Statistische Mechanik, SS21: ¨ Ubung 6
Abgabefrist: Mi., 2. Juni 2021, 8:00 a.m.
Besprechung: Fr., 4. Juni 2021
Bsp. 1: Ising-Modell in einer Dimension
16 Punkte Der Hamiltonian des ferromagnetischen Ising-Modells ist gegeben durch
H =−X
i
Bσi−X
{i,j}
J σiσj , (1)
hierbei ist σi =±1der Spin-Operator an Position i, B das ¨außere Magnetfeld und J >0die Spin-Wechselwirkung. Die Summe l¨auft ¨uber alle n¨achste-Nachbar-Paare {i, j}.
(a) Berechnen Sie die Zustandssumme des 1D Ising-Modells ohne ¨außeres Magnetfeld im thermodynamischen Limes N → ∞ mit freien Randbedingungen. Damit ist gemeint, dass der einzige Wechselwirkungsterm der σ1 enth¨alt−J12σ1σ2 ist und der einzige Term, der σN enth¨alt −JN−1,NσN−1σN ist.
L¨osung
Mit den gegeben Randbedingungen ist der Hamiltonian H =−
N−1
X
i=1
J σiσi+1 (2)
mit B = 0. In der Zustandssumme Z =X
σ1
X
σ2
· · ·X
σN
eβJ σ1σ2eβJ σ2σ3. . . eβJ σN−1σN (3) wird f¨ur jede Positioni ¨uber σi =±1 summiert, wobei jede Summe ¨uber σi unabh¨angig ist. Zus¨atzlich haben wir die Summe in der Exponentialfunktion als Produkt geschrieben.
Nun betrachten wir die Summe ¨uber σN. Der einzige Faktor, wo σN auftaucht, ist eβJ σN−1σN. Diese Summe ist dann
X
σN=±1
eβJ σN−1σN =eβJ+e−βJ = 2 coshβJ , (4) wobei wir ausnutzen, dass dieses Ergebnis unabh¨angig davon gilt, ob σN−1 = +1 oder σN−1 =−1 ist. Als Zwischenergebnis erhalten wir
Z =X
σ1
X
σ2
· · · X
σN−1
eβJ σ1σ2eβJ σ2σ3. . . eβJ σN−2σN−12 cosh(βJ) (5)
und stellen fest, dass wir dieses Vorgehen solange wiederholen k¨onnen, bis wir Z =X
σ1
(2 cosh(βJ))N−1 = 2N(cosh(βJ))N−1 (6) erhalten. Im Limes N → ∞kann die Zustandssumme dann als
Z ≈(cosh(βJ))N (7)
geschrieben werden.
(b) Berechnen Sie die mittlere innere Energie E und skizzieren SieE als Funktion der Tem- peratur T. Wie verhalten sich die Spins f¨ur T →0und T → ∞?
L¨osung
Die mittlere innere Energie ist E =− ∂
∂β lnZ =−N ∂
∂β ln (cosh(βJ)) =−N Jtanh(βJ). (8) F¨ur T →0ist βJ 1 und f¨ur T → ∞ ist βJ 1. In diesen Grenzf¨allen ist
tanh≈ (eβJ
eβJ = 1 βJ 1
1+βJ−1+βJ
1+βJ+1−βJ =βJ βJ 1 (9)
und die innere Energie ist dann
E ≈ − J
kBT ≈0 f¨urT → ∞ (10)
und
E ≈ −N J f¨ur T →0. (11)
Die Skizze dazu ist:
0 J/kb
TemperaturT 0
−N J
MittlereinnereEnergieE
(c) Betrachten wie nun das 1D Ising-Modell mit periodischen Randbedingungen σN+1 =σ1
mit endlichem externem Magnetfeld. Zeigen Sie, dass die Zustandssumme durch Z = X
σ1=±
X
σ2=±
· · · X
σN=±
Vσ1σ2Vσ1σ2. . . VσNσ1 = Tr(VN) , (12)
gegeben ist, wobei die Vσiσj die Matrixelemente von V =
V++ V+−
V−+ V−−
=
eβ(J+B) e−βJ e−βJ eβ(J−B)
(13) sind und mit
Tr(VN) = X
σ1=±
(VN)σ1σ1 (14)
die Spur gemeint ist.
