Kapitel 4 Differ entialgleichungen
Differentialgleichungssystemesindsoziemlichdaswichtigstemathe- matischenHilfsmittelderNaturwissenschaftenundderTechnik.Die dahinterstehendeGrundideeisteinfach:Mankannzwarnurseltena priorisagen,wiesicheinSystem¨ubereinenl¨angerenZeitraumhin- wegentwickelnwird,abermanhatoftaufgrundvonNaturgesetzeneine klareVorstellung¨uberdieZustands¨anderungimn¨achstenAugenblick, d.h.also¨uberdenWertderzeitlichenAbleitungderZustandsgr¨oßenin Abh¨angigkeitvomgegenw¨artigenZustanddesSystems.§ 1: Definitionen und erste Beispiele
a)Wurfparabel EineinfachesBeispielhierf¨urliefertdaszweiteNEWTONscheGesetz, wonachdiezeitlicheAbleitungdesImpulseinesTeilchensgleichder aufdasTeilchenwirkendenKraftist. EinindieLuftgeworfenerGegenstandbewegtsichuntergewissenBe- dingungenn¨aherungsweiseaufeinerparabelf¨ormigenBahn.Wirwollen dieseetwasvageAussagepr¨azisierenundmathematischherleiten. EsgibtvieleWurftechniken,undnurwenigedavonk¨onnenaufeinfa- cheWeisedurcheinmathematischesModellbeschriebenwerden;wir ignorierendaherdengenauenVorgangdesAbwurfsundgehendavon aus,daßderGegenstandirgendwieeineAnfangsgeschwindigkeiter- reichthatimAbwurfpunktmitKoordinaten(
0
0
0);denZeitpunkt desAbwurfsbezeichnenwirmit
0.
Kap.4:Differentialgleichungen
Alsn¨achstesnehmenwiran,daßwirdenLuftwiderstandvernachl¨assi- genk¨onnen,eineAnnahme,diebeimKugelstoßenkaumzuFehlern f¨uhrt,dieaberbeispielsweisef¨ureinenFallschirmspringer(auchmit geschlossenemFallschirm)odereinenPapierfliegerv¨olligunrealistisch ist.Alsn¨achsteswollenwirauchnochannehmen,daßwirnurrela- tivgeringeWurfh¨ohenerreichen,sodaßdieErdanziehungalskonstant angenommenwerdenkann. DieBewegungdesGegenstandeswirddanndurchzweiNaturgesetze bestimmt:DasGravitationsgesetzbeschreibtdenEffektderErdanzie- hung,unddaszweiteNEWTONscheGesetzsagtuns,wiesichdieseKraft aufdieBewegungdesGegenstandsauswirkt.DieGravitationk¨onnen wiraufgrunddergemachtenAnnahmenalskonstantannehmen,d.h.auf einenK¨orperderMasse
wirktdieKraft
,wobei
98
2 dieGravitationsbeschleunigunganderErdoberfl¨acheist;bei ”¨ublicher“ AusrichtungdesKoordinatensystemswirktsieinRichtungdernegativen -Achse.DieseGravitationskraftistnachdemzweitenNEWTONschen GesetzgleichderAbleitungdesImpulsesnachderZeit;wennwirdie Masse
alskonstantvoraussetzen,istdasalsogleich
malderAblei- tungderGeschwindigkeitoder
malderzweitenAbleitungdesOrts. WirhabensomitdasDifferentialgleichungssystem ¨ ( )=0¨ ( )=0und¨ ( )=
. DieseGleichungensinderf¨ullt,wannimmer
(
)und
(
)lineareFunk- tionenvon
sindund
(
)einequadratischeFunktionmitf¨uhrendem Koeffizienten
.DiesechsnochfehlendenKoeffizientendieserdrei PolynomfunktionengebenunsdieAnfangsbedingungen:ZumZeit- punkt
=
0ist ( 0)=
0
(
0)=
0und
(
0)=
0, unddieGeschwindigkeitist
,d.h. ( 0)=
1
(
0)=
2und
(
0)=
3. Alsoist ( )=
1(
0)+
0
(
)=
2(
0)+
0 und ( )=
(
0)2 +
3(
0)+
0.
