Das
KÜNSTLICHE TROMMELFELL
und
die Verwendbarkeit derSchalenhaut des Hühnereies zur Myringoplastik.
Von
Prof. Dr. E.
Berthold
in Königsberg. T ..
>
-
Nach einem an,
4. Januar 1886 in dem Verein für wissenschaftliche Heilkunde
in Königsberg gehaltenen Vortrage.
WIESBADEN.
VERLAG VON
J. F.
BERGMANN.
1886.
s Recht der Uebersetzung bleibt vorbehalten.
Druck dor Thoinschon Druckerei (Sfflrte), Wttnbnrg.
w
enn wir absehenvon Andeutungen
über denGe-
brauch eines künstlichen Trommelfells , die sich bereits in einer These desMarcus Banzer,
1) aus der Mitte des 17.Jahr- hunderts finden, so scheintAutenrieth
2) der Erstegewesen
zusein, welcher 1 5 das künstlicheTrommelfell
zum
Schutzder blossliegenden Paukenschleimhaut
und
zurVerbesserung
des Gehörs empfahl.Das
kleine Instrumentvon Autenrieth war
„aus einerdünnen
elliptisch gedrückten, kurzenRöhre von
Blei bereitet, über deren inneresEnde
vorher dieHaut von
derSchwimmblase
eines kleinen Fisches nassgezogen und
nachdem Trocknen
gefirnisst wurde." Die Vorschläge Autenrieth's, sowie seiner Nachfolger, Hard's,Deleaus.
Tod's und
Lincke's, fanden jedoch bei den Fachärztenwenig
Beachtung.Nachdem
aberYearsley im
Jahre 1848 das Ein- legenund
Anpressen einer befeuchtetenWattekugel gegen
den Trommelfellrest als einfachstes Verfahren zur Hörver- besserung bei durchlöchertem Trommelfell empfahl,wurde
die
Aufmerksamkeit
der Aerzte von diesemGegenstande
') Banzer, Disputatio de auditione lacsa. 1640.
2
) Autenrieth's und Bolinenberger's Tübinger Blätter für Natur- wissenschaftundArzneikunde. Bd. T S. 129. Siehe auch Lincke'sSammlung
auserlesener Abhandlungen und Beobachtungen auf dem Gebiete der Ohren- heilkunde. Leipzig 1836. pag. 182.
nicht
mehr
abgelenkt.Es würde mich
zu weit führen, wollte ich die Vorschläge, welchenun
zur Herstellung eines künst- lichen Trommelfellsvon
verschiedenen Seitengemacht
wur- den, hier derReihe nach
anführen. Diebetreffenden Arbeiten finden sich indem
Literaturverzeichnissvon Schwartze's
vortrefflichem Buche: „Die chirurgischen Krankheiten des Ohres" vollständig angegeben.
Ausser dem Wattekügelchen von Yearsley und Erhard,
zu dessen EinführungHass
en- stein einenWatteträger
inForm
einerKlemmpincette
con-struirt hat, wird das
von Lucae
verbesserte Toynbee'sche künstliche Trommelfell jetztam
häufigsten inAnwendung
ge- zogen. Dieses besteht aus einer rundenGummiplatte von
6
—
7cm
Durchmesser,und
istam Ende
eines, derLänge
desGehörganges
entsprechenden Silberdrahtesbefestigt.Da
diese Befestigung meistens nicht lange vorhält, so istLuc
ae's Vor- schlag, dasganze
künstliche Trommelfell ausGummi
her-zustellen, also statt des Silberdrahtes ein
Gummiröhrchen
zunehmen,
welches sich durch eineGummiauflösung
in halt- barererWeise
als der Silberdraht mit einerGummiplatte
verbinden lässt, durchaus zweckmässig. Die Einführung dieses künstlichen Trommelfells geschieht vermittelst einerSonde,
welche in dasGummiröhrchen
gesteckt wird. Beirichtiger
Lage
dieser kleinen Prothese tritt inmanchen
Fällen eine überraschende
Verbesserung
desGehörs
ein.Zur
Erklärung
dieserErscheinung
sindvon
denAutoren
verschiedeneGründe
angegeben.Es
lag nahe, diese durch das künstliche Trommelfell erzielte Hörverbesserung auf die- selbe Ursache zu beziehen, wie die längst bekannten That- sachen, dassKranke
mit Perforationen desTrommelfells aus irgend einer scheinbar unerklärlichenUrsache
plötzlich ganz oder beinahe gut hören, dass dieseRückehr
desGehörs
manchmal
nur auf wenige Minuten, ein andermal auf eine oder mehrere Stunden anhält.Toynbee machte nun
zuerst die Beobachtung, dass diese Besserung bisweilendem Gebrauch
einer Spritzeund warmen Wassers
oder gar einesHandtuchs
folgte. Untersuchte er solcheKranke
unmittelbar nach der eintretenden Gehörs- verbesserung, so fand er die Oeffnungim
Trommelfell durch einen TropfenWasser
oder Eiter ausgefüllt. Entfernte er diesen Tropfen, soverschwand
sofort das Besserhören.Aus
dieser
Beobachtung
schlossToynbee,
dass dieVerschlechter-ung
des Gehörs bei einer Trommelfell-Perforation dadurch zu Standekomme,
dass sie die Schallwellen inFolge
ihrer Zerstreuung imGehörgange
verhinderte, sich aufden Mem-
branen des Labyrinths zu concentriren,
und
dass die derTrommelhöhle
mitgetheiltenSchwingungen
nur dann,wenn
sie
genau
auf dieTrommelhöhle
begrenztwürden
, ihren entsprechenden Eindruck auf dieMembranen
des Labyrinthsmachen
könnten. „Dieser Schlusswurde
durch die That- sache bekräftigt, dass alleWände
derTrommelhöhle
be- sonders dazu geeignet erscheinen,Resonanz
zu erzeugen."Wir werden
später sehen, dassdie Schlüsse, welcheToynbee
aus seinen richtigen
Beobachtungen
zog, irrig waren. Eine den Thatsachen besser entsprechende Erklärung für dieWirkungsweise
des künstlichen Trommelfells hat später (1856)Erhard
gegeben,indem
er dieHörverbesserung von
dem Druck
abhängig machte, welcherbeim Anlegen
eines künstlichen Trommelfells auf dessen Perforationsrand aus- geübt wird.Durch
diesenDruck können
die in ihren Ge- lenkverbindungen getrenntenGehörknöchelchen
in eine für die Schallwellen geeignetereLage
versetzt werden.Nach Lucae
sind auch die gleichzeitig durch diesen—
6—
Druck
bewirktenAenderungen
