• Keine Ergebnisse gefunden

Wertschätzung in der Altenpflege Ѐ“ ein Beitrag zur Steigerung der Attraktivität des Berufsfeldes

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Wertschätzung in der Altenpflege Ѐ“ ein Beitrag zur Steigerung der Attraktivität des Berufsfeldes"

Copied!
18
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Wertschätzung in der Altenpflege –

ein Beitrag zur Steigerung der Attraktivität des Berufsfeldes, September 2012

Für ein gutes Leben im Alter in Berlin – Qualitäts- und Qualifizierungsoffensive für die Fachkräftesicherung in der Altenpflege

Erarbeitet im Rahmen des Projektes

»Gesellschaftliche Wertschätzung von Dienstleistungen steigern!

Dienstleistungsqualität – Arbeitsqualität – Zeitinnovationen«

(2)
(3)

Wertschätzung in der Altenpflege ein Beitrag zur Steigerung der Attraktivität des Berufsfeldes

Fachbeitrag

Erarbeitet im Rahmen des Projektes

„Gesellschaftliche Wertschätzung von Dienstleistungen steigern!

Dienstleistungsqualität Arbeitsqualität –Zeitinnovationen“

Anika Liedloff & Katrin Biermann BAB Institut für betriebswirtschaftliche und arbeitsorientierte Beratung GmbH Karl-Ferdinand-Braun-Str. 2

28359 Bremen und

Wert.Arbeit GmbH, Berlin

Gesellschaft für Arbeit, Chancengleichheit und Innovation Albrechtstraße 11a

10117 Berlin

Berlin, September 2012

Das Projekt wird gefördert aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Berlin Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen

(4)

Inhalt

1. Einleitung ... 3 2. Fallbeispiele aus der Praxis ... 6

Fallbeispiel 1: Die Gemeinsame Reflexion des Leitbildes kann dazu beitragen, ein handlungsleitendes Instrument zu entwickeln und die Qualität der Pflege zu steigern .... 6 Fallbeispiel 2: Aktive Einbindung der Interessenvertretung im Veränderungsprozess ... 8 Fallbeispiel 3: Unternehmensentwicklung eines ambulanten Pflegedienstes - Umgang mit neuen Herausforderungen durch Spezialisierung ... 10 Fallbeispiel 4: Personalentwicklung – Stärken der eigenen Mitarbeiter erkennen und fördern ... 12 3. Zu guter Letzt … ... 14

(5)

1. Einleitung

„2011 stand im Zeichen der Pflege. Die langfristige Sicherstellung der pflegerischen Versorgung alter und gebrechlicher Menschen ist uns dabei ein besonderes Anliegen.

Dazu gehört unbedingt, die Attraktivität der Pflegeberufe zu verbessern.“

So Annette Widmann-Mauz, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit im Mai 2011. Nun ist das Jahr der Pflege vorbei und wir fragen uns: Was ist in Bezug auf die Attraktivität des Pflegeberufes in die Wege geleitet worden? Wenn man die Betroffenen fragen würde, ob sie etwas von der Kampagne „Jahr der Pflege“ mitbekommen haben oder ihr tägliches Arbeiten sich dadurch spürbar verändert hat, würden sie wahrscheinlich keine Antwort wissen.

Was bedeutet es überhaupt, einen Beruf attraktiver zu machen und wer legt die Kriterien dafür fest? Wer, wenn nicht die Beschäftigten in der Pflege selbst oder potenzielle Neueinsteigerinnen und Neueinsteiger sollten über die Attraktivität eines Berufes entscheiden?

Diejenigen, die sich für einen Einstieg in die Pflege entscheiden, tun dies mit einer hohen intrinsischen Motivation und sehr klarer Wertvorstellung für die Ausübung der Pflege. Im Berufsalltag angekommen stellen diese Menschen vermehrt fest, dass sie ihre Wertvorstellungen und ihr Engagement vielen anderen Ansprüchen unterordnen müssen.

Der Erfolg ihrer Arbeit wird über die Erfüllung von festen Prüfkriterien gemessen, die allerdings wenig mit den Anforderungen an eine zugewandte pflegerische Versorgung von Hilfebedürftigen zu tun haben, sondern vielmehr auf Basis von Dokumenten und administrativen Vorgängen beruhen. Das direkte Helfen und Versorgen steht nun aus Sicht der Pflegenden eher im Hintergrund. Der Pflegeberuf hat viel von seiner ursprünglichen Anziehungskraft verloren – und das in Zeiten, in denen die Gesundheitsbranche mit anderen Branchen um die schon knapp gewordenen Nachwuchskräfte konkurriert.

Wie kann es gelingen, den Pflegeberuf trotz teilweiser enger Vorgaben und Rahmenbedingungen durch den Gesetzgeber und die Kostenträger auch in Zukunft attraktiv zu gestalten und sowohl erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Beruf zu halten, als auch Nachwuchskräfte zu gewinnen? Welche Rolle können die Betriebe hier kurzfristig einnehmen, um dem für sie bereits akuten Problem des Fachkräftemangels entgegenzuwirken?

Aus unserer Sicht ist Wertschätzung ein Schlüssel, um die Attraktivität des Pflegeberufes zu steigern, da es den Menschen, die sich für diesen Beruf entscheiden, häufig weniger um die Erbringung einer reinen Dienstleistung geht. Für sie ist die Arbeit nicht nur ein Mittel, den Lebensunterhalt zu bestreiten, sondern auch eine Lebenseinstellung. Pflege ist ein helfender Beruf, in dem Leistungserbringende mit den Leistungsempfangenden neben einer reinen Dienstleistungsbeziehung auch eine soziale, persönliche Beziehung eingehen. Diese Beziehung und häufig auch die Dankbarkeit, die einem im Alltag entgegengebracht wird, trägt dazu bei, dass dieser Beruf zu etwas ganz Besonderem wird. Dies ist aus unserer Sicht auch einer der wesentlichen Unterschiede und Wettbewerbsvorteile im Vergleich zu anderen Branchen im Wettbewerb um Fachkräfte.