H¨ohereMathematikIIWS2002/2003 DieseGleichungenbeschreibeninderTatfastimmereineParabel:Falls wirdie
-AchsedesKoordinatensystemssow¨ahlen,daßdieAnfangs- geschwindigkeit
inder(
)-Ebeneliegt,ist
2=0.Fallsauch
1 verschwindet,fallswirdenGegenstandalsosenkrechtnachoben(oder garunten)werfen,sind
(
)=
0und
(
)=
0konstantundnur ( )=
(
0)2 +
3(
0)+
0 h¨angtvonderZeitab.Andernfallsk¨onnenwirdurch
1dividieren;wir erhalten
0=
(
)
0 1und
(
)=
1
( )
0
2 +
3 1
( )
0
+
0, diePunkte
( )
(
)
liegenalsoinderTataufeinerParabel. b)RadioaktiverZerfall DasgeradedurchgerechneteBeispielwarinsofernuntypischf¨urDif- ferentialgleichungen,alsaufdenrechtenSeitederGleichungennur Konstantenstanden;¨ublicherweisewirdmandortFunktionenerwarten, dienichtnurvon
abh¨angen(sodaßmaneinfachintegrierenkann), sondernauchnochvondengesuchtenFunktionen.Beimradioaktiven Zerfalletwaistdiepro(kleiner)ZeiteinheitzerfallendeMasseproportio- nalzurnochvorhandenenMasse,esgibtalsoeineKonstante
0,die sogenannteZerfallskonstante,sodaßdiezumZeitpunkt
vorhandene Masse
(
)derGleichung ( )=
( ) gen¨ugt–zumindest,wenndieseMassehinreichendgroßist.(Imatoma- renBereichmußmanauchstatistischeEffekteber¨ucksichtigen,aberab etwa1010 Atomenk¨onnendief¨urallepraktischenF¨allevernachl¨assigt werden.) WirkennenbereitseineFunktion,diesichsoverh¨alt,wieesdieobi- geDifferentialgleichungangibt,n¨amlichdieExponentialfunktion
, undnat¨urlichentsprichtauchf¨urjedeskonstanteVielfachedieserFunk- tiondieDifferentiationeinfachderMultiplikationmit
.Dassinddann aberbereitsalleFunktionenmitdieserEigenschaft,dennderQuotient ( )=
(
)
=
(
)
Kap.4:Differentialgleichungen
einerL¨osungsfunktionundderFunktion
hatdieAbleitung ( )=
( )
+
(
)
=
( )
+
( )
=0, istalsogleicheinerKonstanten
,sodaß ( )=
ist.Indemwir
=0setzen,sehenwir,daßdieKonstante
=
(0) gleichderzumZeitpunkt0vorhandenenMasseist;fallswirstattdessen dieMasse
0=
(
0)zueinemanderenZeitpunkt
0kennen,k¨onnen wiranalogzumobigenBeispielauchschreiben ( )=
0
(
0) =(
0
0 )
. c)DifferentialgleichungenundDifferentialgleichungssysteme WirbetrachteneinSystem,dasdurchzeitlichver¨anderlicheGr¨oßen 1( )!
!!
#"
(
)beschriebenwird;untereinemSystemvonDifferenti- algleichungenoderkurzeinerDifferentialgleichungverstehenwireine Vorschrift,diediezeitlichenAbleitungen
1( )!
!!
"( )ausdenFunk- tionswertenberechnet: 1( )=
$ 1
1(
)!
!!
#"
(
)
2( )=
$ 2
1(
)!
!!
#"
(
)
. . . . . .
%"
(
)=
$ "
1(
)!
!!
"(
)
. FallsdieFunktionen
$'&
nurvon
1(
)!
!!
