zu- rückgesendeten Fragebögen die höchste Rücklaufquote. Sie werden gefolgt von den Apothekern, von de- nen 194 von 1.000 den Fragebogen zurück schickten. Bei den Rechtsan- wälten lag die Quote bei knapp 15%,

bei den Unternehmensberatern bei 13%. In England wurden von den ent- sprechenden Berufsgruppen jeweils mehr Fragebogen zurückgesandt. An der Spitze liegen dort die Counselling Psychologists mit 314. An zweiter Stelle liegen Personal und Development Ma- nagers mit 299, vor den Pharmacists mit 286. Die niedrigste Quote erziel- ten hier die Solicitors (Rechtsanwäl- te) mit knapp 19%. Die höheren eng- lischen Rücklaufquoten erklären sich in erster Linie daraus, dass die Befra- gung in England in allen Fällen von den Berufsverbänden formell unterstützt wurde, die auch die Adressen zur Ver- fügung stellten.

In Deutschland musste bei allen Be- rufsgruppen, außer bei den Apothe- kern, bei denen die Befragung durch Kammern und Verbände unterstützt wurde, ausschließlich auf die gelben Seiten zurückgegriffen werden. Daher ist der hohe Rücklauf bei den Psycho- therapeuten als besonders positiv ein- zuschätzen. Dies lässt auf ein hohes Interesse an der Befragung schließen.

Vieles deutet darauf hin, dass bei den Psychotherapeuten vor allem diejeni- gen reagiert haben, für die sich be- sonders viel geändert hat und die dies auch mitteilen wollten.

Die Befragung war von vornherein auf einen Vergleich zwischen jeweils vier Professionen in zwei Ländern ange- legt. Dabei wurde für alle Berufsgrup- pen ein weitgehend identischer Fra- gebogen verwendet, weshalb auf Spe- zifika der einzelnen Berufsgruppen wenig Rücksicht genommen werden konnte.

Die Befragung wurde im Zeitraum von April bis Juni 2001, also knapp 1 1/2 Jahre nach Inkraftsetzung des neuen Psychotherapeutengesetzes durchge- führt. Wichtige Merkmale des Samples von 302 ausgefüllten Fragebögen sind der mit 68,4 Prozent hohe Anteil von

Frauen sowie das mit 46,5 Jahren (im Vergleich zu den übrigen Professio- nen) recht hohe durchschnittliche Le- bensalter. Eine direkte Frage nach der Tätigkeit vor Inkrafttreten des Psycho- therapeutengesetzes (Tätigkeit im De- legationsverfahren oder im Kosten- erstattungsverfahren) wurde nicht ge- stellt. Die Angaben zu den erforderli- chen Zusatzqualifikationen (siehe unten 3.2) für die Approbation bzw.

die sozialrechtliche Zulassung lassen jedoch die Schlussfolgerung zu, dass ca. 88% der antwortenden Psycholo- gischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten früher im Kosten- erstattungsverfahren tätig waren.

Professionalisierung durch Gesetz als deutscher Weg

Die Psychologischen Psychotherapeu- ten sind die einzige der von uns (in Deutschland und England) untersuch- ten Berufsgruppen, die erst seit kur- zem durch Gesetz voll als „Professi- on“ anerkannt worden ist. Zum Zeit- punkt der Befragungen waren sie ge- rade dabei, sich wie andere klassi- schen Professionen in Deutschland (wie z.B. Mediziner, Rechtsanwälte, Apotheker) auch auf gesetzlicher Grundlage selbst zu organisieren. Dazu gehörte vor allem der Aufbau von Selbstverwaltungsorganen durch die Bildung regionaler Psychotherapeuten- kammern und die Integration in das kassenärztliche System durch eine gleichberechtigte Mitgliedschaft in den kassenärztlichen Vereinigungen.

Das Erreichen einer gesetzlichen An- erkennung wird von fast allen Befrag- ten als Erfolg gesehen. Dies begrün- det sich daraus, dass die strikte Re- gulierung des Zugangs zum Markt für psychotherapeutische Leistungen für diejenigen, die das Verfahren erfolg- reich bestanden haben, Schutz ge- genüber der Konkurrenz von nicht zu-

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gelassenen Psychologen und ande- ren Anbietern psychologischer The- rapien und Beratungsleistungen bie- tet (sofern es sich um Behandlungsleistungen handelt, die von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden). Durch die Beschrän- kung des Zugangs zum Markt für psy- chotherapeutische Behandlung ist für die Berufsgruppe insgesamt eine so- ziale Schließung vorgenommen wor- den. In unmittelbarer Konkurrenz ste- hen die Psychologischen Psychothe- rapeuten fortan als anerkannter „Heil- beruf“ vor allem zu Psychiatern, me- dizinischen Psychotherapeuten, Hausärzten sowie anderen Ärzten verschiedener Fachrichtungen und den ebenfalls zugelassenen Kollegin- nen und Kollegen der eigenen Pro- fession. Die Konkurrenzsituation hat sich gegenüber früher verändert, weil man sich nicht mehr auf einem offe- nen Markt bewegt, auf dem man be- liebig agieren und akquirieren kann.

Vielmehr bewegt man sich in einem klar definierten Raum, in dem die zur Kassenärztlichen Vereinigung Zugehö- rigen begrenzte Ressourcen nach mit- einander vereinbarten Regeln unter- einander verteilen.

Mit dem Inkrafttreten des Psy- chotherapeutengesetzes war ein Zulassungsverfahren verbunden, durch das die Zahl der an einem Ort zugelassenen und praktizierenden Psychologischen Psychotherapeuten langfristig festgeschrieben worden ist. Nach Beendigung des Zu- lassungsverfahrens ist der Marktzu- gang nahezu geschlossen. Neuzu- gänge zum Arbeitsfeld der niederge- lassenen Psychotherapeuten sind kaum noch möglich, außer durch den Eintritt in eine bereits bestehen- de Praxis oder deren Übernahme (etwa im Falle des Ausscheidens ei- nes Praxisinhabers bzw. einer Praxis- inhaberin, was aufgrund der Alters- struktur in absehbarer Zeit durchaus eintreten kann). Für diejenigen

Psychotherapeutinnen und Psycho- therapeuten, die eine Zulassung er- halten haben, ist also objektiv eine Verbesserung ihrer Situation einge- treten. Dies wird von allen so gese- hen. Sie haben einen zu den Medi- zinern formell gleichberechtigten Zugang zu den finanziellen Ressour- cen des staatlichen Gesundheits- systems erlangt. Darüber hinaus hat die eigene Praxis einen Marktwert er- halten, weil sie aufgrund der Begren- zung des Zugangs zum Markt für psy- chotherapeutische Leistungen ein

„knappes Gut“ darstellt und veräu- ßert werden kann. Allerdings wird von einigen Interviewpartnern gera- de deshalb die Sorge geäußert, dass sich wegen des für lange Zeit schwie- rigen Zugangs zum Markt zukünftig immer weniger junge Psycholo- ginnen und Psychologen für eine langwierige und aufwändige The- rapieausbildung entscheiden könn- ten. Dementsprechend wird ein

„Nachwuchsmangel“ und ein nach- lassendes Interesse an der Übernah- me von Praxen befürchtet. Von fast allen Befragten wird begrüßt, dass mit der Anerkennung als Profession die fachliche Kompetenz und der be- rufliche Status der Psychologischen Psychotherapeuten anerkannt und langfristig gesichert worden sind.

Allerdings haben sich dadurch für die Berufsgruppe insgesamt eine Reihe von neuen Problemen ergeben, die von den Befragten in unterschiedli- chen Kontexten immer wieder ange- sprochen werden. Als wichtigste Pro- blemlagen werden genannt:

1. Die Abhängigkeit von den enger werdenden finanziellen Spielräu- men der gesetzlichen Krankenkas- sen. Dies wird als ein neues, schwer zu kalkulierendes und zu beeinflus- sendes Risiko angesehen.

2. Die Angst vor einer Benachteiligung gegenüber den Ärzten, weil diese und ihre Standesvertreter in den

Kassenärztlichen Vereinigungen weiterhin „das Sagen haben“.

3. In engem Zusammenhang damit die Befürchtung, dass die finanzi- ellen Interessen der Psychologi- schen Psychotherapeuten bei der Festlegung der Verteilungsmecha- nismen und Punktwerte innerhalb der Kassenärztlichen Vereinigungen nicht genügend berücksichtigt wer- den, weil sie noch nicht voll etab- liert sind und eine Minderheit dar- stellen.