des Interlabyrinthdruckesvon
Einfluss auf die
Hörzunahme. Für
die AnsichtLucae's
sprechenauch
dieBeobachtungen von Knapp und Politzer,
dassHörverbesserungen
ineinem
Falle durch einenSonden-
druck auf den Processus brevis, ineinem
andern auf dasMauubrium
mallei zu Standekommen. Beim Anlegen
des künstlichen Trommelfells ist auch die Stärke des dabei zuverwendenden Druckes von
grosserWichtigkeit. Oft gelingt es erstnach längerem
Probiren, das richtigeQuantum Druck
herauszufinden ,
und
hebt eine minimaleVermehrung
oderVerminderung
desselben die bereits erzielteHörzunahme
wieder auf.Dagegen
ist esNebensache, ob
dieLücke im
Trommelfell vollständig oder nur theilweise geschlossen wird.Wir
sehen also, dass dieVorstellungToynbee's, wonach
die
Resonanz
dervom
künstlichen Trommelfell vollständig geschlossenenPaukenhöhle
dieHörverbesserung
bewirke, irrthümlich sein müsse.Das
gehtauch
indirect aus den Fällenvon Meniere, Pomeroy und
v.Tröltsch
hervor, indenen
ein passenderDruck
auf das intacte
Trommelfell eine erheblicheVerbesserung
desGehörs
zurFolge
hatte.Kehren
wirnun von den
Erklärungsversuchen wieder zu der Thatsache zurück, dass das künstliche Trommelfell bisweilen eine plötzlich eintretende Hörverbesserungund
daher inmanchen
Fällenvon
alter Taubheit eine scheinbar zauberhafteWirkung
hervorzurufen vermag, sowerden
wir uns zunächst für dieFrage
interessiren, ob dieses kleine Instrument sichauch
in der Praxisbewährt
hat? Die Ant-wort
auf dieseFrage kann
nicht zweifelhaft sein.Es
stehtfest, dass die
Hoffnungen
der meistenKranken,
welchezum
künstlichen Trommelfell ihre Zuflucht
nahmen,
trügerische waren. Diejenigen, welchenoch
ein gesundesOhr
besitzen.verzichten ohne Weiteres auf den
Gebrauch
der kleinen Prothese, weil der durch dieselbe erlangte Vortheildem
nor-malen Gehör
desgesunden Ohres gegenüber
nichtvon
Be- lang ist. Ferner sindvon dem Gebrauch
des künstlichen Trommelfells alleKinder
ausgeschlossen, weil sienoch
nicht geschicktgenug
sind, sich dasselbe selbst einzuführen oderin die richtige
Lage
zurückzubringen,wenn
es sichnach
guterEinführung von
SeitenAnderer
zufällig verschobenhat.
Von dem nun
noch übrig bleibenden kleinern Bruch-theile aller
Kranken
mitLücken im
Trommelfell fallen für denGebrauch
des künstlichen wieder diejenigen aus, welche nachAblauf
der Eiterungnoch
eine so grosse Reizbarkeit im Mittelohre zurückbehalten haben, dass selbst dasTragen
eines
Wattekügelchens
schon nach kurzer Zeit die Secretion der Schleimhaut vonNeuem
hervorruft. Hierzukommen
noch diejenigen
Kranken
, beiwelchen
das künstliche Trommelfell in Folge desDruckes
auf dieChorda tympani unangenehme Empfindungen
in derZunge und Störungen
des
Geschmacks
hervorruft, wie dasMoos
zuerst beobachtete,und
schliesslichnoch
eine kleine Zahlvon Kranken,
beidenen Schwindelerscheinungen
und
subjectiveOhrgeräusche beim Gebrauch
dieses Instrumentes auftreten, oder an Stärke zunehmen,wenn
sie schon früher vorhanden waren.Schwavtze
sagt dahermitRecht
:„Nur wo
doppelseitige hochgradige Schwerhörigkeit besteht, so dass also nur laute Sprache in derNähe
des Ohres verstanden wird, bei grossen Defecten des Trommelfellsund
beiwenig
oder gar nichtmehr
secernirender Schleimhaut derPaukenhöhle
sind solche Versuche zu empfehlen."Aber
auch da,wo
dieselben günstigen Erfolg haben,können
sich dieKranken
mitdem
künstlichen Trommelfell—
8—
nur selten befreunden.
Nur wenige
besitzen die nöthigeAusdauer,
ihrLeben
lang die kleinen Vorschriften, welche mit seinemGebrauch verbunden
sind, regelmässig zu be- folgen.Zu
diesen Vorschriften gehört zuvörderst die sorg- fältigeReinigung
desOhres
vor der Einführungund
nach der Entfernung des künstlichen Trommelfells.Dann
ist darauf zu achten, dass diese kleine Vorrichtung besonders anfangs nurganz
kurze Zeit getragen wird. Dieselbe reizt nämlich wie jederfremde Körper
die Stellen, aufdenen
es aufliegt,und muss
sich dasOhr
erst an diesen Reizgewöhnen. Es
verträgt denselben in den ersten
Tagen
nur V2 Stundeohne
Schaden,dann
allmählich etwas länger, aber nie mehr, als ü bis 8 Stunden. Tritt aber vermehrte Secretion auf, wie das gar nicht seltenvorkommt, dann muss von dem Gebrauch
des künstlichen Trommelfells so lange gänzlichAbstand
ge-nommen
werden, bis die Otorrhoe wieder geheilt ist.Wir
sehen also, dass dieses Hilfsmittel zur Hörverbesser-ung manche
Schattenseiten hat.Am
meistenVerwendung
findet
noch
das einfache Wattekügelchen, weil dieses, in ad- stringirende oder antiseptische Flüssigkeiten getränkt, neben- beiauch noch
die Eiterungim
Mittelohre in günstigerWeise
vzu beeinflussen
vermag. Wird
auch dieses nicht vertragen,dann
sind die betreffendenKranken gezwungen,
auf denGebrauch
jederArt
von künstlichem Trommelfell zu ver- zichten.(Wenn
solcheKranke
einenWattetampon
1)im Ohre
tragen, so hat derselbe natürlich nicht dieBedeutung von
') Aufden inParenthese stehenden Unterschied zwischen Wattekügelchen
als Trommelfell und Watte-Tampon zum Schutze des Ohres habe ich nur im Interesse der Laien, die diese kleine Schrift zufällig lesen sollten, aufmerksam gemacht.
dem
vorhin besprochenen Wattekügelchen, welches als künst-liches Trommelfell auf den Perforationsrand gedrückt wird.