#"
(
)abh¨angenundnicht auchnochdirektvonderZeit
sprichtmanvoneinemautonomen System.DaNaturgesetzenichtvonderZeitabh¨angen,hatmanesin wissenschaftlich-technischenAnwendungenmeistmitautonomenSy- stemenzutun;mankannallerdingsauchdenEinflußvonUmgebungs- gr¨oßenineinemzeitabh¨angigenTermzusammenfassenundsoeinnicht- autonomesSystemerhalten. Fallswir,wieimobigenBeispieldieWertederbeteiligtenFunktio- nenzueinemfestenZeitpunkt
=
0kennen,redenwirvoneinem Anfangswertproblem;diemeistenAnwendungengew¨ohnlicherDiffe- rentialgleichungensindAnfangswertprobleme.
( H¨ohereMathematikIIWS2002/2003 AuchDifferentialgleichungen,indenenwiedortimBeispielh¨ohere Ableitungenvorkommen,lassensichsointerpretieren:Wennwirdort diedreiKomponentendesGeschwindigkeitsvektorsalsneueFunktionen ) ( )=
(
)
(
)=
(
)und
* (
)=
(
) eingef¨uhrth¨atten,w¨aredasSystem ( )=
) (
) ( )=
(
) ( )=
* (
) ) ( )=0 ( )=0 * ( )=
vonobigerForm,undwirh¨attenf¨urjededersechsbeteiligtenFunktionen denWertanderStelle
=
0gekannt. Einf¨urdieInformationstechnikwichtigerSpezialfallsindGleichungen derForm (") ( )+
+"1
(
"1) ( )+
+
+ 1
( )+
+ 0
(
)=
, ( ), diesogenanntenlinearenDifferentialgleichungen-terOrdnungmit konstantenKoeffizienten.AuchdieseGleichungenlassensichleichtauf dieobigeFormbringen:WirbetrachtenneueFunktionen 0( )
1(
)!
!!
"1(
) mitderIdde,daßsich
&(
)soverhaltensollwiedie
- -teAbleitung von
(
).DannbetrachtenwirdasDifferentialgleichungssystem 0( )=
1(
) 1( )=
2(
)
. . . . . .
"2( )=
"1(
) "1( )=
, ( )
+ "1
(
"1) ( )
+ 1
( )
+ 0
(
).
Kap.4:Differentialgleichungen
F¨urjedeL¨osung
(
)derobigenGleichungistdanndas-tupel ( )
( )¨ ( )!
!!
(
"1) ( )
eineL¨osungdesSystems,undf¨urjedeL¨osung 0( )
1(
)
2(
)!
!!
"1(
)
desDifferentialgleichungssystemsist
0(
)eineL¨osungderobigenGlei- chung. AuchwenndasDifferentialgleichungssystemalsAnfangswertproblem gegebenist,l¨aßtsichdasleichtinAnfangswertef¨urdieGleichung h¨ohererOrdungumschreiben:HierwerdendieWerte
(
0)
( 0)usw. bis
(
"1) ( 0)vorgegeben. d)SystemelinearerDifferentialgleichungen ImletztenAbschnitthabenwirgesehen,daßDifferentialgleichungen h¨ohererOrdnunginteressanteAnwendungenhaben;wirwissenaber bereits,daßmansolcheGleichungenstetsumschreibenkanninSyste- me,dienurersteAbleitungenenthalten,undzumindestindengerade betrachtetenBeispielenhattendieneueingef¨uhrtenFunktionenauch einephysikalischeInterpretationalsGeschwindigkeitbzw.Stromst¨arke. DieAuffassungalsSystemhataußerdemdenVorteil,daßwirdenAp- paratderlinearenAlgebraanwendenk¨onnen,derunseinestrukturelle
¨ Ubersicht
¨uberdieL¨osungsmengeeinerDifferentialgleichunggibt–zu- mindestimlinearenFall. WirbetrachtenindiesemAbschnittSystemevonDifferentialgleichun- gen,wiesiezuBeginndiesesParagraphendefiniertwurden,unterder (sehr)einschr¨ankendenVoraussetzungen,daßdierechtenSeitenlinear indengesuchtenFunktionen
1(
)!
