• Keine Ergebnisse gefunden

Abschlussbericht der Workshop-Reihe „Wettbewerbspolitik“ der Dialogplattform Einzelhandel Wettbewerbspolitik

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Abschlussbericht der Workshop-Reihe „Wettbewerbspolitik“ der Dialogplattform Einzelhandel Wettbewerbspolitik"

Copied!
35
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Wettbewerbspolitik

Abschlussbericht der Workshop-Reihe

„Wettbewerbspolitik“ der

Dialogplattform Einzelhandel

(2)

Diese Broschüre ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit des Bundes ministeriums für Wirtschaft und Energie.

Sie wird kostenlos abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt. Nicht zulässig ist die Verteilung auf Wahlveranstaltungen und an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben von Informationen oder Werbemitteln.

Diese und weitere Broschüren erhalten Sie bei:

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Referat Öffentlichkeitsarbeit

E-Mail: publikationen@bundesregierung.de www.bmwi.de

Zentraler Bestellservice:

Telefon: 030 182722721 Bestellfax: 030 18102722721

Impressum

Herausgeber

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)

Öffentlichkeitsarbeit 11019 Berlin www.bmwi.de Redaktion:

IFH Institut für Handelsforschung, Köln Gestaltung und Produktion

PRpetuum GmbH, München Stand

Mai 2017 Bildnachweis

Talaj/istockphoto (Titel); Susie Knoll (S. 3); boygovideo/

iStock (S. 6); djedzura/iStock (S. 7); Weedezign/iStock (S. 9); Rawpixel.com/Fotolia.com (S. 11); alexsl/iStock (S. 12); daviles/Fotolia.com (S. 17); JackF/iStock (S. 18);

WoGi/Fotolia.com (S. 20); ollo/iStock (S. 22); kwarner/

Fotolia.com (S. 26); made_by_nana/Fotolia.com (S. 28)

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ist mit dem audit berufundfamilie®

für seine familienfreundliche Personalpolitik ausgezeichnet worden. Das Zertifikat wird von der berufundfamilie gGmbH, einer Initiative der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, verliehen.

(3)

1

Über die Dialogplattform Einzelhandel . . . .2

Grußwort . . . .3

Zusammenfassung . . . .4

AUSGANGSLAGE . . . .6

Digitalisierung fordert Anpassungen des Rechtsrahmens. . . .7

HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN . . . .11

1. Rechtssicherheit für vertikale Bindungen der Lieferkette schaffen . . . .12

Statement: Handelsverband Deutschland (HDE) . . . .13

Statement: DER MITTELSTANDSVERBUND – ZGV. . . .14

2. Kriterien für eine vertriebswegunabhängige Honorierung definieren. . . .15

3. Missbrauchskontrolle und Fusionsrecht an die Dynamiken der digitalen Welt anpassen . . . .16

4. Geltungsdauer von rechtlichen Rahmenbedingungen an das digitale Zeitalter anpassen. . . .17

5. Produktsicherheitsrecht anpassen. . . .18

6. Wirkungen des Online-Handels auf die Vertikalisierung erforschen. . . .19

7. Sonntagsöffnungen auf Basis des Regel-Ausnahmeprinzips diskutieren. . . .20

8. Regelwerk für Abmahnungen nach dem UWG überarbeiten, um dem Abmahnmissbrauch entgegenzuwirken. . . .22

Statement: Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh). . . .24

9. Umsetzungshilfen bereitstellen und Informationspflichten auf Praxistauglichkeit überprüfen . . . .25

10. Europäische Gesetzgebung 1:1 umsetzen . . . .26

11. Einheitliche Rechtslage für den On- und Offlinehandel schaffen . . . .27

Weiterführende Literatur . . . .29

Verweise . . . .32

Inhalt

(4)

WETTBEWERBSPOLITIK 2

Über die Dialogplattform Einzelhandel

Zielsetzung, Struktur und Organisation

Demografischer Wandel, geändertes Konsumentenverhalten, technologi- sche Neuerungen und Digitalisierung – die Strukturen des Einzelhandels verändern sich nachhaltig. Die Folgen spüren nicht nur die Händler, son- dern die gesamte Gesellschaft. Unsere Innenstädte drohen zu veröden, auf dem Land ist die Nahversorgung zunehmend gefährdet.

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) Anfang 2015 die Dialogplattform Einzelhandel ins Leben gerufen. In insgesamt 16 Workshops zu fünf Themenfeldern haben Exper- ten aus den vom Strukturwandel betroffenen Akteursgruppen Lösungs- ansätze in Form von Schlüsselstrategien und Handlungsempfehlungen erarbeitet, und zwar für alle betroffenen Gruppen. Zu diesen Akteursgrup- pen gehören Unternehmen, Gewerkschaften, Verbände, Kammern, Städte und Gemeinden, Bund und Länder sowie Wissenschaftler. Im gemeinsa- men Dialog konnten so umfassende Erkenntnisse erarbeitet werden, die anschließend – im Sinne einer aktiven Wissensplattform – auf der Webseite der Dialogplattform veröffentlicht wurden. Neue Erkenntnisse und Ein- sichten und vorhandenes Wissen wurden auf diese Weise gebündelt.

Die Workshop-Reihe zum Themenfeld „Wettbewerbspolitik“ widmete sich gezielt den wettbewerbspolitischen Fragestellungen, die sich dem Handel im Zusammenhang mit der Digitalisierung stellen. Diskutiert wurden die Auswirkungen der Digitalisierung auf vertikale Bindungen der Lieferkette,

vertikale Preisbindungen, Doppelpreissysteme, Plattformverbote und selektive Vertriebssysteme. Ein weiterer Themenblock befasste sich mit den wettbewerbspolitischen Rahmenbedingungen und damit so unterschied- lichen Inhalten wie Ladenöffnungszeiten, Lauterkeitsrecht, insbesondere Abmahnmissbrauch, Datenschutz, Informationspflichten, Steuern und WLAN-Störerhaftung.

Die Themengebiete Vertikale Bindungen der Lieferkette und Ladenöff- nungszeiten/Sonntagsöffnungen wurden im Format einer Podiumsdis- kussion von den unterschiedlichen Akteursgruppen kontrovers diskutiert.

Anders als in den anderen Workshopreihen, stellen die Beiträge der Work- shop-Teilnehmer daher nicht grundsätzlich persönliche Meinungsäuße- rungen dar, sondern sind den Positionen der Organisationen zuzuordnen, denen die Workshop-Teilnehmer angehören. Die erarbeiteten Ergebnisse und Handlungsempfehlungen müssen aber nicht der Meinung des Bundes- ministeriums für Wirtschaft und Energie entsprechen.

Mit der Umsetzung der Dialogplattform Einzelhandel hat das BMWi das IFH Institut für Handelsforschung in Köln beauftragt. Das IFH hat das Projekt analytisch begleitet und auf prozessualer und inhaltlicher Ebene koordiniert.

(5)

WETTBEWERBSPOLITIK 3

Seit April 2015 haben sich ausgewählte Expertinnen und Experten im Rahmen der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ins Leben gerufenen Dialogplattform Einzelhandel mit den Zukunftsfragen der Bran- che befasst: Wie mache ich mein Unternehmen fit für die Digitalisierung?

Wie könnten die ersten Schritte ins Internet aussehen? Wie gewinne ich neue Mitarbeiter, und welcher Weiterbildungs- und Qualifizierungsbedarf besteht in der zunehmend digitalisierten Welt des Einzelhandels? Wie spreche ich digital vernetzte und vorinformierte Kunden in meinem Geschäft an?

Die befragten Expertinnen und Experten stammen aus Unternehmen, Ver- bänden, Kammern, Gewerkschaften, Bund, Ländern und Kommunen. Sie haben in sechzehn Workshops eine Vielzahl von Handlungsempfehlungen und Lösungsansätzen erarbeitet, wie der Einzelhandel und die Politik dem Strukturwandel begegnen können.

