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Staatsmacht in der Europäischen Union – Ein Abriss

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Staatsmacht in der Europäischen Union – Ein Abriss

Autor : David Disch Datum: 24.11.2004

Vortrag im Rahmen des Umweltpolitikseminars

Am 1. Mai diesen Jahres erweiterte sich die Europäische Union um 10 Mitglieder, die größte Erweitung und Herausforderung ihrer Geschichte. Wie viel Macht kommt dem einzelnen Mitgliedstaat noch zu? Ist die EU nun Staatenbund oder Bundesstaat? Ein Abriss unter Spezieller Betrachtung des Souveränitätsbegriffs und des Subsidiaritätsprinzips.

1 Geschichtliches und Entstehung der EU

Nach Ende des 2. Weltkrieges konnte Frankreich ein unerwünschtes Erstarken Deutschland nicht verhindern, da, durch die neue geopolitische Situation, die USA Deutschland als Frontstaat gegen den Kommunismus unterstützten. So wählte Frankreich den Weg der Kontrolle, sowie auch die BRD zwingend nach einer Integration in das neue europäische Politikfeld strebte. 1950 entstand daraus der Schumann-Plan zur Gründung einer ersten supranationalen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion/EGKS). 1957 wurden die Verträge über den europäischen Wirtschaftsraum (EWG) und die Euratom ratifiziert. Das Ziel der EWG war eine Zollunion, eine damit verbundene Öffnung des Binnenmarktes, sowie eine gemeinsame Agrarpolitik (GAP), mit dem Vorteil, die Kosten für politische Veränderungen zu vergemeinschaften. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks wurde die Integration Europas wieder stärker vorangetrieben, sodass 1992 mit dem Vertrag über die Europäische Union (EUV/ Maastricht-Vertrag) die EU, aus dem Zusammenschluss der EG (ehemals EWG), der EGKS und Euratom, mit spezieller Berücksichtigung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) gegründet wurde. Die aktuell 25 Mitgliedstaaten (mit Beitrittsdatum) sind seit dem 1. Mai 2004: Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, Niederlande, Luxemburg (1958); Großbritannien, Irland, Dänemark (1973); Griechenland (1981); Spanien, Portugal (1986); Schweden, Finnland, Österreich (1995); Polen, Estland, Lettland, Litauen, Tschechische Republik, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Zypern (nur der griechische Teil), Malta (2004).

2 Aufbau, Struktur und Institutionen der EU

Der Aufbau der Europäischen Union entspricht nicht einer klassischen internationalen Organisation, eines Staatenbundes, da die EU entscheidend die Rechtsordnung der Mitgliedsstaaten prägt und sie rechtsprechende, rechtsetzende und rechtausführende Gewalt aufweist. Andererseits ist sie keine Staatsform, da sie nach klassischer Definition zwar ein Staatsgebiet und auch ein Staatsvolk besitzt, ihr aber durch Mangel an Zwangsgewalt die absolute Staatsgewalt fehlt. Ihre Struktur ist weder föderal, noch zentralistisch und es finden sich keine Parallelen in vergleichbaren Organisationen. Meines Erachtens ist außerdem anzumerken, dass eine Abgrenzung Exekutive - Legislative fehlt.

2.1 Die Organe

Die Organe der Gemeinschaft sind eine Kommission, ein europäisches Parlament, ein Rat, ein Gerichtshof und ein Rechnungshof, dem die Rechnungsprüfung obliegt. Sie sind auf Tätigkeiten beschränkt, welche die von den Gründerstaaten gefassten Zwecke vorsehen (Art.

7 EGV). Zu berücksichtigen ist, dass die Organe zurzeit Reformen unterliegen, um trotz der Erweiterung handlungsfähig zu bleiben, indem Anpassungen der Größe, Zusammensetzung und der Stimmengewichtung vorgenommen werden.

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2 2.1.1 Die Kommission

Die Kommission ist die ‚Hüterin der Verträge’, und kontrolliert somit die Einhaltung der Verträge, ferner vergibt sie Zuschüsse und Subventionen, womit sie folglich als mächtiges Organ der EU auftritt; auch, da sie de jure der Kontrolle der Mitgliedstaaten entzogen ist, also autonom arbeitet. Durch die Reform im Sinne der EU-Osterweiterung kann nun jeder Staat einen Kommissar stellen. Nach der erforderlichen Bestätigung durch das Europäische Parlament, bleibt die Kommission für 5 Jahre im Amt. Aufgrund ihres Initiativmonopols, gehen alle Gesetze der Union von der Kommission aus, die sodann von Parlament und Rat beraten werden.