Hinweis: Vσiσj = exp 12βB(σi+σj) +βJ σiσj L¨osung
Wie in Aufgabenteil (a) besteht die Zustandssumme aus den Summen ¨uber alle σi Z =X
σ1
· · ·X
σN
eβB(σ1+σ2+···+σN)eβJ(σ1σ2+σ2σ3+···+σNσ1), (15) allerdings ber¨ucksichtigen wir nun das Magnetfeld B und den Kopplungsterm −J σnσ1. Durch umsortieren der Argumente der Exponentialfunktion erhalten wir
Z =X
σ1
· · ·X
σN
eβB2 (σ1+σ2)+βJ σ1σ2
| {z }
Vσ1σ2
. . . eβB2 (σN+σ1)+βJ σNσ1
| {z }
VσN σ1
(16) und haben die Matrixelemente von V identifiziert, wie wir durch Vergleich mit Gl. (13)
¨uberpr¨ufen k¨onnen. Nun betrachten wir wieder wie in Aufgabenteil (a) die einzelnen Summen beginnend bei der Summe ¨uber σN:
Z =X
σ1
· · · X
σN−1
Vσ1σ2. . . VσN−2σN−1X
σN
VσN−1σNVσNσ1
| {z }
(V2)σN−1σ1
. (17)
Die Summe ¨uberσN entspricht genau der Definition der Matrixmultiplikation. Wir f¨uhren dieses Vorgehen fort, bis
Z =X
σ1
VN
σ1σ1 = Tr VN
, (18)
wo wir die Definition der Spur, die auch in Gl. (14) gegeben ist, erkennen.
(d) Die Spur einer Matrix ist invariant unter ¨Ahnlichkeitstransformationen, d.h. Tr(V) = Tr(P−1V P), f¨ur beliebige invertierbare Matrizen P. Damit kann man die Spur einer Ma- trix durch summieren ihrer Eigenwerte berechnen. Berechnen Sie die Eigenwerte von V und dr¨ucken Sie damit die Zustandssumme aus. Vergleichen Sie im Fall ohne externes Magnetfeld B = 0 mit der Zustandssumme des Ising-Modells mit freien Randbedingun- gen.
Hinweis: f¨ur N → ∞dominiert der gr¨oßte Eigenwert.
L¨osung
Wir berechnen die Eigenwerte λ der Matrix V 0 = det(V −1λ)
= det
eβ(J+B)−λ e−βJ e−βJ eβ(J−B)−λ
(19)
= eβ(J+B)−λ
eβ(J−B)−λ
−e−2βJ (20)
=λ2−λ eβ(J+B)+eβ(J−B)
+eβ(J+B)+β(J−B)
−e−2βJ (21)
=λ2−λ2eβJcosh(βB) + 2 sinh(2βJ) (22) und erhalten zwei L¨osungen der quadratischen Gleichung
λ± =eβJcosh(βB)± q
e2βJcosh2(βB)−2 sinh(2βJ) (23) Die Eigenwerte der Matrix VN sind dann λN±. Die Spur und damit die Zustandssumme ist
Z =λN+ +λN− (24)
=
eβJcosh(βB) + q
e2βJcosh2(βB)−2 sinh(2βJ) N
+
eβJcosh(βB)− q
e2βJcosh2(βB)−2 sinh(2βJ) N
. (25)
Jetzt setzen wir B = 0, wodurch sich die Zustandssumme zu Z =
eβJ +p
e2βJ−2 sinh(2βJ)N
+
eβJ −p
e2βJ −2 sinh(2βJ)N
(26)
=
eβJ +p
e2βJ−e2βJ+e−2βJN
+
eβJ −p
e2βJ−e2βJ+e−2βJN
(27)
= eβJ+eβJN
+ eβJ−eβJN
(28)
= (2 cosh(βJ))N + (2 sinh(βJ))N (29)
vereinfacht. Im Vergleich zum Ergebnis aus Aufgabenteil (a) haben wir also den zus¨atzlichen Term (2 sinh(βJ))N. Im thermodynamischen Limes dominiert jedoch der gr¨oßere Term (2 cosh(βJ))N.