Die Ergebnisse liegen jetzt vor. Sie sind thematisch geordnet und in einer Broschüre sowie in fünf Online-Berichten zusammengefasst. Letztere gibt es zu den Schwerpunktthemen „Digitalisierung und technologische Herausforderungen“, „Perspektiven für eine lebendige Stadt“, „Perspektiven für den ländlichen Raum“, „Perspektiven für Arbeit und Berufe“ und zur

„Wettbewerbspolitik“. Die Broschüre „Perspektiven für den Einzelhandel – Ergebnisse der Dialogplattform Einzelhandel“ gibt einen Gesamtüber- blick über die Herausforderungen im Einzelhandel und die erarbeiteten Lösungsansätze.

Mein Dank gilt all den Expertinnen und Experten, die aktiv in den Workshops der Dialogplattform Einzelhandel mitgear- beitet haben, sowie den Mitgliedern des Projektbeirats. Dank Ihres Engagements haben wir viele praxisnahe Ergebnisse zusammengetragen. Mein Wunsch ist, dass diese Anregungen von den einzelnen Adressaten in einem nächsten Schritt geprüft und als Anregung für eigenes Handeln verstanden werden. Wenn das geschieht, eröffnet die aktuelle Dynamik im Einzelhandel tatsächlich viele Chancen und neue Perspektiven.

Brigitte Zypries

Bundesministerin für Wirtschaft und Energie

Grußwort

(6)

WETTBEWERBSPOLITIK 4

Rechtssicherheit für vertikale Bindungen der Lieferkette schaffen

Der Gestaltungsspielraum innerhalb des gegenwärtigen rechtlichen Rah- mens ist eng bemessen. Aufgrund der Vorgaben des europäischen Rechts durch die Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vereinbarungen und die Leitlinien für vertikale Beschränkungen der EU sind Strategien gefordert, welche die gesetzlichen Spielräume kreativ ausgestalten. Auf- grund der Fülle gesetzlicher Vorgaben besteht Aufklärungsbedarf für die Marktteilnehmer was kartellrechtlich zulässig ist bzw. welche Maßnahmen im gesetzlichen Rahmen getroffen werden können.

Kriterien für eine vertriebswegunabhängige Honorierung definieren

Offline- und Onlinekanal sollen gleich bewertet und eine Diskriminierung einzelner Vertriebskanäle vermieden werden. Vor diesem Hintergrund sol- len von den Herstellern klare Distributionsaufgaben für ein Produkt defi- niert und leistungsadäquat, markt- und produktspezifisch sowie vertriebs- wegunabhängig honoriert werden. Die Anforderungen der Hersteller an die Qualität, die für den Vertrieb erforderlich ist, sind festzulegen. Händler müssen die Leistungen herausstellen, die sie anbieten können, um diesen Erfordernissen gerecht zu werden und Alleinstellungsmerkmale im Off- line- und Online-Vertrieb entwickeln.

Zusammenfassung

Erkenntnisse, Anforderungen und Lösungsansätze

Missbrauchskontrolle und Fusionsrecht an die Dynamiken der digitalen Welt anpassen

Die Existenz nur weniger großer Player im Internet bringt die Gefahr mit sich, dass eine starke Marktposition missbraucht werden kann. Insbesondere die exklusive Verfügbarkeit über Daten kann im Einzelfall eine bedeutende Marktzutrittsschranke für Wettbewerber darstellen. Der Zugang zu Daten soll deshalb für die Beurteilung von Marktmacht von Unternehmen in der digi- talen Wirtschaft entsprechende Berücksichtigung finden. Diese Empfehlung wurde in der 9. GWB-Novelle aufgegriffen.i

Geltungsdauer von rechtlichen Rahmenbedingungen an das digitale Zeitalter anpassen

Die Dynamik der Gesetzgebung muss dem digitalen Fortschritt angepasst wer- den. Die Geltungsdauer von rechtlichen Rahmenbedingungen, Verordnungen und Leitlinien sollte insbesondere auf europäischer Ebene geprüft werden.

Produktsicherheitsrecht anpassen

Das Produktsicherheitsrecht muss der veränderten digitalen Welt angepasst werden, sodass sich in Zukunft zum Beispiel Plattformbetreiber nicht der Produktverantwortung entziehen können.

(7)

WETTBEWERBSPOLITIK 5

Wirkungen des Online-Handels auf die Vertikalisierung erforschen

Bisher fehlt es an Erkenntnissen über die Wirkungsmechanismen, ob E-Commerce tatsächlich eine Vertikalisierung begünstigt und ob den Beteiligten der Wertschöpfungskette dadurch Schaden entsteht. Um die wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung mit empirischen Ergebnissen zu unterstützen, sollte deshalb von den politisch Verantwortlichen ein Prü- fungsauftrag zu den Wirkungen des E-Commerce auf die Vertikalisierung und deren Folgen angestoßen werden.

Sonntagsöffnungen auf Basis des Regel-Ausnahmeprinzips diskutieren

Die verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Sonntagsschutz sind eindeutig.

Dennoch verbleibt die Frage, inwieweit im Sinne des Regel-Ausnahme-Ver- hältnisses rechtssichere Möglichkeiten für eine erfolgreiche Umsetzung des verkaufsoffenen Sonntags geschaffen werden können. Denn schon eine begrenzte Anzahl von Sonntagsöffnungen kann den stationären Einzel- handel massiv fördern.

Regelwerk für Abmahnungen nach dem UWG überarbeiten, um dem Abmahnmissbrauch entgegenzuwirken

Nicht das Instrument der Abmahnung als solches (für das gesamte Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und andere Gesetze) gehört auf den Prüfstand, sondern nur die Abmahnung im Zusammenhang mit bestimmten Sachverhaltsgestaltungen, welche die Abmahnungen als miss- bräuchlich erscheinen lassen. Dazu bedarf es der Entwicklung eines spe- ziellen Regelwerkes: Bagatellformalien sollten benannt und die Abmahn- möglichkeit solcher Verstöße begrenzt werden. Gesetzgeberische Maß- nahmen zur Einschränkung der Abmahnung sollten aus strategischen

Gründen auf Sachverhalte im Online-Handel und Rechtsverstöße gegen enumerativ aufgezählte Formalvorschriften und Informationspflichten beschränkt werden. Die relevanten Akteursgruppen sollen im Rahmen eines runden Tisches zusammengeführt werden, um die finale Ausgestal- tung eines solchen Regelwerkes zu diskutieren.

Umsetzungshilfen bereitstellen und Informationspflichten auf Praxistauglichkeit überprüfen

Unklare oder in der Praxis nicht erfüllbare Vorgaben im Zusammenhang mit der Umsetzung der Verbraucherrechte-Richtlinie führen zu Rechts- unsicherheiten und zu Wettbewerbsverzerrungen. Zur Schaffung von Rechtssicherheit werden Umsetzungshilfen für Händler, die Überprüfung auf Praxistauglichkeit und die Zurückhaltung bei neuen Verbraucher- informationspflichten als sinnvoll erachtet.

Europäische Gesetzgebung 1:1 umsetzen

Im Hinblick auf ein europäisches Level-playing-field sollte vermieden wer- den, auf nationaler Ebene über den Rahmen europäischer Standards bzw.

rechtlicher Vorgaben hinauszugehen.

Einheitliche Rechtslage für den On- und Offlinehandel schaffen

In Zukunft werden die Einkaufskanäle im Einzelhandel zunehmend mit- einander vernetzt sein. Deshalb sollten unterschiedliche Kodifikationen jeweils für den On- und Offlinehandel vermieden werden. Eine grundsätz- lich einheitliche Rechtslage für die verschiedenen Kanäle führt letztlich auch zu weniger Wettbewerbsverzerrung.

(8)

6

AUSGANGSLAGE

(9)

WETTBEWERBSPOLITIK 7

Digitalisierung intensiviert den Wettbewerb und rückt das Verhältnis Hersteller – Händler in den wettbewerbs- politischen Fokus

Der Einzelhandel ist im Hinblick auf die Herausforderungen der Digita- lisierung in der wettbewerbspolitischen Diskussion zunehmend in den Fokus gerückt. Das komplexer werdende Verhältnis zwischen Hersteller und Händler spielt dabei eine besondere Rolle.