2.1.2 Das Europäische Parlament

Das Parlament besteht aus, seit 1979 direkt vom Volk gewählten, Abgeordneten der nationalen Parlamente. Es hat mehr beratende Funktionen inne und wirkt kaum in gesetzgeberischer Position, so kann es nur Vorschläge der Kommission ändern; gleichsam entzieht sich auch das klassische parlamentarische Budgetrecht weitestgehend seinem Verantwortungsbereich.

2.1.3 Der Rat

Der Rat der EU besteht aus der Vertretung der nationalen Regierungen. Von ihm gehen alle Beschlüsse und Änderungen der Verträge aus. Er muss Entscheidungen des Parlaments, mit qualifizierter Mehrheit zustimmen, um ein Inkrafttreten zu bewirken. Diese qualifizierte Mehrheit wird nach den Verträgen von Nizza durch eine dreifache Mehrheit erreicht: (1) die Mehrheit der Mitgliedsstaaten, (2) 71-74% der gewichteten Stimmen und (3) ein Anteil von 62% der Gesamtbevölkerung. Der vollzogene Wandel vom Einstimmigkeitsprinzip zu Mehrheitsentscheidungen ist aber andererseits nicht von einer Abkehr des Konsens- hin zum Konkurrenzprinzip begleitet. Die Stimmengewichtung der Mitgliedsländer, die immer wieder zu Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten in der Union führt, ist derzeit mehr oder weniger willkürlich festgelegt, ohne Abstützung auf Finanzeintrag oder Bevölkerung.

2.1.4 Der Gerichtshof

Der EUGH wurde analog zu einem obersten nationalen Gericht konzipiert, zudem wurde die nationale Rechtsprechung mit der Europäischen vernetzt. Das Gemeinschaftsrecht gilt durch Doktrinen des EUGH als (1) ‚self-executing’, muss also nicht in nationales Recht verankert werden; als (2) übergeordentes Recht, lex superior, geht also nationalem Recht vor. Der EUGH (3) hat auch Rechtssetzungskompetenzen nach außen, sowie (4) kann er legislative Akte der Gemeinschaft auf ihre Vereinbarkeit mit Grundrechten überprüfen.

Dementsprechend ist europäisches Recht de facto verfassungsgebend.

2.2 Die Finanzierung

Der Haushalt der Europäischen Union beträgt annähernd 100 Mrd.€ (2002) oder rund 1% des EU-Bruttoinlandsproduktes, wird vor allem durch direkte Zahlungen der Mitgliedsländer und durch Beteiligung der EU an 1% der Mehrwertsteuer der Länder finanziert. Die Finanzhoheit trägt die Kommission, die die Subventionen und andere Beiträge vergibt. Ungefähr 50% des Haushalts werden allein für Agrarzuschüsse verwendet, 10% fließen als Nettozahlungen in die neuen EU-Mitgliedsstaaten. Ab 2007 soll, nach deutsch-französischer Verständigung, eine Kostenbremse eingebaut werden, um die Nettozahler etwas zu entlasten.

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3 Zur Souveränität

Verordnungen des Rates und der Kommission sind in allen Mitgliedstaaten bindend (Art. 249 EGV), zudem sind Entscheidungen des EUGH rechtsprechend (Art. 228, Abs. 1 EGV), sodass den Mitgliedstaaten keine vollumfängliche Souveränität im klassischen Sinne der Unabhängigkeit nach außen und der höchsten Gewalt nach innen zukommt. Es besteht de facto eine zweite Rechtsordnung neben der Staatlichen. Zudem wurde in den letzten Jahren immer stärker auf eine europäische Verfassung hingearbeitet, die momentan auf der Stufe der EU-Charta der Grundrechte stehen bleibt, welche nicht zwingend ist. Außerdem ist durch den Übergang zum Mehrheitsprinzip, und damit der potentiellen Überstimmbarkeit, ein zusätzlicher Verlust an Souveränität zu beobachten, ohne aber an Autonomie und Eigenständigkeit einzubüßen. Im Gesamten ergibt sich eine neue Definition von Souveränität, als Fehlen eines Staates über dem Staat, wobei aus diesem Fall kein Verlust an Souveränität hervorgeht.