(6)

Leider ist dieser weiche Aspekt der pflegerischen Arbeit in den vergangenen Jahren zunehmend in den Hintergrund getreten. Unser Finanzierungssystem richtet den Fokus ausschließlich auf die Vergütung von Zeiteinheiten der Dienstleistung „Pflege“. Altenpflege ist jedoch eine in hohem Maße interaktive Arbeit. Sie wird von Menschen für Menschen geleistet und setzt hohe soziale Kompetenzen auf Seiten der Beschäftigten voraus. Diese menschliche Beziehung lässt sich nicht zeitlich kalkulieren.

Pflegekräfte interagieren tagtäglich mit den Pflegebedürftigen und deren Angehörigen. Die Tätigkeit setzt in hohem Maße Einfühlungsvermögen voraus und erfordert Geduld sowie emotionale Belastbarkeit. Der Umgang mit Kritik und Beschwerden, Wünschen und Hoffnungen, ebenso wie mit Krankheit, Tod und Trauer sind Teil des Berufs. Anders als in vielen anderen Berufsfeldern stellt dies hohe seelische und emotionale Anforderungen an die Beschäftigen, die über das übliche Maß hinausgehen. Erforderlich sind vielfältige Kompetenzen wie Durchsetzungs- und Einfühlungsvermögen, kommunikative Fähigkeiten und die Steuerung von Arbeitsprozessen. All diese Aspekte sind entscheidend für den Beruf.

Die mit der Finanzierung zur Verfügung gestellte Zeiteinheit für die Durchführung der Pflege bildet all diese Faktoren nicht hinreichend ab. Dies birgt ein permanentes Potenzial von Unzufriedenheit und unerfüllten Bedürfnissen auf Seiten der Pflegbedürftigen, ihrer Angehörigen und auch bei den Pflegenden. Selbst einer der wesentlichen Aspekte, der dazu beiträgt, den Beruf der Pflegenden erfüllend zu gestalten, droht verloren zu gehen – bzw. ist bereits verloren gegangen: Der wertschätzende Umgang zwischen Pflegebedürftigen und Pflegekraft leidet unter dem knapp bemessenen Zeitbudget und falsch gesetzten Anreizen.

Hinzu kommt der alltägliche Druck, den der Beruf der Pflegenden mit sich bringt. Pflegekräfte sind das Bindeglied zwischen System sowie Patientin und Patient – und somit auch die Adressaten für Unmut und Kritik. Sie vermitteln und stützen im Falle von Leiden, Sterben und Trauer, weil sie vor Ort sind, wenn die Emotionen entstehen. Dies ist alles aber im Rahmen der vorgegebenen Budgets für Zeit und Geld zu erfüllen.

Auf der einen Seite ist der Anstieg der fachlichen Anforderungen und somit die Professionalisierung der Pflege als Wissenschaft in Deutschland überfällig gewesen und darum zu begrüßen. Auf der anderen Seite gibt es keine Anpassungen bei den Rahmenbedingungen, damit dieses fachliche Wachstum auch vollzogen und geschafft werden kann.

Ein Dienst im Laufschritt mit einer nicht enden wollenden To-Do-Liste gehört zum Alltag der Pflege. Der Alltag der Pflegenden ist viel zu oft dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht nur den Ansprüchen an ihre eigene Arbeit nicht mehr genügen, sondern vor die Herausforderung gestellt werden, die zunehmenden Ansprüche der Gesetzgebung und somit des Arbeitgebers zu erfüllen. Dies ist in der Realität oft schwer zu schaffen, jeder weiß es und trotzdem werden die Pflegenden viel zu oft mit diesem Dilemma allein gelassen. Der Stellenwert und Anspruch an die Pflegequalität steigt auf dem Papier seit Jahren. Ein aussagekräftiges Beispiel hierfür ist die gestiegene und eng abgeprüfte Anforderung an die Dokumentation von erkannten Risiken. Bei jeder Patientin und jedem Patienten muss unter anderem das Risiko einer Bewegungseinschränkung ermittelt, dokumentiert und entsprechende Maßnahmen zur Kontrakturenprophylaxe1 geplant werden. Das Beachten und Umgehen mit diesem Risiko war schon immer Bestandteil der Pflege. Neu ist, dass das

1 Verhinderung von dauerhaften Bewegungseinschränkungen bzw. Versteifung von Gelenken

(7)

professionelle Handeln nun über das geschriebene Wort geprüft wird. Damit die Dokumentation und damit die Fachlichkeit anerkannt wird, stellt die Prüfanleitung des MDKs folgende Richtlinien auf: „Zur Einschätzung des Kontrakturenrisikos gehört die Beschreibung der Gelenke (große und kleine) hinsichtlich ihrer Beweglichkeit und Bewegungsabläufe. Die gefährdeten Gelenke sind zu benennen.“

Diese Anforderung hat zu einer Fülle von Dokumentationsblättern geführt, die unterschiedlich ausführlich und unterschiedlich gut bei der Beschreibung helfen.

Grundsätzlich ist dagegen nichts einzuwenden, denn der Anspruch an aktivierende Pflege beinhaltet genau dies, durch die Motivation zur Bewegung sollen Bewegungseinschränkungen bzw. Kontrakturen verhindert werden. Geprüft wird aber nicht, ob der Patient aktivierend gepflegt wird (z. B durch eine Hospitation bei der Pflege), sondern ob die Dokumentationsblätter aktuell ausgefüllt sind. Was tatsächlich täglich am Bett passiert, kann so nicht beurteilt werden. Wertgeschätzt werden hier das Ausfüllen von Assessmentinstrumenten und das Ableiten von Maßnahmen für jedes gefährdete Gelenk und nicht die individuelle pflegefachliche Entscheidung an jedem Tag zur aktivierenden Pflege. Ob dies auch in der Realität dazu beiträgt, die Situation für Pflegbedürftige und Pflegende zu verbessern, bezweifeln die Akteurinnen und Akteure an der Basis.