Durch die Digitalisierung entstehen neue gesellschaftliche und kartell- rechtliche Fragen. Durch das Internet intensiviert sich tendenziell der Wettbewerb in vielen Bereichen. Preis- und Produktvergleiche werden ein- facher und geographische Marktabgrenzungen können sich ändern. Händ- ler sind einfacher in der Lage, ihr Produktportfolio grenzüberschreitend anzubieten und neue Geschäftsfelder zu erschließen. Davon profitieren Verbraucher, da ihnen eine deutlich breitere Auswahl zur Verfügung steht und Händler, da sie ihr Absatzgebiet ausweiten können. Hersteller sind auf- grund der Entwicklungen mit einem intensiveren Wettbewerb im Handel konfrontiert. Erhöhte Transparenz verschärft den Preisdruck. Hersteller befürchten z. T. eine negative Beeinträchtigung des Markenwertes ihrer Produkte durch den Onlinevertrieb insbesondere über Plattformen.

Zudem stellt sich die Frage, ob große Anbieter ihre Marktmacht miss- brauchen könnten und die positiven Effekte dadurch zumindest in länger-

Digitalisierung fordert Anpassungen des Rechtsrahmens

fristiger Perspektive wieder aufgehoben werden bzw. ob eventuell negative langfristige Effekte über die kurzfristige Wettbewerbsbelebung dominieren.

Vor diesem wettbewerbspolitischen Hintergrund wurden in der Work- shopreihe die Themenfelder vertikale Preisbindung, Doppelpreisstrategien, Plattformverbote und selektive Vertriebssysteme diskutiert.

(10)

WETTBEWERBSPOLITIK 8

„Hersteller versuchen, Auswirkungen der Digita- lisierung durch Wettbewerbsbeschränkungen zu minimieren. Händler tragen das Risiko des Vertriebs und müssen die Freiheit haben, über den Vertrieb und die Wahl der Vertriebskanäle zu entscheiden.“

Dr. Peter Jens Schröder, Bereichsleiter für Recht und Verbraucher- politik – Handelsverband Deutschland (HDE)

„Ein Erfolgskonzept für KMU, sich im Wettbewerb gegenüber Filialsystemen zu behaupten, ist die Zusammenarbeit in Verbundgruppen. Verbundgruppen und Franchisesysteme sind allerdings benach- teiligt, da sie nicht mit ver bindlichen, einheitlichen Endkundenpreisen am Markt auftreten können.“

Dr. Marc Zgaga, Geschäftsführer Recht und Wettbewerb – MITTELSTANDSVERBUND – ZGV e. V.

„Plattformen sind als Infrastruktur zu begreifen.

Die damit verbundenen Rechtsfragen sind diesen aber nicht exklusiv. Ein etwa als erforderlich anzusehender neuer Rechtsrahmen muss deshalb grundsätzlich tech- nikneutral ausgestaltet sein. Ausnahmen von diesem Grundsatz bedürfen einer erhöhten Rechtfertigung.“

Christoph Wenk-Fischer, Hauptgeschäftsführer – Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e. V. (bevh)

„Die Offenhaltung der Märkte und die Freiheit der Händler bei der Preis- gestaltung ist von höchster Priorität.“

Dr. Felix Engelsing, Vorsitzender der 2. Beschlussabteilung – Bundeskartellamt

„Leistung des Off-Line Kanals erfährt keine Wertschätzung. Lieferanten haben immer weniger Einfluss, wie die Produkte verkauft werden.“

Dr. Andreas Gayk, Leiter Vertriebspolitik/Handelsbeziehungen, Compliance Officer – Markenverband e. V.

Im Rahmen der Podiumsdiskussion wurden unterschiedliche Blickrichtungen deutlich.

(11)

WETTBEWERBSPOLITIK 9

Geltende rechtliche Rahmenbedingungen erschweren die Anpassung einzelner Handelsformen an die durch die Digitalisierung gestellten Anforderungen

Der Handel ist derzeit von einem erheblichen Strukturwandel durch die Digitalisierung geprägt. Aus Sicht der meisten Diskutanten erschweren geltende rechtliche Rahmenbedingungen und spezifische institutionelle Regulierungen teilweise die Anpassung einzelner Handelsformen an die neuen Herausforderungen der Digitalisierung. Komplexe Regelungen, so eine häufig im Panel geäußerte Meinung, verursachen zusätzliche Belas- tungen, erschweren den Marktzugang und erhöhen unternehmerische Risiken. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) des Online- und Offline-Handels werden dadurch belastet. Ungleichbehand- lungen werden, so eine Abfrage des IFH im Vorfeld des Workshops, auf mehreren Ebenen gesehen, und zwar

durch Verpflichtungen, die auf eCommerce eine geringere Auswirkung haben als auf lokale Geschäfte, beispielsweise Rücknahmeverpflichtun- gen, WLAN-Störerhaftung,

durch nur für den Online-Handel vorgesehene europäische Regelungen, wie beispielsweise Mängelhaftung im Kontext Fernabsatz von Waren, Maßnahmen gegen Geoblocking, Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen,

durch Ungleichbehandlungen auf der Grundlage nationaler Regelungen, die in Deutschland strikter sind und damit deutsche Händler stärker belasten als europäische Wettbewerber, beispielsweise die geltende Pra- xis bei Abmahnverfahren oder WLAN-Störerhaftung. Ein Gesetzentwurf, der die Abschaffung der Störerhaftung enthält, wurde am 5. April 2017 bereits vom Bundeskabinett beschlossen.ii

Der Online-Handel und die damit einhergehenden Vertriebsformate haben in den vergangenen Jahren die Beziehungen zwischen Händlern und Kon- sumenten verändert. Anstelle des persönlichen Kontakts tritt immer häu- figer eine „Fernbeziehung“. Bei der Gestaltung der gesetzlichen Rahmen- bedingungen müssen diese neuen Gegebenheiten berücksichtigt werden.

Dies betrifft die Vorgaben für die Gestaltung des Schuldverhältnisses, Verbraucherschutzvorschriften und Fragen des Datenschutzes.

(12)

WETTBEWERBSPOLITIK 10

Grundsätzlich ist der Handlungsspielraum für Hersteller und Händler begrenzt. Im Hinblick auf die Änderung vorhandener Rechtsgrundlagen sind die langwierigen zeitlichen Prozesse der europäischen Gremien zu berücksichtigen. Daher ist es wichtig, die aufgeführten Lösungsansätze auf europäischer Ebene zu platzieren.

Der Handel muss sich insgesamt auf gesetzliche Rahmenbedingungen mit einer tendenziell höheren Regulierungsdichte und einem damit verbunde- nen höheren Verbraucherschutzniveau einstellen. Der Gesetzgeber muss aber sicherstellen, dass die Verbraucher auch bei höherem Schutzniveau ihre Konsumentscheidungen weiterhin autonom und ohne unverhältnis- mäßigen Aufwand treffen können. Höhere Preistransparenz durch neue Kommunikationsmittel und der dadurch verursachte Preisdruck bieten dem Verbraucher neue Chancen. Der stationäre Einzelhandel kann hier durch Beratungs- und Serviceleistungen oder durch das besondere Ein- kaufserlebnis punkten. Es besteht mittelfristig aber auch die Gefahr, dass der Preisdruck zu einer unerwünschten Reduzierung des Service- und Beratungsangebots im stationären Handel führen könnte.

Im Folgenden werden Lösungsansätze für die wichtigsten Handlungsfelder und aktuellen Herausforderungen, die im Rahmen der Workshop-Reihe

„Wettbewerbspolitik“ der Dialogplattform Einzelhandel diskutiert wurden, aufgezeigt.

Herausforderung: Lösungen im Rahmen gesetzlicher Vorgaben entwickeln

Eine wesentliche Herausforderung liegt für den Handel darin, im Rahmen der gegebenen gesetzlichen Handlungsspielräume konkrete Lösungs­

modelle zu entwickeln. Der Einzelhandel ist mit sich extrem dynamisch verändernden Rahmenbedingungen konfrontiert, die die Rechtsprechung und Gesetzgebung bei gut überlegtem Vorgehen nicht hinreichend schnell aufgreifen kann.

Dies führt zwangsläufig zu unerwünschten Rechtsunsicherheiten:

Hersteller verhängen beispielsweise in vielen selektiven Vertriebssystemen Plattformverbote oder auch Verbote für die Nutzung von Suchmaschi- nen. Qualitätsvorgaben sind innerhalb von selektiven Vertriebssystemen unstreitig auch für den Online-Handel zulässig. Zu Plattformverboten sind in Deutschland in den vergangenen Jahren unterschiedliche Urteile ergan- gen, eine höchstrichterliche Entscheidung liegt bisher nicht vor.