!!
"(
)sind;wirbetrachtenalso einSystem 1( )=
+ 11(
)
1(
)+
+ 12(
)
2(
)+
+
+ 1"(
)
%"
(
)+
, 1( ) 2( )=
+ 21(
)
1(
)+
+ 22(
)
2(
)+
+
+ 2"(
)
%"
(
)+
, 2( )
. . . . . .
"( )=
+ "1(
)
1(
)+
+ "2(
)
2(
)+
+
+ ""(
)
"(
)+
, "( )
.(
. )
H¨ohereMathematikIIWS2002/2003 EventuellhabenwirnochAnfangsbedingungenderForm 1( 0)=
0
2(
0)=
2
!!!
"(
0)=
#"
(
.. ) f¨ureinfestes
0
/
0 . F¨urdasBeispieldeselektrischenSchwingkreisesmitangelegterWech- selspannungetwahabenwirbeidieserSichtderDingediebeiden Funktionen
1 ( ),dieLadungdesKondensatorszumZeitpunkt
,und 2 ( )=
1 ( ),dieresultierendeStromst¨arke;dasDifferentialgleichungs- system(
. )wirdzu 1 ( )=
2 (
) 2 ( )=
3 4
2 (
)
1 ( ) 45+
6 0cos
7 0
. Wirk¨onnendieFunktionen
&(
)
, &( )unddieAnfangswerte
&jeweils zuVektorenzusammenfassenunddieKoeffizientenfunktionen
+&8(
)zu einerMatrix;mit ( )=
9 :;:;<
1(
) 2( )
. . .
"(
)
= >;>;?
, ( )=
9 :;:;<
, 1( ) , 2( )
. . .
,@"
(
)
= >;>;?
=
9 :;:;<
1 2 . . . %"
= >;>;?
und 6 ( )=
9 :A:;<
+ 11(
)
+ 12(
)
!!!
+ 1"(
) + 21( )
+ 22(
)
!!!
+ 2"(
)
. . . . . .
. ..
. . .
+"1(
)
+"2(
)
!!!
+""(
)
= >A>;?
, bekommtdasSystemdie¨ubersichtlichereForm ( )=
6 ( )
(
)+
, ( ), wobeidieAbleitungeinesVektorsvonFunktionennat¨urlichderVektor derabgeleitetenFunktionenseinsoll.FallsesAnfangsbedingungengibt, habensienundiekompakteForm
(
0)=
. InAnalogiezudenlinearenGleichungssystemenbezeichnenwirdas System(
. )alshomogen,wenn
, ( )derNullvektorist,wennalsoalle
Kap.4:Differentialgleichungen
B Funktionen
, &( )verschwinden;andernfallsbezeichnenwiresalsin- homogen.DashomogeneSystemzueinemgegebeneninhomogenen SystemsolleinfachdasjenigeSystemsein,indemalle
, &(
)durchnull ersetztwurden. WiebeilinearenGleichungssystemengiltauchhier Lemma:a)DieMengeallerL¨osungeneineshomogenenDifferential- gleichungssystemsderForm(
. )istein
0 -Vektorraum. b)IstdasSystemnichthomogenundist
(
)einefesteL¨osung,sol¨aßt sichjedeandereL¨osung
(
)schreibenals
(
)=
(
)+
(
)miteiner L¨osung
(
)deszugeh¨origenhomogenenSystems;dieL¨osungsmenge istalsoeinaffinerRaum. Beweis:a)Wirm¨ussenzeigen,daßf¨urzweiL¨osungen
( )und
( ) eineshomogenenSystemsauchjedeLinearkombination
( )+
C
( ) mit
C
/
0 wiedereineL¨osungist.Dasistaberklar,dennwenn ( )=
6 ( )
(
)und
( )=
6 ( )
(
) ist,giltauch D D
( )+
C (
)
=
( )+
C
( )=
6 ( )
(
)+
C
6 ( )
(
) =
6 ( )
( )+
C (
)
. b)Sind
(
)und
(
)zweiL¨osungenvon(
. ),soist ( )=
6 ( )
(
)+
, ( )und
( )=
6 ( )
(
)+
, ( ); dieDifferenz