Die gestiegenen Anforderungen spiegeln sich bisher auch nicht in der finanziellen Situation der Pflegenden wider. Werden Arbeitsbedingungen wie Nacht- und Feiertagsdienste, körperliche Anstrengungen, Schichtdienste, psychische Belastung und ständige Erreichbarkeit als ausreichend honoriert empfunden? Ist die Höhe der Vergütung einer solchen Dienstleistung auch im Vergleich mit anderen Branchen angemessen? Welches sind die zentralen Gestaltungsfaktoren für „Wertschätzung? Allein mit guten Worten ist Wertschätzung nicht überzeugend zu vermitteln.

Wir vertreten die These, dass Wertschätzung auf unterschiedlichen Ebenen gelebt und erfahren wird:

1. Die gesellschaftliche Ebene: Außenwahrnehmung, Anerkennung des Berufes in der Öffentlichkeit und den Medien

2. Die politische Ebene: Umsetzung von Gesetzen und Rahmenbedingungen

3. Die Ebene der direkten Leistungsempfangenden: Wahrnehmung und Wertschätzung durch Patientinnen und Patienten sowie ihrer Angehörigen

4. Die betriebliche Ebene: das Team, Kolleginnen und Kollegen, die Strukturen, aber auch Leitbild und gelebte Prozesse im Unternehmen

Die Möglichkeiten der Beeinflussung dieser Ebenen durch die Akteurinnen und Akteure vor Ort sind unterschiedlich ausgeprägt. Die direkte Einflussnahme auf Arbeitsbedingungen der Pflegenden ist grundsätzlich am ehesten im Betrieb gegeben. Die Einbeziehung der Ideen der Pflegenden in die Gestaltung des betrieblichen Alltags ist ein Zeichen des Ernstnehmens und macht das Vertrauen und die Wertschätzung der Pflegenden deutlich. Dazu bedarf es der Suche nach gemeinsamen Lösungen – oft genug über den Weg gemeinsamer Auseinandersetzung zwischen den Betriebsparteien über die aktuelle Arbeitssituation und mögliche sowie gewünschte Verbesserungsmaßnahmen vor Ort.

Darüber hinaus gibt eine solche breit zu führende Diskussion durchaus Impulse in den gesellschaftlichen Diskurs über die Rahmenbedingungen, unter denen Pflege hierzulande stattfindet und stattfinden soll. Insofern ist der engagierte sozialpartnerschaftliche Diskurs im

(8)

Betrieb ein wichtiges Feedback in die Gesellschaft und kann in diesem Sinne auch Impulsgeber für die Politik sein.

Das Land Berlin geht mit seiner Qualitäts- und Qualifizierungsoffensive „Für ein gutes Leben im Alter in Berlin“ bereits wichtige Schritte in diese Richtung. So wurden im Rahmen des Handlungsfeldes 1 der Offensive „die Attraktivität der Arbeit steigern“ wichtige Impulse auf der betrieblichen Ebene in verschiedenen Altenpflegeeinrichtungen gesetzt. Eine Ausweitung der Aktivitäten ist vorgesehen.2

Im Folgenden sollen vier Fallbeispiele aus der Beratungspraxis darstellen, wie Wertschätzung auf der betrieblichen Ebene umgesetzt werden kann.

2. Fallbeispiele aus der Praxis

Fallbeispiel 1: Die Gemeinsame Reflexion des Leitbildes kann dazu beitragen, ein handlungsleitendes Instrument zu entwickeln und die Qualität der Pflege zu steigern

Jede Einrichtung hat die Verpflichtung ein Leitbild für ihre pflegerische Arbeit vorzuhalten.

Leitbilder geben die Zielrichtung der Arbeit vor und formulieren einen Anspruch an Inhalt und Ausrichtung der pflegerischen Arbeit – leider kann dieser Anspruch im Arbeitsalltag nur schwer erfüllt werden und sorgt nicht selten für Zielkonflikte bei den Pflegenden.

Die steigenden Zielvorgaben, unter anderem durch den MDK und die Umsetzung der Charta für Menschenrechte, stellen in Zeiten knapper Personalressourcen eine Herausforderung dar. Nur allzu schnell entsteht die Gefahr, die Patientin oder den Patienten als reinen

„Zeitfresser“ zu sehen. Die Beschäftigten der hier betrachteten Beispieleinrichtung haben sich getraut, diesen Konflikt offen zu thematisieren und die eigenen Verhaltensweisen kritisch zu reflektieren. Gemeinsam wurde dann nach Lösungen gesucht:

Ausgangspunkt des Projektes war die Anforderung, das Pflegekonzept der Einrichtung zu überarbeiten. Das Ziel bestand darin, das Pflegekonzept als Handlungsanleitung und Orientierungshilfe zu formulieren. Die Beteiligung der Beschäftigten stellte hierfür eine Grundvoraussetzung dar. Eine Arbeitsgruppe, in der alle Qualifikationen und Abteilungen des Hauses unter moderierender Leitung einer Pflegefachkraft zusammenarbeiteten, wurde gebildet.

Gedankliches Grundkonzept für alle Überlegungen und Bewertungen bildete die „Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen“ mit ihren acht Artikeln3. Anhand eines Fragenkatalogs von mehr als dreißig Fragen wurde die Umsetzung der Charta in der stationären Einrichtung bewertet. Zu jedem Artikel gab es eine Arbeitssitzung, an der die Beschäftigten aller Professionen teilnahmen. Hierbei stellte sich heraus, dass die Sichtweise auf die Qualität der Umsetzung von den verschiedenen Bereichen im Haus (Pflege, Betreuung, Hauswirtschaft) durchaus stark unterschiedlich bewertet wurde. Ein Beispiel verdeutlicht dies sehr anschaulich:

2 Weitere Informationen über die Qualitäts- und Qualifizierungsoffensive „Für ein gutes Leben im Alter in Berlin“ sind unter www.dienstleistungsmetropole-berlin.de zu finden.