Sein
Zweck
ist nie eine Hörverbesserung, er soll nur dasOhr
vor äusseren Schädlichkeiten schützenund
dasetwa
inden
Gehörgang
füessende Secret in sich aufnehmen.)Wir haben
bisher als Folgezuständevon andauernden
Defecten im Trommelfellimmer
nur die Schwerhörigkeitund
die häufigen Rückfälle von Ohreiterung zu besprechen Veranlassung gehabt.Es kann
jedoch hier nichtunerwähnt
bleiben, dass
noch
schlimmer, wie die dasOhr
allein be-treffenden Leiden, die
Folgen
sind, welcheim
Verlaufevon
chronischen Ohreiterungen den ganzen Organismus, die Ge- sundheitund
dasLeben
derKranken
bedrohen.So
sind Meningitis, Gehirnabscess, Entzündung,Throm-
bose
und Embolie
der Venensinus, Verblutung' durch Zer- störung derGefässwandung
der Art. carotis internaund
des Sinus lateralis, Septichaemie,Pyaemie und
Tuberculoseals Folgezustände
von
Ohreiterungen zurBeobachtung
ge-kommen. Das
Mittelglied zwischen der Eiterung in der Paukenhöhleund dem
tödtlichenAusgange
bildet gewöhnlichdie Caries des Felsenbeins.
Meine Aufgabe
gestattet es mirnicht, auf diese
Dinge
hier genauer einzugehen.V
onInteressewürde
es sein, den Procentsatz für die tödtlich ablaufenden Ohreiterungenangeben
zukönnen
,doch
fehlen hierzu bis jetzt noch die erforderlichen Unterlagen.Aber
diewenigen Angaben,
welche wir besitzen, deuten darauf hin, dass die Zahl solcher tödtlichenAusgänge
nicht zu den Seltenheiten gehören. Sowaren nach Lebert
der vierte Theil aller Fälle von Gehirn-Abscessenund
nachDuchek
unter g2 Fällen 28Mal
Sinusthrombose die Folgenvon
Caries des Schläfen- beinsund
somit einervorausgegangenen
Ohreiterung.—
' 10
—
Wilde's
Ausspruch: „So lange ein Ohrenfluss vorhandenist,
vermögen
wir niemals zu sagen, wie,wann und wo
er endigenmag, noch wohin
er führen kann", hat daher auch heutenoch
volle Giltigkeitund mahnt
uns zur Vorsicht inder Prognose.
Es
ist daher stets das Bestreben der Aerzte gewesen, die Ohreiterungenwomöglich dauernd
zu heilen. Eine solchedauernde Heilung
hat aber dieAufgabe
zu lösen, die vor-handene Lücke im
Trommelfellzum
Verschluss zu bringen,denn ohne
diesen ist die Schleimhaut derPaukenhöhle
ihres natürlichen Schutzes beraubtund
den Gefahren einer neuenErkrankung immer
wieder ausgesetzt. Mit den bisherigenMethoden
derHeilung von
persistenten Oeffnungen im Trommelfell, wie derAetzung
der Perforationsränder mit Höllenstein, oder dervon Gruber
empfohlenen multiplen Scarification, wie mit derAbtragung
der verdicktenRänder
mit
dem Messer habe
ich in meiner Praxiswenig Glück
gehabt.Auch
dievon Anderen
geübteAetzung
derRänder
mit
dem
Galvanocauterkann
ich nicht empfehlen. Alle dieseMethoden
sind mit derGefahr verbunden, die altePerforations- lücke zu vergrössern anstatt zu verkleinern,und
die bereits erloschene Eiterungvon Neuem
anzufachen.So
stand dieSache
biszum
Jahre 1878,da
gelang es mir, auf einem bis dahinnoch
nicht betretenenWege
wenig- stens kleinereund
mittelgrosseLücken im
Trommelfell zur Verheilung zu bringen.Mein
Verfahren, über welches ich zuerst auf derNaturforscher-Versammlung
in CasselM sprach, nannte ich Myringoplastik.Es
bestand in der Ueberpfianz-ung
eines kleinenStückchen
Cutisvom Oberarm
über den') Tageblatt der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Cassel. 1878.
—
11—
Rand
der Perforationsöffnungnach dem
Vorbilde derRever-
din'schen Hauttransplantation. Die Anfrischung des Per- forationsrandes sollte nicht durch den Schnitt oder durch
Aetzung
geschehen, sondern durch Auflegen eines Stückes englischen Heftpflasters, welches ich1—2 Tage
liegen Hessund
dann erst wieder entfernte, in derMeinung,
dass hier- durch auch der Epithelüberzug des vorhinvom
Pflaster be-deckten Lückenrandes mitentfernt sein würde.
Schwartze
1) hält dieseArt
der Anfrischung für unge-nügend
,und
verlangt ausserdem, dass in allen Fällen, indenen zu einem
Versuch
des Verschlusses derOeffnung
durch Hauttransplantation geschrittenwerden
soll, zuvor sicher- gestellt werde, ob durchVerlegung
der Oeffnung miteinem
Stück Silx protectiv nichtetwa
eine wesentlicheHör
Ver- schlechterung entstehe, wie solche erfahrungsgemäss nicht selten nachVernarbung von
Trommelfelldefecten zu Standekommt.
SollteaberdieserForderungSchwartze
'snichtschon durch das Auflegen eines Stückes englischen Pflasters aut den PerforationsrandGenüge
geschehen sein ?Abgesehen
da- von, dass ichSch wartz
e'sVerlangen erfüllt zuhaben
glaube,kann
ich die unbedingte Richtigkeit desselben nichtzugeben, sondern stimme vielmehr v.Tröltsch
bei, der inBezug
auf diespontane Vernarbung
vonLöchern
im Trommelfell ausdrücklich sagt,man
solle sich durch die anfängliche Schwerhörigkeit nicht verleiten lassen, dieHeilung
der Oeff-nung
zuverhindern oder dieselbe mit derSonde etwa
wiederherzustellen, da unter günstigen
Umständen,
auchnachdem
sich die
Narbe
consolidirt hat, entwedervon
selbst oder durch die nachfolgendeBehandlung
eineBesserung im Hör- vermögen
eintritt.M Schwartze, Die chirurgischen Krankheiten des Ohres, pag. 205.