„Eine konsequent auf die wettbewerblichen Effekte von Verhaltensweisen achtende Kartellverfolgung ist ein geeigneter Weg, den freien Wettbewerb zu sichern.“

Dr. Reto Batzel, Head of Competition & Compliance – Metro AG – Wholesale & Food Specialist Company

(13)

11

HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN

(14)

WETTBEWERBSPOLITIK 12

Der gegenwärtige rechtliche Rahmen bietet wenig Gestaltungsspielraum.

Aufgrund der Vorgaben des europäischen Rechts durch die Gruppenfreistel- lungsverordnung für vertikale Vereinbarungen und die Leitlinien für ver- tikale Beschränkungen sind Strategien gefordert, gesetzliche Spielräume zu nutzen. Zudem besteht Aufklärungsbedarf für die Marktteilnehmer, was kartellrechtlich zulässig ist bzw. welche Maßnahmen im gesetzlichen Rah- men getroffen werden können.

Die vertikale Preisbindung ist durch die europäischen Vorgaben geprägt.

Das Bundeskartellamt hat 2017 den Entwurf einer Leitlinie zu Entschei­

dungsfällen vertikaler Preisbindungen veröffentlicht, die allerdings vor- rangig für den Lebensmitteleinzelhandel gelten. So wird für Hersteller und Händler mehr Rechtssicherheit bei der Auslegung der europäischen Vor- gaben geschaffen. Die Leitlinien bieten Orientierung, welcher Spielraum sich für Hersteller und Händler ergibt.iii

Im Bereich der Doppelpreisstrategien bedarf es einer fortwährenden Markt­

beobachtung sowie der Analyse zukünftiger Entscheidungen unterschied- licher Behörden. Aufklärung ist insbesondere hinsichtlich der Varianten gefordert, wie Hersteller stationären Händlern Anreize bieten können.

Die wettbewerbsrechtliche Bewertung von Plattformverboten ist umstrit- ten. Das zeigt die uneinheitliche Rechtsprechung. Ob es sich bei den ver- schiedenen Plattformverboten um missbräuchliche Wettbewerbsbeschrän- kungen handelt, ist noch nicht höchstrichterlich entschieden.

1. Rechtssicherheit für vertikale Bindungen

der Lieferkette schaffen

(15)

WETTBEWERBSPOLITIK 13

Statement: Handelsverband Deutschland (HDE)

Der HDE spricht sich deutlich für die Autonomie des Einzelhandels bei Vertriebsentscheidungen aus. Händler tragen das Risiko des Vertriebs und müssen die Freiheit haben, über den Vertrieb und die Wahl der Vertriebs- kanäle zu entscheiden. Daher werden Preisbindung und Vertriebsbeschrän- kungen klar abgelehnt. Die Aufsichtsbehörden werden aufgefordert, die Autonomie des Einzelhandels beim Vertrieb sicherzustellen.

Selektive Vertriebssysteme sind aber auch in Zukunft im Verbraucherin- teresse erforderlich. Allerdings müssten gleichwertige Kriterien für den Online-Handel gelten. Eine willkürliche Diskriminierung einzelner Kanäle über den Umweg selektiver Vertriebssysteme muss von den Aufsichts- behörden unterbunden werden. Im Hinblick auf die Nutzung selektiver Vertriebssysteme sollten allerdings kanalspezifische Effizienzen angemes- sen berücksichtigt und die Anforderungen an den Nachweis praktikabel

gestaltet werden. In diesem Sinne sollten leis- tungsorientierte Vergütungen vertriebswegun- abhängig möglich sein. Das Ziel ist dabei nicht die Förderung eines bestimmten Vertriebs- kanals. Vielmehr sollen die Hersteller die Mög- lichkeit behalten, spezifische Serviceleistungen des Handels, die nicht auf einen Vertriebskanal beschränkt sein müssen, begünstigen zu können.

Der HDE distanziert sich aber deutlich von der Möglichkeit, diese Förderung als Steuerung bzw.

Diskriminierung einzelner Vertriebskanäle einzusetzen.

Stefan Genth

Hauptgeschäftsführer Handelsverband Deutschland (HDE)

(16)

WETTBEWERBSPOLITIK 14

Statement: DER MITTELSTANDSVERBUND – ZGV

Mit der zunehmenden Erstarkung des Online-Handels als einem wesent- lichen Teil der Digitalisierung stehen insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vor gewaltigen Herausforderungen. Die traditionell inhabergeführten sowie lokal und stationär tätigen KMU stehen heute im Wettbewerb mit global agierenden Internetanbietern und Filialnetzen. Ein Erfolgskonzept ist die überbetriebliche Zusammenarbeit in Verbundgrup- pen und Franchisesystemen. Im Vergleich zu Filialsystemen und Interne- tanbietern sind Verbundgruppen und Franchisesysteme allerdings dadurch benachteiligt, dass sie nicht mit verbindlichen, einheitlichen Endkunden- preisen am Markt auftreten können. Dieser Nachteil hat sich in den letzten Jahren durch den zunehmenden E-Commerce sowie erhöhte Markttrans- parenz und Preissensibilität der Verbraucher noch weiter verstärkt. Dabei geht es weder um eine grundsätzliche Abschaffung des Verbots der Preis- bindung im Vertikalverhältnis, noch um eine generelle Besserstellung der Verbundgruppen und Franchisesysteme. Es geht um Nachteilsausgleich und fairen Wettbewerb. Verbundgruppen und Franchisesysteme bilden mit ihren selbständigen Anschlusshäusern kein klassisches Vertikalverhältnis im Sinne der Wettbewerbsordnung – so wie z. B. das Verhältnis zwischen Hersteller/Lieferant und Handel. Denn Verbundgruppen folgen einem förderwirtschaftlichen Auftrag, den sie qua Gesetz (§ 1 GenG) oder Satzung zu erfüllen haben. Ihre Anschlusshäuser sind häufig Gesellschafter der Verbundgruppe und damit an den Entscheidungsprozessen unmittelbar beteiligt. Überdies nehmen Verbundgruppen mit ihren Anschlusshäusern

verschiedene wichtige gesellschaftspolitische Aufgaben wahr, z. B. die Gewährleistung der Nahversorgung im ländlichen Raum, die Diver- sifizierung im Handel und nicht zuletzt auch gesellschaftspolitisch gewünschte städtebauli- che Aspekte (lebendige Innenstädte). All diese Punkte treffen auf den klassischen Marken- hersteller im Verhältnis zu seinen Abnehmern nicht oder nicht in gleichem Maße zu. Eine Legalausnahme im Bereich der Preisbindung

für Verbundgruppen und Franchisesysteme würde eine Stärkung der wirt- schaftlichen Grundlage der beteiligten Unternehmen ermöglichen, um im Wettbewerb mit anderen Marktteilnehmern zu bestehen. Eine derartige Liberalisierung wäre aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES auch vor dem Hintergrund der sich nach wie vor verschärfenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Handels- und Handwerksun- ternehmen im Umbruch der Marktlandschaft und damit einhergehender struktureller Änderungen mit Blick auf die schützenswerte Vielfalt von Handels-, Handwerks- und Dienstleistungsunternehmen zugunsten der Verbraucher wettbewerbspolitisch angezeigt und gerechtfertigt.

Dr. Ludwig Veltmann

Hauptgeschäftsführer DER MITTELSTANDSVERBUND – ZGV

(17)

WETTBEWERBSPOLITIK 15

Offline- und Online-Handel weisen kanalspezifische Vor- und Nachteile für den Verkauf von Herstellerware auf, die jedoch nach Marktsegmenten unterschiedlich sind. Der Verkauf von Produkten bedarf je nach Produkt unterschiedlich ausgeprägter Service- und Beratungsleistungen.