(e) Berechnen Sie die freie Energie pro Spin f(β, B) = limN→∞ 1
NF(β, B) und die Ma- gnetisierung pro Spin m(β, B). Skizzieren Sie m(β, B) als Function von h f¨ur einige Temperaturen. Gibt es eine spontane Magnetisierung?
Hinweis: Zeigen Sie, dass f¨ur N → ∞ der gr¨oßte Eigenwert dominiert.
L¨osung
Wir wollen zuerst zeigen, dass der gr¨oßte Eigenwert dominiert und betrachten dazu die freie Energie
F =−1
βlnZ =−1
βln(λN+ +λN−). (30) Der Eigenwertλ+ist der gr¨oßere der beiden Eigenwerte. Durch Ausklammern des Faktors λN im Logarithmus ist
F =−1
βln λN+ 1 + λ−
λ+
N!!
(31)
=−N
β lnλ+− 1
βln 1 + λ−
λ+ N!
(32)
N→∞
→ −N
β lnλ+, (33)
wobei wir im letzten Schritt verwenden, dass λλ−
+ <1. Pro Spin ist die freie Energie f(β, B) = −1
β lnλ+ (34)
und die Magnetisierung
m(β, B) = − ∂
∂B(βf(β, B)) = ∂
∂Blnλ+ (35)
= βeβJsinhβB q
e2βJcosh2(βB)−2 sinh(2βJ)
(36)
Die Skizze zur Magnetisierung
0 MagnetfeldB 0
Magnetisierungm(β,B)
Zunehmende TemperaturT
zeigt, dass sie mit zunehmender Temperatur schw¨acher wird und dass es keine spontane Magnetisierung gibt, da nur f¨ur B 6= 0 auch m(β, B)6= 0.
Bsp. 2: Spontane Symmetriebrechung in der Teilchenphysik
9 Punkte Betrachten Sie ein komplexes Skalarfeld φ(x) =φ1(x) +iφ2(x) mit dem Lagrangian
L= Z
d3r[(∂µφ)∗(∂µφ)−V(φ∗φ)] , (37) der ein Potential der Form
V(φ∗φ) =µ2(φ∗φ) +λ(φ∗φ)2 (38) besitzt.
Der mathematische Formalismus in dieser Aufgabe ist identisch zu dem f¨ur die Beschreibung des ferromagnetischen Phasen¨ubergang im xy-Spin-Gitter verwendeten.
Das komplexe Skalarfeldφ(x)ist ¨aquivalent zur Magnetisierung pro Spinm(~~ r) = (mx(~r), my(~r)) und der Lagrangian L entspricht der Landau-Ginzburg freien Energie F.
(a) Zeigen Sie, dass der Lagrangian invariant unter der Transformation φ → eiαφ ist, mit α unabh¨angig von den Koordinaten. Im Spin-Modell entspricht das einer Drehung der Magnetisierung ¨uberall in der xy-Ebene um denselben Winkel α.
L¨osung. Das Pontential h¨angt nur vom Betrag|φ|, jedoch nicht von der Phase ab. Der kinetische Term verh¨alt sich wie folgt.
