KAISERINNEN UND KAISERLICHE NEBENFRAUEN AM MING-HOFE
von Peter Greiner, Freiburg
Nach konfuzianischer Lehre soll der Himmelssohn zuerst den Bereich seiner
Familie ordnen, dann wird er fähig sein, das ganze Reich zu regieren. Die amtliche chinesische Geschichtsschreibung der Kaiserzeit, die gewöhnlich nur der öffentli¬
chen Wirksamkeit großer Persönlichkeiten ihre Aufmerksamkeit widmete, trug mit
den Biographien über die Kaiserinnen und Kaiserlichen Nebenfrauen (hou-fei) im
Sinne dieser Lehre der Bedeutung der Famihe Rechnung, um auch hier durch Lob
und Tadel verbindliche Maßstäbe zu setzen. Das auch in diesem Teil der Geschichts¬
werke vorgegebene Schema vom vorbildlichen Herrscher am Anfang einer Dynastie
und dem untauglichen am Ende wird in den Biographien der Frauen am Kaiserhofe
in der Ming-Geschichte (Ming-shih) nur sehr behutsam angewandt, da die Vorbild¬
lichkeit des Hausgesetzes der Ming herausgestellt werden sollte.
Der erste Ming-Kaiser T' ai-tsu ließ in Anbetracht des unter früheren Dynastien
durch Frauen verursachten Unheils (nü-huo ic-^-^ ) angeblich eine Tafel im
Palast aufstellen, um die Frauen ständig an das Verbot zu erinnern, sich in die Re-
giemngsangelegenheiten einzumischen. Er ließ den Schriftwechsel der Frauen durch
ein Eunuchenamt kontrollieren und die Übermittlung von Privatbriefen aus dem
Palast zur Außenwelt mit der Todesstrafe bedrohen. Von den beiden großen Grup¬
pen im Palast war die der Eunuchen derjenigen der Frauen zahlenmäßig weit über¬
legen. Zu Anfang der Ming-Dynastie sollten beide Gruppen noch vergleichsweise
klein gewesen sein; zu Ende der Ming-Zeit gab es bis zu 9.000 Frauen im Palast,
während die Zahl der Palasteunuchen vor 1500 bereits 10.000 erreichte und sich bis zum Ende der Dynastie im Jahre 1644 auf 70.000 erhöhte.
Die Zahl der Frauen im Palast war auch am Anfang schon groß genug, um eine
hierarchische Gliedemng erforderlich werden zu lassen. — Die untere Gmppe der
Palastfrauen wurde als ,Jcung-jen" ( 2"/, , Palastfrauen), „kung-pei" ( , Pa¬
lastmägde) oder auch als „tu-jen" ( sfC^ , gewöhnliche Frauen) bezeichnet. Zu
dieser Gmppe gehörten auch die ,Jcung-nü" ( 't-ir , Palastmädchen), „shu-nü"
( 'M-k , Züchtige Mädchen), ,4isüan-shih" ( . Ausgewählte Bedienstete)
und die „ts'ai-jen" ( , Talentierte Frauen). In diesen Titeln kam höchstwahr¬
scheinlich eine gewisse Rangordnung zum Ausdruck; auf jeden Fall stand eine
„ts'ai-jen" höher als eine ,,hsüan-shih". - Eine Mittelgruppe stellten die Palast¬
beamtinnen (kung-kuan 'iT'^ , nei-kuan i*J't oder nü-kuan ) dar. Im
Jahre Hung-wu 5 (1372) gab es 75 Beamtinnen mit Rang und 18 Schreiberinnen
(nü-shih -i^ t ) ohne Rang. Nach der endgültigen Festlegung der Organisation der
Frauenämter im Jahre Hung-wu 27 (1394) gab es die Sechs Büros (liu shang-chü
■f^i^jli ) für die Aufgaben der Verwaltung und Versorgung der Frauenpaläste
und em Amt für die Palastordnung (kung-cheng szu ■.fl») ); die insgesamt 13
XX. Deutscher Orientahstentag 1977 in Erlangen
Kaiserinnen und kaiserliche Nebenfrauen am Ming-Hofe 419
Leiterinnen in den Büros und im Amt hatten den Rang 5a. Ihnen unterstanden 174
Beamtinnen mit den Rängen 6a, 7a und 8a sowie 96 Schreiberinnen. Die Frauen¬
ämter haben in der Ming-Zeit niemals die Bedeutung und den Umfang der ver¬
gleichbaren Eunuchenämter gehabt, und außerdem wurden sie schon sehr bald
nach dem Ende der Yung-lo-Periode (1403—1424) bis auf vier unbedeutende Un¬
terabteilungen den Eunuchen übertragen.