4. Die Angst davor, dass sich die Psy- chologischen Psychotherapeuten gegenüber den Ärzten nicht durch- setzen können, weil es ihnen nicht gelingen wird, sich als eine einheit- liche Profession zu etablieren. Es bestehe die Gefahr, dass sich die innerhalb der Berufsgruppe weiter- hin existierenden „Schulen“ wech- selseitig nicht akzeptieren und auch in Zukunft bekämpfen wer- den.

Die einzelnen Mitglieder der neuen Profession sehen sich von Beginn an mit einem heftigen Konkurrenz- kampf um die knapper werdenden Mittel der gesetzlichen Krankenkas- sen konfrontiert. Fast alle Befragten erwarten eine weitere Verschlechte- rung der von ihnen bereits aktuell als angespannt empfundenen finanziel- len Situation. Die Freude über den mit der gesetzlichen Anerkennung verbundenen Erfolg wird dadurch getrübt, dass der gleichberechtigte Zugriff auf die Ressourcen des Ge- sundheitswesens zu einem Zeitpunkt erfolgte, an dem dieses sich bereits in einer Krise befand. Von einigen wird deshalb befürchtet, dass die von der gesetzlichen Anerkennung erwar- tete Verbesserung der materiellen Lage nur von kurzer Dauer sein könn- te. Einige Befragte sind sich nicht si- cher, ob die Psychotherapie unter diesen Voraussetzungen auch in Zu- kunft eine Regelleistung der Kassen bleiben wird.

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Was hat sich geändert?

Vereinheitlichung von Qualifikationen und Methoden durch gesetzliche Vorgaben

Auch wenn sie von der Berufsgruppe selbst gewünscht und vorangetrieben wurde, wird die Professionalisierung von den befragten Psychotherapeut- innen und Psychotherapeuten als ein der Berufsgruppe von außen aufge- zwungener Prozess begriffen. Er ist mit tief greifenden Eingriffen und Be- schränkungen der zuvor „freieren“

beruflichen Tätigkeit verbunden. Die Psychotherapeutinnen und Psycho- therapeuten, die hinsichtlich der ver- wendeten Methoden und Verfahren bis dahin über erhebliche Ermessens- spielräume verfügten, sind durch das Zulassungsverfahren gezwungen wor- den, klar definierte Voraussetzungen zu erfüllen, wenn sie die heilberufliche Approbation und die Zulassung zur Kassenärztlichen Vereinigung erhalten wollten. Hierzu gehörte vor allem die

„Nachschulung“ in einem der drei im Rahmen der gesetzlichen Krankenver- sicherung anerkannten Therapiever- fahren (Psychoanalyse, tiefenpsycho- logisch fundierte Psychotherapie und Verhaltenstherapie). Dies hat zu einer deutlichen Vereinheitlichung der qualifikatorischen Grundlagen von niedergelassenen Psychotherapeuten geführt.

Eine homogene, von gemeinsamen Grundsätzen ausgehende Profession ist dadurch allerdings noch nicht ent- standen. Vielmehr sind innerhalb der Profession weiterhin verschiedene Richtungen („Schulen“) vertreten, die theoretisch unterschiedlich begründe- te Therapieansätze verfolgen, deren Anhänger gegeneinander konkurrie- ren, um Vorherrschaft kämpfen und sich teilweise sogar untereinander er- bittert bekämpfen. Von daher erweist sich das auf den ersten Blick durchaus

harmonische Bild einer sich neu ge- fundenen einheitlichen Profession als trügerisch. Die angespannte und konfliktorische Situation innerhalb der Profession wird von den Befragten selbst thematisiert und als ein vor al- lem gegenüber den weitaus einheitli- cher auftretenden Medizinern beste- hendes Handicap beschrieben.

Berufliche Fort- und Weiter- bildung wie keine andere Profession

Bei den von uns untersuchten Psy- chotherapeutinnen und -therapeuten fällt auf, dass das Gesetz ganz offen- bar einen großen Schub an Fort- und Weiterbildungsaktivitäten ausgelöst hat (eine Qualifizierungsoffensive gleichen Ausmaßes lässt sich bei keiner der an- deren untersuchten Professionen er- kennen). Lediglich 35 der 302 Befrag- ten geben an, dass sie keine zusätzli- chen Qualifikationen erwerben muss- ten, um die Approbation und die Zu- lassung zur KV zu erlangen.

137 Befragte geben ganz allgemein an, eine psychotherapeutische (Zusatz-) Ausbildung absolviert, eine Nachqua- lifikation in einem anerkannten Thera- pieverfahren abgeschlossen oder ei- nen Fachkundenachweis zur sozial- rechtlichen Zulassung erworben zu haben. (Bei diesen etwa 45% derje- nigen Befragten, die eine Zusatzaus- bildung absolviert haben, lässt sich also nicht exakt feststellen, welche inhaltli- che Ausrichtung sie bei der „Nach- qualifizierung“ gewählt haben). 65 Befragte (21,5%) erklären, dass sie sich in Verhaltenstherapie haben aus- bilden lassen, 29 (10%) geben an, eine Qualifizierung in tiefenpsycho- logisch fundierter Psychotherapie ge- wählt zu haben. 15 Befragte (5%) er- klären, eine Ausbildung in Psychoana- lyse abgeschlossen zu haben.

Bei den anderen beiden etablierten deutschen Professionen in unserem

Sample, den Apothekern und Rechts- anwälten, war keine Nachqualifizierung vorgeschrieben. Deshalb fällt die be- rufliche Fortbildung deutlich niedriger aus. Auch dort haben sich allerdings immerhin ca. 45% der Apotheker zu Fachapothekern weiter qualifiziert; von den Rechtsanwälten haben immerhin ca. 25% die recht zeit- und kosten- aufwändige Ausbildung zum Fach- anwalt abgeschlossen (dabei handelt es sich um einen formell anerkannten Abschluss, der Voraussetzung für die offizielle Verwendung des Titels „Fach- anwalt“ ist).

Auch nach erfolgter Approbation und Kassenzulassung liegen die Fort- und Weiterbildungsaktivitäten der Psycho- therapeuten über dem Durchschnitt der anderen von uns untersuchten Professionen. Der Abstand ist aber nicht mehr so groß. Im letzten Jahr vor der Befragung (2000) haben knapp 85% der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten Fort- und Weiter- bildungsveranstaltungen besucht.

26,5% haben Vorträge, Kurse, Kon- gresse und Seminare besucht, knapp 20% haben sich einer Supervision unterzogen. Im Vergleich hierzu haben 74% der Rechtsanwälte und 66% der Apotheker im gleichen Zeitraum an Fortbildungsveranstaltungen teilge- nommen.

Als eine wichtige Ursache für die breite und intensive Beteiligung an Fort- und Weiterbildungsmaßnah- men kann die in der Berufsgruppe weit verbreitete Erfahrung herange- zogen werden, dass diese für den Erhalt der Qualifikation und der Qua- lität der Arbeit notwendig sind. Von der Notwendigkeit zu Fort- und Wei- terbildung sind 70,5% der Befrag- ten überzeugt. Dass das zur Berufs- ausübung notwendige Wissen in der Vergangenheit leicht zugenommen hat, stellen 42% der Befragten fest;

29% geben an, dass es stark zuge- nommen hat.

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Allerdings ist der zeitliche Aufwand im Einzelfall nicht immer sehr hoch. Bei ca. 65% beträgt der Fort- und Weiter- bildungsaufwand weniger als 100 Stunden im Jahr. Bei 42% ist er gerin- ger als 50 Stunden, bei 23% liegt er zwischen 51 und 100 Stunden.

Immerhin gut 20% der Befragten in- vestieren zwischen 100 und 200 Stun- den in ihre Fort- und Weiterbildung.

Bei etwa 8% liegt die Stundenzahl zwischen 200 und 400 Stunden. Un- ter diesen insgesamt 20 Befragten, die im letzten Jahr vor der Befragung mehr als 200 Stunden für Fort- und Weiter- bildung verausgabt haben, befinden sich fünf, die sich einer mehrjährigen Psychoanalyseausbildung unterziehen.