(
)=
(
)
(
)hatsomitdieAbleitung ( )=
( )
( )=
E 6 ( )
(
)+
, (
)
F
E 6 ( )
(
)+
, (
)
F =
6 ( )
(
)
6 ( )
(
)=
6 ( )
E ( )
(
)
F =
6 ( )
(
) und
(
)l¨ostalsoinderTatdaszugeh¨origehomogeneSystem. UmdieL¨osungsmengedesDifferentialgleichungssystems(
. )zuverste- hen,m¨ussenwirnachdiesemLemmazweiTeilaufgabenl¨osen:
G H¨ohereMathematikIIWS2002/2003 1.)Wirm¨ussendenVektorraumderL¨osungendeshomogenenSystems bestimmen. 2.)Wirm¨ussenunswenigstenseineL¨osungdesinhomogenenSystems verschaffen–oderzumindestwissen,daßeineexistiert. UmimeinfachstenFallzusehen,wiesoetwasfunktionierenk¨onnte, betrachtenwirein ”System“ausgenaueinerGleichung ( )=
+ (
)
(
)+
, ( ); dabeinehmenwiran,daß
einedifferenzierbareFunktionvon
0 nach
0 seiund
+
, :
0H
0 stetigeFunktionen. WirbeginnenmitderL¨osungdeshomogenenSystems ( )=
+ (
)
(
). UnterderAnnahme,daßwirdasd¨urfen,dividierenwirdurch
(
)und erhalten ( ) ( )=
+ (
). DerQuotientlinksistbekanntlichdielogarithmischeAbleitungvon
(
); fallsdiesnichtmehrbekanntseinsollte,zeigteineeinfacheAnwendung derKettenregel,daßineinemIntervall,indem
(
)positivist, D Dln
(
)=
( ) ( )=
+ (
) ist.IneinemIntervall,indem
(
)negativist,giltentsprechend D Dln
(
)
=
( )
(
)=
( ) ( )=
+ (
), undallgemeinhabenwirsomit D Dln
I ( )
I =
( ) ( )=
+ (
) injedemIntervall,indem
(
)nirgendsverschwindet. IntegrationbeiderSeitenf¨uhrtauf ln
I ( )
I =
J + ( )
D +
5 oder
(
)=
KML
(
)
N
+
O =
O
KML
(
)
N
Kap.4:Differentialgleichungen
P oder ( )=
Q
O
KML
(
)
N
, wobeidasVorzeichenwegenderStetigkeitvon
imgesamtenIntervall konstantist,dadieExponentialfunktionnienullwird. DamitistindiesemFalldasersteProblemaufeineeinfacheIntegration zur¨uckgef¨uhrt. BleibtnochdieFrage,waspassiert,wenn
(
)anirgendeinemPunkt
0 eineNullstellehabensollte.Wirwollenuns¨uberlegen,daß
(
)dann auchf¨urjedes
0verschwindenmuß.Fallsnicht,gibteseinenPunkt 1
0,sodaß
(
1)
R =0ist.WegenderStetigkeitvon
(
)istdieFunkti- ondannauchineinerUmgebungvon
1vonNullverschieden,d.h.dort k¨onnenwirdieobigenArgumenteanwendenundsehen,daß
(
)dort dieForm
S (
) hatmitirgendeinerFunktion
T .Da
alsdifferenzierbare Funktioninsbesondere¨uberallstetigseinmußund
S ( ) nirgendsver- schwindet,istdasnichtm¨oglich.Genauso¨uberlegtmansich,daß
(
) f¨urjedes
U
0verschwindenmuß,
(