3 Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen http://www.pflege- charta.de/fileadmin/charta/pdf/Pflege-Charta.pdf

(9)

„Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat das Recht auf eine an seinem persönlichen Bedarf ausgerichtete, gesundheitsfördernde und qualifizierte Pflege, Betreuung und Behandlung.“

Eine behandelte Fragestellung zum Grad der Umsetzung dieses Artikels war, ob „individuelle Bedürfnisse und Bedarfe sowie Lebenshintergründe und Gewohnheiten der Bewohnerinnen und Bewohner bei der Pflege und Betreuung wahrgenommen und beachtet werden“? Die pflegenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten diese Frage für sich mit einen eindeutigen „voll erfüllt“ beantworten. Die Wahrnehmung ihrer Tätigkeit ließ gar keinen anderen Schluss zu, als dass die Pflege – so gut sie kann – die individuellen Wünsche und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner zu erfüllen versucht. Natürlich wurden organisatorische und strukturelle Schwierigkeiten beleuchtet, aber das Endergebnis wurde positiv eingeschätzt.

Beschäftigte aus dem Bereich „Hauswirtschaft“ merkten allerdings an, dass zum Beispiel bei der abendlichen Versorgung der Wunsch eines Bewohners oder einer Bewohnerin nach Begleitung ins Zimmer oder Bett mit der durchgeführten Reihenfolge der Pflegekraft nicht immer im Einklang steht. Wahrnehmung und kommuniziertes Feedback der Hauswirtschaftsbeschäftigten war, dass sehr stark fordernde Bewohnerinnen oder Bewohner zum Teil übersehen und absichtlich später versorgt werden.

Diese Kritik bzw. die Schilderung der Wahrnehmung löste eine Diskussion in angespannter Stimmung aus. Pflegende sahen sich in Rechtfertigungsnot und unter unbegründeter Kritik.

Die moderierende Kollegin musste schlichtend eingreifen und erst nachdem sich die Gemüter etwas beruhigt hatten, konnte objektiver über die beobachtete Situation diskutiert werden. Ursachen für das „Wartenlassen“ von Bewohnerinnen oder Bewohnern wurden analysiert. Verständnis löste Rechtfertigen ab und gemeinsam konnte über Strategien gesprochen werden, wie es zu einer größeren „Gerechtigkeit“ und mehr Zufriedenheit nach dem Abendbrot kommen kann. Die Wertschätzung der Arbeit der Pflege durch die Hauswirtschaft wurde trotz der Kritik an einer speziellen Situation deutlich und das Verständnis der verschiedenen Arbeitsbereiche wuchs.

Viele Fragen zur Charta lösten solche und ähnliche Diskussionen aus. Es wurde natürlich auch ein Blick auf die Hauswirtschaft geworfen (z. B. Artikel 3: „Privatheit: Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat das Recht auf Wahrung und Schutz seiner Privat- und Intimsphäre“). Und auch die Unternehmensleitung wurde anhand der Charta kritisch bewertet, aber auch positiv gewürdigt.

Nach der Bearbeitung der Selbsteinschätzung wurden auf Basis der Erkenntnisse Ziele für das Pflegekonzept entwickelt und darüber nachgedacht was nötig ist, um diese Ziele durch Maßnahmen zu erreichen. Ergebnis war ein Pflegekonzept, das gemeinsam entwickelt und vor allem auf Umsetzbarkeit geprüft wurde. Durch die Gespräche konnten die Teilnehmenden aus den verschiedenen Abteilungen ihre Wahrnehmung füreinander schärfen und ein gemeinsames Zielbild ihrer Arbeit entwerfen.

Grundvoraussetzung dafür, dass Ideen sichtbar werden, ist die Bereitschaft, Akteurinnen und Akteure einzubinden und auch „kleine“ Vorschläge ernst zu nehmen. Erste Schritte in diese Richtung sind beispielsweise Ideen- und Beteiligungsmanagement. Erfolgreiche

(10)

Unternehmen werden sich zukünftig daran erkennen lassen, wie sie in dem eng gesteckten rechtlichen und strukturellen Rahmen wertschätzende Rahmenbedingungen für ihr Personal schaffen. Auch hierzu soll ein Beispiel aus der Praxis ermutigen, auch bei weitreichenden Fragestellungen nicht vor Partizipation zurückzuschrecken: „Echte“ Partizipation der Beschäftigten ist ein richtiger Weg.

Fallbeispiel 2: Aktive Einbindung der Interessenvertretung im Veränderungsprozess

Die Regel ist, dass weitreichende strategische Entscheidungen auf der oberen Managementebene getroffen werden – häufig ohne frühzeitige Einbindung derjenigen, die diese Entscheidungen später umsetzen müssen. Umso bemerkenswerter ist dieses Beispiel aus der Praxis, in dem Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter im Aufsichtsrat nicht nur dafür gesorgt haben, dass eine systematische strategische Neuausrichtung der zu einem Gesundheitskonzern gehörenden Altenpflegeeinrichtung angestoßen und durchgesetzt haben. Die Belegschaft und insbesondere Führungskräfte der Einrichtungen wurden an der Konzeption neuer fachlicher Schwerpunkte beteiligt.

Die betriebliche Interessenvertretung hatte sich eigenen fachlichen und ökonomischen Sachverstand für diesen Prozess organisiert und unter Nutzung ihrer Rechte durchgesetzt.

Hintergrund der strategischen Überlegungen war ein ökonomisches Defizit der Einrichtungen. Verkauf oder Schließung waren die Alternativen zur strategischen Neuausrichtung. In einem Vorgutachten wurden diese Szenarien durch die Beratung geprüft.

Die Entwicklung der neuen Strategie lief im Rahmen eines professionellen Projektmanagements ab. In Projektgruppen wurden die Eckpunkte der Strategie und die neuen Leistungsschwerpunkte erarbeitet. Mitglieder der Projektgruppen waren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflegeeinrichtungen, Vertreterinnen und Vertreter des Betriebsrates, die Pflegedienstleitungen und Fachleute des Controllings. In diesen Runden wurden gemeinsam die Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken des Unternehmens bewertet, um auf dieser Basis Ideen für die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens ableiten zu können. Es wurden Markt- und Wettbewerbsanalysen und Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der Politik und Kostenträgern, aber auch den direkten Kooperationspartnern durchgeführt.