Das hohe Maß an beruflicher Fort- und Weiterbildung wird von der Berufsgruppe selbst als eines ihrer zentralen Merkmale begriffen und trägt erkennbar auch zur positiven Selbst- wahrnehmung bei. Recht häufig wird es gegenüber anderen akademischen Berufsgruppen, vor allem aber gegen- über der „Leitprofession“ der Ärzte in Stellung gebracht, denen man gerin- gere Fortbildungsanstrengungen un- terstellt. Auch abgesehen vom Weiter- bildungsaufwand sind die Psychothe- rapeutinnen und Psychotherapeuten stolz drauf, einen formal hohen Aus- bildungsstand zu besitzen. Im Grund- satz habe man ja bereits zwei Ausbil- dungen abgeschlossen. „Fünf Jahre Studium und vier Jahre Therapieaus- bildung sind genug“, lautet eine Be- merkung, die auf die Frage nach der Fortbildungsbereitschaft geäußert wird.

Einige Befragte weisen kritisch darauf hin, dass das hohe Niveau der Fort- und Weiterbildung der Berufsgruppe nicht entsprechend honoriert werde.

Ihres Erachtens stimme „das Kosten- Nutzen-Verhältnis“ nicht: „Die Bezah- lung der Krankenkassen (stimmt) nicht mit dem Aufwand der Qualifikation überein“.

Die Mehrzahl der Befragten ist über- zeugt, dass die meisten ihrer Kollegin- nen und Kollegen hoch motiviert sind und sich demgemäß auch darum be- mühen, sich ausreichend fort- und weiterzubilden. Unter die nahezu durchgängige positive Wahrnehmung des hohen Ausbildungsstands und des beruflichen Engagements der Berufs- gruppe mischt sich allerdings hin und wieder auch eine meist leicht unter- schwellige Kritik an Kolleginnen und Kollegen, die ihre Verantwortung ge- genüber der Berufsgruppe nicht ernst genug nähmen und nicht genügend Zeit für Fort- und Weiterbildung auf- wendeten. Ein solch nachlässiges Ver- halten beeinträchtige die Qualität der Arbeit und schade dem Ansehen der gesamten Profession.

Trotz vielerlei Kritik an Details der Aus- bildung sprechen sich 68% der Be- fragten dafür aus, Psychologiestudium und Therapieausbildung als Zugangs- voraussetzungen zum Beruf in der jet- zigen Form weitgehend beizubehal- ten. 18% sind dafür, die Ausbildungs- anforderungen zu reduzieren, 10%

möchten hingegen die Eingangsvor- aussetzungen zum Beruf sogar noch weiter anheben. Von einer ganzen Reihe von Befragten wird angemerkt, dass die Ausbildung insgesamt zu lang sei und eine Straffung und Entrümpe- lung des Studiums zugunsten von grö- ßeren Praxisanteilen und mehr Selbst- erfahrung wünschenswert sei. Insge- samt werden die Kosten der Therapie- ausbildung als zu hoch empfunden und eine Bezahlung der praktischen Tätigkeit in der Klinik während der Aus- bildung als notwendig angesehen.

Das Angebot an Fort- und Weiterbil- dung wird überwiegend als ausrei- chend und vielfältig bezeichnet. Kriti- siert wird allerdings mehrfach, dass das Angebot zu „unübersichtlich“ sei und die Qualität der erbrachten Leistungen den Erwartungen vielfach nicht ent- spreche. Auch wird bemerkt, dass glei-

che Inhalte oft mehrfach vermittelt würden und die Seminare oftmals zu teuer seien.

Widersprüchlichkeiten der Professiona-

lisierung

Motivation und Arbeitszufriedenheit

Die Berufsgruppe zeichnet sich aus durch eine sehr hohe Identifikation mit der Tätigkeit, deren Kern in der Inter- aktion mit den Klienten gesehen wird.

Daran hat sich durch die Professiona- lisierung nichts geändert. Dies zeigt sich daran, dass die Motivation zur Ausübung des Berufs bei den Psycho- logischen Psychotherapeuten auffal- lend hoch ist. 73% der Befragten ge- ben an, dass sie mit ihrer Tätigkeit zufrieden oder sehr zufrieden sind;

weitere 21,5% sind mit ihrer Arbeit immerhin einigermaßen zufrieden.

(Damit liegen die Psychologischen Psychotherapeuten mit an der Spitze der befragten Berufsgruppen).

Die hohe Arbeitszufriedenheit, die sich an der therapeutischen Interaktion festmacht, wird durch die Entwicklung der letzten Jahre, die durch die gesetz- liche Anerkennung der psychothera- peutischen Tätigkeit als „Heilberuf“ ge- kennzeichnet ist, offenbar noch unter- stützt. Durch die gesetzliche Anerken- nung fühlen sie sich hinsichtlich des gesellschaftlichen Werts ihrer Tätigkeit bestätigt. Knapp zwei Drittel (66,3%) der Befragten stellt fest, dass das Pres- tige ihrer Profession in den letzten Jah- ren zugenommen hat; für gut 20% ist es gleich geblieben, während 11,7%

eine Abnahme des Prestiges beklagen.

Beschäftigungssicherheit und berufliche Position Als zweites positives Moment der Pro- fessionalisierung ist eine Verbesserung der Beschäftigungssicherheit zu nen-

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nen. Damit sind die Psychologischen Psychotherapeuten die einzige Berufs- gruppe in Deutschland bei der die Mehrzahl der Befragten eine solche angibt. Eine Zunahme verzeichnen 55,1% der Befragten; 27,4% stellen demgegenüber fest, dass die Beschäf- tigungssicherheit abgenommen hat.

Demnach liegt der Nettowert/Saldo, d.h. die Zahl derjenigen, deren Beschäftigungssicherheit zugenom- men hat, um 27,7% über der Zahl derjenigen, die eine Verschlechterung bemerkt haben. (Im Vergleich fällt so- wohl bei den Rechtsanwälten als auch bei den Apothekern die Bewertung der Entwicklung der Beschäftigungssicher- heit negativ aus. Für die Rechtsanwäl- te ergibt sich ein Saldo von -20%, für die Apotheker sogar eines von -27%).

Auch hinsichtlich der Sicherheit ihres Arbeitsplatzes bzw. der Sicherheit ih- rer Praxis fällt die Bewertung der Psy- chologischen Psychotherapeutinnen und -therapeuten recht positiv aus.

Mehr als die Hälfte (51,2%) der Be- fragten hält ihre aktuelle Position für ziemlich sicher oder sogar sehr sicher;

35,8% fühlen sich hinsichtlich der Sta- bilität ihrer beruflichen Position immerhin noch einigermaßen sicher.

Nur 12% geben an, dass sie ihre be-

rufliche Position als bedroht oder sehr bedroht ansehen.

Nicht recht in dieses ziemlich positive Bild einer relativ sicheren Beschäfti- gung und einer stabilen beruflichen Position passt, dass 47,2% der Befrag- ten angeben, dass sich die wirtschaft- liche Lage ihrer Praxis in den letzten 10 Jahren verschlechtert bzw. deutlich verschlechtert habe. Allerdings hat sich im gleichen Zeitraum für immerhin 38,8% ihre finanzielle Situation ver- bessert bzw. deutlich verbessert. Für 14% der Befragten haben sich hin- sichtlich ihrer wirtschaftlichen Situati- on keine Veränderungen ergeben.

Entwicklung der beruflichen Situation

Besonders auffallende Unterschiede zeigen sich, wenn man die Wahrneh- mung der Veränderungen der berufli- chen Situation für die Einzelnen und die Berufsgruppe insgesamt ver- gleicht.

Wie Tabelle 1 zeigt, geben 56% der Befragten an, dass sich ihre persönli- che Situation in den letzten 10 Jahren verbessert habe, für 12,8% ist sie gleich geblieben. Für immerhin 31%

hat sich jedoch eine Verschlechterung ergeben. Trotz einer nicht unbedeu- tenden Zahl von Mitgliedern der Pro- fession, die eine persönliche Ver- schlechterung erfahren haben, neh- men die Psychologischen Psychothe- rapeuten mit einem positiven Saldo von 25% einen Spitzenwert ein im Vergleich mit den beiden anderen (bereits) etablierten Professionen. Die Mehrheit der Rechtsanwälte und Apo- theker schätzt die Entwicklung ihrer persönlichen Situation deutlich skep- tischer ein als die Psychologischen Psychotherapeuten.