Distributionsaufgaben für ein Produkt sollen deshalb klar definiert und leistungsadäquat, markt- und produktspezifisch sowie vertriebswegeunab- hängig honoriert werden. Die Anforderungen der Hersteller an die Quali- tät, die für den Vertrieb erforderlich ist, sind im rechtlich zulässigen Maß zu spezifizieren. Handlungsbedarf besteht deshalb darin, Kriterien über die Art der kanaltypischen Dienstleistungen zu erarbeiten. Händler sollten die Leistungen, die sie anbieten können, um diesen Anforderungen gerecht zu werden und Alleinstellungsmerkmale im Offline und Online-Vertrieb zu entwickeln, besser herausstellen.

Ziel sollte es sein, Offline- und Onlinekanal gleich zu bewerten und eine Diskriminierung einzelner Vertriebskanäle zu vermeiden. So sollten Zuschüsse (beispielsweise für Multichannel-Händler) für den stationären Handel auf klar formulierten Kriterien basieren und in vergleichbarer Weise auch für den Online-Handel anwendbar sein. Hersteller und Händ- ler sind gefordert, innerhalb des gesetzlichen Rahmens Lösungen für eine Abgeltung der Leistungen zu entwickeln.

2. Kriterien für eine vertriebswegunabhängige Honorierung definieren

„Hersteller müssen weiterhin die Möglichkeit haben, spezifische Leistungen des Einzelhandels in einem Vertriebskanal zu honorieren.“

Dr. Andreas Gayk, Leiter Vertriebspolitik/Handelsbeziehungen, Compliance Officer – Markenverband e. V.

„Herstellern muss die Förderung spezifischer Service- leistungen des Einzelhandels möglich sein, soweit die Förderung von qualitativen Kriterien (Verkaufsfläche, Ausstattung, Personal) abhängt und nicht rein umsatz- abhängig mit Steuerungswirkung im Hinblick auf Ver- triebsentscheidungen des Handels erfolgt.“

Dr. Peter Jens Schröder, Bereichsleiter für Recht und Verbraucher- politik – Handelsverband Deutschland (HDE)

(18)

WETTBEWERBSPOLITIK 16

Der Internethandel wird durch wenige sehr große Player geprägt, die eine starke Marktposition erreicht haben. Es ist wichtig, dass diese Marktmacht nicht missbraucht wird. Aktuell wird die Missbrauchs- und Fusions- kontrolle für ausreichend empfunden.

Marktmacht kann aber auch durch die Erschließung und Nutzbarmachung von zur Verfügung stehen- den Datenvolumina erreicht werden. Der Zugang zu Daten, vor allem zu Nutzerdaten, ist für die Bewer- tung der Markt stellung von Netzwerken und Platt- formen in besonderer Weise relevant. Dass Anbieter von Plattform- oder Netzwerkdienstleistungen über Daten ihrer Nutzer verfügen, ist für sich allein noch kein Indiz für Marktmacht. Abhängig von Art und Umfang der vorhandenen Daten und ihrer Bedeu- tung für die Geschäftstätigkeit kann die exklusive Herrschaft über Daten und deren Nutzbarkeit im Einzelfall jedoch eine bedeutende Marktzutritts- schranke für Wettbewerber darstellen.

Deshalb wird empfohlen, den Zugang zu Daten für die Beurteilung der Marktmacht von Unter-

3. Missbrauchskontrolle und Fusionsrecht an die Dynamiken der digitalen Welt anpassen

nehmen in der digitalen Wirtschaft gesetzgeberisch zu berücksichtigen.

Diese Empfehlung wurde in der 9. GWB-Novelle aufgegriffen.iv

„Der Umgang und die Verwendung von Daten sind aus Sicht der Verbrau- cherpolitik zentral. Klärungsbedarf bestünde dabei, inwiefern Daten wie Geld zu bewerten sind. Es ist zu definieren, wer die im Internet hinter- lassenen Daten nutzen darf. Und es muss sichergestellt sein, dass der Ver- braucher in der Lage ist, seine Daten auch zu einem dritten Anbieter mit- zunehmen. Der Zukauf von Daten durch Übernahmen spielt eine zentrale Rolle. Die Folge könnte eine Konzentration von Marktmacht vor dem Hin- tergrund der Datenbündelung bzw. Datenhoheit sein. So kann eine wett- bewerbsrechtliche Anpassung im Hinblick auf die Verwendung von Daten möglicherweise angemessen sein.“

Jutta Gurkmann, Bereichsleiterin des Geschäftsbereichs Verbraucherpolitik – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. vzbv

(19)

WETTBEWERBSPOLITIK 17

Die Dynamik der Gesetzgebung muss dem digitalen Fortschritt angepasst werden. Die Zeitabstände der Überprüfung und Anpassung der europäi- schen gesetzlichen Rahmenbedingungen sollten überdacht werden.

Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass Marktteilnehmer und Gesetzgebung angesichts des schnellen digitalen Fortschritts vor neuen Herausforderungen stehen. Neue Regelungen müssen im Hinblick auf sämtliche Auswirkungen durchdacht werden.

4. Geltungsdauer von rechtlichen Rahmenbedingungen an das digitale Zeitalter anpassen

„Die Wettbewerbspolitik muss europaweit an diversen Stellen der Digitalisierung angepasst werden. Abge- sehen von der Schnelligkeit der Entwicklung ergeben sich aus der Digitalisierung neue Geschäftsfelder, die durch zu starke Regulierung unterbunden werden.

Wettbewerbspolitik muss Entwicklung zulassen und nicht Altes bewahren!“

Oliver Prothmann – Präsident des Bundesverband Onlinehandel e. V.

(BVOH)

(20)

WETTBEWERBSPOLITIK 18

Das Produktsicherheitsrecht muss flexibel an die Erfordernisse des rasant wachsenden Internethandels und spezielle Ausgestaltungen wie die Ein- bindung von Logistik-Dienstleistern angepasst werden. Plattformbetreiber und Logistik-Dienstleister dürfen sich nicht der Produktverantwortung entziehen können. Produkte von Unternehmen aus Drittstaaten verstoßen oft gegen geltende Produktsicherheitsregeln. In der Praxis besteht derzeit für solche Fälle weder eine Handhabe gegen den im Drittstaat ansässigen Hersteller noch gegen den inländischen Plattformbetreiber, da dieser nicht als Importeur gilt.

5. Produktsicherheitsrecht anpassen

„Zunehmend kommen in Deutschland unsichere Pro- dukte auf den Markt, die von Händlern außerhalb der EU an Verbraucher verkauft werden. Der Verkauf fin- det oft über Internetplattformen statt, die Abwicklung des Verkaufs erfolgt teilweise über in der EU ansässige Lager, sogenannte Fulfillment-Center. Diese unter- liegen nach aktueller Rechtslage nicht dem Produkt- sicherheitsrecht und der Marktüberwachung. Platt- formbetreiber und Fulfillment-Center müssen in die Pflicht genommen werden und die Pflichten eines Händlers jedenfalls dann erfüllen, wenn der Anbieter aus einem Nicht-EU-Staat kommt.“

Dr. Peter Jens Schröder, Bereichsleiter für Recht und Verbraucher- politik – Handelsverband Deutschland (HDE)

(21)

WETTBEWERBSPOLITIK 19

Fraglich ist, ob E-Commerce tatsächlich eine Vertikalisierung begünstigt und ob den Beteiligten der Wertschöpfungskette dadurch Schaden ent- steht. Bis dato fehlt es an Erkenntnissen über die Wirkungsmechanismen.

Um die wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung mit empirischen Ergebnis-

6. Wirkungen des Online-Handels auf die Vertikalisierung erforschen

„Größter Handlungsbedarf besteht wohl in der Schaffung von Rechtssicherheit. Derzeit ist die wett- bewerbsrechtliche Bewertung von Doppelpreisstrategien und Plattformverboten innerhalb und außer- halb selektiver Vertriebssysteme in vielen Einzelpunkten anscheinend äußerst umstritten. Sowohl die berechtigten Interessen der Markenhersteller als auch des Handels sind hierbei angemessen zu berücksichtigen. Es handelt sich nicht nur um Herausforderungen an den Handel, sondern auch und gerade an die Markenhersteller, die die richtigen qualitativen Stellschrauben für ihre Vertriebssysteme bzw. den Vertrieb ihrer Produkte suchen. Angesichts der zum Teil höchst divergierenden Sichtweisen etwa der Monopolkommission, des Bundeskartellamts und auch der Zivil gerichte (in Vertriebs- und Wettbewerbssachen) wäre die Erarbeitung empirischer Erkenntnisse über die tatsächlichen wett- bewerblichen Auswirkungen derartiger Strategien und Maßnahmen und eine daraus abgeleitete Auslegung der Wettbewerbsvorschriften sinnvoll.“

Dr. Reiner Münker – Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied der Wettbewerbszentrale

sen zu unterstützen, sollte deshalb von den politisch Verantwortlichen ein Prüfungsauftrag zu den Wirkungen des E-Commerce auf die Vertikalisie- rung und deren Folgen angestoßen werden.