)istalsogleichderNullfunktion. DieseistsomitdieeinzigeL¨osung,dienochzus¨atzlichbetrachtetwer- denmuß.Insbesonderefolgtdarausauch,daßeineL¨osungsfunktion,die inirgendeinemPunktpositivbzw.negativist,¨uberallpositivbzw.negativ seinmuß,denneinestetigeFunktionkannihrVorzeichennurwechseln, wennsieinirgendeinemPunktnullwird;wiewirgeradegesehenhaben, istdasgenaudannderFall,wennsie¨uberallverschwindet. SomithatjedeL¨osungdieForm ( )=
+
KML
(
)
N
miteinem
+
/
0 . InsbesonderebildendieseL¨osungeneineneindimensionalenVektor- raum. AucheinespezielleL¨osungderinhomogenenGleichungl¨aßtsichin diesemFallangeben:DieMethodederVariationderKonstanten,mit derwirunssp¨aternochgenauerbesch¨aftigenwerden,f¨uhrtaufden Kandidaten ( )=
VJ , ( )
KML
(
)
ND
W
KML
(
)
N ,
X H¨ohereMathematikIIWS2002/2003 undinderTatrechnetmanleichtnach,daßnachderProduktregel ( )=
V , ( )
K L( )
N
W
KML
(
)
N
+
VJ , ( )
KYL
(
)
ND
W
V + ( )
KYL
(
)
N
W =
, ( )+
+ (
)
VJ , ( )
KML
(
)
N D
W
KML
(
)
N
=
+ (
)
(
)+
, (
) ist. Esw¨aresch¨on,wennwirimmehrdimensionalenFallgenausovorge- henk¨onnten.Zumindestf¨urhomogeneSystemebietetsichan,formal genausovorzugehenwieimeindimensionalen:Dorthattenwir ( )=
+ (
)
(
)
Z
[ (
)=
K L( )
N
mit
/
0 . Warumsolltealsonichtgelten ( )=
6 ( )
(
)
Z
[ (
)=
K\ ( )
N
mit
/
0
"
?
DasProblemdabeiistnur,daßwirnichtdiegeringsteAhnunghaben, wasdierechteSeitehierbedeutensoll;unsern¨achstesZielwirdsein, ihreineBedeutungzugebenundunsdannzu¨uberlegen,obbzw.unter welchenBedingungendieobigeFormelkorrektist. e)DieMatrixexponentialfunktion WirorientierenunswiederamEindimensionalen:F¨ureinereelleZahlist
] =
^`_
& =0
& - !, alsosetzenwiranalogf¨ureine
a -Matrix
b
c = def
^ _ & =0
1 - !
b
& .
Kap.4:Differentialgleichungen
Damitistklar,daß
c eine
a -Matrixseinsoll,unddaserkl¨artauch, warumobenderKonstantenvektor
0aufderrechtenSeitesteht.Was wirunsnoch¨uberlegenm¨ussen,istdieKonvergenzderReihe. Dazum¨ussenwirdieGr¨oßederEintr¨ageindenMatrizen
b
& absch¨atzen: Sindallgemein
6
d zwei
a -MatrizenundsinddieBetr¨agealler Eintr¨agevon
6 kleinerodergleich
+ unddievon
d kleinerodergleich
, , sokannesin
6d offensichtlichkeinenEintraggeben,dessenBetrag gr¨oßeristals
+
, :SchließlichistjederEintraginderProduktmatrix eineSummevonSummanden,derenjederProduktjeeinesEintrags von
6 undvon
d ist. UmdieseFormelleichteranwendenzuk¨onnen,machenwirsiemut- willigschlechterundbegn¨ugenunsdamit,daßjederEintragvon
6d h¨ochstensdenBetrag(
+ )
(
, )hat. Istnun
derBetragdesgr¨oßtenEintragsinderMatrix
b ,sofolgt induktivsofort,daßin
b
& h¨ochstensZahlenbiszumBetrag(
)
& stehen k¨onnen;inderendlichenTeilsumme e _ & =0
1 - !
