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Zu M. Heepe's Aufsatz
über Probleme der Bantusprachforschung
(ZDMG., Bd. 74, S. 1 ff.).
Von Carl Meinhof.
In seinem diesen Band der ZDMG. eröffnenden Aufsätze über
Probleme der Bantusprachforschung hatM. Heepe meine Konstruktion des Urbantu einer eingehenden Kritik unterzogen und an ihrer Stelle
eine neue und, wie er glaubt, klarere und besser begründete Auf-
6 fassung des Urbantu zu geben versucht. Ich kann seinen Dar¬
legungen nicht beistimmen , da die von ihm aufgestellten Behaup¬
tungen zumeist dem Tatbestand widersprechen, so weit er mir
bekannt ist.
Besonders habe ich zu den von ihm als Ergebnissen seiner
10 Untersuchung bezeichneten Sätzen folgendes zu bemerken :
1. Da in allen bekannten Bantusprachen nd aus l oder einem
ähnlichen Laut entsteht, ist für das Urbantu das Lautgesetz n -\-l
> nd und nicht wie Heepe will, n -\- d nd anzusetzen, d als
Entsprechung für den hier in Betracht kommenden Grundlaut ist
•6 nirgend nachzuweisen. Die rein oralen Mediä sind im Bantu hand¬
greiflich spätere Bildungen und manchen Bantusprachen heute
noch fremd.
2. Daß die ursprünglichen Frikativlaute durch vortretenden
Nasal explosiv werden , ist allgemeines Lautgesetz des Bantu und
80 hat Analogien auch in andern Sprachen. Es erklärt sich aus der
Verschlußbildung beim Nasal, die sich auf den folgenden Laut
überträgt.
3. Die von H. gegebene Erklärung der .schvjeren" Vokale ist
falsch, j'-f-e gibt niemals .schweres' i, sondern stets langes i,
86 M -|- M gibt niemals .schweres' m, sondera stets langes u. Ein Bei¬
spiel für das von ihm behauptete Gesetz hat er nicbt erbracht und
kann er nicht erbringen.
4. Es ist nicht richtig, daß nur i die vorhergehenden Laute
beeinflußt. Auch m verändert z. B. im Suaheli davorstehende Laute,
so wie jedem Anfänger im Suaheli bekannt sein muß und H. natür¬
lich auch bekannt ist. Auch in andern Sprachen ist die Verände-
Meinhof, Zu M. Heepe's Aufs. üb. Probl. der Batusprachforseh. 297
rung der Konsonanten durch silbisches und unsilbisches u einwand¬
frei nachzuweisen.
Ich würde meiner sonstigen Gewohnheit entsprechend auf diese
Kritik nicht erwidert haben , wenn Herr Privatdozent Dr. Heepe
sich nicht als meinen Schüler bezeichnete und an dem mir unter¬
stellten Seminar für Afrikanische und Südseesprachen beschäftigt
wäre. Es könnte also der Irrtum entstehen, als wäre ich mit seinen
Darlegungen oder auch der von ihm befolgten Methode irgendwie
einverstanden. Dies ist nicht der Fall. Da der Umfang dieser Zeit¬
schrift mir eine vollständige Entgegnung, die ich im Interesse der
ungestörten Weiterarbeit für notwendig halte, nicht gestattet, werde ich mich in der „Zeitschrift für Eingeborenensprachen" ausführlicher
zur Sache äußern und bitte die Leser dieser Zeitschrift, so weit
es sie angeht, das Weitere dort nachzulesen.
Hamburg, im Januar 1920.
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Anzeigen.
E. La oust, Mots et choses berbh-es. Notes de linguistique
et d'ethnographie , dialectes du Maroc. Ouvrage iUustrS
de 112 gravures ou croquis et 4 planches hors texte. Paris,
1920. Großoktav, XX, 531 S.
.■i E. Laoust veröffentlichte 1912: ,Etude sur le dialecte berböre
du Chenoua, compar6 avec ceux des Beni-Menacer et des Beni-
Salah' (199 S.). 1913 als Lehrer des Berberischen an die höhere
Schule von Babat berufen, widmete er sich mit besonderem Eifer
dem Studium der berberischen Mundarten des südlichen und mitt¬
le leren Marokko; als Frucht davon erschien 1918: ,Etnde sur le
dialecte berböre des Ntifa" (446 S.). Ihr ist nun das vorliegende
noch umfangreichere Werk gefolgt, das einen Markstein in der
Geschichte der berberischen Sprach- und Volkskunde bilden wird.
Sein Hauptwert liegt in der Darbietung einer ungemein großen
15 Menge neuen Stoffes. Der Grundriß ist, wie es unsern heutigen
wissenschaftlichen Bedürfnissen entspricht, der eines Sachenwörter¬
buchs. In zehn Kapiteln werden Wohnung, Hausrat, Nahrung usw.
behandelt; an die Wortverzeichnisse, die zuerst die Substantive,
dann die Verben bringen, schließen sich beschreibende Teste (mit
«0 und ohne Übersetzung) an , denen vielfach bildliche Erlänterungen beigegeben sind ; unter den Wortverzeichnissen stehen Anmerkungen,
die — leider in zu engem Druck — den größten Teil der Seite
einnehmen. Sie enthalten das Wichtigste für den Sprachforscher.
Laoust hat zu den von ihm ermittelten Wortformen des marok-
26 kanischen Berberisch die schon bekannten des gesamten berberischen
Gebietes verglichen. Dazu bemerkt er selbst in der Vorrede: ,je
me snis attache ä suivre le mot moins dans les deformations phone¬
tiques qu'il subit k travers les parlers que dans l'övolution de ses
differentes acceptions. En cela reside, je crois, l'originalitö de mon
ao travail.' Ich glaube, das ist etwas anders zu verstehen als es aus¬
gedrückt ist. Die Lautgeschichte muß natürlich im Hintergrund
stehen so lange nicht die Wörter miteinander in Übereinstimmung
gebracht sind; auch um die Bedeutungsgeschicbte handelt es sich
nicht in erster Linie , sondem um die Bezeichnungsgeschichte —
3.^; mit andern Worten : es kommt Laoust vor allem auf die Zu¬
sammenstellung von Synonymen an und die ist ja eben die eigent-