(22)

WETTBEWERBSPOLITIK 20

Gemäß der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland werden Sonntage als Tage der Arbeitsruhe verstanden. Dabei handelt es sich nicht um ein Grundrecht. Mit der Regelung sollen aber Grundrechte wie zum Beispiel die Religionsfreiheit, das Recht zur Entfaltung der eigenen Persönlichkeit, zum Schutz von Ehe und Familie oder das Recht auf Gesundheitsschutz unterstützt werden. Unter Abwägung auch dieser Rechte kam das Bundes- verfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 01.12.2009 zu einer ver- fassungsrechtlichen Absicherung und Stärkung des Sonntagsschutzes. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Urteil die Gewährleistung rhyth- misch wiederkehrender Tage der Arbeitsruhe in den Mittelpunkt gestellt.

7. Sonntagsöffnungen auf Basis des Regel-Ausnahmeprinzips diskutieren

„Ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufs- stelleninhaber und ein alltägliches Erwerbs interesse (Shopping-Interesse) potenzieller Käufer genügen grund- sätzlich nicht, um Ausnahmen von dem verfassungs- unmittelbar verankerten Schutz der Arbeitsruhe und der Möglichkeit zu seelischer Erhebung an Sonn- und Feier- tagen zu rechtfertigen. Der Sonntagsschutz in der Verfas- sung statuiert jedoch ein Regel-Ausnahme-Verhältnis.“

Prof. Dr. Dres. h.c. Hans-Jürgen Papier

Die verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Sonntagsschutz sind eindeutig.

Es verbleibt dennoch die Frage, inwieweit im Sinne des Regel-Ausnahme- Verhältnisses Möglichkeiten für eine rechtssichere Umsetzung des ver- kaufsoffenen Sonntags geschaffen werden können. Denn schon eine begrenzte Anzahl von Sonntagsöffnungen kann den stationären Handel massiv fördern. Andererseits ist zu hinterfragen, inwieweit partielle Sonn- tagsöffnungen in der Lage sind, vermeintliche Wettbewerbsnachteile des stationären Handels gegenüber dem Online-Handel auszugleichen. In Ber- lin-Brandenburg hat von 2012 bis 2014 ein gemeinsamer Dialog der rele- vanten Akteure zu praktikablen Lösungen geführt.

(23)

WETTBEWERBSPOLITIK 21

„Punktuelle Freigabe von Sonntagen stärkt Innen- städte und Handel. Für die bcsd geht es nicht um die generelle Freigabe des Sonntagsschutzes, sondern vielmehr um die Chance, den verkaufsoffenen Sonntag als eine Besonderheit zu nutzen, bzw. die (Handels-) Attraktivität einer Innenstadt in den Fokus zu rücken.“

Jürgen Block, Geschäftsführer – Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland e. V. (bcsd)

„Bei der aktuellen Diskussion um verkaufsoffene Sonntage sind die rechtlichen Vorgaben zu beachten.

Sofern Ausnahmen der Rechtsprechung entsprechen, wird es wohl zu keinen Klagen kommen. Es gibt keinen rechtlichen Anspruch auf verkaufsoffene Sonntage und die ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft – sieht keine Grundlage über die Rechtsprechung zu verhandeln.“

Bernhard Schiederig, Landesfachbereichsleiter – ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft

„Mehr Sonntagsöffnungen wird es mit ver.di nicht geben. Denn sie lösen keine Probleme, sondern schaffen neue: Die Liberalisierung der Öffnungs- zeiten, auch sonntags, hat prekäre Arbeitsverhält- nisse befördert und den Verdrängungswettbewerb im Handel befeuert – und ist ein Grund, warum Einkaufsvielfalt in den Städten verloren geht. Man muss die Debatte vom Kopf auf die Füße stellen.“

Stefanie Nutzenberger, ver.di Bundesvorstand;

ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft

„Ohne Verkaufsoffene Sonntage wird es der Einzelhandel schwerer als ohnehin schon haben.“

Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer – Handelsverband Berlin-Brandenburg e. V.

„Der Sonntag sollte so weit wie möglich für den stationären Handel freigegeben werden.“

Dr. Marc Zgaga, Geschäftsführer – MITTELSTANDS VERBUND – ZGV e. V.

Im Rahmen der Podiumsdiskussion wurden unterschiedliche Blickrichtungen deutlich.

(24)

WETTBEWERBSPOLITIK 22

Das Instrument der Abmahnung ist in weiten Teilen der Wirtschaft unab- dingbar und essentiell für die Marktbeteiligten. Unterlassungsansprüche und deren Durchsetzung mittels Abmahnung sind hocheffizient für jedes in seinen Rechten verletzte Unternehmen (Wettbewerbsrecht, Marken- recht, UrhR, etc.). Nicht das Instrument der Abmahnung als solches (für das gesamte UWG und andere Gesetze) wird deshalb kritisch betrachtet.

Vertieft zu prüfen sind nur bestimmte Sachverhaltsgestaltungen, bei denen die Abmahnungen missbräuchlich genutzt werden. Für die Prüfung soll der Abmahnmissbrauch wie folgt eingegrenzt werden:

nach Sachverhalt/Medium: Online-Handel

nach Normen/ Vorschriften: Informationspflichten, Formalvorschriften

nach „Täter“ (Abmahner): kleine/mittlere Wettbewerber

kollusiv mit Abmahnanwälten

nach „Opfer“ (Abgemahnter): kleine und mittlere Online-Anbieter Auf der Basis dieser Überlegungen soll ein (Mindest­)Katalog mit den Ver- tretern der Wirtschaftsfachverbände und der Wettbewerbszentrale im Rah- men eines runden Tisches diskutiert werden. In diesen sollen die folgenden Überlegungen bzw. vorgeschlagenen Alternativen einfließen:

8. Regelwerk für Abmahnungen nach dem UWG überarbeiten, um dem Abmahnmissbrauch entgegenzuwirken

Die Kosten für die Durchsetzung des Rechts muss bei dessen Verletzung weiter der Verletzte tragen. Das heißt, es ist am Verursacher-Prinzip fest- zuhalten und die Abwälzung auf Rechtstreue bzw. die Allgemeinheit zu vermeiden.

Strenge Kriterien für die Klagebefugnis aller Verbände sowie eine jährli- che Überprüfung und Zertifizierung. Kriterien der Prüfung und Zertifi- zierung müssen an der Tätigkeit der Verbände ausgerichtet sein und die Kriterien der Klagebefugnis von Verbänden müssten strikter formuliert und im Einzelfall nachprüfbar sein.

(25)

WETTBEWERBSPOLITIK 23

Gezielter Ausschluss der Klagebefugnis bzw. der Anspruchsberechtigung für Mitbewerber bei bestimmten enumerativ aufzuzählenden Rechts- verstößen im Online-Handel (zum Beispiel Informationspflichten). For- mulierung eines abschließenden Katalogs von Verstößen, die nur durch zertifizierte Verbände geahndet werden können.

Alternativ: neue strikte Kriterien der Klagebefugnis für Mitbewerber im Online-Handel für bestimmte Rechtsverstöße (zum Beispiel Informati- onspflichten); d.h. Mitbewerber muss Art und Umfang seiner Vertriebs- tätigkeit sowie Umfang und Inhalt seiner Abmahntätigkeit nachweisen.

Der fliegende Gerichtsstand ist für diese Fälle ausgeschlossen.