—
12Schwur
tze hat, wie er angibt, mit dervonmir empfohle-nen
Hauttransplantation bisher keinGlück
gehabt; ichgehe wohl
nicht fehl,wenn
ichannehme,
dassS ch wart
ze mein Verfahren bisher auch nicht oft versuchthaben
wird.Auf
die
Gründe, warum
dieVersuche
zur Myringoplastik nichtimmer
glücken,werde
ich weiter untennoch zurückkommen.
Ueber
die Möglichkeit der Verheilung von Oeffnungenim
Trommelfell durch Hauttransplantationkann
kein Zweifel sein, da ich bereits imJahre 1878 über 2 glücklich geheilte Fälle berichtet habe,und
ein einziges positives Resultat in dieser Frag-emehr
Beweiskraft hat als 100 negative.Immer-
hin bedarf jede wissenschaftlicheAngabe
der Bestätigung der Fachkollegen,und
diese ist in der hier vorliegendenFrage
nicht ausgeblieben,wenn
auch die Publicationenvon
geheilten Fällen vorläufignoch
gering an Zahl sind.Von den
hiehergehörenden
Arbeitenerwähne
ich zuerst dievon
Edward
T.E
1y.') Dieser Autor hat die Hauttransplantation nicht nur zur Verheilung vonLücken im
Trommelfell ver- wandt, sondern er hat sich bereits die weitergehende Auf-gabe
gestellt, chronische Mittelohreiterungen durch dieses Verfahren zu heilen.Für
diesen zweitenModus
der Trans- plantation, welche, alsoden Zweck
hat, die granulirende Schleimhaut derPaukenhöhle
zu überhäuten, g'laubtEdward
T.
Ely
die Priorität für sich beanspruchen zu dürfen, da sein ersterVersuch
bereitsim
Juni 1878 angestellt wurde, dieNatur-forscher-Versammlung
in Cassel aber erstim September
des- selben Jahres tagte. Die Publication dieses ersten Versuchs erschien abererstim März
1881,also 21 > Jahrespäter, alsmeine
erste Mittheilung,
und
schon in Casselmachte
Dr.Molden-
'} ZeitschriftfürOhrenheilkunde von
Knapp
und Moos.X
Bd 2.Heft—
13—
hau
er (Leipzig) bei der Debatte über diesenGegenstand
die
Bemerkung,
dass schon früher einmal einVersuch
an- gestellt, aber nicht publicirt sei, beiwelchem Haut
auf dasPromontorium
zur Beseitigung der Eiterung in derPauken-
höhle verpflanzt wurde.Edward T.Ely
hatnun
die genannteMethode
in 9Fällen geübt, er sagt: „in 6 derselbenwar
das Trommelfellganz
zerstört, es bestand
wenig
oder gar kein Ausfluss,und
die Schleimhaut bot einemehr
oder weniger verdickte granulirte Oberfläche dar.Auf
diesewurden
kleine,dem Vorderarme entnommene
Hautstückchen übertragen.In den übrigen Fällen, in welchen eine grössere Partie normalen Trommelfelles erhalten geblieben war,
wurden
dieRänder
der Perforation durchAbschaben
angefrischtund
ein Stückchen
Haut
darüber gelegt. Obgleich die Resultate nicht glänzend waren, so glaubtEdward
T.Ely doch
voraus- sagen zu können, dass die Hauttransplantation eine werth- volleBereicherung unsererBehandlungsmethoden
chronischer Mittelohr-Eiterungabgeben
wird.Von
grossem Interesse ist die Mittheilungvon
C.W.
Tangemann:
') „Ersatz des Trommelfelles durch Hauttrans- plantation".Der
Fall betraf einen 30jährigenFarmer,
derzum
zweitenmale inTangemann's Behandlung kam.
Die Oeffnungenim
Trommelfellwaren
so grossund
bestanden schon so lange, dass ein Versuch, eine Wiederherstellung derGewebe
durch Caustica oder reizende Mittel zu bewirken, nur eineVerschwendung von
Zeitgewesen
wäre."Da
der Patient seine hochgradige Schwerhörigkeit, sie betrug nach Beseitigung des Ohrenflusses bei der erstenBehandlung
') Zeitschrift für Ohrenheilkunde von
Knapp
und Moos. XIII. Bd.2.u. 3. Hft.
—
14—
rechterseits 7/4s, linkerseits iJUs)
dem
Verlust desTrommel-
fells zuschrieb,
und
bereit war, sich jeder Operation, welche ihn Besserung' hoffen liess, zu unterziehen, sowurde
die Transplantationvon Tangemann
ausgeführt.Dazu
frischte er „dieRänder
der Perforation mittelst eines langen, schmalen Messers an,entnahm
einStückchen Haut
etwas grösser, als die Trommelfellöffnungdem Arm
des Patienten, legte es mit seiner unteren Fläche auf die angefrischtenWundränder und
fixirte es durch einwenig
Collodium in seiner Lage.„Nach
Verlaufvon
3Tagen
löste sich dasGanze
wieder abund ward
entfernt,worauf
die Perforation grösser als vor der Operation erschien. Beieinem
zweitenVersuche wandte
Tangemann
nichtmehr
ein grösseres StückchenHaut
an,sondern zerschnitt ein solches in kleine Theile
und
brachte dieselben wie früher an Ortund
Stelle.Nach
2mal
24 Stun- denwar
eine schmaleGewebsbrücke
über derOeffnung
sichtbar, welche die letztere in 2 Hälften theilte,
von denen
sich die untere hintere 72
Stunden
nach der Operation voll- ständig geschlossen hatte. Die obereOeffnung wurde
all-mählich
immer
kleiner, „so dass derKranke
nur mitMühe
Luft hindurch zu treiben vermochte."