Die fachlich begründete Aufbereitung verschiedener tragfähiger Varianten ermöglichte sachliche Diskussionen auf allen Ebenen des Projektes und mit den relevanten Entscheidungsträgerinnen und -trägern bis hin zum Aufsichtsrat. Eine Lenkungsgruppe, in der auch der Geschäftsführer und die Betriebsratsvorsitzende vertreten waren, bereitete die Entscheidungsvorlage für den Aufsichtsrat vor – ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung des Projektes. Denn mit der strategischen Neuausrichtung sind Investitionen verbunden, nicht nur in Personalentwicklung und Change-Management, sondern in diesem Fall auch in Um- und Neubaumaßnahmen. Diese Investitionen sind notwendig, da die fachlichen Schwerpunkte nicht nur neue räumliche Strukturen erfordern, sondern teilweise auch eine veränderte Pflegephilosophie mit sich bringen.

(11)

Abbildung 1: Eine partizipative Projektstruktur

Der Aufsichtsrat hat sich für die Umsetzung des Konzeptes entschieden. Bevor der erste Spatenstich getan werden kann, geht die Entwicklungsarbeit aber erst richtig los:

Architektenentwürfe müssen geprüft werden, Wirtschaftlichkeitsberechnungen erfolgen, Personalentwicklungsmaßnahmen angestoßen und die Kostenträger von dem Konzept überzeugt werden.

Viel Aufwand für alle Beteiligten – klar, dass der Prozess nicht immer reibungslos abgelaufen ist. Aber am Ende tragen genau diese durch die Arbeit in Lenkungs- und Projektgruppen erreichten Rückkopplungsrunden dazu bei, dass sich alle mit diesem Projekt identifizieren, Entscheidungen besser nachvollziehen können und wissen, wofür sie sich anstrengen. Die Meinung und das Wissen der Mitarbeitenden und aller am Prozess Beteiligten spielte in diesem Fall eine elementare Rolle; ein schönes Beispiel für Wertschätzung der Fachkompetenz und des Expertenwissens in den eigenen Reihen, das gerne zum Nachahmen anregen darf.

Eine neue Strategie erfordert auch neue Konzepte und jemanden der sie umsetzt. Für alle Beteiligten stellen solche Situationen besondere Herausforderungen dar und erfordern ggf.

zusätzliche Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Änderung der bisherigen Arbeitsabläufe.

Ein weiteres Beispiel nicht monetärer Wertschätzung durch Führungskräfte und Unternehmen ist das Projekt eines ambulanten Pflegedienstes, der bereits vor Jahren auf die zunehmenden Herausforderungen bei der ambulanten Betreuung von Menschen mit Demenz reagiert hat.

(12)

Fallbeispiel 3: Unternehmensentwicklung eines ambulanten Pflegedienstes Umgang mit neuen Herausforderungen durch Spezialisierung

Ausgangslage war die steigende Belastung des Teams (von examinierten und nicht examinierten Pflegekräften) durch die Zunahme herausfordernden Verhaltens bei der Pflege.

Hinzu kam, dass die pflegerische Versorgung nur einen Aspekt der Kundenwünsche darstellte. Vielmehr benötigten pflegende Angehörige Zeit, Zuwendung und auch Beratung und Aufklärung, denn das Thema „Demenz“ war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht so öffentlich diskutiert wie heute. Strukturen wie Beratungsstellen, Broschüren usw. entstanden gerade erst in breit angelegter Form. Die benötigten und gewünschten Leistungen der Familien mit einem Demenzerkrankten waren und sind bis heute im Rahmen von pflegeversicherungsfinanzierten Leistungen nicht abrechenbar. Zeit und Zuwendung gehört nicht zum minutengenauen Einsatz von Pflegekräften in der ambulanten Versorgung. Pflege kann darum offenkundigen Bedarf nicht erfüllen und Pflegende sind nicht selten darüber frustriert.

Parallel dazu war das Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz (PflEG) gerade in Kraft getreten, Konzepte für den Umgang bzw. die Anwendung aber noch nicht gängige Praxis. Die ersten Pflegestudiengänge fassten Fuß und über eine Studentin der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg wurde im Rahmen eines Praxissemesters ein großes Projekt zum Umgang mit dem Krankheitsbild Demenz mit der deutlichen Ausrichtung

„Mitarbeiterentlastung“ konzipiert. Das erste, was Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter davon wahrnehmen konnten, war eine intensive Auseinandersetzung mit ihrem Praxisalltag über eine ausführliche Bedarfsermittlung mittels Interviews. Dieses Erzählen dürfen wurde bereits als sehr entlastend und wohltuend empfunden, obwohl es noch gar keine Lösungen für die beschriebenen Probleme und Anforderungen gab. Über die Auswertung entstand ein kleiner Katalog von nötigen Maßnahmen, um die Einrichtung für die wachsende Aufgabe der Betreuung von Demenzkranken und ihren Angehörigen auszurichten.

Erste Säule war die Personalentwicklung. Dazu wurde das Basiswissen zum Krankheitsbild für die unterschiedlichen Berufsgruppen angepasst und geschult. Auch die Hauswirtschaftskräfte ohne pflegerisches Aufgabenfeld wurden über die Krankheit und über die Auswirkungen auf ihre Tätigkeiten aufgeklärt. Der weitaus größte Teil der Personalentwicklungsmaßnahmen zielte allerdings nicht auf Detailwissen zum Krankheitsbild. Alle Veranstaltungen wurden in Kooperation mit der Studentin und einem Diplompsychologen durchgeführt und ausgewertet. Ziel war die Verhaltensebene der Beschäftigten. Die (Ab-)Sicherung im beruflichen Praxisalltag durch eingeübte Handlungen („Was mache ich, wenn …“) und die Steigerung der Kompetenz im kollegialen Austausch („Was hast du gemacht, als …“) über Feedbackgeben zur gegenseitigen Stärkung wurde in den Veranstaltungen eingeübt; es wurden Regeln vereinbart, in welcher Form miteinander Austausch, Kritik und Lob stattfinden kann und soll und wie sichergestellt wird, dass alle sich daran halten. So wurden Handlungs- und Alltagskompetenz gestärkt, das Bewusstwerden über die eigene tägliche Leistung bei der Arbeit wurde betont und gegenseitig wertgeschätzt.