Deutlich negativer als die Bewertung der Veränderung der eigenen Situati- on fällt die Einschätzung der Verände- rungen für die Berufsgruppe insgesamt aus – dies gilt durchgängig für alle Pro- fessionen. Dass sich die Situation der Psychologischen Psychotherapeuten als Berufsgruppe in den letzten 10 Jah- ren insgesamt verschlechtert hat, ge- ben 48,9% der Befragten an; für eine nicht ganz so große Gruppe von allerdings immerhin noch 42,3% ist demgegenüber auch für die Berufs- gruppe insgesamt eine Verbesserung der Situation eingetreten. Für 8,8% der Befragten ist die Situation der Psycho- logischen Psychotherapeuten hinge- gen gleich geblieben. Für die Berufs- gruppe insgesamt ergibt sich somit ein negativer Saldo von -6,6%.

Entwicklung der Arbeitszufriedenheit

Noch stärker fallen die Unterschiede bei der Frage nach der Entwicklung der persönlichen Arbeitszufriedenheit aus, wie Tabelle 2 zeigt. Für 45,5% hat die- se (trotz insgesamt schon vormals hoher Werte) in den letzen 10 Jahren noch weiter zugenommen; für 27,7%

ist sie lediglich gleich geblieben. Für 36,7% der Befragten hat die Arbeits- zufriedenheit hingegen in den letzten 10 Jahren abgenommen. Insgesamt verbleibt die Veränderung der persön- lichen Arbeitszufriedenheit jedoch mit Tabelle 1: Entwicklung der beruflichen Situation in den letzten 10 Jahren

Tabelle 2: Entwicklung der Arbeitszufriedenheit in den letzten 10 Jahren

persönlich Berufsgruppe insgesamt verschlechtert 31,0 48,9

gleich geblieben 12,8 8,8

verbessert 56,0 42,3 netto* +25,0 -6,6

* Dieser Wert ergibt sich aus der Differenz zwischen verschlechtert und verbessert.

Persönlich Berufsgruppe insgesamt verschlechtert 36,7 58,2

gleich geblieben 27,7 24,4

verbessert 45,5 17,3 netto* +8,8 -40,9

* Dieser Wert ergibt sich aus der Differenz zwischen verschlechtert und verbessert.

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einem Plus von 8,8% noch im positi- ven Bereich.

Bei der Entwicklung der persönlichen Arbeitszufriedenheit werden die Psy- chotherapeuten bei den deutschen Berufsgruppen nur übertroffen von den Unternehmensberatern. Bei die- sen liegt die Zahl derjenigen, die eine Zunahme ihrer Arbeitszufriedenheit verzeichnen, um etwa 40% über der Zahl derjenigen, die eine Abnahme verzeichnen. Während sich bei den Rechtsanwälten positive und negati- ve Bewertungen nahezu ausgleichen, liegt bei den Apothekern die Zahl der- jenigen, deren persönliche Arbeits- zufriedenheit abgenommen hat, leicht über der Zahl derjenigen, die eine Ver- besserung der Arbeitszufriedenheit bekunden.

Ganz anders sieht es bei der Bewer- tung der Entwicklung der Arbeitszufrie- denheit für die Berufsgruppe als gan- ze aus. In diesem Zusammenhang geben 58,2% der Befragten an, dass die Arbeitszufriedenheit abgenommen hat. Während für 24,4% die Arbeits- zufriedenheit der Psychotherapeuten in den letzten 10 Jahren gleich geblie- ben ist, geben lediglich 17,3% der Befragten an, dass sich die Arbeits- zufriedenheit der Berufsgruppe in den letzten 10 Jahren verbessert hat.

Unterschiedliche Ausgangssituationen

Die auffälligen Differenzen in der Be- wertung der Entwicklung von persön- licher beruflicher Situation und Arbeits- zufriedenheit deuten darauf hin, dass nicht alle Mitglieder der Berufsgruppe der Psychologischen Psychotherapeu- ten in gleicher Weise von den durch die Professionalisierung bewirkten Ver- änderungen betroffen wurden. Viel- mehr scheinen die beruflichen Effek- te in hohem Maß von den Ausgangs- bedingungen abzuhängen, die der oder die Einzelne als Maßstab für die Bewertung heran zieht. Demnach hat

es eine größere Gruppe von 56% ge- geben, deren persönliche berufliche Situation sich in folge der Anerken- nung als Profession verbessert hat, und eine kleinere von 31%, deren berufliche Situation sich verschlechtert hat. Zur letzteren Gruppe zählen ver- mutlich diejenigen, die sich in den al- ten, vorprofessionalisierten Zeiten hin- sichtlich Einkommen und Status in ei- ner vergleichsweise privilegierten Situ- ation befunden haben, während die- jenigen, die sich vormals zu den Be- nachteiligten rechneten, offenbar ei- nen Zugewinn in den entsprechenden Dimensionen verzeichnen können.

Eine Gruppe, die sich von der gesetz- lichen Anerkennung ursprünglich mehr versprochen hat als dann für sie ein- getreten ist, lässt sich immerhin anhand von Anmerkungen im Frage- bogen identifizieren. Dabei handelt es sich um diejenigen Psychotherapeut- innen und Psychotherapeuten, die frü- her im „Kostenerstattungsverfahren“

tätig waren. Eine Psychotherapeutin, die sich selbst dieser Gruppe zurech- net, fasst ihre Erfahrungen und die

„aller bekannten Kollegen“ folgender- maßen zusammen: „Vor allem die lan- ge Zeit vor der KV-Zulassung hat mich und alle bekannten Kollegen verunsi- chert. Das ‚Glück’ der Zulassung wich der Desillusionierung, dass die ‚Zwei- Klassen-Behandler-Politik‘ bleibt. De- mütigungen und skandalöse Ungleich- heiten sind an der Tagesordnung; das Einkommen bei zumutbarer Arbeit

sinkt“. Eine weitere Befragte aus die- ser Gruppe merkt an, dass sie Proble- me mit der eigenen „Identitätsfindung“

hat. Trotz erfolgter Approbation und Zulassung schätzt sie die Zukunft der ehemaligen „Erstattungspsychothera- peuten“ innerhalb der Profession als ausgesprochen schwierig ein, weil sie Probleme haben „als gleichberechtig- te Psychotherapeuten“ anerkannt zu werden.

Die auffälligen Differenzen zwischen der eher positiven Bewertung der indi- viduellen Veränderungen und der deut- lich negativeren Bewertung der Ent- wicklung für die Berufsgruppe insgesamt lassen sich u.E. dadurch er- klären, dass von den Befragten unter- schiedliche Bezugsrahmen gewählt werden. Während bei der Bewertung der individuellen Effekte die für die Ein- zelnen besonders relevanten Aspekte Prestige und Beschäftigungssicherheit im Mittelpunkt stehen, fallen bei der Beurteilung der Konsequenzen der Pro- fessionalisierung für die Berufsgruppe insgesamt die Veränderung der kon- kreten Arbeitssituation der Professions- mitglieder deutlich stärker ins Gewicht.

Im Vordergrund steht hier die Erfah- rung, dass die Professionalisierung für die Berufsgruppe insgesamt zu erheb- lichen Einschränkungen und zusätzli- chen Belastungen geführt hat. Dies wird vor allem mit der mit der Profes- sionalisierung verbundenen Regulie- rung und Bürokratisierung in Verbin- dung gebracht.

Professionalisierung als Beschränkung der Handlungs- und Entscheidungsfreiheit in der Arbeitssituation

Die überwiegende Mehrzahl der be- fragten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (86,2%) vermel- den einen mehr oder weniger deutli- chen Wandel ihrer Arbeitssituation.

(32,4% nahmen einen deutlichen Wandel wahr, 43,1% einen erhebli-

chen und 10,7% sogar einen dramati- schen). Für lediglich 11,7% war der Wandel, der in den letzten 10 Jahren stattgefunden hat, gering.

Eine genauere Analyse der Ursachen des Wandels zeigt, dass dieser nicht

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so sehr aus Veränderungen der fachli- chen Anforderungen oder höheren Er- wartungen von Patienten und Klien- ten resultiert. Vielmehr sind die wach- senden Anforderungen das Ergebnis einer gleichzeitigen Zunahme von Bü- rokratie (82,8%), eines höheren Ge- wichts von Kostenüberlegungen (80%) und einer Verschärfung der gesetzlichen Regulierung (75,5%).

Gewichtet man die Faktoren nach der Größe des Einflusses auf die Arbeits- situation, dann liegt die Veränderung der Regulierung mit 65,6% vorn.

Deutlich abgeschlagen folgt mit 19,2%

die Regierungspolitik an zweiter Stel- le.