Die Beamtinnen waren in der Regel wohl vom Kaiser räumhch zu weit entfernt,
um mit ihm näher in Berührung zu kommen. Dazu hatten die Kammerzofen aus der
unteren Gruppe der Palastfrauen offensichthch mehr Gelegenheit, denn die leibli¬
chen Mütter von fünf Ming-Kaisern gehörten ursprünglich zu dieser Gmppe. Offi¬
ziell gehörten aber erst die Gesellschafterinnen (pin ), Gemahlinnen (fei -kt )
und die Kaiserinnen zur näheren Umgebung des Kaisers. — Die Damen mit dem
Titf 1 „pin" hatten normalerweise nicht den Status von Kaiserlichen FamUienange- hörigen. Ein solcher Status wurde erst einer Auswahl von „Neun Gesellschafterin¬
nen" (chiu-pin) zuerkannt, die Shüi-tsung 1531 nach dem Vorbild des Altertums
zum ersten Male in der Ming-Zeit einsetzte. Die Nebenfrauen der Kaiser trugen wie
die Hauptgemahlinnen der Kaiserlichen Prinzen bzw. Kronprinzen den hier mit
„Gemahlin" übersetzten Titel ,/ei". Der Grad der Wertschätzung und damit auch
der Rang einer Gemahlin kam in dem Attribut in Form eines Schriftzeichens vor
dem Titel „fei" zum Ausdmck; der höchsten Wertschätzung erfreute sich die Dame
mit dem Titel ,Jcuei-fei" ( -^^2. , Hochgeschätzte Gemahlin). Hsüan-tsung
verlieh 1426 einer ,Jcuei-fei" zum ersten Male wie einer Kaiserin ein goldenes Siegel. Durch Hsien-tsung wurde 1466 zum ersten Male der Titel ,Mang kuei-fei"
( ^^-kz. , Erhabene Hochgeschätzte Gemahlin) verliehen; dieser neue Titel
wurde durch Shen-tsung 1583 und 1606 und durch Chuang-heh ti noch einmal
1628 verliehen. Die Hauptgemahlin eines regierenden Kaisers trug immer den Titel
,4mang-hou" ( ^Ti , Erhabene Kaiserin). Erlebte sie die Thronbesteigung eines
Sohnes üires Gemahls, erhielt sie den höheren Titel einer ,Mang t'ai-hou" ( -gA
fi , Erhabene Große Kaiserin), und bei Thronbesteigung eines üirer Gemahls er¬
hielt sie schließhch den Titel „t'ai-huang t'ai-hou" ( ^^^.fi, ), Große Erhabe¬
ne Kaiserin). Die Hauptgemahlin galt nach dem überlieferten Ritual sowohl als die
Mutter der von ihr selbst als auch der von einer Nebenfrau ihres Gemahls geborenen
Kinder; aber die Nebenfrauen erhielten als leibliche Mütter regierender Kaiser bei
der Thronbesteigung üirer Söhne ebenfalls den Titel ,Jiuang t'ai-hou" und konnten wie die Hauptgemahlinnen den Titel „t'ai-huang t'ai-hou" erhalten. Gegebenenfalls wurden die Titel an die leiblichen Mütter auch postum verliehen. Shih-tsung verlieh
der Nebenfrau Hsien-tsungs und leiblichen Mutter seines postum zum Kaiser erho¬
benen Vaters 1521 den Titel ,Mang t'ai-hou" und 1528 postum den Titel „t'ai-
huang t'ai-hou". Nach üirem Tode wurden die Hauptgemahlinnen und die leibh¬
chen Mütter regierender Kaiser in den Mausoleen ihrer Gemahle beigesetzt, aber die
Opfer ün Kaiserlichen Ahnentempel (t'ai-miao f-liH ) erhielten nur die Haupt-
gemahUnnen. Kam der Thronfolger aus der gleichen Generation wie sein Vorgänger,
wurde an die Kaiserinnen kein höherer Titel verliehen, wie im Falle der „hth"
Chang, der HauptgemahUn Hisao-tsungs, und der ,4iuang-hou" Hsia, der Hauptge-
mahhn Wu-tsungs, als dessen Vetter Shih-tsung üim auf dem Thron folgte, und bei
der „hh" Chang, die Hauptgemahlin Hsi-tsungs, als dessen Bmder Chuang-lieh ti
"Thronfolger wurde.