Damit wird der Sachverhalt stark eingrenzt und ein gezieltes und spezi- fiziertes Korrigieren von Problemfeldern erlaubt, ohne eine Generalver- änderung vornehmen zu müssen. Die gesetzgeberischen Maßnahmen zur Einschränkung der Abmahnung sollten auch aus strategischen Gründen auf Sachverhalte im Online-Handel und Rechtsverstöße gegen enumera- tiv aufgezählte Formalvorschriften und Informationspflichten beschränkt werden. Nur dann dürften die Reformbestrebungen Aussicht auf Erfolg haben. Die finale Ausgestaltung eines Regelwerkes ist mit der Zusammen- führung aller relevanten Akteursgruppen im Rahmen eines runden Tisches zu diskutieren und festzustellen.

„Durch rechtsmissbräuchliche Abmahnungen durch (vermeintliche) Wettbewerber wird gerade bei Kleinstunternehmen sogar die Existenz

gefährdet.“

Hildegard Reppelmund, Referatsleiterin Wettbewerbsrecht, Kartellrecht, Wirtschaftsstrafrecht – Deutscher Industrie- und Handels kammertag e. V.

(26)

WETTBEWERBSPOLITIK 24

Statement: Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh)

Das Instrument der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung ist zu Recht ein fester Bestandteil im System der außergerichtlichen Streitbeilegung. Die hiermit zweifelsohne verbundenen Vorteile rücken jedoch durch einen zunehmenden Missbrauch dieses Instruments in den Hintergrund. Infolge der stetig zunehmenden formellen Anforderungen und Informations- pflichten, die im Online- und Versandhandel zu beachten sind, wächst die Zahl der Händler, die von professionellen Abmahnvereinen und auf Abmahnungen „spezialisierten“ Rechtsanwälten durch wettbewerbs- rechtliche Abmahnungen angegriffen werden, rasant. Zu beklagen ist eine zwischenzeitlich entstandene regelrechte Abmahnindustrie. Der Gesetz- geber ist aufgerufen, dieser Entwicklung endlich Einhalt zu gebieten, zum

Beispiel durch Abschaffung des sog. fliegenden Gerichtsstands, durch Deckelung von Abmahn- gebühren und Vertragsstrafen und durch Kon- kretisierung der Anforderungen an die zu einer Abmahnung berechtigten Organisationen.

Christoph Wenk-Fischer

Hauptgeschäftsführer Bundesverband

E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh)

(27)

WETTBEWERBSPOLITIK 25

Bestehende Rechtsrisiken bei der Umsetzung bestimmter Informations- pflichten belasten KMU insbesondere im Fernabsatz. Handlungsbedarf besteht beispielsweise bei unbestimmten Rechtsbegriffen, wie zum Beispiel

„wesentliche Eigenschaften“ – (Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB), die eine rechtssichere Umsetzung erschweren.

Unklare oder in der Praxis nicht erfüllbare Vorgaben im Zusammenhang mit der Umsetzung der Verbraucherrechte-Richtlinie führen zu Rechts- unsicherheiten. Risikoprävention kann dann zum Verzicht auf bestimmte Vertriebskanäle und damit auch zu Wettbewerbsverzerrungen führen.

Die Fülle an Informationspflichten erschwert KMU den Einstieg in den Online-Handel und Existenzgründungen in diesem Sektor.

Für mehr Rechtssicherheit werden Umsetzungshilfen für Händler, die Überprüfung von Informationspflichten auf ihre Praxistauglichkeit sowie mehr Zurückhaltung bei neuen Informationspflichten empfohlen.

9. Umsetzungshilfen bereitstellen und Informationspflichten auf Praxistauglichkeit überprüfen

„Eine Vielzahl von Informationspflichten erschweren den Einstieg in den Online-Handel.“

Dr. Nikolaus Lindner, Leitung Leitung für den Bereich Government Relations – eBay

(28)

WETTBEWERBSPOLITIK 26

Im Hinblick auf ein europäisches Level­playing­field sollte vermieden werden, über den Rahmen europäischer Standards bzw. rechtlicher Vorga- ben hinauszugehen.

Datenschutz: Bei der Anpassung der nationalen Datenschutzvorschriften an die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) darf nicht über die europäischen Vorgaben hinausgegangen werden. Die Regulierungsdichte der Datenschutz-Grundverordnung ist so groß, dass kleine und mittelstän- dische Händler eine Anpassung der Geschäftsprozesse daran kaum stem- men können. Nur große Unternehmen können hohe Millionensummen zur Anpassung der Geschäftsprozesse an die Datenschutz-Grundverord- nung bereitstellen. Gleiches gilt bei der Umsetzung der Zweiten Zahlungs- dienste-Richtlinie beispielsweise für Autorisierungsvorgänge von Kassen- zahlungssystemen bzw. Onlinebezahlmöglichkeiten.

Beachtung der Grundsätze der Vertragsabschlussfreiheit: Die EU-Kom- mission diskutiert aktuell regulative Maßnahmen, die mittelbar zu neuen Wettbewerbsverzerrungen führen werden. Beispiele sind die EU-Richt- linien über vertragsrechtliche Aspekte digitaler Inhalte sowie über be- stimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren, das Verbot des Geoblocking und die EU-Richtlinie Barrierefreiheit. Die darin enthaltenen Anforderungen, Onlineshops auf europäischer Ebene barrierefrei zu gestalten oder die

10. Europäische Gesetzgebung 1:1 umsetzen

Händlervorgabe, auch grenzüberschreitende Verträge bzw. solche mit aus- ländischen Staatsangehörigen abzuschließen, führen zu einer erheblichen Mehrbelastung der Händler.

(29)

WETTBEWERBSPOLITIK 27

11. Einheitliche Rechtslage für den On- und Offlinehandel schaffen

In Zukunft werden die Einkaufskanäle im Einzelhandel zunehmend mit- einander vernetzt sein. Deshalb sollten unterschiedliche gesetzliche Rege- lungen jeweils für den On- und Offlinehandel vermieden werden. Eine grundsätzlich einheitliche Rechtslage für die verschiedenen Kanäle führt zudem auch zu weniger Wettbewerbsverzerrung.

„Handlungsbedarf besteht in der Gleichstellung des Onlinehandels mit dem stationären Handel. Beides ist Handel und beides wird teil- weise vom selben Händler unternommen. Daher sind jegliche Arten von Unterscheidungen problematisch bis wettbewerbsrechtlich falsch. Sowohl in der Gesetzesgestaltung bis hin in der Bewertung jeglicher Aktivitäten muss es eine Gleichstellung geben.“

Oliver Prothmann – Präsident des Bundesverbandes Onlinehandel e. V. (BVOH)

„Es ist Aufgabe des Gesetzgebers und der Aufsichtsbehörden für faire Wettbewerbs- bedingungen zu sorgen und eine Begüns- tigung einzelner Vertriebswege zu vermei- den. Soweit differenzierte Kriterien für den Online- und stationären Handel aufgestellt werden, muss die Differenzierung im unter- schiedlichen Wesen der Vertriebswege begründet sein.“

Dr. Peter Jens Schröder, Bereichsleiter für Recht und Ver- braucherpolitik – Handelsverband Deutschland (HDE)

(30)

WETTBEWERBSPOLITIK 28

Definitionen

Von Preisbindungen der zweiten Hand wird gesprochen, wenn der Lieferant den Abnehmer in seiner Freiheit bei der Festsetzung von Ver- kaufspreisen oder in der Rabattgestaltung hinsichtlich der Vertragswaren beschränkt. Dabei geht es Herstellern zum Beispiel darum, zu verhindern, dass Markenprodukte im Internet zu günstigeren Preisen als im stationä- ren Handel angeboten werden.

Doppelpreissysteme liegen vor, wenn einem Händler unterschiedliche Einkaufspreise bzw. unterschiedliche Rabatte gewährt werden, je nachdem ob er sein Produkt online, über den stationären Handel oder hybrid ver- kauft. Durch geringere Rabatte und damit höhere Einkaufspreise wird häu- fig der Absatz über das Internet schlechter gestellt.

In selektiven Vertriebssystemen verkaufen Hersteller ihre Produkte aus- schließlich an ausgewählte Vertragshändler, die bestimmte vom Hersteller vorgegebene Qualitätsmerkmale erfüllen. Selektive Vertriebssysteme kom- men beispielsweise bei Luxusgütern wie Uhren oder Kosmetik vor.