Von 52,5% der deutschen Psycho- therapeutinnen und Psychotherapeu- ten wird der erreichte Grad an Regu- lierung durch gesetzliche Vorgaben als zu hoch empfunden; für 38% ist er gerade richtig. Die deutschen Psycho- therapeuten fühlen sich durch die Beschränkungen, die ihnen durch das Psychotherapeutengesetz auferlegt wurden, wie eine Befragte formuliert,

„ein Stück weit entmündigt“.

Ein hoher Grad an Regulierung wird auch von den beiden anderen gesetz- lich anerkannten Professionen, den deutschen Rechtsanwälten und Apo- thekern, kritisiert. Vollkommen anders verhält es sich hingegen in England, wo die Gesetzgebung für alle Profes- sionen eine deutlich geringere Rolle spielt. Dort sehen z.B. 64,6% der be- fragten Counselling Psychologists die Regulierung durch Gesetze als „gera- de richtig“ an. 23,6% klagen dort sogar darüber, dass die Regulierung durch Gesetze zu schwach ausfällt.

Generell lässt sich sagen, dass die Mehrzahl der Befragten mit der erst kürzlich vollzogenen Professionalisie- rung offensichtlich insgesamt eher widersprüchliche Erfahrungen ge- macht haben. Die mit der Professio-

nalisierung verbundene „Verwissen- schaftlichung“ und das damit verbun- dene höhere Prestige sind mit einer Einschränkung auf drei im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung und als wissenschaftlich anerkannt gelten- den Verfahren (die sog. „Richtlinienver- fahren“) erkauft worden. Andere The- rapieverfahren wie Gesprächspsycho- therapie, Gestalttherapie, Hypnose- therapie (um nur einige der Verfah- ren zu nennen, die in der Fortbildung eine Rolle spielen und praktiziert wor- den sind), sind nach der bestehenden Gesetzeslage in der niedergelassenen Praxis nicht mehr bei den Krankenkas- sen abrechnungsfähig. Hinzu kommt, dass damit ein wichtiger Teil der bereits erworbenen Qualifikationen nahezu überflüssig und wertlos geworden ist.

Dies bedeutet auch, dass damit Kli- enten verloren gehen, deren Wünsche nach bestimmten Therapieformen (im Rahmen der kassenpsychotherapeu- tischen Versorgung) nicht mehr befrie- digt werden können.

Aus diesem Grund ist es durchaus schlüssig, dass eine große Zahl der Befragten für eine baldige Zulassung weiterer Verfahren plädiert. Einige Psy- chotherapeuten weisen in diesem Zu- sammenhang auch darauf hin, dass die Anerkennung weiterer Verfahren aus Gründen der Fortbildung notwendig sei, weil die Motivation zur Fortbildung auch damit zusammen hängt, dass erwor- bene neue Kenntnisse anerkannt und entsprechend honoriert werden.

Aus der Perspektive von Methoden- vielfalt sowie von Handlungs- und Ent- scheidungsspielräumen wird die Pro- fessionalisierung von den meisten ih- rer Mitglieder als eine deutliche Ein- schränkung ihrer Wahlfreiheit und Autonomie wahrgenommen. Damit teilen die Psychologischen Psychothe- rapeuten jetzt ihr Schicksal mit den Mitgliedern von anderen, bereits seit langem etablierten Professionen (wie Ärzte, Rechtsanwälte und Apotheker), für die ihre gesetzliche Anerkennung als professionelle Berufsgruppen schon seit langem mit einem ver- gleichsweise hohen Grad an staatlicher Regulierung und Reglementierung ver- bunden ist. Von den etablierten Pro- fessionen wird allerdings die mit dem professionellen Status verbundene starke Beschränkung ihrer beruflichen Handlungs- und Entscheidungsmög- lichkeiten in stärkerem Maß als von den Psychologischen Psychotherapeu- tinnen und Psychotherapeuten als notwendige Voraussetzung für die ih- nen gewährte staatliche Anerkennung und die damit verbundenen „Privile- gien“ akzeptiert. (Während alle Profes- sionen darüber klagen, gibt es lediglich bei den Rechtsanwälten aus der eige- nen Berufsgruppe heraus starke Ten- denzen, die Reglementierungen zu- rück zu nehmen, damit die Profession sich neue Betätigungsfelder erschlie- ßen kann. Dies hat seine Ursache vor allem in der deutlichen Zunahme an Berufsanfängern in diesem Tätigkeits- feld.)

Zunehmende Arbeitsbelastung durch Konkurren- zen, Konflikte und spannungsreiche Beziehungen

Das Interesse an der Arbeit und die Arbeitsmotivation sind in der Berufs- gruppe weiterhin hoch. Allerdings ist bei vielen Befragten inzwischen eine gewisse Ernüchterung eingetreten, die daraus resultiert, dass die Berufsaus- übung in Folge der Professionalisie- rung erheblich schwieriger geworden ist.

Für die meisten Befragten hat die Ar- beitsbelastung in den letzten Jahren zugenommen. Die aktuelle Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass zu der rein psychotherapeutischen Tätig- keit mit Klienten und Patienten zuneh- mend Aufgaben hinzugekommen sind, die von vielen als „sachfremd“

empfunden werden. Sie werden durch

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die Gesetzgebung, bürokratische Vor- schriften und von der Politik auferleg- te Sparzwänge verursacht. Die befrag- ten Psychotherapeuten haben über- wiegend den Eindruck, dass ihnen immer weniger Zeit für ihre eigentli- che Arbeit mit Patienten bleibt. Das wirkt sich auch negativ auf das Einkom- men aus. Um ein gleichbleibendes Einkommen zu erzielen, muss man entweder länger oder intensiver arbei- ten, wobei letzteres angesichts des personenbezogenen Charakters der Tätigkeit äußerst schwer fällt.

Die eigentliche therapeutische Arbeit wird von den Befragten nicht als Be- lastung empfunden. Belastungen ge- hen vielmehr von Konkurrenzen, Kon- flikten und spannungsreichen Bezie- hungen zwischen Psychotherapeuten und Ärzten und von Psychotherapeu- ten untereinander aus. Die tägliche Arbeit ist demnach geprägt durch Meinungsverschiedenheiten über die Qualität der Arbeit (geben 79,9% an), eine Konkurrenz um Einkommen (73,2%), Meinungsverschiedenheit über die Ausbildung (61,4%) und über den Preis der Arbeit (61,4%) sowie eine Konkurrenz um Marktanteile (52,5%) sowohl mit Ärzten als auch mit Kolleginnen und Kollegen aus der eigenen Disziplin.

Besonders deutlich werden die viel- fältigen Konfliktlinien im Zusammen- hang mit der Thematisierung von spannungsreichen Beziehungen (die im offenen Teil des Fragebogens for- muliert werden konnten). Demnach werden Konflikte überwiegend mit Ärzten ausgetragen, wie immerhin 261 Nennungen zeigen; aber auch inner- halb der eigenen Profession kommt es zu erheblichen Auseinandersetzun- gen, wie 129 Nennungen belegen.

Zwar spielen auch andere Berufs- gruppen (wie Sachbearbeiter von Krankenkassen, Sozialpädagogen, Heilpraktiker und Anbieter esoterischer Methoden) mit 99 Nennungen eine

quantitativ nicht unbedeutende Rolle, die in diesem Zusammenhang ge- machten schriftlichen Äußerungen las- sen jedoch erkennen, dass es sich hierbei um Probleme handelt, die eine insgesamt deutlich geringere Brisanz als die Konflikte mit Ärzten und Kolle- gen aufweisen.

Einkommens- entwicklung und Arbeitszeit

Neben der Wahrnehmung einer durch starke Reglementierungen und Kon- kurrenzen geprägten beruflichen Situ- ation, spielt die Vorstellung einer Un- terbewertung der Tätigkeit (gegenü- ber Ärzten und anderen akademischen Berufsgruppen) eine große Rolle bei der Selbstwahrnehmung. Die Klage über die schlechte finanzielle Situati- on ist bei den im Sample vertretenen Psychologischen Psychotherapeuten weit verbreitet. Das erzielte Einkom- men müsste aus der Sicht der Befrag- ten höher liegen, wenn das unge- wöhnlich hohe Qualifikationsniveau und die erheblichen Fort- und Wei- terbildungsanstrengungen angemes- sen berücksichtigt würde. Diese sub- jektive Wahrnehmung einer ver- gleichsweise schlechten Bezahlung und eines im Verhältnis zum Qualifikationsaufwand und zur Quali- tät der Arbeit zu niedrigen Einkom- mens, lässt sich jedoch objektiv nicht belegen (die Frageformulierung laute- te: „Bitte kreisen Sie die ungefähre

Höhe des Einkommens an, das Sie im letzten Jahr erzielt haben (Brutto incl.