420 Peter Greiner
Bei 16 regierenden und 2 postum erhobenen Kaisern haben insgesamt 34 Frauen
zu Lebzeiten oder postum einen Kaiserinnentitel erhalten: 22 als Hauptgemahlin¬
nen, 9 als Nebenfrauen und Mütter von Kaisern, 3 als Hauptgemahlinnen postum
erhobener Kaiser. Vier Kaiserinnen wurden von ihren Gemahlen abgesetzt, und
dreien wurde nach dem Sturz Hui-tis und einer nach dem Sturz Ching-tis der Titel
aberkannt. Von 22 Hauptgemahlinnen waren zwölf mit Sicherheit kinderlos; von
den 15 nach T'ai-tsu regierenden Kaisern waren zehn die Söhne von Nebenfrauen,
und ein postum erhobener Kaiser (Shih-tsungs Vater) war auch ein Sohn einer
Nebenfrau. Von den Hauptgemahlinnen und von den Nebenfrauen jeweils sechs zu
Lebzeiten zur ,Jiuang t'ai-hou" erhoben, fünf Nebenfrauen wurden postum erho¬
ben. Zwei Hauptgemahlinnen und eine Nebenfrau erlebten die Erhöhung zur
,, t'ai-huang t'ai-hou". Eine Nebenfrau (s.o.) wurde postum zur ,,thth" erhöht.
Die Hauptgemahlinnen T'ai-tsus und Ch'eng-tsus, Ma und Hsü, hatten zu Anfang
der Ming-Zeit tatkräftig an der Erkämpfung des Thrones für ihre Gemahle mitge¬
wirkt und übten auch danach noch einen von den chinesischen Historiographen
wohlwollend beurteilten Einfluß auf die Regierung ihrer Gemahle aus. Später wur¬
den die Kaiserinnen bewußt aus unbedeutenden Familien ausgewählt, standen in
der Gunst ihrer Gemahle oft hmter einer Nebenfrau zurück und waren erst nach
dem Tode ihres Gemahls ihrer Stellung sicher. Wegen der Wan kuei-fei setzte Hsien-
tsung seine erste Kaiserin ab, und die Cheng kuei-fei des Shen-tsung war eine be¬
deutende Gegenspielerin der mächtigen Kaiserinmutter Li. Die Stellung einer Kai¬
serinmutter oder -großmutter gegenüber ihrem Sohn oder Enkel war dagegen unan¬
greifbar. Obschon die Hälfte der Ming-Kaiser im Kindesalter oder als Jünglinge auf
den Thron kamen, ist es doch nicht zur Machtergreifung durch eine dieser Frauen
gekommen. Der Gmnd dafür liegt sowohl in der starken Absicherung des absolu¬
ten Herrschaftsanspruchs der Ming-Kaiser als auch in dem meistens mangelnden
politischen Ehrgeiz der Kaiserinnen.
DIE .ABSOLUTE DIALEKTIK" VON HAJIME TANABE ALS SYNTHESE DER
IDEALISTISCHEN DIALEKTIK VON FRIEDRICH HEGEL UND
DER MATERIALISTISCHEN DIALEKTIK VON KARL MARX
von Johannes Laube, Korbach
Die Ausführungen beschäftigen sich mit dem Verständnis von Dialektik, das der
japanische Philosoph Hajime Tanabe (1885-1962) in den dreißiger Jahren an der
staatlichen Kyöto-Universität (Kokuritsu Kyöto Daigaku) entwickelte, später zwar
korrigierte, aber bis zu seinem Tode grundsätzlich aufrechterhielt. Das dialektische
Denken und die dialektische Sprache beherrschen seit 1931, d.h. seit Tanabes
Wende von Kant zu Hegel, alle Abhandlungen Tanabes. Für die Auseinandersetzung mit Tanabe, der als einer der großen japanischen Phüosophen gilt, ist es hüfreich,
ein Vorverständnis von der DialektUc bei Tanabe im Unterschied zu Hegel und Marx
zu gewinnen. Auf diese Weise wird nämlich sichtbar, wie japanische Phüosophen des
20. Jahrhunderts europäisches und japanisches Gedankengut fortzuentwickeln ver¬
suchen.
Die einzelnen Gedankenschritte bedürfen wohl keiner Rechtfertigung. Sie wer¬
den schon vom Thema angekündigt. Der Hauptteü umfaßt 5 Abschnitte:
1. Über den allgemeinen Sprachgebrauch des Wortes „DialektUc"
2. Tanabes Kritik an der idealistischen Dialektik von Hegel 3. Tanabes Kritik an der materialistischen DialektUc von Marx 4. Über die sogenannte absolute Dialektik von Hajime Tanabe
5. Versuch einer kritischen Stellungnahme zur absoluten Dialektik Tanabes
Der Text des Referates wird in der „Neuen Zeitschrift für Systematische Theolo¬
gie und Rehgionsphüosophie" (Verlag Walter de Gmyter, Berlin, herausgegeben von
Carl Heinz Ratschow) vollständig abgedruckt (voraussichtlich in Heft 1/1979). Dem
Text werden die Anmerkungen des Referenten und die während des Referats erklär¬
ten graphischen Darstellungen der 3 dialektischen Systeme beigefügt sein.
XX. Deutscher Orientalistentag 1977 in Erlangen