„Das
andereOhr
schritt in gleicherWeise
in derBesserung
fort, Patient konnte aber nicht länger inBehandlung
bleibenund
verliess dieselbe mit vollständig funktionsfähigen Trommelfellen." „Hörweite bei- derseits 18/48." „Obgleich 2 sehr kleine Perforationen zurück- geblieben waren, zweifle ich nicht, dass dieselben sich insehr kurzer Zeit
ganz
geschlossenhaben
werden."„Das Aussehen
des Patienten hatte sich total geändert, er erschien lebhaftund
heiterund
konnte so gut hören, wie einer."So
ausführlich ich diesen Fallvon Tange mann
mit-getheilt habe, so kurz will ich
mich
über meine eigenenFälle von Heilungen aussprechen. Seit
dem
Jahre 1878habe
ich in
jedem
Jahre mehrereMale
die Myringoplastik mit Erfolg ausgeführt. Allerdings beschränkte ichmich
auf die Fälle mit kleineren persistentenLücken,
da bei grossen Defecten dieAnlagerung
derHaut
an den Trommelfellrest, wie das auch schonPolitzer
bemerkt, nur in sehr unvoll-kommener Weise
einzutreten pflegt.Wenn
ichdavon Ab-
stand nehme, bestimmte Zahlen anzugeben, so hat das seinen
Grund
darin, dass ich die meistenKranken
(es handelte sichimmer
nurum
ambulanteKranke)
kurze Zeit nach erfolgter Heilung nicht wieder zu sehenbekam
, also über deren weiteres Schicksal nichtsmehr
erfahren konnte.Wo
ich Gelegenheithatte, durchMyringoplastikgeheilteKranke nach Monaten
wiederzusehen, fandich die anfänglich dickeHaut
sodünn
geworden, wie sie in denNarben
bei grösserenLücken
nach spontanerHeilung zu seinpflegt.Es
g-eht daraus hervor, dass sich ein grosser Theil derGewebsmasse von dem
trans- plantirten StückchenHaut
wieder abstösst. Willman
die Myringoplastikbeikleinen sehr ängstlichenKindern
ausführen, so ist es vielleicht rathsam, das erforderliche StückHaut
ausdem Oberarme
eines erwachsenen Verwandten, welcher sich freiwillig zu dieser kleinen Operation hergibt, zu entnehmen,um
denKindern
den Schreck über die kleineArmwunde
zu ersparen.
Man
läuft sonst Gefahr, bei den Kleinen auf zu grossenWiderstand
beidem
eigentlichenAkt
der Trans- plantation zu stossen.Da
sich aber auchErwachsene
oftwie Kinder bei selbst ganz unbedeutenden Operationen be-
nehmen,
da es fernervorkommt,
dassKranke
dasAus-
schneiden eines Stückchen Cutis aus ihremArme
geradezu verweigernund
lieber auf die Heilung ihrer Perforation ver- zichten, so musste ich darauf sinnen, das Stückchen Cutis—
Hi—
durch anderes Material zu ersetzen. Ich
habe
kein Mittel,welches
von
chirurgischer Seite zu Transplantationen an anderen Körperstellen empfohlen war, unversucht gelassen.Aber
keines brachte mir dengewünschten
Erfolg.So
experi- mentirte ich vergebens mit der Conjunctiva derMembrana
tertiades Kaninchenauges,mit Catgut-Membranen,mit
dünnen
Scheiben aus desinficirtemBadeschwamm
, bis ich in der Schalenhaut des Hühnereies das Material fand, welches ichzum
Verschlussvon Lücken im
Trommelfellwohl
empfehlen kann. Die Schalenhaut ist eine derbe, aus faserigemGewebe
bestehende
Membran
, die als ein abgelöstes Stück der Ei- leiter- (Uterin-) Schleimhautnach
H.Meckel
1) aufzufassenist. In
dem
faserigenGrundgewebe
derMembran
fandMeckel Reste von
Blutgefässenund
zahlreichePoren
alsReste
der Eiweissdrüschen.Nach
v.W
i1 1ich
'-'), welcher die Schalenhaut desHühner-
eies zu Diffusionsversuchen benutzte, zeigen die Fasern dieser
Membran
eine bedeutende Resistenzgegen
chemische Ein-griffe. „Sie sind selbst in concentrirter Kalilösung, Essig- säure, Salzsäure, Schwefelsäure, Salpetersäure fast unlöslich
und
zeigen keinerlei sichtbareV
eränderung unterdem
Mikro-skop
, sogarnach
mehrtägiger Einwirkung."Auch dem
Prozess der Fäulniss
gegenüber
leisten sie grossenWider-
stand. Andererseits ist die Schalenhaut sehr weich
und
klebtim
frischen Zustande mit ihrer inneren Fläche aut') H.
Meckel
von Hemsbach (Halle): Die Bildung der für partielle Furchung bestimmten Eier der Vögel, im Vergleich mit dem Grafsehen Follikel und derDecidua desMenschen. Zeitschrift für wissenschaftl.Zoologie von Siebold und Kölliker. 3. Bd. pag. 430 u. ff.') v. Wittich: Ueber Eiweiss-Diffusion. Archiv fürAnatomie, Physio- logie etc. von Job. Müller. 1856. Heft IT, pag. 286.
—
17—
trockenen Objekten sehr fest an.
Auf
excoriirte Hautstellen gebracht, übt sie keinen Reiz aus, sondern schützt diewunde
Stelle vor äusseren Schädlichkeiten,
und
trägt dadurch viel zu ihrer schnellen Heilung bei.Daher
ist das Schalenhäut- chen als Wundpflaster bei unserer ländlichenBevölkerung
vielfach in Gebrauch.