Sonderzahlungen); die vorgegebenen Einkommensklassen sind in der Tabel- le wiedergegeben).

Das Einkommensniveau und die Ein- kommensverteilung der befragten Psychotherapeutinnen und Psycho- therapeuten lässt sich der folgenden Tabelle 3 entnehmen:

Vielmehr zeigt sich, dass das Einkom- men der befragten Psychotherapeut- innen und -therapeuten auf einem mit den anderen untersuchten Professio- nen vergleichbaren Niveau liegt, so- fern die unterschiedlichen Arbeitszei- ten berücksichtigt werden, die die Mit- glieder der verschiedenen Professio- nen erbringen. Zwar liegt das von den (meist männlichen) Rechtsanwälten und (ausschließlich männlichen selbstständigen) Unternehmensbera- tern erzielte Einkommen teilweise deutlich höher als das der (überwie- gend weiblichen) Psychotherapeuten, allerdings arbeiten diese in der Regel auch ihrer Einkommenshöhe entspre- chend kürzer.

Die in Tabelle 3 dargestellten Brutto- einkommen werden mit den in Tabel- le 4 dargestellten Arbeitszeiten erzielt.

Hinsichtlich der zukünftigen Entwick- lung der finanziellen Situation finden sich bei den Psychologischen Psycho- therapeuten eher negative Erwartun- gen. Diese werden dadurch hervorge- Tabelle 3: (Brutto-)Einkommen der Psychotherapeuten im Jahr 2000

DM %

Bis 30.000 6,3

Bis 60.000 22,2 Bis 90.000 28,1 Bis 120.000 25,8 Bis 180.000 12,3 Über 180.000 2,3

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rufen, dass sich das Einkommen vie- ler Befragter in den letzten Jahren trotz vollzogener Professionalisierung ver- schlechtert hat. Viele Befragte bekla- gen sich darüber, dass der Ertrag nicht mehr in einem angemessenen Verhält- nis zum durch die Professionalisierung gestiegenen Aufwand steht. Für 68,9% der Befragten ist der Preis für ihre Leistungen leicht oder deutlich gesunken, während die Kosten bei 67,8% der Befragten im gleichen Zeit- raum gestiegen sind.

Diese Entwicklung wird vor allem da- mit begründet, dass durch die Umset- zung des Psychotherapeutengesetzes vor allem der „bürokratische“ Arbeits- aufwand erheblich zugenommen hat.

Die Erstellung von Gutachten nähme bei der Arbeit einen immer breiteren Raum ein. In diesem Zusammenhang werden auch die zunehmenden An- forderungen an die Dokumentation von Therapieverläufen und die immer komplizierter werdende Abrechnung von Leistungen erwähnt.

Als eine lästige, allerdings wichtigere Pflicht wird von einigen Befragten das für die Bewilligung von Therapien zu- nehmend wichtiger werdende „Gut- achterverfahren“ genannt. An diesem Verfahren wird häufig kritisiert, dass als Gutachter überwiegend Mediziner, ärztliche Psychotherapeuten und Psy- choanalytiker fungieren, die oft nicht den eigenen Therapieansatz teilen.

Deshalb würden bei der Beurteilung von Anträgen häufig nicht adäquate

Kriterien angelegt. Auch wird bemän- gelt, dass Gutachter die Bearbeitung von Anträgen ungebührlich lange hin- auszögern, weshalb notwendige The- rapien verschoben oder unterbrochen werden müssen. Aus Sicht der recht häufig anzutreffenden Kritiker des

„Gutachterverfahrens“ wäre es sinn- voll und wünschenswert, andere For- men der Qualitätssicherung zu entwi- ckeln und einzuführen.

Erwartungen an Berufs- verbände und Kammern

Berufsverbände, Vereine und Vereinigungen

Auffällig ist das im Vergleich zu allen anderen Professionen ausgesprochen hohe Maß der Organisierung der Psychotherapeutinnen und Psycho- therapeuten in unterschiedlichen Be- rufsverbänden, Vereinen und Vereini- gungen. Dies liegt zum einen sicher- lich daran, dass die Berufs- und Fach- verbände bis zur Umsetzung des Ge- setzes die einzigen Organisationsfor- men waren, die der Berufsgruppe zur Interessenartikulation und Interessen- durchsetzung zur Verfügung standen.

Zum anderen beruht die vielgestalti- ge Organisierung in Berufsverbänden, Vereinen und Vereinigungen darauf, dass die Psychotherapie (anders als Recht und Pharmazie) trotz gemein- samer psychologischer Wurzeln auf theoretisch unterschiedlich begründe- ten Annahmen, Konzepten und

Verfahrensweisen beruht. Den un- terschiedlichen wissenschaftlichen Grundlagen gemäß organisiert sich die Berufsgruppe in fachlich begründeten Verbänden, die für spezifische Thera- piekonzepte stehen.

96% der befragten Psychotherapeut- innen und Psychotherapeuten sind Mitglied in einem oder mehreren Be- rufsverbänden. Dabei sind 36,2%

Mitglied in nur einer Organisation; die Übrigen sind Mitglieder in mehreren, meist zwei bis drei Vereinen, Vereini- gungen oder Verbänden. Rechnet man alle Mitgliedschaften zusammen, dann bestehen bei unseren Befragten die meisten Mitgliedschaften im DPTV mit 36,8%. Im BDP sind 32% organisiert, die „Vereinigung“ folgt mit 20,6%.

Die Berufsverbände, Vereine und Ver- einigungen weisen offenbar eine hohe Bindekraft auf. Denn anders als in der Psychotherapeutenkammer, in der man „Zwangsmitglied“ ist, befindet man sich im Fachverband, dem man aus Überzeugung und eigenen Stü- cken angehört, ausschließlich unter Gleichgesinnten. Von daher spielen hier die informellen Kontakte zu Kol- legen sowie der Informations- und Meinungsaustausch mit ihnen eine ganz herausragende Rolle. Diese per- sönliche Ebene wird von 166 Befrag- ten als größter Vorteil der Mitglied- schaft im Verband oder Verein ge- nannt. An zweiter Stelle folgt die berufspolitische Interessenvertretung, die von 80 Befragten erwähnt wird.

Auf dem dritten Platz folgen mit 37 Nennungen die Solidarität unter Kol- legen und die Fähigkeit gemeinsam etwas zu erreichen. Als vierter Vorteil werden von 25 Befragten die Service- leistungen angesehen, die vom Ver- band oder Verein angeboten werden.

Psychotherapeuten- kammern

Die große Bedeutung von Berufsver- bänden und Fachverbänden, die Tabelle 4: Arbeitszeit der Psychotherapeuten im Jahr 2000

Stunden %

Unter 5 0,7

6-15 3,0

16-30 22,5

31-45 44,0

46-60 27,5

mehr als 60 1,3

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jeweils Unterschiede im fachlichen Verständnis und der Grundlagen der Tätigkeit repräsentieren, könnte mit der Etablierung von Kammern zurückge- hen, die die Interessen und Belange der gesamten Berufsgruppe wahrneh- men. Davon ist zum Zeitpunkt der Befragung – knapp eineinhalb Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes – in unserem Sample allerdings (noch) nichts zu spüren. Lediglich zwei Be- fragte deuten an, dass sie sich überle- gen, ob sie aus „Kostengründen“ aus einem Berufsverband austreten.

In welche Richtung sich die Mitglied- schaft in Verbänden, Vereinen und Vereinigungen in Zukunft entwickeln wird, lässt sich zum Zeitpunkt der Be- fragung (April bis Juni 2000) noch nicht entscheiden. Damals war in den meisten Bundesländern noch keine Kammer gegründet worden und selbst dort, wo ihre Gründung (wie in Bre- men und Niedersachsen) bereits voll- zogen war, gab es noch keine konkre- ten Erfahrungen mit der Arbeit dieser Institutionen. Dennoch – oder viel- leicht gerade deshalb – waren die Er- wartungen, die von den Befragten an die Kammern gestellt wurden, recht hoch.