Diejenigen, die viel Zeit in den Familien mit demenzerkrankten Menschen verbrachten (das nicht examinierte Personal), hatten häufig mehr Kompetenz im Entwickeln von deeskalierenden Strategien als das Pflegepersonal, das kurz für die Durchführung von medizinisch verordneten Maßnahmen „in die Häuslichkeit platzte“. Durch diesen Umstand

(13)

konnten die generell hierarchisch höher gestellten und für die Pflege Verantwortlichen einen Rollentausch mit den geringer Qualifizierten vornehmen. Professionalität beruhte nicht ausschließlich auf Wissen, sondern zum Teil auch auf Intuition und Kreativität. Kollegialität und Anerkennung der Leistungen von Beschäftigten mit anderen Qualifikationen (Hauswirtschaft) wurden gefördert, denn in den Veranstaltungen fingen alle bei Null an, es gab keinen Vorteil auf Basis der Grundausbildung.

Durch den Zuwachs an Kompetenzen im Team wurde parallel die zweite Säule des Konzeptes aufgebaut: die Entlastung von pflegenden Angehörigen. Der Kompetenzzuwachs im Entwickeln eigener Strategien bei herausforderndem Verhalten von Demenzerkrankten führte direkt dazu, dass Beschäftigte zu Ratgebern für Familien und Angehörige wurden.

Durch die Veranstaltungen sensibilisiert im eigenen Erleben von Situationen, wuchs der Grad an Verständnis für pflegende Angehörige und die Kompetenz zur Beratung. Die Anerkennung durch betroffene Familien, das Fragen und Helfen lassen führte zu einer Wertschätzung von außen. Darüber hinaus gab es einen weiteren Effekt: im Einzugsgebiet des ambulanten Dienstes mehrten sich die Anfragen nach Pflege und Betreuung von Demenzkranken. Die Einrichtung wurde als fachlich überdurchschnittlich kompetent wahrgenommen.

Damit wurde die dritte Säule des Konzeptes möglich. Die Einrichtung bildete eine eigene Abteilung, den „Fachdienst gerontopsychiatrische Pflege“. Über dieses neue Label mit starker Außenwirkung wurden nun nicht nur die bereits bestehenden Angebote an fachlich kompetenter pflegerischer Versorgung durchgeführt, sondern auch weitere Spezialisierungen wie die Gründung einer Selbsthilfegruppe für pflegende Angehörige von Demenzkranken, der Aufbau eines Helferkreises für Betreuungsleistungen in der Häuslichkeit und eine Betreuungsgruppe außerhalb der Häuslichkeit vorgenommen. Es wurden Fachtage zum Thema Demenz in Kooperation mit dem sozialpsychiatrischen Dienstes des Kreises durchgeführt und eine Sprechstunde zur Beratung für pflegende Angehörige eingerichtet.

Eine weitere Wertschätzung für die geleistete Arbeit erfuhr der ambulante Dienst durch die Teilnahme an der Ausschreibung zum Altenpflegepreis Schleswig-Holstein und dem Erreichen des dritten Platzes für die Maßnahmen der Personalentwicklung, also der ersten Säule des Projektes.

Diese Erfahrung stützt unsere These, dass die betriebliche Wirklichkeit als Impulsgeber in die Gesellschaft fungiert und auch politisch wahrgenommen wird.

(14)

Fallbeispiel 4: Personalentwicklung Stärken der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erkennen und fördern

Neben den Anforderungen, die eine große oder kleine (strategische) Veränderung mit sich bringen kann, birgt häufig schon der Arbeitsalltag eine Reihe an Herausforderungen, die ungelöst auf lange Sicht zu Unzufriedenheit führen können. Der administrative Aufwand hat über die Jahre deutlich zugenommen und wurde nicht spürbar bei der Personalbemessung berücksichtigt. Eine Pflegkraft, die sich vor Jahren für den Beruf entschieden hat, weil sie gerne mit Menschen arbeitet, steht nun täglich vor der Not, priorisieren zu müssen – lückenlose Dokumentation oder Zeit für die Bewohnerinnen und Bewohner? Auch hier gibt es Unterschiede: während die eine Pflegekraft nahezu mühelos ihre Pflegeplanungen schreibt, fällt es anderen unglaublich schwer. Es ist die Aufgabe im Rahmen von Personalentwicklungsmaßnahmen die Fähigkeiten der Mitarbeitenden zu kennen und sie entsprechend zu fördern. Auch können unterschiedliche Kompetenzen und Vorlieben bei der Teambildung berücksichtigt werden, sodass gegenseitige Unterstützung systematisch möglich wird. Sich mit den Stärken und Schwächen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auseinanderzusetzen, Entwicklungsmöglichkeiten anzubieten aber auch Grenzen zu respektieren, ist aus unserer Sicht ein deutliches Zeichen wertschätzenden Umgangs miteinander.

Im folgenden Beispiel hat sich eine stationäre Altenpflegeeinrichtung auf den Weg gemacht, ein neues Instrument zu entwickeln, das die Möglichkeit eines strukturierten Gespräches über die Fähigkeiten und Wünsche aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bezug auf ihre fachliche und persönliche Weiterentwicklung im Unternehmen bietet. Das hierzu entwickelte Instrument ist in einem längeren Prozess entstanden. Ausgehend von einem Fragebogen, der in verschiedenen Einrichtungen bereits seit mehreren Jahren für Personalentwicklungsgespräche angewendet wird, wurde in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat die Version für die Einrichtung entwickelt und abgestimmt.

Die Gespräche finden unter Leitung der Personalabteilung und Pflegedienstleitung statt, jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter wird zu diesem Gespräch eingeladen. Je nach Ergebnis werden individuelle Entwicklungskonzepte entwickelt und Ziele verabredet. Der „Kompetenz- Check“ wird jährlich wiederholt, um Erfolge sichtbar zu machen oder neue Ziele zu verabreden. Er dient nicht für arbeitsrechtliche Konsequenzen.