Meine
Versuche, dieseMembran
zur Myringoplastik zuverwenden
, datiren erst seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahres, doch sind dieselben bereits so zahlreichund von
so günstigem Erfolge, dass ich kein Be-denken
trage, schon jetzt über dieselben Bericht zu erstatten.Wie
die natürlicheHeilung einer Trommelfellperforation nurdann
stattfindet,wenn
die Secretion der Schleimhaut im Erlöschen ist oder bereitsganz
aufgehört hat, sokann man
auch eineHeilung durchKunsthilfe nurdann
erwarten,wenn
derselben keine Hindernissevon
Seiten derPauken-
höhlenschleimhaut entgegentreten.Jeder Versuch zu einem künstlichen Verschluss der Perforation vor Ablauf der pathologischen Prozesse
inder Paukenhöhle muss daher vergeblich
sein.Zu
diesen Prozessen sind besonders zu rechnen
schwammige
Granulationen, polypöse
Wucherungen und
kleine cariöse Stellen in derknöchernen Wand
der Paukenhöhle. Die Seltenheit des Gelingens dervon
mirempfohlenen Myringo-
plastik liegt
zum
grössten Theil in der Schwierigkeit, die pathologischenVeränderungen
der durch lange Eiterung modificirten Schleimhaut des Mittelohres wieder zurNorm
zurückzubringen. Ich sage in der Schwierigkeit,
denn
die Möglichkeit, wenigstens so weit die Krankheiten der Schleim- haut zu heilen, dass die Eiterung aufhört, ist in derMehr-
zahl der Fälle vorhanden,
wenn auch
vielMühe und
Zeitvon Seiten des Arztes
und
grosseGeduld von
Seiten des.2
—
18—
Kranken
dazu erforderlich ist.Nach
Heilung der chroni- schen Ohreiterung-macht denn
der letzte Akt, dieVerschliess-ung
der zurückgebliebenenOeffnung im
Trommelfell keine besondere Schwierigkeit mehr.Das
Verfahren, welches ich hierbeianwende,
ist folg-endes. Ichnehme
eine Pipette, deren Glasrohr wie die Ohrpincettengebogen
(alsoim Winkel von
circa 135°)und von
sodünnem
Kaliber ist, dass esbequem
inden Gehörgang
biszum
Trommelfell vorgeschobenwerden kann, und
benetze denRand
seinerMündung
mit einwenig
Eiweiss.Nun
schneide ich mit einer kleinen Scheere aus der Schalenhaut des Hühnereies ein etwas grösseres Stückchen, als es zurDeckung
derLücke
erfor- derlich ist, aus,und
lege dasselbe mit seiner Aussenseite über dieOeffnung
des Glasrohrs.Comprimire
ichnun
lang-sam
das zur Pipette gehörigeGummiröhrchen und hebe
dieCompression dann
schnell wieder auf, so wird dasStückchen
Schalenhaut einwenig an
dieOeffnung
des Glasrohrs an- gesogen.Es
liegtnun
so fest, dassman
esbequem
zurecht- schneiden kann. Sollte es inzwischen wieder losegeworden
sein, so wird es
von Neuem
an dieOeffnung
der Pipette angesogen.Nun
führtman
die Pipette mitdem Häutchen
in
den Gehörgang
bis in dieNähe
des Trommelfelles,und
blästdann
die kleineMembran
durchDruck
auf denGummischlauch
der Pincette mit seiner inneren klebrigen Fläche auf denRand
der Perforationslücke. Liegt dasHäutchen
an der richtigen Stelle,dann
ist die Operation vollendet.Deckt
esdagegen
dieOeffnung im
Trommelfell nur theilweise oder gar nicht, so wird es mit einerSonde
aufden
richtigen Platz geschoben. Missglückt der ersteV
ersuch, bleibt dasSchalenhäutchenvielleicht schon anderGehörgangs-
wandung
kleben,und
rollt sichbeim
Versuch, es mit derSonde
—
19—
weiterzuschieben, auf,
dann
istnoch
nichts, als einPaar Minuten
Zeit verloren.
Man kann dann
denVersuch
sofort miteinem
zweiten Stückchen Schalenhautvon Neuem
ausführen.Meistens erfolgt unmittelbar
nach dem Ankleben
der kleinenMembran
eine Verbesserung des Gehörs, eine Verschlech- terung desselbenhabe
ich bisher zu beobachten niemals Gelegenheit gehabt.Schmerzen
sind mit derAusführung
des Verfahrens nicht verbunden. Dasselbe ruft keine andernEmpfindungen
hervor, als diejenigen, welchevon
der Be- rührung desGehörgangs
durch Pipetteund Sonde
herrühren.Auch nach
der Operationhaben
dieKranken von
der festklebendenMembran
nicht die geringsteEmpfindung.
Besieht
man
sich das transplantirteStückchen
Schalenhautam
folgenden Tage, so hat es in verschiedenen Fällen nichtimmer
dasselbe Aussehen.Der
aufliegendeRand
entsprichtzwar immer
derFarbe
desTrommelfells, die Mitte derMem-
bran ist aber in einzelnen Fällen kreideweiss, in andern dunkelgrau. Die kreideweisse
Farbe
ist ein Zeichen davon, dass dieMembran
in der Mitte ganz trockengeworden
ist.Hat
dieMembran dagegen
ein dunkles Aussehen, sokann
man annehmen,
dass sievon
Feuchtigkeit durchtränkt ist.Diese
Farben kann
dastransplantirteSchalenhäutchenwochen-
lang unverändert beibehalten, siekönnen
aberauch nach
seinem jeweiligen Feuchtigkeitsgehalt wechseln.Sammelt
sich aber
nach dem
Verkleben der Perforationsöffnungvon neuem
Flüssigkeit inder Paukenhöhle
ingrösserer Quantität
an, so wird durch diese dieAnheilung
ver- hindertund
das Schalenhäutchenvom
Trommelfell wieder abgehoben.Es
bleibtdann
nichts übrig, alsvon Neuem
Mittel zur Beseitigung der Secretion
anzuwenden, um
nachihrer Sistirung dieMyringoplastik noch einmal zu versuchen.
9*
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20—
Bleibt die
Membran
aberWochen
oder garMonate
hindurch auf derselben Stelle liegen, widersteht diesedem
stärksten Luftdruck, welcher bei der Luftdouche desOhres
perKatheter zurVerwendung
zukommen
pflegt, lässt sich die trans- plantirteMembran
schliesslichauch
nichtmehr
durch Aus- spritzen ausdem Ohre
entfernen,dann möchte
ich glauben, dass es nicht nur zu einer festen Verklebung, sondern zu einer wirklichen Verheilung des Schalenhäutchens mitdem
Trommelfellrestgekommen
ist.Vor dem
frühzeitigenAus-
spritzen des
Ohres nach
derTransplantationmöchte
ich aber dringend warnen,da
derganze
Erfolg dadurch vernichtetwerden
kann.Der Gehörgang
ist ja vordem Akt
derTrans- plantation auf's Sauberste gereinigt, es liegt also in den erstenMonaten
nachherauch
gar kein Bedürfhisszum Aus-
spritzen des
Ohres
vor.Ueber
den Heilungsprocessam
Schalenhäutchen fehlt mir bisher
noch
jede sichere Kenntniss.Die
Versuche,von welchen
ich Aufschluss über diesen Vor-gang
zu erhalten hoffte,haben
bis jetzt keinpositives Resultat ergeben,doch muss
ichbemerken,
dass dieselben insofern unter ungünstigen Verhältnissen angestelltwurden,
als die ersteBedingung
für das Gelingen derselben, hier also fürdie
Heilung
derWunde,
dieRuhe
derselben,schwer
zu er- füllen war.Es
handelte sich nämlichum dieAnheilung
des Schalenhäutchens über einer kleinenWunde am Arme, welche
ichmachen
musste,um
das zur Myringoplastik er- forderlicheStückchen Haut
1) zu gewinnen. Die Beobacht-ung am Arme
ist ja vielbequemer und
sicherer, zumal sie') Zur Entscheidung der Frage, welche von den beidenMembranen, die Cutis vom Oberarm oder die Schalenhaut des Hühnereies vor der andern den Vorzugverdiene, habe ich im vorigen Halbjahr bald die eine, bald die andere
Membran zur Myringoplastik verwandt.