Vor dem Hintergrund der sich darstel- lenden und abzeichnenden Probleme kommt den Kammern eine große Be- deutung bei der Vereinheitlichung der Berufsgruppe und in ihrer Außen- darstellung bei ihrem öffentlichen Auf- treten zu. Nach Aussage der Befrag- ten sollen die Kammern in erster Li- nie als gemeinsame Interessen- vertretungen agieren (15 Nennungen).

In diesem Zusammenhang sollen sie die volle politische Anerkennung des Berufsstandes erwirken und das Berufsprofil schärfen (86 Nennungen).

Dass sie eine angemessene Vertretung der Berufsgruppe organisieren und eine Verbesserung ihres Ansehens er- reichen sollen, wird von 19 Befragten ausdrücklich erwähnt.

An zweiter Stelle werden finanzielle Aspekte genannt. So wird von den Kammern erwartet, dass sie sich für die Sicherung und Verbesserung der finanziellen Lage der Berufsgruppe (29 Nennungen) einsetzen. In 20 Fällen wird ausdrücklich gefordert, dass die Kammern sich um die Angleichung von Honoraren (an die von Ärzten), die Verbesserung der Honorarsituation allgemein und die Sicherstellung von Honorargerechtigkeit kümmern sollen.

An dritter Stelle wird von 32 Befrag- ten die Erarbeitung von Qualitäts- standards und die Sicherung der Qua- lität der Arbeit genannt.

Eine weitere wichtige Aufgabe der Kammern wird darin gesehen, „sich gegen die Ärzte zu behaupten und sich von den Medizinern abzugrenzen“

(23 Nennungen). Bei weiteren sechs Befragten ist im Zusammenhang mit der Gestaltung des Verhältnisses zu den Medizinern aber ausdrücklich auch von Kooperation mit der Ärzte- schaft und der Integration in das Kassensystem die Rede.

Eine wichtige Rolle sollen die Kam- mern darüber hinaus bei der „Über- windung der Spaltungen – Schulen – in der Profession“ spielen (15 Nennun- gen). Des weiteren wird erwartet, dass die Kammern ein modernes Berufs- recht und eine Berufsordnung erarbei- ten und die Berufsausübung ihrer Mit- glieder kontrollieren (16 Nennungen), die Berufsgerichtsbarkeit ausüben (4 Nennungen) und sich um die Formu- lierung einer Berufsethik kümmern (10 Nennungen), Ausbildungsinhalte und -kriterien festlegen und entwickeln (14), eine Verbesserung des Aus- bildungsstandes erreichen (3) und den Nachwuchs sichern (2). Auch soll- ten sie sich für die Öffnung für andere Therapieformen und für Methoden- vielfalt einsetzen und die Anerkennung anderer Therapieverfahren betreiben (13).

Zukunftsperspektiven

Knapp 70% antworten mehr oder weniger ausführlich auf die offenen Fragen nach den für die Zukunft der Berufsgruppe wichtigsten Faktoren. Ein Viertel äußert ganz allgemein Befürch- tungen hinsichtlich politischer Ent- scheidungen, die die Finanzierung des Gesundheitssystems betreffen. Wie entwickeln sich die Einnahmen und Kosten?, kommt es zu einer weiteren Budgetierung?, bleibt Psychotherapie eine Regelleistung der GKV? – das sind Fragen, über die unsere Befragten nachdenken.

Ein weiterer wichtiger Komplex, der angesprochen wird, sind die Beziehun- gen zu den Ärzten. Hier geht es in ers- ter Linie um Abgrenzung, Verteilungs- konflikte und die wechselseitige Ak- zeptanz der Berufsgruppen unterein- ander. Fast gleich häufig wird das Ab- rechnungssystem genannt. Ob es ge- lingt, den Beruf finanziell besser zu stellen, eine Entlohnung zu erreichen,

„die der langen, selbst finanzierten Ausbildung und der entsprechend hohen Qualität der Arbeit entspricht“.

Anerkennung der Berufsgruppe in der Kassenärztlichen Vereinigung, Interes- senvertretung in Kammern und Ver- bänden, Kritik an der Einschränkung auf Richtlinienverfahren und Überwin- dung der internen Konkurrenz werden gleich häufig von ca. 10% der auf die- sen Fragenkomplex antwortenden Psychotherapeutinnen und Psycho- therapeuten genannt.

Während sich persönliche Erwartun- gen wie höheres Ansehen und größe- re Einkommenssicherheit zumindest für einen signifikanten Teil der Befrag- ten erfüllt haben, sind offensichtlich nicht alle mit der rechtlichen Anerken- nung als Profession verbundenen Er- wartungen der Psychologischen Psy- chotherapeuten erfüllt worden. Es überwiegen eher die verunsichernden Momente. Viele machen sich Sorgen

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über die Zukunft der Psychotherapie im Kassensystem, einige fragen sich, ob man sich in den Kassenärztlichen Vereinigungen gegenüber den Ärzten wird behaupten können und ob man mittelfristig in der Lage sein wird, ein angemessenes Einkommen zu erzie- len.

Viele Aussagen deuten darauf hin, dass die Professionalisierung von ei- nem ganz überwiegenden Teil der Befragten als ein schwieriger Prozess wahrgenommen wird, durch den die Verrichtung der Arbeit erschwert und kompliziert wird. Die mit der Umset- zung des Psychotherapeutengesetzes einher gehende Zunahme formeller Regelungen und die verstärkte Kon- trolle von Therapieansätzen und Be- handlungserfolgen durch Dritte haben zu höheren formellen Anforderungen geführt und eine Erweiterung des Auf- gabenspektrums über das ange- stammte Feld von im engeren Sinn diagnostischen und psychotherapeu- tischen Tätigkeiten bewirkt. Mit dieser Bürokratisierung und „Verobjektivie- rung“ des psychotherapeutischen Handelns haben ganz offensichtlich recht viele Befragte erhebliche Proble- me, was sich u.a. auch daran zeigt, dass sie vehement für die Rücknah- me von Regelungen und die Erweite- rung von Handlungsspielräumen etwa durch die Anerkennung weiterer Ver- fahren plädieren.

Die neue Profession der Psychologi- schen Psychotherapeuten befindet sich knapp eineinhalb Jahre nach ih- rer durch das Gesetz bedingten Ent- stehung noch auf der Suche nach ei- ner gemeinsamen Identität. Eine sol- che zu finden fällt vielen Befragten schwer, weil es keine gemeinsame, von allen gleichermaßen anerkannte wissenschaftliche Basis für die Tätig- keit gibt. Vielmehr bleiben die Grund- lagen von Therapie umstritten. Die Antworten auf die Frage nach dem Charakter der sozialen Beziehungen

lassen erkennen, dass die Mehrheit der Befragten glaubt, dass sie sich selbst wie auch die Profession als Ganzes in einer schwierigen Situation befinden, weil man an zwei Fronten zugleich kämpfen muss. Zum einen gilt es sich gegen die „Übermacht der Mediziner“

zu behaupten, während man sich zum anderen gleichzeitig mit Vertretern anderer Fachrichtungen innerhalb der eigenen Profession auseinander set- zen muss.

Die zwischen den verschiedenen

„Schulen“ ausgetragenen Konflikte um das richtige Verfahren sind durch die Etablierung der Profession zwar ent- schärft worden, sie sind jedoch bei Weitem nicht endgültig beigelegt. Bei der Auseinandersetzung um die „Vor- herrschaft“ innerhalb der Profession bekämpfen sich die Vertreterinnen und Vertreter verschiedener „Schulen“

auch weiterhin. Viele Befragte sehen gerade die Überwindung der inneren Spaltung der Profession als die ent- scheidende Voraussetzung dafür an, dass es den Psychologischen Psycho- therapeuten gelingt, sich als eigenstän- dige und gleichberechtigte Profession neben den Medizinern zu etablieren.

Zusammenfassung der Ergebnisse

Ihre hohe Verbundenheit zum Beruf zeigen die Psychologischen Psycho- therapeutinnen und -therapeuten durch eine außergewöhnlich hohe Ar- beitsmotivation. Eine deutliche Mehr- heit gibt an, mit ihrer Tätigkeit zufrie- den oder sehr zufrieden zu sein. Sie stellen die einzige professionelle Berufsgruppe in Deutschland dar, bei der die Mehrzahl der Befragten eine Verbesserung der Beschäftigungs- sicherheit im letzten Jahrzehnt angibt.