Die unterschiedlichen Kompetenzebenen wurden hier in vier Kategorien zusammengefasst, um möglichst trennscharf abgrenzen zu können:

1. Fachkompetenz:

Hier geht es grundsätzlich um die Fähigkeiten, die eine Pflegekraft durch Ausbildung, also Qualifikation, haben sollte. Diese Basisfähigkeit nennt man auch „formelle“ Qualifikation. Im Laufe einer Berufsbiografie verändern sich diese Kompetenzen durch Berufserfahrung, Fort- und Weiterbildung und persönliche Entwicklung. Hier spricht man dann von „materieller“

Qualifikation, sozusagen der Zugewinn zur Grundausbildung. Die Anforderungen an diese Kompetenzfelder werden also zum einen durch das Niveau der Grundausbildung gesetzt (eine Pflegefachkraft muss mehr können als eine Pflegekraft) und zum anderen durch die hinzugewonnen Fähigkeiten im Berufsalltag ergänzt.

(15)

2. Methodenkompetenz:

Hier wird ermittelt, ob eine Pflegekraft die zur Verfügung stehenden Techniken einsetzt und sich auch an die Verabredungen hält, dies zu tun. Beispiele dafür sind, ob Fristen bei der Dokumentation eingehalten werden und ob nötige Formulare benutzt werden. Dies wird daran gemessen, welche Qualifikation jemand hat, das heißt wozu sie oder er berechtigt und verpflichtet ist.

3. Sozialkompetenz:

In dieser Kategorie wird ermittelt, wie sich eine Pflegekraft in dem sozialen Geflecht der Einrichtung verhält – sowohl auf Ebene der Kolleginnen und Kollegen, als auch auf Ebene der Bewohnerinnen und Bewohner. Der Unterschied zur Personalkompetenz besteht darin, dass es um die Rolle im Team bzw. um die Interaktion mit anderen geht.

4. Personalkompetenz:

Diese Kategorie betrifft die Person selbst. Es geht hier um den Umgang mit sich selbst und die eigene Wahrnehmung.

Abbildung 2 Auszug aus dem Kompetenzcheck

Die Ausprägung, also der Mix der Erfüllung der geforderten Kompetenzen, macht das Profil jeder und jedes einzelnen Beschäftigten aus. Es gibt also einen Hinweis darauf, wie gut jemand aufgestellt ist, um die Anforderungen an ihre / seine Tätigkeiten zu erfüllen.

Je nach Ausprägung in den einzelnen Kategorien und unter Berücksichtigung der Wünsche der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, können nun Personalentwicklungsmaßnahmen in die Wege geleitet werden. Die Ergebnisse können darüber hinaus auch bei der Teamentwicklung und Aufgabenverteilung eine wichtige Rolle spielen, da nun die

(16)

individuellen Stärken und Eigenschaften der Beschäftigten besser berücksichtigt und gefördert werden können.

3. Zu guter Letzt

Die Herausforderungen in der Pflege werden auch nach dem Lesen dieses Artikels nicht kleiner. Nach wie vor wäre es wünschenswert, dass die Leistungen, die die Pflege für die Gesellschaft erbringt, auch in politischen und gesellschaftlichen Debatten mehr Anerkennung und Wertschätzung erfährt.

Aus den geschilderten Erfahrungen unserer Beratungstätigkeit folgt für uns, dass sich pflegerische Qualität nicht ausreichend und umfassend über die bestehenden Instrumente messen und bewerten lässt und darum die Rückmeldung an die Praxis fehlerhaft ist. Dies gilt in beide Richtungen, denn die „gute“ Qualität der Dokumente erfüllt häufig nicht die Ansprüche der Pflegekräfte an „gute“ Pflege. Nichts desto trotz gibt es nach unserer Auffassung eine Vielzahl an Möglichkeiten, Wertschätzung auf der Arbeitsebene erlebbar zu machen:

 So trägt Partizipation in Veränderungsprozessen dazu bei, die Interessen und das Wissen der handelnden Akteurinnen und Akteure wertzuschätzen, indem sie wichtig genug sind, um berücksichtigt zu werden. Dies erhöht nach unserer Erfahrung immer die Qualität des Ergebnisses.

 Die Rahmenbedingungen in der Pflege zielen darauf ab, die Qualität und Transparenz bei der Leistungserbringung zu erhöhen. Diese Ziele sind erstrebenswert – sie stellen die Handelnden vor Ort allerdings vor die Herausforderung, die Rahmenbedingungen zu operationalisieren und (er-)lebbar zu machen. Hier Raum für Diskussionen und echte Auseinandersetzung zu schaffen, trägt zur Wertschätzung der Bedürfnisse der Pflegenden bei.

 Echte Personalentwicklung orientiert sich auch an den Kompetenzen (aber auch Grenzen) und Wünschen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Eine ehrliche Karriereplanung und konsequente Förderung sind Ausdruck höchster Wertschätzung der Beschäftigten und machen deutlich, dass sie als individuelle Persönlichkeiten wahrgenommen werden.

Es besteht die Notwendigkeit sowohl auf politischer und gesellschaftlicher Ebene aktiv zu werden, als auch Veränderungen vor Ort in den Unternehmen voranzutreiben, um die Arbeitsbedingungen in den Betrieben zu verbessern und Wertschätzung zu leben und zu fördern.

Wie die dargestellten Fallbeispiele und die Aktivitäten im Rahmen der Qualitäts- und Qualifizierungsoffensive „Für ein gutes Leben im Alter in Berlin“ zeigen, ist Wertschätzung auf betrieblicher Ebene möglich und umsetzbar.

Die Berliner Offensive geht dabei sogar weiter und geht auch die Veränderung politischer Rahmenbedingungen an. In einem geplanten „Berliner Bündnis für Fachkräftesicherung in

(17)

der Altenpflege“ lädt die für die zuständige Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen Partnerinnen und Partner von Arbeitgeber- sowie Arbeitnehmerseite, Gewerkschaften und Berufsverbände, Krankenkassen sowie die Agentur für Arbeit zur Formierung eines breiten Bündnisses ein, um sich gemeinsam den Zukunftsthemen der Branche zu stellen.

Wünschenswert wäre, dass sich solche und ähnliche Initiativen in Zukunft ausweiten – einerseits geographisch, andererseits auch in Bezug auf den Umfang und die Intensität der Begleitung und Beratung von Pflegeeinrichtungen sowie der Ausgestaltung der Ausgangs- und Rahmenbedingungen – für ein besseres Arbeiten und mehr Wertschätzung in und für die Altenpflege.