b
& hatdaherjederEintrageinenBetragkleiner e _ & =0
(
)
& - !. LetztereSummekonvergiertf¨ur
f
Hg
gegen
"] ,unddamitmuß auchdieMatrixsummeabsolutkonvergieren,denndieReihef¨ur
"] ist konvergenteMajorantedesBetragseinesjedenEintrags.Insbesondere hatjederEintragvon
c h¨ochstensdenBetrag
"] . Damitwissenwiralso,daßdieMatrix
c f¨urjede
a -Matrix
b existiert;somitistdieFunktion
h
H
\ wohldefiniert. f)EigenschaftenderMatrixexponentialfunktion Wirk¨onnennat¨urlichnichterwarten,daßdieMatrixexponentialfunktion allesch¨onenEigenschaftendergew¨ohnlichenExponentialfunktionerbt.
H¨ohereMathematikIIWS2002/2003 Beispielsweiseistnurschwervorstellbar,daßf¨urbeliebigeMatrizen
6 und
d geltensollte
\ +
i =
\
i :Daf¨urzweiMatrizen
6 und
d stets
6 +
d =
d +
6 ist,m¨ußtedannauch
\
i =
i
\ sein,was zumindestunwahrscheinlichaussieht.InderTatistetwaf¨ur 6 =
V 01 00
W und
d =
V 00 10
W sowohl
62 alsauch
d2 gleichderNullmatrix,d.h. \ =
j +
6 =
V 11 01
W
i =
j +
d =
V 10 11
W und
\
i =
V 21 11
W . DasQuadratvon
5 =
6 +
d =
V 01 10
W istabergleichderEinheits- matrixunddaherist
\ +
i =
j +
5 +1 2!
j +1 3!
5 +1 4!
j +1 5!
5 +
=
k
^;_
& =0
1 (2
- )!
l
j +
k
^;_
& =0
1 (2
- +1)!
l
5 =cosh1
j +sinh1
5 =
V cosh1sinh1 sinh1cosh1
W =1 2
V +
1
1
1 +
1
W . Allgemeinerist \ =
j +
6 =
V 1
01
W und
i
=
j +
d =
V 10 1
W und
O =
^`_
& =0
1 - !
5
& =
k
^`_
& =0
1 (2
- )!
l
j +
k^ _ & =0
1 (2
- +1)!
l
5 =
V cosh
sinh
sinh
cosh
W . ZumGl¨uckgiltaberwenigstens
Kap.4:Differentialgleichungen
B Lemma:F¨urzweiMatrizen
6
d/
0
"
m" mit
6d =
d
6 ist \ +
i =
\
i =
i
\ . Insbesondereistf¨ur
/
0 \ (
n+
) =
\n
\ . Beweis:F¨urzweireelleZahlen
ist
]+
o =
]
o =
o
] ;damitgilt dieselbeFormelauchf¨urzweireellwertigeVariablen
und
.Wenn wirinallenPotenzreihenalle
-und
-Potenzenoberhalbder
p -ten ignorieren,sagtdieGleichungaus,daßdreiPolynomein
und
als Polynomeidentischsind. BeimRechnenmitPolynomenin
und
verwendetmankeinespeziel- lenEigenschaftendieserVariablenaußer,daßsiekommutieren.Damit kannmaninsoeinePolynomidentit¨atauchkommutierendeMatrizen und
d einsetzen:Beispielsweisef¨uhrtdiePolynomidentit¨at (
+
)2 =
2 +2
+
2 zurIdentit¨at (
6 +
d )2 =
62 +2
6d +
d2 , diewegenderf¨urbeliebigeMatrizeng¨ultigenGleichung (
6 +
d )2 =
62 +
6d +
d
6 +
d2 f¨urkommutierendeMatrizeninderTaterf¨ulltist. Damitistf¨urkommutierendeMatrizen
6