4 Zur Subsidiarität

Der europäische Gemeinschaftsvertrag fühlt sich grundsätzlich dem Subsidiaritätsprinzip verpflichtet, d.h. in den Bereichen, die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen, wird sie nur tätig, sofern die Ziele in Bezug auf die Maßnahmen nicht von den Mitgliedstaaten hinlänglich erreicht werden können oder auf Gemeinschaftsebene besser erreicht werden können (Art 5 EGV). Dies ist jedoch als Selbstbeschränkung im Sinne des Dürfens und nicht als Einstandspflicht aufzufassen. Das Subsidiaritätsprinzip gilt nur in Bereichen konkurrierender Zuständigkeit, sodass in den Bereichen der ausschließlichen Verantwortlichkeit der Gemeinschaft, z.B. Zoll- und Agrarpolitik die Macht der Europäischen Union wesentlich größer ist. Das Prinzip dient als Schutzfunktion, indem es eine Kompetenzausübungssperre der EU darstellt. In letzter Zeit findet es wieder mehr Beachtung, da unter anderem durch die Erweiterung eine Renationalisierung und Regionalisierung der EU gefordert wird, um nicht den Bezug zur Bevölkerung zu verlieren, welcher durch die Bürokratie und durch die Komplexe Struktur der EU ohnehin geschwächt ist.

5 Zum Föderalismus

Die EU ist zwar ein aus Gliedstaaten zusammengesetztes Gebilde, das über das Prinzip der Subsidiarität versucht einer Zentralisierung entgegenzuwirken, doch bestehen wesentliche Unterschiede zu einzelstaatlichem Föderalismus. (1) Die EU ist kein Staat mit sachlicher Allzuständigkeit, sondern eine Zweckgemeinschaft von Staaten. (2) Außerdem fehlt eine gleichwertige demokratische Legitimierung, da das Parlament nicht als zentrale Entscheidungsinstanz dient; trotzdem weist die EU durchaus föderalistische Züge auf, deren Form ähnliche Funktionen erfüllt, wie die klassische Föderation.

6 Zukunft der EU

Die sich durch die letzte, größte Erweiterung der Geschichte, in der Erneuerung befindende Europäische Union, krankt als supranationaler Föderalismus, an mangelnder Volksnähe und demokratischer Legitimität. Sie muss aufpassen durch die immense Größenzunahme (25%

der Bevölkerung, 1/3 der Fläche) noch konsensfähig zu bleiben und ihre Bestreben nach einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik fortführen. Überdies sollte eine Vereinfachung der Organe und Gesetzeswege stattfinden, sowie das ‚Europa der Regionen’ und das Subsidiaritätsprinzip gestärkt werden sollten, um schlussendlich den, heute noch weit entfernten, letzten Schritt zu den ‚Vereinigten Staaten von Europa’ zu machen.

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7 Literaturverzeichnis

Die Europäische Union / Dietmar Herz. - München : Beck, 2002.

Kommentar zum EU-, EG-Vertrag / Hans von der Groeben, Jochen Thiesing, Claus-Dieter Ehlermann (Hrsg.) – Bd.1 - 5. Aufl. - Baden-Baden : Nomos Verlagsgesellschaft, 1997-1999.

Vertrag über die Europäische Union mit sämtlichen Protokollen und Erklärungen, Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) in den Fassungen von Amsterdam und Nizza : Grundrechte-Charta der Europäischen Union / Daniel-Erasmus Khan. (Hrsg.) - 5. Aufl. - München : Deutscher Taschenbuch Verlag, 2001.

Das Subsidiaritätsprinzip : Strukturprinzip einer europäischen Union / Helmut Lecheler. - Berlin : Duncker &

Humblot, 1993.

Die Organe der Europäischen Gemeinschaften : Aufbau und Arbeitsweise / Emile Noël. - Luxemburg : Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 1982.

Schweizer Demokratie : Institutionen - Prozesse - Perspektiven / Wolf Linder. – Bern: Verlag Paul Haupt, 1999 Kapitel 13: Föderalismus im internationalen Vergleich, S.345-358

„Schillerndes“ Subsidiaritätsprinzip in der EU : Begrenzte Verwirklichung eines ordungspolitischen Prinzips / Juerg Dedial – Neue Zürcher Zeitung, 26.10.1994, S.25

Durchbruch bei der Erweiterungsfinanzierung? : Deutsch-französische Einigung ebnet den Weg / Höltschi R. – Neue Zürcher Zeitung, 25.10.2002, Nr. 248, S. 21

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