Plattformverbote liegen vor, wenn Hersteller den Händlern untersagen über bestimmte Plattformen, vor allem Marktplätze, zu verkaufen. Die kartellrechtliche Zulässigkeit solcher Verbote ist hoch umstritten; sie sind jedoch im Rahmen selektiver Vertriebssysteme recht weit verbreitet.

(31)

29

Datenschutz in Europa

IFH Institut für Handelsforschung GmbH (2015): Perspektiven für den Datenschutz in Europa aus der Sicht der Verbraucher und des (elektronischen) Handels

Digitale Agenda 2014 – 2017

Bundesministerium (2014): Digitale Agenda 2014 – 2017.

https://www.digitale-agenda.de/Content/DE/_Anlagen/2014/08/2014-08-20-digitale-agenda.pdf?__blob= publication-File&v=6

Digital Pricing

dmc commerce consultants GmbH (2015): Digital Pricing – Wie Hersteller der Preiserosion im Online-Handel entgegenwirken können.

http://www.quinta-consulting.de/wp-content/uploads/2015_02_02_ Publikation_Digital_Pricing_final.pdf

EU Sektoruntersuchung

Europäische Kommission (2016): Commission staff working document – Preliminary Report on the E-commerce Sector Inquiry.

http://ec.europa.eu/competition/antitrust/sector_inquiry_preliminary_report_ en.pdf

IT-Strategie – Digitale Agenda für Deutschland

BITKOM (2014): IT-Strategie – Digitale Agenda für Deutschland – Deutschland zum Digitalen Wachstumsland entwickeln.

https://www.bitkom.org/noindex/Publikationen/2014/ Positionen/BITKOM-legt-IT-Strategie-vor/BITKOM-IT-Strategie.pdf

Weiterführende Literatur

(32)

30 WEITERFÜHRENDE LITERATUR

Ladenöffnung: Leitsätze zum Urteil des Ersten Senats vom 1. Dezember 2009

Bundesverfassungsgericht, Urteil des Ersten Senats vom 01. Dezember 2009 – 1 BvR 2857/07 – Rn. (1-196).

Preisbindungsverbot im Bereich des stationären Lebensmitteleinzelhandels

Bundeskartellamt (2017): Hinweise zum Preisbindungsverbot im Bereich des stationären Lebensmitteleinzelhandels.

https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Diskussions_Hintergrundpapier/Konsultation_Hinweispapier%20Preisbindung%20im%20 Lebensmitteleinzelhandel.pdf?__blob=publication File&v=6

Selektive Vertriebsbeschränkungen im Online-Handel

Bundesverband Online-Handel e.V. (BVOH) (2014): Infografik: Selektive Vertriebsbeschränkung im Online-Handel.

http://bvoh.de/infografik-selektive-vertriebsbeschraenkung-im-Online-Handel/

Vertikale Beschränkungen

Bundeskartellamt (2013): Vertikale Beschränkungen in der Internetökonomie Tagung des Arbeitskreises Kartellrecht.

https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Diskussions_Hintergrundpapier/Bundeskartellamt%20-%20Vertikale%20 Beschr%C3%A4nkungen%20in%20der%20Internet%C3% B6konomie.pdf?__blob=publicationFile&v=2

Europäische Kommission (2010): Leitlinien für vertikale Beschränkungen.

http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2010:130:0001:0046:DE:PDF

Vertikale Bindungen in der Lieferkette (HDE-Positionspapier)

Handelsverband Deutschland (HDE) (2015): HDE-Positionspapier Vertikale Bindungen in der Lieferkette.

http://www.einzelhandel.de/index.php/themeninhalte/recht/item/125063-positionspapier-%E2%80%9Evertikale-bindungen-in-der-lieferkette%E2%80%9C

(33)

31 WEITERFÜHRENDE LITERATUR

Wettbewerbspolitik in digitalen Märkten aus Verbrauchersicht

Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. vzbv (2015): Wettbewerbspolitik in digitalen Märkten aus Verbrauchersicht – Einschätzung des „Sondergutachten 68 der Monopolkommission „Wettbewerbspolitik: Herausforderung digitale Märkte“.

http://www.vzbv.de/sites/default/files/downloads/Monopolkommission_Sondergutachten-Einschaetz ung_vzbv-2015-08-28.pdf

Wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von Meistbegünstigungsklauseln

Hamelmann/ Haucap, Wey (2015): Die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von Meistbegünstigungsklauseln auf Buchungsplattformen am Beispiel von HRS.

http://dupress.de/fileadmin/redaktion/DUP/ Info_PDFs/Reihen/Wirtschaftswissenschaften/DICE_OP/072_OP_Hamelmann_Haucap_Wey.pdf

(34)

32

Verweise

i Das Bundeskabinett hat am 28. September 2016 einen vom BMWi vorgelegten Entwurf für die 9. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschrän- kungen (GWB) verabschiedet. (https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/Gesetz/entwurf-eines-neunten-gesetzes-zur-aenderung-des- gesetzes-gegen-wettbewerbsbeschraenkungen.html).

ii Informationen sowie den aktuellen Gesetzesentwurf zum Drittes Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes (neues WLAN-Gesetz – 3. TMGÄndG) sind unter folgendem Link abrufbar: http://dipbt.bundestag.de/dip21.web/bt?rp=http://dipbt.bundestag.de/dip21.web/searchDocuments/simple_

search.do?nummer=276/17%26method=Suchen%26herausgeber=BR%26dokType=drs

iii Das Bundeskartellamt hat den Entwurf eines Hinweispapiers zu Fragen des Preisbindungsverbots im Rahmen des Lebensmitteleinzelhandels veröffentlicht. Abrufbar unter folgendem Link: https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Diskussions_Hintergrundpapier/

Konsultation_Hinweispapier%20Preisbindung%20im%20Lebensmitteleinzelhandel.pdf?__blob=publicationFile&v=6

iv Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) wurde in den letzten Jahrzehnten wiederholt an veränderte marktwirtschaftliche Gegeben- heiten angepasst. Zuletzt hat das Bundeskabinett am 28. September 2016 einen vom BMWi vorgelegten Entwurf für die 9. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verabschiedet, die das deutsche Wettbewerbsrecht an das Zeitalter der Digitalisierung anpassen soll. Vertiefende Informationen über die 9. GWB-Novelle sind über den Link https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Wirtschaft/gwb-novelle.html abrufbar. Der Entwurf des Neunten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen steht über den Link (https://www.bmwi.de/Redaktion/

DE/Downloads/Gesetz/entwurf-eines-neunten-gesetzes-zur-aenderung-des-gesetzes-gegen-wettbewerbsbeschraenkungen.html) zum Download zur Verfügung.

(35)

www.bmwi.de

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Damit auf der anderen Seite die Marktmacht einzelner Leistungsanbieter in be- stimmten Regionen nicht zu groß wird, spricht sich die Monopolkom- mission dafür aus, die Zuständigkeit

Norbert Zösch, Geschäftsführer des Stadtwerks Haßfurt Stefan Degener, Geschäftsführer von First Solar Europa Oliver Finus, Deutsche Umwelthilfe.

als auch in Deutschland positiv (+10 bzw. Erwartungsgemäß musste auch der Kfz-Handel in den beiden ersten Monaten des Jahres 2021 Umsatzverluste in zweistelligem Bereich

In dieser Stunde begreifen die Schüler, dass Wettbewerbsverstöße zwar für Unternehmen sowohl Vor­ als auch Nachteile mit sich bringen können, für Verbraucher jedoch in jedem

Intention Die Schüler erkennen, dass das Bundeskartellamt in Deutschland die wichtigste Instanz für die Sicherung des funktionierenden Wettbewerbs ist.. Materialien M

In the digital world access to correct data becomes critical for the innovation of new business models to satisfy customer need for transparency, better understanding of the energy

Über relative Marktmacht verfügt ein Unternehmen hingegen, wenn einzelne andere Unternehmen von ihm in einer Weise abhängig sind, dass keine ausreichenden und zumutbaren

Für die Qualität einer Wett- bewerbspolitik ist jedoch nicht entscheidend, ob sie durch einen Missbrauchs- oder Ver- botsansatz geprägt ist.. In der Grundregel für