d speziellstets \ +
i =
\
i =
i
\ . DazweiskalareVielfachederselbenMatrixstetsmiteinanderkommu- tieren,folgtdamitauchdieletzteAussagedesLemmas. Dief¨urunswichtigsteAnwendunghiervonist Satz:F¨urjede
a -Matrix
6 istdieFunktion q0H
0
"
m"
h
H
\
B( H¨ohereMathematikIIWS2002/2003 stetigdifferenzierbarmitAbleitung
h
H
6
\ =
\
6 . Beweis:DieAbleitungistdefiniertals limSr 0
\ ( +
S )
\ T. DadieMatrizen
6 und
6T miteinandervertauschbarsind,istnachdem geradebewiesenenLemma
\ ( +
S ) =
\
\S ,also
\ ( +
S )
\ T=
\
\S
j T. Dabeiist \S
j T=1 T
^`_
& =1
(
6T )
& - !=
6 +
62
T
^`_
& =2
(
6T )
&2 - !=
6 +
62
T
^ _ & =0
(
6T )
& (- +2)!. NachderobigenDiskussionistjederEintragderMatrixinderrechts- stehendenSummenmatrixh¨ochstensgleich
^`_
& =0
(
+
T )
& (- +2)!=
L
S (1+
+
T ) +2
T2, bleibtalsoinsbesonderebeschr¨ankt.Diesgiltauchf¨ur
TH 0,dennwie zweimaligeAnwendungderDEL’HOSPITALschenRegeloderTAYLOR- Entwicklungzeigen,istderGrenzwertdann1 2.Damitexistiert limSr0
^`_
& =1
(
6T )
& (- +2)!, undsomitist
D D
\ =limSr0
\ ( +
S )
\ T=
\
6 ,daderVorfaktor 62
T gegenNullgeht.Diesistauchgleich
6
\ ,dennda
6 mit jederseinerPotenzenvertauschbarist,istesauchmitjederendlichen TeilsummederReihevon
\ vertauschbar,alsoauchmit
\ selbst. AmEndedesvorigenAbschnittshattenwirgehofft,daßvielleichtauch f¨urjedematrixwertigeFunktion
6 ( )geltenk¨onnte,daß D D
\ ( ) =
6 ( )
\ ( )
Kap.4:Differentialgleichungen
B ist;dieswaroffensichtlichzuoptimistisch:Da \ ( +
S ) =
\ ( )+
S
s\ ( )+
t(
S ) ist,br¨auchtenwirf¨ureinenBeweisnachobigemVorbild,daß
6 ( ) und
6 ( )miteinanderkommutieren;diesistaberimallgemeinennicht derFall.F¨ur 6 ( )=
V 1
11
W beispielsweiseist 6 ( )=
V 01 00
W , also 6 ( )
6 ( )=
V 01 01
W aber
6 ( )
6 ( )=
V 11 00
W . Diesistnat¨urlichkeinBeweisdaf¨ur,daßdieAbleitungvon
\ ( ) ungleich6 ( )
\ ( ) ist,aberimvorliegendenFallistdieAbleitunginderTat verschiedensowohlvon
6 ( )
\ ( ) alsauchvon
\ ( )
6 ( ):Mitden Methoden,diewirimn¨achstenAbschnittkennenlernenwerden,k¨onnen wirdurcheine(allesanderealsangenehme)Rechnungzeigen,daß \ ( ) =
9 :;:;<
1+
u +
1
u 2
v
E 1+
u
1
u
F 2 1+
u
1
u 2
v
1+
u +
1
u 2
= >;>;?
, D D
\ (
) =
9 <
xw
2
yz
1
w1
{
yz
4
u
1+
u +
uw2
yz
+
w2
yz
w1
{
yz
4
u 1
w2
yz +
u +
uw2
yz
w1
{
yz 4
u
'w
2
yz 1
w1
{
yz 4
u
= ?, aber 6 ( )
\ ( ) =
9 <
1+
u
1
u 2
v
1+
u +
1
u 2 00
= ?