Auch auf bundespolitischer Ebene gibt es eine Initiative, die die Wertschätzung und die Zukunft der Pflege in den Mittelpunkt rückt: Die Kampagne „Ich pflege weil“ des Bundesministeriums für Gesundheit stellt die Pflegenden in den Fokus der Aufmerksamkeit, beleuchtet ihre Arbeit und erläutert die Motivation von Beschäftigten, die diesen Beruf ergriffen haben4 – um dieses wichtige Feld einer breiten Öffentlichkeit zugänglicher zu machen und auf seine gesamtgesellschaftliche Bedeutung hinzuweisen.

Darüber hinaus ist auf Bundesebene eine „Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege“ geplant. Dabei arbeiten der Bund, die Länder und Verbände zusammen, um die Branche fit für die Zukunft zu machen und mehr junge Menschen für einen Beruf in der Pflege zu gewinnen.

Das Europäische Parlament hat ebenfalls die Wertschätzung in Dienstleistungsberufen – wie der Altenpflege – auf die Agenda gehoben: In seiner „Entschließung zu Frauen in Dienstleistungsberufen“ vom 11. September 20125 betont es die Schwierigkeiten, mit denen Frauen in diesen Berufsfeldern noch immer zu kämpfen haben – wie der Umgang mit flexiblen Arbeitszeiten und gleichzeitiger Vereinbarkeit von Familie und Beruf, dem hohen Anteil von Frauen in befristeten Arbeitsverhältnissen oder die Gehaltsunterschiede von Männern und Frauen. Die Entschließung fordert die Mitgliedstaaten der EU auf, für den Übergang von Dienstleistungsarbeit aus der Prekarität hinaus in reguläre Beschäftigungsverhältnisse zu gestalten und Beschäftigte stärker über Ihre Rechte aufzuklären. Dazu wird die Bedeutung des sozialpartnerschaftlichen Dialogs in Bezug auf die sozialen Rechte der Beschäftigten und ihre Absicherung unterstrichen. Ebenso werden Initiativen gefordert, um sowohl Arbeitgeber als auch die breite Öffentlichkeit über die Probleme und negativen Folgen unsicherer und irregulärer Beschäftigung zu sichern.

Aufholbedarf gibt es auch an anderer Stelle: So werden z.B. in Berlin betriebliche Qualifizierungsmaßnahmen zwar in technischen, naturwissenschaftlichen und IT-gestützten Branchen gefördert – dies umfasst prioritär Maßnahmen in den Funktionsbereichen Produktion, Beschaffung, Rechnungswesen, Personalwesen, Forschung und Entwicklung sowie Ressourcenschonung und Energieeffizienz6. Weiter heißt es in Bezug auf

4 Bundesministerium der Gesundheit: www.bmg.bund.de/ichpflegeweil

5 Europäisches Parlament: Entschließung zu Frauen in Dienstleistungsberufen vom 11.09.2012 http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=REPORT&reference=A7-2012-

0246&language=DE

6 Verwaltungsvorschriften über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung Betrieblicher Qualifizierungsmaßnahmen vom 16. Mai 2011: http://www.foerderdatenbank.de/Foerder-

(18)

Zuwendungsempfängerinnen und -empfänger: „Betriebe, die den technologisch geprägten Clustern und Handlungsfeldern der Gemeinsamen Innovationsstrategie der Länder Berlin und Brandenburg (innoBB) zuzuordnen sind, sind vorrangig zu fördern.“ Dies trifft nicht auf Unternehmen der Altenpflege zu – und es gibt kein weiteres vergleichbares Angebot für den Sektor. Folglich gilt es, betriebliche Qualifizierungsmaßnahmen zu forcieren und die Zugangsvoraussetzungen für den Zuwendungsempfang zu erweitern. Weiterhin ist es entscheidend, dass bei der Vergabe solcher Fördermittel auch und vorranging der Aspekt der betrieblichen Partizipation und der Beteiligung der Beschäftigten Berücksichtigung erfährt. Auf diesem Weg kann Wertschätzung in die betriebliche Praxis einziehen und gefördert werden.

„Was wir heute tun, entscheidet wie die Welt morgen aussieht.“ Frei nach diesen Worten des Schriftstellers Brosi Pasternak ist jetzt die Zeit, zu handeln.

DB/Navigation/Foerderrecherche/inhaltsverzeichnis.html?get=788c189c7fe9c2537d0f3c81c27e3ad6;v iews;document&doc=11535&typ=RL

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Ausgebrannte Pflegekräfte, die entnervt hinwerfen, können wir uns nicht länger leisten“, sagt Michael Löher, Vorstand des Deutschen Vereins für öffentliche und

… vor dem Hintergrund von Ansätzen kommunaler Sorge (Klie 2015, 2020; Wegleitner et al. Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung 2021). • Pflege

Die Beratungsstelle für berufsbezogene Jugendhilfe bietet Hilfe und Unterstützung für Jugendliche und junge Erwach-sene (bis 25 Jahren) an, die keine Arbeit haben, einen

Die 1.925 Krankenhäuser versorgen jährlich 19,4 Millionen stationäre Patienten und rund 20 Millionen ambulante Behandlungsfälle mit 1,3 Millionen Mitarbeitern. Bei 97

Der Deutsche Krankenhaustag ist die wichtigste Plattform für die deutschen Krankenhäuser und findet jährlich im Rahmen der MEDICA statt. Die Gesellschaft

Deshalb ist es wich- tig, eine starke GdP zu haben und wenn dazu aufgerufen wird auf die Straße zu ge- hen, müssen wir noch mehr werden, nur so können unsere Interessen auch gehört

Um- weltfaktoren wie Kälte oder trockene Heizungs- luft, Sonneneinstrahlung, aber auch zu heißes Föhnen, hormo- nelle Veränderungen oder die Einnahme bestimmter Arznei- mittel

Kunde ist Gast Eignen Sie sich bitte folgende Sichtweise an (wenn Sie sie nicht ohnehin schon haben): Ihr Kunde ist ein Gast in dieser Apotheke. Schön, dass er gerade zu