Auch die Sicherheit des Arbeitsplatzes bzw. der eigenen Praxis wird von ei- ner Mehrheit als aktuell ziemlich sicher oder sogar sehr sicher angesehen.

Bei der Höhe der Einkommen fällt die Berufsgruppe nicht gegenüber ande- ren akademischen Berufsgruppen ab, obwohl hier viele Befragte sich sub- jektiv für finanziell benachteiligt anse- hen bzw. niedrigere Einkommens- chancen beklagen. Besonders groß ist die Wissbegier: Die Profession zeich- net sich gegenüber vergleichbaren Berufsgruppen durch eine herausra- gende Position bei der Fort- und Wei- terbildung aus. Außergewöhnlich hoch ist auch die Mitgliedschaft in Berufs- verbänden, Vereinen und Vereinigun- gen.

Wo so viel Licht ist – wo liegen die Schattenseiten? Die Psychologischen Psychotherapeuten begreifen die von ihrer Zunft selbst initiierte und voran- getriebene Professionalisierung als ei- nen durchaus widersprüchlichen Pro- zess. Durch die nach langen Anstren- gungen endlich errungene gesetzliche Anerkennung als eigenständige Berufs- gruppe sind zwar durchaus das Pres- tige und die gesellschaftliche Anerken- nung gestiegen. Die genannten Ver- besserungen sind andererseits mit Reglementierungen erkauft worden, die zum Teil als drastisch empfunden werden. Zum einen wird die mit dem Gesetz verbundene Beschränkung auf nur drei anerkannte psychotherapeu- tische Verfahren als schwerwiegend empfunden. Die vormals weitgehen- de Therapiefreiheit ist dadurch nach- haltig eingeschränkt worden. Gleich- zeitig wird zudem eine deutliche Bürokratisierung aufgrund der neuen formalen Anforderungen vermerkt.

Immer wieder geäußert wird das Ge- fühl, trotz gesetzlicher Anerkennung als gleichberechtigte Profession innerhalb des Gesundheitssystems gegenüber der weiterhin dominierenden Ärzte- schaft benachteiligt zu sein. Auch in- tern wird die Situation der Psychologi- schen Psychotherapeuten als schwie- rig empfunden, weil sich Vertreter- innen und Vertreter verschiedener, teilweise widerstreitender Therapie-

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richtungen unter dem Dach einer Pro- fession zusammenfinden, die sich bekämpfen und wechselseitig blockie- ren. Dies schwächt die Profession bei der Durchsetzung gemeinsamer Int- eressen. Nur unter der Voraussetzung, sich auf eine gemeinsame Position zu verständigen und nach außen zu ver- treten, habe die Profession Chancen, sich gegen die Bürokratisierung wie die zunehmende Beschränkung der Aus- gaben im Gesundheitswesen zur Wehr zu setzen und eine Verbesserung der Situation zu erreichen. Zum Zeitpunkt der Befragung im Frühsommer 2001 herrschte bei den Mitgliedern aller- dings eher eine gewisse Skepsis über die Zukunft der Profession als gleich- berechtigtem Heilberuf im Gesund- heitswesen vor.

In der Professionen-Theorie ist heraus- gearbeitet worden, dass die Verstän- digung auf eine von allen geteilte wis- senschaftliche Grundlage sowohl Vor-

aussetzung für die gesellschaftliche Anerkennung als Profession als auch für ihre Legitimation ist (Abbott 1988, Freidson 1994 und 2001). Dieses Er- fordernis ist offensichtlich den Mitglie- dern der Profession durchaus bewusst.

Sie befinden sich alltäglich in der Aus- einandersetzung mit anderen Profes- sionen um ihre Existenzberechtigung als eigenständige Profession.

Literatur

Abbott, A.: The System of Professions.

Chicago und London 1988

Freidson, E.: Professionalism Reborn.

Chicago und London 1994

Freidson, E.: Professionalism. The Third Logic. Chicago und London 2001 Kräuer, M., Kaimer, S.: Zur Lage der freiberuflichen Psychologen in Deutschland. Nürnberg, Institut für Freie Berufe 1999

Lane, C., Littek, W., Potton, M.: The professions between state and market.

In: European Societies, Jahrg. 4, Heft 2, 2002, S. 235-260

Lane, C., Wilkinson, F., Littek, W., Heisig, U., Brown, J. u.a.: The Future of Professionalised Work in Britain and Germany. Anglo-German Foundation, London 2002

Dr. Ulrich Heisig Universität Bremen

Institut Arbeit und Wirtschaft Parkallee 39

28209 Bremen Tel.: 0421/218-2197 Uheisig@iaw.uni-bremen.de

Prof. Dr. Wolfgang Littek Universität Bremen

Institut Arbeit-Beruf-Bildung, FB 11 Grazer Str. 2

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Gegen den Trend

Gegen den Trend der mangelnden Beschäftigung mit der eigenen Altersversorgung haben Psycholo- gische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugend- lichenpsychotherapeuten in Niedersachsen nach der Gründung ihrer Psychotherapeutenkammer damit begonnen, ein eigenes Versorgungswerk aufzubauen.

Noch im Jahr 2002 wurde das erste Psychothera- peutenversorgungswerk (PVW) Deutschlands ge- gründet. Am 03.12.2002 genehmigte das Nieder- sächsische Ministerium für Frauen, Arbeit und So- ziales gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 1 des Niedersäch- sischen Heilkammergesetzes (HKG) 18 die von der Kammerversammlung der Psychotherapeuten- kammer Niedersachsen (PKN) am 30.11.2002 be- schlossene Satzung des Versorgungswerks der PKN.

Am 12.12.2002 sprach auch das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr eine entsprechende Genehmigung aus. Damit konnte die Satzung des PVW 23 am 17.12.2002 in Kraft treten und viele Mitglieder des Versorgungs- werks hatten noch die Möglichkeit, Beiträge für das Jahr 2002 zu entrichten, um sich damit eine bes- sere Rendite ihrer Anlage zu sichern. Beide Minis- terien führen auch weiterhin die Aufsicht über das PVW.

Gründe, sich mit der eigenen Altersversorgung n i c h t zu beschäftigen

Gründe gibt es viele, sich mit der eigenen Alters- versorgung nicht zu beschäftigen. Früher war das auch nicht nötig: nach der Konfirmation legte man

ein Sparbuch an, mit Beginn der Ausbildung wur- de der erste Bausparvertrag abgeschlossen, die Lebensversicherung folgte mit Beginn der Berufs- tätigkeit, die mit der Ausbildung vorgegeben war.

Dies änderte sich bei den angestellten Kollegin- nen und Kollegen, die nach dem 1. Januar 1961 geboren sind, im Jahre 2001. Seitdem zahlt die gesetzliche Rentenversicherung keine Berufsun- fähigkeitsrenten mehr. Außerdem tränen manchem, der sich als Angestellter für das Alter mit seiner Rentenversicherung gut abgesichert wähnte, heu- te die Augen, wenn er sich seinen Rentenbescheid ansieht. Dies änderte sich auch bei den freiberufli- chen Kolleginnen und Kollegen, als das Delegations- verfahren eingeführt wurde und viele „Klinische Psychologen“ in eine nicht erwartete Armut gerie- ten. Man war froh, das tägliche Leben mit einem halbwegs angemessenen Lebensstandard bewäl- tigen zu können, für eine Altersvorsorge blieb oft nichts mehr übrig. Oder man dachte schlicht und einfach gar nicht daran, einmal auf Erspartes ange- wiesen zu sein. Außerdem ist das Thema Alters- versorgung einfach unsexy, denn nichts ist so unsexy wie Geld, das man nicht hat. Aber ist es deswegen auch okay, sich mit seiner zukünftigen Rente – auch für den Fall der Berufsunfähigkeit und der Absicherung der Hinterbliebenen für den Fall des eigenen Todes – nicht zu beschäftigen? 1

Aufgaben und Ziele des PVW

Das PVW ist eine von Psychologischen Psychothe- rapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsycho- therapeuten für ihren Berufsstand selbst gestalte- te und selbst verwaltete Einrichtung zur Alters-, Be- rufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung.

Es dient damit den individuellen Interessen seiner

gegründet

Gute Gründe, sich mit der eigenen Altersversorgung zu beschäftigen

Werner Köthke

Psychotherapeutenkammer Niedersachsen

Abbildung

Tabelle 2: Entwicklung der Arbeitszufriedenheit in den letzten 10 Jahren

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