∂µ(eiαφ)∂µ(e−iαφ∗) = eiα(∂µφ)e−iα(∂µφ∗) = (∂µφ)(∂µφ∗) (39)
(b) F¨ur die Wahl λ > 0 skizzieren Sie das Potential als Funktion von |φ| f¨ur sowohl µ2 >0 als auchµ2 <0. Wo ist das Minimum? Skizzieren Sie ¨Aquipotentiallinien in derφ2 vs.φ1 Ebene. Im Spin-Modell entspricht der Fallµ2 >0der ungeordneten Phase ohne spontane Magnetisierung, w¨ahrend µ2 <0 der geordneten Phase entspricht.
L¨osung. Im Minumin muss die Ableitung des Pontentials verschwinden.
∂V
∂|φ| = 2|φ|(2λ|φ|2+µ2) = 0 (40) Das Minumin liegt also bei
|φ|= (0
q
−µ2λ2 (41)
|φ| V
µ2 >0 µ2 <0
(c) Definieren wir den “Vakuumerwartungswert”v = |φ| ausgewertet am Minimum des Po- tentials. F¨ur µ2 < 0, dr¨ucken Sie das Feld als φ(x) = (v + √1
2ρ(x)) eia(x)/(
√
2v) aus, hier sind ρ(x) und a(x) reelle Skalarfelder. Schreiben Sie den Lagrangian als Funktion von ρ und a. Wie ist die Masse von ρ? Wie ist die Masse von a? ¨Andert sich der Lag- rangian unter der “Verschiebungssymmetrie”a(x) →a(x) +δ? Im Spin-Modell ist diese Verschiebungssymmetrie Ausdruck davon, dass in der geordneten Phase die spontane Ma- gnetisierung in jede Richtung der xy-Ebene zeigen kann. Es gibt keinen Grund daf¨ur, dass eine Vorzugsrichtung existiert.
Hinweis: im Lagrangian hat der Masseterm f¨ur ρ die Form −12m2ρρ2(x). Wir verwenden θ =a/√
2v und v = q−µ2
2λ . Einsetzen in den kinetischen Term ergibt
Lkin = (∂µφ)∗(∂µφ) (42)
= 1
√2(∂µρ)eiθ +
v + ρ
√2
eiθi∂µθ
(43)
× 1
√2(∂µρ)e−iθ−
v + ρ
√2
e−iθi∂µθ
(44)
= 1
2∂µρ∂µρ+
v+ ρ
√2 2
∂µθ∂µθ (45)
= 1
2∂µρ∂µρ+v2∂µθ∂µθ+√
2vρ∂µθ∂µθ+1
2ρ2∂µθ∂µθ (46)
= 1
2∂µρ∂µρ+1
2∂µa∂µa+ 1
√2vρ∂µa∂µa+ 1
4vρ2∂µa∂µa (47) Das Pontential
V =µ2
v+ 1
√2ρ 2
+λ
v+ 1
√2ρ 4
(48)
=λv4+µ2v2+√
2v 2v2λ+µ2 +
3λv2+ µ2 2
ρ2 +√
2λvρ3+ λ
4ρ4 (49) Die Masse des ρ Feldes ist
m2ρ= 2
3λv2+µ2 2
= 2
−3λµ2 2λ + µ2
2
=−µ2 >0 (50) w¨ahrend a masselos ist ma= 0. Daher ¨andert sich nichts f¨ur a→a+δ.
(d) F¨ugen wir nun den folgenden Masseterm zum Potential hinzu:
1
2m2aa(x)2 . (51)
Zeichnen Sie die Position des Minimums in der φ2 vs.φ1 Ebene. Ist der Lagrangian unter der Transformationa(x)→a(x) +δinvariant? Im analogen Spin-Problem ist dieser Term
¨aquivalent zu einem externen Magnetfeld. Der Spin wird sich entlang des Magnetfeldes ausrichten, d.h. es gibt eine Vorzugsrichtung.
L ¨andert sich nun unter der Transformation a →a+δ.
φ1
φ2