—
21—
bei direktem Licht geschehen kann, als die
am
Trommelfellin der Tiefe des
Gehörganges
bei indirekter Beleuchtung.Für
die Anheilung desSchalenhäutchens auf derArmwunde
ist es aber ungünstig, dass
man
denArm wegen
dieser un- bedeutenden Verletzung docli nicht in einer Binde tragen lassen kann. DieMuskelbewegungen
an sich schienen aut den Heilungsprozess weniger ungünstig zu wirken, als das Verschieben des ganzen Verbandes.Um
dasSchalenhäutchen vor jederBerührung
mitdem Verbände
zu schützen, hatte ich unmittelbar über derWunde
einen flachenGummiring
mit Heftpflasterstreifen
am Arme
befestigt,und
über diesennoch
eine Binde angelegt. DieserVerband
genügte aber den Anforderungen nicht, denn länger als eineWoche habe
ich nie die Heilung zu verfolgen Gelegenheit gehabt, weil
dann
ausirgend einem zufälligen Grunde, gewöhnlichwährend
eines unruhigen Schlafes in der
Nacht
die Binde mitdem Gummiringe
verschoben, das Schalenhäutchen abgestreift, dieWunde
aber verharrscht war. DieFrage
derAnheilung
bedarf also noch weiterer Untersuchungen.Wollen
wir uns aber aus analogen Heilungsvorgängen ein Bild für den frag- lichen Prozessam
Schalenhäutchenmachen,
somüssen
wir vor Allem darauf Rücksichtnehmen,
dass dieseMembran
aller zelligen Elemente entbehrt, also wie ein todtes
Gewebs-
stück angesehenwerden
muss,von dem
selbst keine Heilung- durch Zellenbildung ausgehen kann.Aus
denVersuchen
vonZiegler und Tillmanns
wissen wir jedoch, dass die Proliferationvon
Gewebszellen keine unerlässlicheBedingung
zur Entstehung
von
neugebildetemGewebe
ist, dass diese vielmehr einzigund
allein ausWanderzcllen
, also den aus- gewandertenweissenBlutkörperchen zu Standekommen
kann,und
sind daher zu derAnnahme
berechtigt, dass dieWander-
—
22—
zellen auch eine wesentliche Rolle bei der
Anheilung
des Schalenhäutchens anden
Perforationsrand des Trommelfelles spielen werden.Um meinen
Lesern dasNachschlagen
derVersuche von Ziegler und Tillmanns
zu ersparen, scheint es mir zweckmässig, dieselben so wie sie inKürze
in Bill- roth's1)Lehrbuch
beschrieben sind, wörtlich hier wiederzu- geben.Ziegler kittete zwei Deckgläschen so aufeinander, dass zwischen den beiden ein
Raum
übrig blieb, in welchen Flüssigkeit und Wanderzellen ein- dringen konnten. So zugerichtete Objekte brachte er in dieBauchhöhleleben- der Thiere und Hess sie daselbst längere Zeit hindurch, einen Monat und darüber. Dann wurden dieselben nach Behandlung mit Ueberosmiumsäure unter das Microscop gebracht und untersucht. Zwischen die beiden Glas- platten waren nun Wanderzellen eingedrungen und hatten sich daselbst zu einem zelligen Gewebe entwickelt, das in einzelneuFällen selbst neugebildete Gefässe enthielt. Sprachen schon diese Versuche für die Annahme, dass durch die Wanderzellen allein eine Gefässneubildung zu Stande kommenkönne, so bewiesen fernereVersuche, dass durch dieselbenVersuchegelegent- lich selbst eine Vereinigung getrennter Theile vermittelt werden könne.
Um
die Proliferation dernormalenGewebszellenvollständig auszuschliessen, brachte
Tillmanns
todte, d. h. in absolutem Alkohol gehärtete Gewebsstückchen, an denen durch Schnitte gleichsam Wunddefekte nachgeahmt waren, in die Bauchhöhle lebender Thiere—
unter Beobachtung gewisser Vorsichtsmass- regeln, auf die wir später zurückkommen werden. Da nun das todteGewebeselbst natürlich keine Zellen produciren konnte, so musste eine Zellenneu- bildung innerhalb des Wundspaltes durch eingewanderte Elemente der leben- digen Umgebung bewirkt werden. In der That fand
Tillmanns
nun an solchen Gewebsstücken eine vollständige Vernarbung der Defecte und zwar durchEinwanderungweisser Blutkörperchen(wie beidenVersuchenZieg1er's), Gefässneubildung und Umgestaltung der Wanderzellen zu Bindegeweben, also ganz denselben Vorgang, der bei der Heilung per primam intentionem unter gewöhnlichen Verhältnissen zu beobachten ist.Für
die supponirteAnheilung
des Schalenhäutchens anden Rand
der Perforation durchWanderzellen
scheintnun
') Billroth, Die allgemeine chirurgische Pathologie und Therapie.
Ii. Auflage, bearbeitet von
Alexander
von Winiwarter. Berlin 1883.das
Gewebe
des Trommelfells einen günstigenBoden
zu bieten, da es einen grossenReichthum
an Blutgefässen ent-hält, welche schon durch einen geringfügigen Reiz, wie z. B.
die Einführung eines Ohrtrichters in
den Gehörgang,
einestarke Füllung erfahren,
was man
an der lebhaften Injec- tion des Trommelfells ja täglich zu beobachten Gelegenheithat.
Auch
das Schalenhäutchen besitzt für dieAnheilung
sehr günstige Eigenschaften. Erstens klebt es, ich
möchte
sagen, saugt es sich, sehr fest an den Trommelfellrest an,
und
übt hier einen zwar milden aberandauernden
Reiz aus,dann
ist es aber auch zurAufnahme von
Blutplasmaund
Blutkörperchen seiner Structurnach
sehr geeignet.Wie
schon oben bemerkt, ist die Schalenhaut des Hühnereies ja nichts anderes als die ausgestossene Uterinschleimhaut. Sie
war
also eine lebendeMembran, wurde dann
als Schalen- haut desEies in eine todteohne
zelligeElemente
verwandelt, lindmacht am Rande
der Perforation eine zweiteMeta- morphose
durch,indem
sie durchEinwanderung von
zelligenElementen
ausdem Gewebe
des Trommelfells neuesLeben
empfängt. Lassen wirnun
aber dieHypothesen
über die Heilungsvorgänge, bei welchen die Phantasie freien Spiel-raum
hat, aufsich beruhen,und
kehren wieder zu den prak- tischenResultaten der Transplantationvermittelst der Schalen- haut zurück, so leistet dieselbenach
den bisherigen Erfahr-ungen
Alles,was man
nurvon
ihr erwarten kann.Das
be- weisen die zahlreichen Fällevon
glücklichen Heilungen, welche ich bereits in der kurzen Zeitvon wenigen Monaten
erhalten habe.
Um
diese kleine Schrift aber nicht zu sehr auszudehnen, will ich nur die beiden Fälle beschreiben, welche ich inunserem
Verein für wissenschaftliche Heil-kunde
vorzustellen Gelegenheit hatte.Der
erste Fall betrifft den 15jährigen Conditorlehrling Carl Grützke, welcher schon seitmehreren
Jahren an übel-riechendem
Ausfluss aus seinem rechtenOhre
leidet.Vor
2 Jahren
war
er schon einmal bei mir in poliklinischer Be- handlung, blieb aber bald,nachdem
sein Leiden etwas ge- bessert war, aus der Sprechstunde fort. Indem
Herbste vorigen Jahreskam
erzum
zweitenmal zu mir.Er war von
seinem Lehrherrn entlassen, weil sein Ohrenleiden zu ekel- haft wurde. DieUntersuchung
des rechtenOhres
ergibt einen grossen Defectim
Trommelfell, welcher fast die ganze vordere Hälfte einnimmt.Der
stehen gebliebene Theil des Trommelfells ist verdicktund von
matter grauer Farbe.Schleimhaut der
Paukenhöhle schwammig
verdickt. Starker eiteriger Ohrenflussvon üblem
Geruch.Am
12. Octoberist der Ausfluss so weit beseitigt
und
dieSchwellung
der Schleimhaut sozurückgegangen,
dass derVersuch, dieLücke im
Trommelfell durch Transplantation einesStückchen
Cutis ausdem Oberarm
zu verschliessen , indicirt erscheint.Am
3.
Tage nach
derAusführung
der Myringoplastik wird das überpflanzteHautstückchen
wieder durchzunehmende
Eiter-ung
in derPaukenhöhle
ausgestossen. Biszum
24. Octoberwerden nun
adstringirendeund
desinficirencle Mittel (meistensAqua
chlorata)angewandt
,und dann
die Verheilung der^effnung
durch einStückchen
Schalenhautvom
Hühnerei /ersucht. DieMembran
klebt gut an, reicht aber mitdem oberen Rande gerade
nur bis an den Perforationsrand heran, statt denselben, wie es sein sollte, einwenig
zu überragen.Sofort tritt eine erhebliche Gehörsverbesserung ein.
Am
25. October liegt die transplantirte
Membran
unverändert gut an.Am
26. October ist die Mitte des Schalenhäutchens einwenig
in die Perforationslücke hineingezogen. Biszum
2g. October lässt sich keine weitere
Veränderung
wahr- nehmen. Erstam
9.November
wird mir der Patient wieder von seiner Mutter zugeführt. Die Oeffnungim
Trommelfell erscheint fest verschlossen. DieNarbe
hat ein dunkleres Aussehen, als das übrige Trommelfellund
ist einwenig
durchscheinend. Als ich denKranken am
4. Januarc. wiedersah,
war
derBefund noch
derselbe alsam
9.November.
Am
12. Januar wollte ichmich davon
überzeugen,ob
dieVernarbung
auch das Ausspritzen desOhres
mitlauwarmem Wasser
vertragen würde.Zum
Ausspritzen wurde, wie das bei mir in derRegel
geschieht, eineMeyer
'sehePumpe
angewandt.
Der Kranke
hatvom
Ausspritzen keine un-angenehme
Empfindung. Die Inspection des Trommelfells ergibt aber nachdem
Ausspritzen, dass an der Spitze der Narbe, gerade an der Stelle, an welcher das Schalenhäutchen bei derAnlegung
nicht über den Perforationsrand hinüber- ragte, eine kleine punktförmige Oeffnung sichtbargeworden
ist.
Der
Patient hört ab^r ebenso gut wie vorher.Ob
sichdiese kleine Oeffnung
von
selbst schliessen wird oder nicht, das wird erst die weitereBeobachtung
lehren. ')So
viel steht aber fest, dass das überflüssige Ausspritzen desOhres nach
der Transplantation nicht ohne Gefahr ist, also durchaus vermiedenwerden
muss.Der
2. Fall, den ich vorstellte, betrifft einen 28jährigen Malergehilfen, welcheram
2.Weihnachtstage
aufdem
linkenOhre
eine Perforation des Trommelfelles durch eine Ohrfeigeerlitten hatte.
Es war
eine nicht unbedeutendeBlutung
ein- getreten. Die ziemlichgrosse Perforation lag in der Mitte der hintern Trommelfellhälfte.Ohne
dasOhr
auszuspritzen, wird') Als ich den Kranken am 25. Januar c. zum letzten Male sali, war der Befuud am Trommelfell genau so wie am 12. Januar.
—
26nach Reinigung
desGehörganges,
vermittelst eines "Watte- trägers, einStückchen
Schalenhaut über die perforirte Stelle geklebt.Es
liegt gut an, zieht sich aberauch
einwenig
(flach tellerförmig) in die
Oeffnung
des Trommelfells hinein.Sehr unbedeutende Verbesserung
des Gehörs. SubjectiveGehörsempfindungen
wie vorhin. Als ichden Kranken am
10. Januar
zum
letztenmal sah, lag das Schalenhäutchennoch
unverändert.Die
Operationgeschah
hierzum
Schutz der blossliegenden Schleimhautund
zurVerhütung von
Ohren-fluss, welcher zu befürchten war, weil sich der
Kranke
nicht schonen konnte.So
viel über diese beiden Fälle.Ob
sich das Schalenhäutchen des Hühnereies bei sehr grossen Defecten des Trommelfellsauch
zur Verpflanzung auf der granulirenden Schleimhaut derPaukenhöhle
eignet, dasmüssen
erst weitereVersuche
lehren.Nach meinen
bis-herigen